Boxen: Ruslan Chagaev – Kali Meehan
In Rostock findet der WBA-Eliminatorkampf zwischen Ruslan Chagaev und dem Australier Kali Meehan statt. Es geht um das Recht gegen David Haye um den Titel zu kämpfen. BTW: ist es eigentlich die letzte Übertragung des Universum-Boxstalls beim ZDF? Der Boxstall macht jedenfalls auf dem Ringboden viel Werbung für sein youtube-Angebot, dass demnächst seine einzige Medienpräsenz in Deutschland darzustellen scheint.
Meehan ist schon einmal auf allesaussersport aufgetaucht. 2004 bei einem Kampf gegen Hasim Rahman.
Ich habe den Australier Meehan zum ersten Mal gesehen und im Vorbericht machte er einen supersympatischen, telegenen und homorigen Eindruck. Er stellte sich als Seiteneinsteiger im Boxsport vor.
Und so kämpfte er auch. Nicht wirklich mit den Stilmitteln aus dem Bilderbuch des Boxsports. In erster Linie versuchte er Rahmans Rythmus zu zerstören, doch Rahman war überraschend gut vorbereitet und brachte Meehan schnell in Kalamitäten. Früh wurde Meehans Nase zu Brei gehauen und bereits in der zweiten Runde wurde Meehan durch den Gong von einem bevorstehenden KO gerettet.
Meehan ist Boxer Marke “ehrlicher Arbeiter” und würde niemals freiwillig zu Boden gehen. Er wurde von Rahman durch den Ring geprügelt, in der 4ten Runde in die Ecke getrieben. Ein Schlag nach dem anderen traf den Kopf von Meehan, der sich mit einer Hand in den Seilen halten musste. Bereits zu dem Zeitpunkt hätten viele Ringrichter den offensichtlich verteidigungsunfähigen Meehan rausgenommen, aber Meehan fiel und fiel nicht um.
Dafür tat der Trainer das einzig richtige: nach dem Gong warf er das Handtuch.
Gegner Ruslan Chagaev ist zuletzt negativ durch einen schlimmen Kampf gegen Klitschko aufgefallen.
Runde 1: Normalauslage (Chagaev) trifft auf Rechtsauslage (Meehan). Sehr verhalten geführte erste Runde zweier nur mäßig austrainierter Boxer. Sehr wenig Aktionen und ich wüsste beim besten Willen nicht, an wem ich sie gebe. Geht auch ein 9:9? Na gut: 10:10.
In der Runde 2 bringt Chagaev einmal eine verheerende Linke durch, bringt noch 1-2 weitere Schläge an. Bedenklich das Meehan schon etwas schwer und mit offenem Mund atmet. Die Fragezeichen bzgl. der Kondition des 40jährigen scheinen sich zu bewahrheiten. 20:19.
Runde 3: Meehan brachte bislang seine Reichweitenvorteile nicht zur Geltung. Chagaev agiert aber sehr vorsichtig und bleibt auf Distanz. Meehan in dieser Runde auch etwas geschickter mit der Führhand als Abstandhalter. Meehan bringt aber kaum zählbare Treffer an, vielleicht 1-2 Körpertreffer, aber es ist vorallem Chagaev der immer wieder 2-3 gute Treffer pro Runde anbringen kann. 30:28.
Runde 4 und Meehan atmet noch ein Stückchen schwerer. Nach einem Karussellbremserschwinger der Chagaev nur streift, muss Meehan 2-3 ganz tief Luft holen. Bei diesen weiten Schlägen ist Meehan sehr offen und Chagaev nützt es immer wieder für Treffer ins Gesicht, die Meehan nicht unbeeindruckt lassen können. Allerdings gibt es bei Chagaev wenig Hinarbeiten auf diese Schläge, wenig Körpertreffer oder sonstige Vorbereitungen. Es ist mehr ein Warten auf die Blöße die sich Meehan mit gewisser Zuverlässigkeit gibt. Es bleibt ein hoffnungslos einseitiger Kampf. 40:37.
Die Arbeit die Meehan auch in der Runde 5 anbietet ist schwach. Er lässt sich immer wieder in den Seilen stellen. Nicht nur seine Rechte hängt einladend tief. Chagaev schlägt auch immer wieder über seine Führhand hinweg. So wenig wie Meehan tut und so dominant Chagaev auftritt (ohne dass es Weltklasse wäre, was Chagaev da abliefert), darf man sich als Trainer des Australiers schon mal Gedanken machen, in welcher Runde man das Handtuch wirft. Runde 7? Runde 8? Es bleibt die gleiche Prozedur: Meehan bringt nichts und ist offen wie ein Scheunentor. Chagaev bringt von Runde zu Runde immer mehr Treffer an. 50:46.
Runde 6. Siehe Runde 5. 60:55.
Runde 7: Meehan wird aktiver, aber sehr viel mehr als ein Schlagen zentral auf die Doppeldeckung kommt dabei nicht raus Chagaev bleibt dominant, aber gleichzeitig auch relativ passiv. Er versucht nicht seine Dominanz auszuspielen und Meehan zu zerlegen. Schaut sich seine Schläge sehr bewusst aus – er scheint sie fast vorher durch zu telegraphieren. Ein schnellerer Mann im Schwergewicht könnte da mehr machen. 70:64.
Runde 8. Meehan kann nicht mehr, Chagaev will nicht mehr. 80:73.
Runde 9. Meehan ist ein durchaus gut aussehender Mann. Davon ist nach neun Runden zumindest auf der linken Gesichtshälfte nicht mehr viel zu sehen. Das linke Auge geht langsam zu. Bei allen Konditionsschwierigkeiten die sich da anzudeuten schienen und bei all den Schlägen die Meehan bekommt: er steht immerhin noch. Oder leider. Denn chancenlos lässt er sich immer weiter die Hirnzellen aus dem Kopf rausprügeln. Ich glaube Meehan hatte im gesamten Kampf noch keinen Schlag angebracht, der auch nur annähernd Wirkung erzielen könnte. 90:82.
Vor der Runde 10 fragt der Trainer ob Meehan weiterboxen will, wie er sich fühle. Meehan antwortet außer Atem: “second wind“, dass er den zweiten Wind bekommt und wieder zurückkommt. Trainer: “Wir wollen also weiterarbeiten? Okay.“. Na ja. Meehan gibt den stoischen Schlagroboter. Egal was auf ihn einschlägt, gibt er im Zehn-Sekunden-Abstand Schläge auf die Deckung von Chagaev. Das ist kein Eliminator-Kampf, sondern für Chagaev allenfalls ein besserer Aufbaukampf und Chagaev macht inzwischen zu wenig aus dem was Meehan ihm anbietet. 100:91.
In Runde 11 zeigt Meehan Nehmerqualitäten oder Chagaev hat Brei in seinen Handschuhen: Chagaev schlägt eine krachende Rechte, die Meehan voll erwischt – und Meehan zeigt null Reaktion und alibiboxt weiter vor sich hin. 110:100.
Während die 12te Runde vor sich hin schlürft, mal ein Blick auf das Boxen. Meehan wird von Fight News auf #15 geführt und Chagaev auf #9, Valuev gar auf #8. Beim Kampf letzte Woche, wurde Malignaggi auf #10 geführt und sah kein Land gegen die #2 Khan. Die Leistungsunterschiede in den einzelnen Gewichtsklassen sind hoffnungslos. Das Gefälle abseits der Top3 oder Top5 der Gewichtsklassen ist eigentlich geschäftsschädigend. Da muss das Boxen eigentlich dringend was drehen – aber die Boxverbände tragen das ihre zu der Verwässerung der sportlichen Qualität bei. Der kampf Chagaev – Meehan ist ein Spiegelbild. Eigentlich dürfte keiner der beiden einen Titelkampf gegen Haye bekommen. Zu wenig kam von Chagaev und von Meehan brauchen wir erst gar nicht zu reden.
Chagaev gewinnt auf meinem Zettel 120:109. Das Urteil der Punktrichter: 118:110, 117:111, 117:112.
“Ich möchte zuerst dem Bürgermeister von Rostock danken. Ein ganz großer Mann […] ich bin ein Rostocker” – Don King auf die Frage ob er so einen Kampf erwartet habe.