[12h49] Fabio Capello bestätigt gegenüber der BBC dass der defensive Mittelfeldspieler Gareth Barry gegen Algerien starten wird. Damit wird das englische Mittelfeld ein anderes Gesicht bekommen. Barry ist eher der Arbeiter, der hinten aufräumt und damit den anderen Mittelfeldspielern es erlaubt, sich in die Offensive stärker einzuschalten.
[12h02] Es gibt mehrere Gründe warum ich die WM eher in angelsächsichen als in deutschen Medien verfolge.
Die besseren Experten sind nur die halbe Wahrheit. Auch da gibt es durchaus hanebüchene Flops, wie z.B. der gestrige Komplettverriss des Spiels der Elfenbeinküste durch die ITV-Pundits. Ähnliches gilt auch für die Analysten an der Seite der Kommentatoren, wie Mick McCarthy, die mitunter eher simple Ansichten von Fußball haben. Die andere Sprache übertüncht viele Plattitüden.
Natürlich gibt es auch in der Aufarbeitung Flops, wie z.B. die Tageszusammenfassung der BBC Match of the Day, die unter dem Chiles-Nachfolger Colin Murray zur Slapstick-Show mit maximal fünfminütigen Zusammenfassungen verkommen sind.
Aber im Verhältnis zu dem was im deutschen Fernsehen abgeht, ist das wenigstens noch straight, sehr direktes Spiel. Ein paar Beispiele aus dem deutschen Fernsehen.
Ich sehe gerade Jessica Kastrop. Hölzerne Moderationen in der z.B. die eigentliche Aussage (heute nachmittag spielt Spanien in Durban gegen die Schweiz) mit zahlreichen Nebensätzen garniert werden, die faktisches Wissen zeigen, aber die eigentliche Information nicht anreichern (Durban war auch Austragungsort des deutschen Spiels). Wo die Engländer also ein vertikales Spiel mit viel Zug zum Tor haben, ist dass eher Querpass-Geschiebe, Tempo-Verschleppung und ein wertloses Dribbling bei dem man gleich am ersten Defensivspieler zerschellt.
Diese Anmoderation ist nur ein Beispiel von vielen. Der Nachrichtenblock in den SKY WM-Sendungen ist ein weiteres Beispiel. Am schlimmsten war es am Samstag, als Hartmut von Karmike nicht nur inhaltliche Gurkennachrichten meldete, sondern darüber hinaus sein Kampf mit dem Grafiktablett und dem iPad in den Mittelpunkt rückte. Dieses Tablett im Nachrichtenblock ist ein Gimmick ohne offensichtliches Mehrwert. Im Gegenteil: wenn man Teile einer Website besonders markieren will, dann kann man das optisch besser herausheben, als durch das Live-Stift-Gefuchtel des Nachrichtenmoderators, der genügend mit dem Sprechen der Nachricht zu tun hat.
Wie weltfremd und absurd diese Art der Moderation mit Gimmicks oder dem Anreichern von völlig nebensächlichen Dingen ist, zeigte gestern im ZDF Katrin Müller-Hohenstein. Da wurde aus dem Geburtstag von Oliver Kahn erst einmal ein Zirkus gemacht. Das Geburtstagsgeschenk an Oliver Kahn, eine wahnsinnig originelle Vuvuzela – liebe Redaktion, wieviele Mannstunden wurden zum Ausdenken dieses Geschenkes verbraucht? – wurde von KMH immer wieder aufgegriffen. “Oliver, wo hast du deine Vuvuzela?” knappe drei Stunden nachdem die Vuvuzela überreicht wurde. Zum Vergleich: das BBC-TV-Team feierte den Geburtstag von Alan Hansen mit einem kleinen Witz von Gary Lineker am Rande und gut war. Über Twitter wurden noch einige Photos der Torte verbreitet – adäquate Infos über einen adäquaten Medienkanal.
Das Brasilien-Spiel war nur einige Minuten alt, da stieg KMH mit Oliver Kahn richtig tief in die Analyse des Spiels ein. “Was ist das erste was du vermisst, wenn du weg bist von zuhause?“.
Ganz ehrlich: wie weit weg muss man in Gedanken von Fußball und WM vor Ort sein, wenn einem ernsthaft solche Fragen in den Sinn kommen? Was für ein journalistisches Selbstverständnis herrscht beim ZDF?
Die Bankrotterklärung gipfelte in die Frage von KMH an Bettina Schausten in Berlin, als kurz zu einer Schalte zum Zapfenstreich des Bundespräsidenten geschaltet wurde. Wollen wir uns kurz mal in KMH hineinversetzen. Das Brasilien-Spiel ist gerade abgepfiffen worden. Ein interessantes Spiel. Der Ablaufplan sieht eine Schalte zur Verabschiedung des Staatsoberhauptes vor, der nach einer Äußerung sehr empfindlich auf Kritik reagierte und zurücktrat. Der erste Bundespräsident der vorzeitig zurückgetreten ist. Der Nachfolger wird erst noch gewählt. Es findet ein PR-Kampf zwischen Wulff und Gauck statt. Was fragt man in dieser Situation die Reporterin vor Ort in Berlin? Wie leitet man über?
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Wenn man ZDF-Sportmoderatorin ist: “Was waren heute die emotionalsten Momente?”
The Michael Steinbrecher-Way of Journalism.
Die JBK-Variante.
Offen gesagt: mir wäre diese Frage nicht einmal im Traum eingefallen. Es wurde nicht einfach gefragt was los war. Es wurde nicht nach besonderen Momenten gefragt, sondern nach den “emotionalsten Momenten”
Ja. Das ist eine pauschale Kritik. So ist das auch gedacht, weil es mir nicht darum geht, Jessica Kastrop, Hartmut von Karmicke oder Frau Müller-Hohenstein an die Wand zu nageln. Ja, diese Kritik trifft auch falsche Leute und trifft auch gute Ansätze die in den deutschen Kanälen ab und zu zu sehen sind. Aber diese Kritik fällt auch deswegen pauschal aus, weil ich es für ein Problem des Systems halte. Weil offensichtlich in den Redaktionen niemand den Finger drauf hält und sagt “Stopp!“. Stattdessen wird über zwei Tage über einen sprachlichen Lapsus sich aufgeregt, der in einer mehrstündigen Livesendung auch mal passieren kann (und den viele auch nicht für gravierend hielten).
Die Redaktionen die diese Linie verantworten, mögen sich im Recht fühlen, weil es die Einschaltquote hergibt. Aber wie weit hat sich diese Form der Sportübertragung vom Journalismus verselbstständigt? Wo ist sowas wie Ethos oder journalistischen Werte geblieben?
Dieser eine Satz “Was waren heute die emotionalsten Momente?” von KMH verdeutlicht für mich wie kein anderer, wieweit sich inzwischen die Sportübertragung von irgendwelchen journalistischen Bewertungsmaßstäben entfernt haben. Und das sich anscheinend in den deutschen TV-Anstalten niemand dagegen wehrt oder versucht ein Korrektiv zu setzen, finde ich als TV-Konsument abgrundtief frustrierend. Und deswegen fühle ich mich, bei all ihren Fehlern, bei den Briten besser aufgehoben.
[11h50] Wie man Zahlen interpretieren kann. Der Guardian hat in seinem Tagesblog die Zahl der Tore der ersten 14 WM-Partien aufgelistet.
- 1930 – 46
- 1934 – 54
- 1938 – 60
- 1950 – 42
- 1954 – 71
- 1958 – 31
- 1962 – 30
- 1966 – 35
- 1970 – 35
- 1974 – 32
- 1978 – 37
- 1982 – 40
- 1986 – 28
- 1990 – 30
- 1994 – 29
- 1998 – 28
- 2002 – 33
- 2006 – 27
- 2010 – 23
Für den Guardian und für Spox in seinem WM-Ticker ein klarer Beleg: “Noch nie zuvor wurden bei einer WM-Endrunde in den ersten 14 Spielen so wenig Tore erzielt wie in Südafrika.”
Stimmt. Aber der Jammerei allenthalben nach zu urteilen, müssten 2006 zirka zwanzig Tore mehr gefallen sein. Nur vier Tore mehr? Die bisherige Torarmut dieser WM wird an nur vier Toren weniger gegenüber 2006 aufgehängt?
[11h34] Schon lange eine Verlinkung wert und auch öfters in den Kommentaren verlinkt gewesen: Boston Globes “The Big Picture” zum WM-Auftakt. 42 großformatige Bilder.
[11h29] Diverse Tweets und Meldungen sagen inzwischen, dass der eingeklemmte Ischiasnerv von Italiens Torwart Gigi Buffon gravierender als gedacht ist und er möglicherweise für den Rest der WM ausfallen könnte.
[11h26] Englands Fabio Capello hat eine etwas merkwürdige Art seinen Torwart Robert Green aufzubauen: er will vor dem Freitagsspiel die Aufstellung, inkl. Torwart, erst zwei Stunden vor Anpfiff bekannt geben.
[11h04] Der heutige WM-Tag kennt drei Spiele.
Honduras – Chile (13h30) – zwei Unbekannte treffen aufeinander, wobei Chile aufgrund der Südamerika-Quali (dritter Platz, punktgleich mit dem Zweiten Paraguay) weitaus höher gehandelt wird. Nach der Analyse von zonalmarking.net (auf der Seite gibt es weitere interessante Links) darf man ein taktisch sehr interessant eingestelltes Team erwarten, dass sehr hoch aufgestellt ist. Bezeichnend für den Offensivgeist der Chilenen sind 32 geschossene Tore in der Quali, nur eines weniger als Brasilien.
Spanien – Schweiz (16h) – der große WM-Favorit gegen angeschlagene Schweizer. Die Schweiz ohne Frei und Behrami, die aber morgen ins Training wieder einsteigen können. Die Schweiz möglicherweise mit einem 4-2-3-1 und der Frage ob sie das Mittelfeld mit Derdiyok eher offensiv oder mit Schwegler eher defensiv ausrichten. Es ist Hitzfeld. Es geht gegen das spanische Mittelfeld. Spricht nicht vieles für die Schwegler-Variante? Hitzfeld kündigt schon mal Konter-Fußball an.
Auch die Schweizer können live-tickern. Der Tagesanzeiger zählt die Stunden bis zu dem Schweizer Eröffnungsspiel runter.
Südafrika – Uruguay (20h30) Für Südafrika eine komplett andere Herausforderung als die Partie gegen vorwärtsorientierte Mexikaner. Uruguay wird sich hinten reinstellen und geschickt verteidigen. Südafrika wird sich mit seinem sehr direkten, sehr vertikalen Spiel extrem schwer gegen tief stehende Uruguayer tun. Die Partie könnte eine eher harzige Angelegenheit werden.
[10h53] Ein weiteres aufkommendes WM-Thema: die Temperaturen. Gestern wurde für das Spiel der Engländer am Donnerstag Schnee vorhergesagt. Heute abend soll es für das WM-Spiel Südafrikas in Pretoria minus 3 Grad werden.
[09h55] Größeren Interpretationsbedarf gibt es für das gestrige Spiel Brasilien – Nordkorea, wo viele eine schwache Leistung der Brasilianer gesehen haben.
Ich fand dass die Leistung in einigen Aspekten zu wünschen übrig ließ, aber durchaus eines Favoriten würdig war. Das Klischees der um ihre Gegner herum sambatanzenden Brasilianer hat offensichtlich zu falschen Erwartungen bzgl. des Tempos und der Spielweise geführt.
Für mich war das eine der Qualitäten der Brasilianer, dass sie gestern konstant spielten und nicht einfach ein fünfzehnminütiges Technik-Feuerwerk abgehalten haben, dass dann wirkungslos verpuffte, sondern ruhig ihr Spiel auspielten und auf die Fehler warteten. Auch nach dem 1:0 widerstanden sie der Verlockung Showeinlagen einzulegen und haben kaltblütig mit einem tödlichen Pass in der 72ten Minute das 2:0 aufgelegt.
Wo es IMHO etwas zu kritisieren gab, dann war es das Tempo im horizontalen Spiel entlang des nordkoreanischen Abwehrbollwerk, dass nie hoch genug war, um Lücken zu reißen. Auch die Defensive hat mich mit teilweise großen Abständen zwischen Abwehr und Mittelfeld nicht überzeugt und Linksverteidiger Bastos ließ recht viel zu.
Aber die brasilianische Vorstellung war heuer eine der Besten der WM-Favoriten in Südafrika.
[09h53] Die Engländer haben inzwischen auf die gestrigen Beckenbauer’schen Statements reagiert. Fabio Capello begnügt sich mit einem schlichten “Der Ball ist schuld”. Sven-Göran Eriksson soll angeblich die Einberufung eines Treffens aller Mannschaften verlangen um über den Ball zu sprechen.
[09h26] Der GUARDIAN stellt die besten Zeitungstitelbilder zur WM in einer Fotogalerie zur Verfügung.
[09h00] Moinsen. Tag Sechs der WM. Und ein wichtiger Tag für Südafrika. Weniger weil Südafrika heute abend sein zweite Gruppenspiel absolviert, sondern weil heute vor 34 Jahren der Aufstand gegen das Apartheidsregime in Soweto begann.
Der Tropfen der das Faß zum Überlaufen brachte, war ein Gesetz das die Sprache der weißen Buren Afrikaans in den Schulen zementierte. Eine enorme Benachteiligung der schwarzen Schüler, die diese Sprache nicht praktizierten und in den unteren Stufen der Schule auch kaum beigebracht bekamen. Heute vor 34 Jahren demonstrierten im Township Soweto bei Johannisburg 15.000 bis 20.000 Schüler gegen dieses Sprachgesetz. Die Polizei schlug die Demonstration blutig nieder und schoß auf die Menge. Nach offiziellen Angaben kamen 575 Menschen bei der Demonsration ums Leben. Dies war der Auftakt für Jahre währende Schulboykotts und Unruhen in Südafrika und ausdauernden Protesten auf der ganzen Welt. Noch heute spricht man von den damaligen Kindern und Jugendlichen als “Lost Generation“. Nur mit ein Minimum an Schulbildung ausgestattet, sind diese knapp 5 Millionen Menschen kaum in die Gesellschaft zu integrieren. Qu: Independent (2006), TIME (1991), NY Times (1990)