Screensport am Sonntag: Über NFL-Gefängnis-Insassen
Nach einem turbulenten College Football-Tag (wenn ich es richtig gezählt habe: 5 Niederlagen von Top25-Teams gegen niedriger gerankte Teams), ist heute die Profi-Version des Footballs dran, die NFL.
Spannend ging es schon im Vorfeld in Houston zu, wo Headcoach Bill O‘Brien und GM Rick Smith seit Donnerstag mehrere Tage lang mit einer Bombenentschärfung beschäftigt waren. ESPN berichtete am Freitag von einer Krisensitzung von vorletzter Woche zwischen Spieler, Spielergewerkschaft und Teambesitzern in der es um die Nationalhymnenproteste und fallenden Einschaltquoten ging. Texans-Besitzer Bob McNair wird von einem anschließenden Teambesitzer-Treffen mit den Worten zitiert: „Wir können nicht die Gefängnisinsassen das Gefängnis lenken lassen“ – McNair entschuldigte sich noch im laufenden Meeting beim anwesenden Vertreter der Spielergewerkschaft für seine Wortwahl.
O‘Brien und Smith bekamen vorab Wind von dem ESPN-Artikel und schätzten sofort die Auswirkung dieses Statements, insbesondere des Ausdrucks „Gefängnisinsassen“ auf die eigenen, überwiegend schwarzen Spieler, korrekt ein. Es wurde eine mehrstündige Teamsitzung zur internen Aussprache einberufen, in der sich die Spieler auskotzen konnten. Einige Spieler kochten und wollten das Team verlassen. Zwei Spieler ließen das Freitagstraining sausen, u.a. Pro Bowl-WR DeAndre Hopkins.
McNair veröffentlichte am Freitag eine Entschuldigung und traf sich am Samstag vor dem Abflug des Teams, mit den Spielern und veröffentlichte danach eine zweite Entschuldigung. Trotzdem wird teamintern immer noch eine Demonstrationsaktion vor dem heutigen Spiel nachgedacht.
Seattle Seahawks – Houston Texans ab 21h05 auf ProSieben MAXX – Achtung, nach der Winterzeit-Umstellung, ist der komplette US-Sport heute eine Stunde früher dran.
Zurück zur politischen Seite der NFL. Am ersten Wochenende des breiten Hymnenprotestes, durch Donald Trumps Bemerkungen getriggert, zeigten sich noch die Teambesitzer zu weiten Teilen solidarisch. Selbst Trump-Unterstützer wie Houstons McNair, Dallas‘ Jerry Jones oder Jacksonvilles Shahid Khan, zeigten große, öffentliche Teilnahme am Hymnenprotest.
Diese Solidarität dauerte aber nur wenige Tage. Die meisten sind schneller wieder zurückgerudert, als man es bei einer Ruder-WM sehen kann. Insbesondere in Dallas und Houston scheint es massenweise Fan-Unmut gegen die Proteste gegeben zu haben, der Jones und McNair, aber auch NFL-Commissioner Goodell, dazu gebracht hat, sich verbal deutlich gegen die Hymnenproteste zu positionieren. Das Arschloch Trump hatte leider bei den Hymnenproteste die bessere Antenne für die Fan-Stimmung als die Spieler. Oben erwähnter, sehr lesenswerter ESPN-Artikel, beschreibt wie sehr der Protest und der von Trump hineingetriebene Keil, die NFL in eine Identitätskrise gestürzt hat.
Und bei aller öffentlich gezeigten Solidarität, hat QB Colin Kaepernick, „Erfinder“ des Kniens während der Hymne als Protest gegen die Diskriminierung von Schwarzen in den USA, weiterhin keinen Job in der NFL, was sportlich nicht zu rechtfertigen ist. Kaepernick hat inzwischen eine Klage gegen die NFL wegen unrechtmäßiger Absprache der NFL-Franchises gegen eine Anstellung von ihm, eingereicht.
Nächste Woche steht das nächste Krisentreffen zwischen Teambesitzer und NFL-Spieler an – diesmal ist sogar Colin Kaepernick eingeladen.
Sportlich halten sich die heutigen NFL-Ansetzungen zurück. Es gibt wieder ein London-Spiel: ab 14h30 auf ProSieben (nicht ProSieben MAXX) Cleveland – Minnesota. Gelingt Cleveland der erste Sieg der Saison? Kann Minnesota den vierten Sieg in Folge holen und damit an der Spitze der NFC North bleiben?
Bei den 18 Uhr-Spielen halte ich das ran.de/DAZN-Einzelspiel Tampa Bay – Carolina am Interessantesten. In diesem NFC South-Duell ist für die ursprünglich höher eingeschätzten Bucs möglicherweise der letzte Moment gekommen, wo sie die Weichen gen Playoffs stellen können.
Ebenfalls um 18 Uhr: NY Jets – Atlanta, ein Interconference-Duell. Atlanta verlor nach drei Siegen in Folge, dreimal in Folge, steht bei 3–3 und damit ein Spiel hinter New Orleans und Carolina. Die Jets verloren zuletzt zweimal in Folge und stehen mit 3–4 ein Spiel unter .500.
Um 21h05 gibt es das NFC East-Duell Washington – Dallas, mit den zwei erzkonservativen Teambesitzern und zwei Teams die bei 3–3 stehen.
Sektion Leder
In der Bundesliga stammen die beiden Sonntagsspiele aus der unteren Tabellenhälfte, aus der gestern nur die Hertha einen Sieg hat einfahren können. Um 15h30 #17 Werder Bremen – #11 Augsburg (Werder nun mit 3 Toren aus 9 Spielen) und ab 18 Uhr #14 Stuttgart – #15 Freiburg.
Spitzenspiel in der Eredivisie ab 12h30: #4 Vitesse – #1 PSV. Beide Teams bislang nur mit einer Niederlage in der Saison, aber der PSV ist das deutlich torgewaltigere Team – 29 Tore nach 9 Spielen. Sportdigital und DAZN übertragen.
In der Premier League gibt es heute zwei Spiele und in beiden Spielen stehen Trainer im Fokus. Bei #12 Brighton – #18 Everton gibt es das erste EPL-Spiel von Everton nach der Entlassung von Trainer Koeman. Interimscoach ist der U23-Trainer David Unsworth.
Um 17 Uhr tritt Leicester Citys neuer Trainer Claude Puel seinen Job an, #15 Leicester City #18 Swansea– Puel, einst erfolgreich in Lille, Lyon und Nice, aber in der Premier League schnell in Southampton gefeuert, könnte per Sieg seinen Trainerkollegen von Swansea, Paul Clement, in Kalamitäten bringen. Beide Spiele auf DAZN
Freakspiel in der Ligue 1, wo das absolut enttäuschend gestartete #19 Lille mit Trainer Marcelo Bielsa um 21 Uhr auf Bielsas Ex-Team #5 Olympique Marseille trifft – Ja, El Loco ist nach nur einem Sieg aus neun Spielen immer noch Trainer in Lille. DAZN streamt.
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