The Return of Endspiel für SPORT1

Vor etlichen Monden, im Dezember 2013, rauschten Ad-Hoc-Mitteilungen durch die Gazetten: SKY würde den technischen Dienstleister Plazamedia von Constantin Medien übernehmen und sich mit 25,1% an SPORT1 (dem Sender und seinem Vermarkter) beteiligen (siehe allesaussersport von 2013 „Endspiel für SPORT1) – ein halbes Jahr später wurde die Übernahme auf Geheiß von Dieter Hahn wieder abgeblasen.

In dieser Woche ist wie ein Untoter wieder ein SPORT1-Verkaufsgerücht aus der Gruft entstiegen und seit gestern Nachmittag dank Ad-Hoc-Mitteilung von Constantin Medien, auch bestätigt:

Die Constantin Medien AG erwägt den Verkauf sämtlicher Geschäftsanteile an der Sport1 GmbH und der Sport1 Media GmbH, die sie über ihre hundertprozentige Tochtergesellschaft Constantin Sport Holding GmbH hält. Die Constantin Medien AG führt hierzu derzeit ein strukturiertes, kompetitives Bieterverfahren mit mehreren Kaufinteressenten durch. Die Konditionen für den möglichen Beteiligungsverkauf, insbesondere der Kaufpreis, stehen noch nicht fest und werden von dem Vorstand vor seiner Entscheidung einer eingehenden Prüfung unterzogen.

aus: Ad-Hoc-Mitteilung der Constantin Medien AG vom 16.6.2017

Plazamedia, die dritte Tochter des Sportbereiches von Constantin Medien, wird in der Ad-Hoc interessanterweise nicht genannt.

Angebot und Nachfrage

Was die Ad-Hoc-Meldung auch nicht nennt, sind die Interessenten, die dafür von etlichen Medien (z.B. FAZ) genannt werden: Sky Deutschland, der Axel Springer-Verlag und Freenet (Besitzer der kostenpflichtigen DVB-T2-HD-Plattform in Deutschland).

Die Ad-Hoc-Meldung der SPORT1-Mutter Constantin Medien AG spricht immerhin bereits von „kompetitiven(!) Bieterverfahren“ und die FAZ meldet das Constantin Medien bereits Fusionsspezialisten und die im Sportbusiness bekannte Kanzlei CMS ins Boot geholt habe.

Die große Unbekannte ist derzeit aber, wer dieses „Constantin Medien“ ist, das da gerade verhandelt.

Seit mehr als einem Jahr ist der Medienkonzern zwischen den zwei Großaktionären, Bernhard Burgener und Dieter Hahn gespalten, die unterschiedliche Visionen für Constantin Medien haben und sich aufs Heftigste auf Hauptversammlungen und vor Gericht bekämpfen. Haben die Verkaufsgespräche den Segen beider Fraktionen oder muss mit Störfeuer juristischer Natur gerechnet werden? Money-Quote aus der Neuen Zürcher Zeitung im vergangenen Februar: „Generell erlaubt die komplexe Holding-Struktur diverse juristische Schachzüge“.

Team Burgener

Der Schweizer Bernhard Burgener war ehemals CEO von Constantin Medien und ist seit zwei Wochen frisch gebackener Präsident des FC Basel.

Burgener vertrat bislang die Auffassung die Sportaktivitäten (Constantin Sport Holding GmbH mit der Sport1 GmbH und dem Vermarkter Sport1 Media GmbH) im Constantin Medien-Konzern zu belassen. Er setzt auf einen Medienkonzern mit vielen unterschiedlichen Standbeinen und Aktivitäten.

Ihm gehören direkt und über die Highlight Communications 20,2% der Constantin Medien AG. Direkt und indirekt werden Burgener unter der Hand inzwischen insgesamt zirka 30% Anteile an Constantin zugerechnet.

Das Patt…

Mit einigen juristischen Winkelzügen wurde Burgeners Position in den Münchner Gremien der Constantin Medien geschwächt. Das ist für Burgener auch deswegen problematisch, weil der Constantin Medien umgekehrt 60% der Highlight Communications gehört. Burgener konnte dadurch bislang nicht seine volle Aktien-PS-Zahl auf die Straße bringen.

Umgekehrt konnte die Constantin Medien ihre 60% an der Highlight Communications nicht voll ausspielen, weil ihre Anteile im Rahmen eines Darlehens teilweise an Burgener-Sympathisanten verpfändet waren.

… und wie das Patt aufgelöst wurde

Burgener hat aber in den letzten Monaten in der Schweiz Kapital eingesammelt und in die von ihm kontrollierte Highlight Event and Entertainment AG (HHLE) gepumpt.

Vor einer Woche hat die Highlight Communication für 82 Mio Euro neue Aktien ausgegeben und die HHLE hat diese neuen Aktien übernommen. Damit wurde der Constantin Medien-Anteil an der Highlight Communications von 60% auf 45,4% runtergedrückt und Burgener hat jetzt die Kontrolle über Highlight Communications.

In der zugehörigen Ad-Hoc sagt die Highlight Communications klar, dass die neuen Aktien (und die Kontrolle von Burgener) helfen sollen „die festgefahrene Situation um die Lancierung eines möglichen Übernahmeangebots der [Highlight Communications AG] an die Aktionäre der deutschen Constantin Medien AG (‘CMAG’) zu deblockieren“. Weiter heißt es:

[Der Verwaltungsrat der Gesellschaft hält es] für zwingend geboten, auf ein Übernahmeangebot an die Aktionäre der CMAG hinzuarbeiten, um auf diesem Wege die Vermögenswerte der Gesellschaft im Interesse des Unternehmens und der Aktionäre vor dem Zugriff durch Dieter Hahn zu schützen. Darüber hinaus sollen so die Voraussetzungen für eine Optimierung der Konzern- und Führungsstruktur geschaffen werden, damit Synergien erzielt werden können.

 

Burgener bereitet eine Übernahme der Constantin Medien vor und zufällig werden eine Woche später Verkaufsgespräche von SPORT1 bekannt? Es erscheint mir nicht wahrscheinlich, dass die Verkaufsgespräche von SPORT1 mit Segen von Burgener stattfinden…

Team Hahn

Die ehemalige rechte Hand vom Medienmogul Leo Kirch, Dieter Hahn, geistert seit Jahrzehnten durch die deutsche Medienlandschaft, aber seit dem Ableben von Leo Kirch 2011 nur noch als Aktionär und Lautsprecher – und immerhin mit 200 Millionen Euro Kapital ausgestattet, aus einem Schadenersatz-Prozess der Kirch-Erben gegen die Deutsche Bank.

Dieter Hahn (lt. Wikipedia Dissertation zum Thema „Die feindliche Übernahme von Aktiengesellschaften: eine juristisch-ökonomische Analyse“) gibt den Gegenpart zu Burgener. Glaubt man seinen Statements der letzten achtzehn Monate (ich tue es nicht), sieht er für Constantin Medien nur eine Chance: das Filmgeschäft auslagern und verkaufen und mit diesen Verkaufserlösen die SPORT1-Plattformen pimpen.

Auch Dieter Hahn werden unter Hand knapp 30% der Stimmrechte bei der Constantin Medien AG zugerechnet. Er hat allerdings einen „Heimvorteil“, weil er in der Münchner Konzernzentrale etliche Personen wie Fred Kogel platzieren konnte, die als Hahn-freundlich gelten.

Wann immer man in den letzten Jahren über Äußerungen von Dieter Hahn stolperte, sah er das Thema Sport bei Constantin als Schlüssel. Vor den Bundesliga-Rechteverhandlungen positionierte er SPORT1 ganz weit vorne (siehe Handelsblatt 2014).

Die Entwicklung von SPORT1 spricht aber eine andere Sprache. Und entweder ist Dieter Hahn mit ähnlich verzerrter Realitätswahrnehmung wie ein Donald Trump ausgestattet, oder er führt etwas anderes im Schilde.

Das Spielfeld SPORT1

Anders als die vollmundigen Ankündigungen von Hahn, beschleunigten die Bundesliga-Rechteverhandlungen das Ausbluten des Rechteportfolios von SPORT1. SPORT1 kam mit nahezu leeren Händen raus. Das einzige was übrig blieb, waren Bundesliga-Zweitverwertungsrechte am Sonntagmorgen (6–15 Uhr).

Zwischen Hammer (Pay-TV) und Amboss (Online) von internationalen Medienkonzernen wie Sky plc., Discovery/Eurosport oder der Perform Group/DAZN und Telekommunikationsanbietern wie Telekom, wurde SPORT1 statt zum Big Player am Bundesliga-Tisch, zum Putzerfisch für die Konkurrenz. SPORT1 übernimmt 1:1 die BBL- und DEL-Produktionen der Telekom und im Pay-TV bestehen die Programme zu weiten Teilen aus Sublizenzen für Perform/DAZN oder sind an Perform/DAZN sublizenziert (der FAZ-Artikel stellt das Rechteportfolio verzerrt bis falsch dar).

Im November wurde ein Viertel der Belegschaft der Constantin Medien-Tochter Plazamedia entlassen und auch beim TV-Personal wandern die Köpfe reihenweise komplett in Teilzeit zu SKY, DAZN und der Telekom ab.

Der Blogeintrag von vor vier Jahren, könnte auch eine aktuelle Zustandsbeschreibung sein – nur dass mit Discovery und Perform die Konkurrenz eine andere Gewichtsklasse hat.

Diese negativen Entwicklungen taten dem Jahresmarktanteil, der seit Jahren zwischen 0,7% und 0,9% pendelt, keinen Abbruch. Einerseits machen die Quoten keinen Sprung nach vorne, andererseits freut sich die Bilanz, dass die Ausgaben durch das verdünnte Rechteportfolio und dem Durchschleifen von Fremdproduktionen wie bei BBL und DEL, geringer werden. Aber irgendwann ist der Sender halt nackt und hat nichts mehr um noch mehr einzusparen.

Die FAZ erwähnt auch eine 65 Millionen Euro-Anleihe der Constantin Medien aus dem Jahr 2013, die im April 2018 fällig wird und damit Zeitdruck in die Klärung der Machtsituation rund um Constantin Medien bringt.

Es stellt sich schlicht und ergreifend die Frage nach der Existenzberechtigung der SPORT1-Plattform als unabhängiger Player im deutschen Medienmarkt. Die von Hahn propagierte Stärkung über die Käufe von neuen Rechten, schafft allenfalls kurzfristige Milderung, aber keine anderen Rahmenbedingungen. Und ich glaube auch nicht daran, dass Dieter Hahn „so doof“ ist.

Rund um Sport und Constantin Medien gibt es zwei Goodies. Die SPORT1-Plattformen sind noch etwas wert und würden bei einem Verkauf noch Erlöse bringen.

Der TV-Sender SPORT1 bringt einen etablierten Free-TV-Platz und ist mit einem Jahresmarktanteil von 0,9% bei den Gesamtzuschauern, weitaus besser aufgestellt als Eurosport (0,6%).

sport1.de ist die zweit- oder drittpopulärste Sportnachrichten-Website Deutschlands mit Visits-Zahlen weit nördlich der 70 Millionen.

Zumindest wer etwas im Bereich Sport in Deutschland vermarkten will, kommt schwer an diese Kombo aus sport1.de und SPORT1 vorbei – vor allem wenn man als SPORT1-Interessent Axel Springer oder Sky heißt und damit schon ein Vermarktungsstandbein aufgebaut hat.

Aber ich bezweifle, dass die derzeitigen Verkaufsgespräche ihr Plazet von Burgener erhalten haben. Ich würde mich nicht wundern, wenn die Verkaufsgespräche noch einige Warteschleifen durchlaufen würden.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp