Screensport am Sonntag

Moin. Es ist Sonntag und heute ist EM-Finale, Wimbledon-Finale, Abschlusstag der Leichtathletik-EM, Formel 1 in Silverstone und die erste Bergankunft der Tour. Will sagen: ziemliche Kragenweite.

Das Endspiel der Euro2016 wird ab 21 Uhr (ARD) angepfiffen: Gastgeber Frankreich gegen Portugal. Auch auf die Gefahr hin, als schlechter Verlierer zu gelten: für mich strahlt dieses Endspiel keinerlei Fantasie aus. Frankreich hat immerhin zumindest ein episches Spiel gehabt – das Halbfinale gegen Deutschland. Und Portugal steht im Halbfinale nach dem es die Schweiz Kroatien, Polen und Wales ausgeschaltet hat, was sich eher nach einer mäßig interessanten Quali-Gruppenphase statt EM-Playoffs anhört.

Im Vorfeld scheint sich alles auf die Namen CR7 und Griezmann zuzuspitzen – und damit eine Wiederholung des Madrider Derbys/CL-Finale.

In Wimbledon stehen ab 15 Uhr (SKY) #2 Andy Murray – #6 Milos Raonic. Kinners, wie die Zeit vergeht: ich wollte gerade eben schreiben, dass Andy Murray damit seinen Wimbledon-Titel verteidigen könnte – nur um zu sehen, dass Murray ihn schon 2013 holte und es danach zweimal Djokovic gab.

Raonic wiederholt, ähnlich wie Angelique Kerber, eine gute Turnierleistung der Australian Open. Dort schied er erst im Halbfinale aus – gegen einen Herrn Andy Murray. In fünf Sätzen.

Um 14 Uhr startet die Formel 1 in Silverstone (zuvor, um 10h30 schon die GP2 und um 11h30 der Porsche Supercup). Es scheint kein Weg an Lewis Hamilton als Sieger vorbeizuführen, der seit Freitag so ziemlich alle Sessions dominierte. Rosberg lag am Ende von Q3 drei Zehntel weiter hinten. Hinter den beiden Mercedes, fuhren zwei Red Bulls und dahinter zwei Ferraris in die Startaufstellung, wobei Vettels Ferrari in der Startaufstellung wg. Getriebewechsels wieder fünf Plätze weiter hinten, auf Platz 11 geschoben wird. Das Rennen sieht also ziemlich eingetütet aus – letzte Hoffnung Regenschauer, die nicht komplett ausgeschlossen werden können.

Die Bergetappe der Tour von Vielha Val d’Aran bis Andorra Arcalis, 184,5km lang, wird heute fast komplett von ARD/Einsfestival und EURO1 übertragen. (Neutralisierter) Rennstart ist 11h55. Die TV-Sender steigen dann kurz nach 12 Uhr/12h15 ein.

Gleich hinter dem Startort geht es einen dreiviertelstündigen Anstieg auf einen Berg der 1ten Kategorie rauf (Port de la Bonaigua, 12h45/13h). Es folgen danach zwei weiterer Berge der Kategorie 1, bevor es zum Ziel auf Andorra Arcalis geht, Hors Catégorie, eine knapp 40minütige Bergauf-Passage.

Die Leichtathletik-EM verabschiedet sich mit dem Schlusstag. Dabei geht es im Stadion erst ab 17 Uhr los (ZDF). Bereits ab 9h30 steigt der Halbmarathon der Männer und Frauen. EURO1 überträgt live, während das ZDF das Rennen „nur“ per Stream zeigt.

Die gestrige Abendsession in der Samstags-Prime Time brachte der ARD den Quotensieg bei der gesamten Zuschauerschaft (13,2%), aber bei den 14-49jährigen nur Platz 4 hinter Ninja Warriors/RTL, Independence Day/SAT.1 und Schlag den Star/P7. Marktanteil: 8,1% (Qu: meedia.de).

Mir schoss gestern die Frage durch den Kopf, ob die Leichtathletik eine mediale Zukunft hat (siehe auch den Absturz der Marktanteile bei 14-49jährigen gestern Abend). Ich grübelte über die Frage, während ich gestern sieben Stunden lang die ESL One Counter-Strike:GO-Meisterschaft auf twitch.tv verfolgte.

Die LANXESS-Arena in Köln ist jetzt drei Tage mit je 14.000 Zuschauern ausverkauft. Die Streams hatten während der Halbfinals weltweit zwischen 500.000 und 750.000 Zuschauer. Und in Sachen Professionalität stehen diese Übertragungen auf Augenhöhe dessen, was die großen TV-Sender hierzulande servieren.

Bei einer Diskussion über den eSport taucht meistens irgendwann die Bemerkung auf: „Aber es ist kein richtiger Sport!?“. Gestern frug ich mich, warum ich als Zuschauer mehr Empathie für eine schwäbische 1.500m-Läuferin bei der Leichtathletik-EM aufbringen sollte, als für einen schwedischen CS:GO-Spieler Olof Kajbjer Gustafsson.

Beide Protagonisten sind vor der Mattscheibe von mir gleich weit weg. Die Zeiten als derartige Leichtathletik-Wettbewerbe noch ein Event waren, sind vorbei. Die Zeit an denen mir die Namen der Athleten was sagen, sind (größtenteils) vorbei. Insofern agieren Leichtathletik und CS:GO bei mir auf Augenhöhe.

Beim eSports laufe ich aber noch mit großen Augen durch die Szene und staune über das was ich sehe. Es ist eine kleine Entdeckerreise die ich da durchmache. Und die finde ich spannend.

eSports ist groß – was noch unterschätzt wird, weil es eine recht autarke Szene, mit derzeit noch wenig Berührungspunkte zu der „Masse“ ist. Ich habe das Gefühl das eSports für den Bereich der Sportmedien wichtig wird. Ich weiß nur noch nicht wie genau und wohin die Reise geht, denn ich weiß nicht ob die etablierten Medienkonzerne einfach daran andocken können (wie es in den USA ESPN und Turner und hierzulande a bisserl SPORT1 versuchen).

Ein Knackpunkt ist es, dass eSports sich für Außenstehende kaum erschließt. Auf einer oberflächlichen Ebene kommst du schnell dahinter, welche Mannschaft im Spiel vorne liegt. Aber wenn du das Spiel nicht selber gespielt hat, braucht es viele, viele Wochen, um ganz langsam ein Verständnis für Taktiken und Strategien zu entwickeln.

eSports ist in dieser Hinsicht derzeit absolut kompromisslos und bemüht sich gar nicht erst, Anfänger mit ins Boot zu holen, durch das „Herunter-Dummen“ des Kommentars, wie es z.B. hierzulande häufig für den US-Sport gemacht wird. Wie wird die eSports-Szene damit umgehen, wenn die üblichen Verdächtigen aus der Medienlandschaft, ihre Soße darüber gießen?

Bis zum gestrigen Tage hielt ich Ego-Shooter-Wettbewerbe wie CS:GO für zu hektisch und zu unübersichtlich um eine angenehme eSports-Übertragung zu produzieren. Ich habe mich gestern eines Besseren belehren lassen: die ESL One-Übertragungen der beiden Halbfinals waren gut und unterhaltsam – unterstützt durch zwei phasenweise packende Halbfinals.

Heute kommt es ab 17 Uhr zum Finale zwischen SK Gaming und Team Liquid (twitch.tv, ESLtv). Das Finale hat einen klaren Favoritenstatus: SK Gaming ging als einer von drei Favoriten ins Turnier, mit den aktuell besten Ergebnissen der letzten Monaten.

Die beiden anderen Favoriten, Na‘Vi und Fnatic wurden im Viertel- und Halbfinale von Team Liquid ausgeschaltet. Team Liquid ist das erste nordamerikanische Team, das ins Finale eines Majors vorstossen konnte.

Liquid gewann sein Halbfinale gegen Fnatic zwar 2:0, aber es waren zwei enge Matches, bei denen Liquid in den ersten 15 Runden dominieren konnte, ehe sie in der Schlussphase Fnatic noch ausgleichen ließen. Die Entscheidung fiel jeweils in den letzten 5 Runden, die sie am Stück jeweils zum Endstand von 16:13 gewinnen konnten.

Bei Team Liquid wird es die letzte Partie des Ukrainers s1mple sein, der nach dem Turnier in die Ukraine zurückkehren wird.

SK Gaming, das erst seit einigen Tagen die brasilianische CS:GO-Crew von Luminosity unter Vertrag genommen hat, waren in ihrem Halbfinale gegen die Polen von Virtus.pro nicht so dominant wie erwartet.

Die ersten zwei Matches wurden jeweils vom Team verloren, das sich die Map ausgesucht hatte. Bitter war vor allem die Wahl von Virtus.pro für „Nuke“, wo sie gegen SK Gaming kein Land sahen und 5:16 untergingen.

So kommt es zum ersten Finale eines CS:GO-Majors ohne europäischer Beteiligung, mit zwei amerikanischen Teams aus den USA und Brasilien. Den Eindrücken der Halbfinals nach zu urteilen, scheint die Favoritenstellung von SK Gaming nicht so klar zu sein, wie sie im Vorfeld gemacht wurde. Der Sieger bekommt eine halbe Million US$ Preisgeld, der Verlierer 150.000 US$.