Screensport 2015 – zwischen Putzerfische und Big Player (3)
Mit dem heutigen dritten Teil wird die Jahresabschlussbilanz und der Ausblick auf die (elektronische) Sportmedien-Landschaft 2015/2016 von RealityCheck und mir abgeschlossen. Heute geht es u.a. um SPORT1, Eurosport und ProSiebenSat.1.
- Am Montag erschien Teil 1, der sich vor allem mit Perform und Streams beschäftigt: „Die neuen Player“
- Am Dienstag kam Teil 2 mit dem Schwerpunkt auf SKY: „Herausgefordert: SKY“
SPORT1 – Einzelgänger oder auf Partnersuche?
Ich habe das starke Gefühl, dass Constantin – noch mehr als Perform – DER Player Nr. 1 in der DFL-Ausschreibung neben Sky sein wird. Finanziell gut ausgestattet durch die Kirch-Erben, gute (unerwartete) Geschäftsentwicklung, etablierter Player, bereits vorhandene Sender, gute Erfahrungen bei der DFL. Zudem mit Plazamedia entsprechende Produktionsstätten.
Und das ist das große Thema: Constantin muss Plazamedia von Sky emanzipieren, nach dem mit viel Getöse gescheiterten Verkauf an Sky würde es mich extremst überraschen, wenn der Produktionsauftrag [von Sky an Plazamedia] nochmals verlängert würde.
Umsatzerlöse der ersten drei Quartale im Jahr des Sportsegments: 2013: 104,7 Mio EUR, 2015: 105,5 Mio EUR.
Aufwendungen für das Sportsegment: 2013: 114,9 Mio EUR, 2015: 107,6 Mio EUR.
Ich weiß nicht ob dieser “Beleg” Zufall ist, aber subjektiv betrachtet, hat man auch beim sichtbaren Produkt das Gefühl, dass z.B. bei den Moderatoren und Kommentatoren manch großer Name weggegangen ist und man auf manches TV-Recht verzichtet hat (um das Premium-Recht Europa League zu kaufen).
Wenn die gute Geschäftsentwicklung Kostensparmassnahmen zu verdanken ist, wird irgendwann an dieser Front Schluss sein und damit wäre nach oben kein Spielraum für weitere Ergebnisverbesserungen.
Für Constantin Medien könnten in dieser Situation dann zwei Strategien angedacht sein. Wie von dir geschildert: Dieter Hahn versucht mit den Geldern aus dem Kirch-Prozess und Einkauf von Premium-Rechten aus SPORT1 und Constantin ein Premium-Pay-TV zu machen.
Oder Constantin Medien kommt zum Schluss, dass im Sportsegment nicht mehr viel Musik drin ist, hübscht noch ein bisschen die Braut auf und verkauft dann.
Aber das sind nur Gedankenspiele von mir, wo ich noch keine Präferenz sehe, in welche Richtung es gehen wird. Vielleicht gibt es nach der Bundesliga-TV-Rechte-Vergabe und dem Start der Perform-OTT-Plattform mehr Indizien über die Reise von SPORT1.
Der kleine Big Player
Dennoch ist es natürlich ein Event, was nur alle zwei Jahre für wenige Wochen stattfindet. Es fehlt das regelmäßige, nationale Recht von Relevanz. Wie wäre es mit der 2. Liga?
Was Eurosport abgeht, sind die Sendergesichter. Wieviele “Marken” hat Eurosport als Kommentatoren, die außerhalb der Freaks funktionieren? Heinrich & Thiele, Hagemann, Stach und dann fängt die Luft schon an dünn zu werden.
Wie kein anderer Sender, wird Eurosport über die Inhalte, besser: über die eingekauften Rechte definiert, aber nicht über eine Machart. Jo, irgendwie paneuropäisch und dann mit dem Mats Wilander in fünfundzwanzig Sprachen simultan-übersetzt und so. Aber gleichzeitig wirkt der Sender auch etwas heimatlos. Und wenn das TV-Recht woanders landet, dann zieht die Karawane weiter.
Das hat in der aktuellen deutschen Sportlandschaft durchaus seinen Charme. Aber mit dem Einkauf der Olympiarechte – ja, sogar schon mit dem Einkauf der FA-Cup-Rechte, wirkt es für mich auch etwas zu leichtgewichtig. Ich finde diese spezielle Situation von Eurosport ziemlich spannend, und irgendwann will ich mich noch einmal an einem ruhigen Nachmittag ins Café setzen und darüber sinnieren, was man zur Profilschärfung von Eurosport so alles anstellen könnte.
ProSiebenSat.1 und die Beiboote
Warum lässt man nicht alles unter der ran-Flagge segeln? Besonders die Internetstrategie hat Optimierungspotential.
Im TV warte ich auf die UFC – nach allem was man hört DER Grund, warum die UFC sich für ProSiebenSat1 entschieden hat, obwohl man derzeit nur das eigene Streamangebot durch ein fremdes Streamangebot ersetzt hat.
Die UFC erhielt angeblich die Versprechung, kurzfristig ins Free-TV genommen zu werden. Man hatte ja auch die Option einer reinen, aber sicheren Pay-TV-/PPV-Verwertung. ProSieben Maxx bietet sich dafür ja an. Die Entscheider für den deutschen Markt sehen eine Free-TV-Präsenz als absolutes Muss an.
Doch offenbar will man es sich auch bei ProSiebenSat1 nicht ohne Not mit der BLM verscherzen und wartet die Entscheidung der Gerichte ab.
Das Bundesverwaltungsgericht hat – laienhaft ausgedrückt – ausgeführt, dass die UFC so dermaßen von diesem Bescheid in ihrer Berufsausübung tangiert sei, dass sie auch selbst hiergegen klagen können müsse.
In der Hauptsache hat das Verwaltungsgericht München zuletzt diesen Verbots-Bescheid gekippt, weil es sich bei MMA vermutlich doch um Sport mit Regeln handele und eine schwere Jugendgefährdung nicht erkennbar sei. Hiergegen will und wird die BLM vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vorgehen. Ich wäre überrascht, wenn es kurzfristig hier eine Entscheidung gäbe. Zudem würde die BLM mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine negative Entscheidung auch vor dem Bundesverwaltungsgericht angreifen.
Abgeschlossen wird der Rechtsstreit daher meiner Meinung nach auf keinen Fall 2016, mit Glück 2017.
Warum lädt man z.B. nicht Tennis-Spieler(innen) regelmäßig ins Sat 1 Frühstücksfernsehen ein?
Von WTA bekommt man gar nichts mit, fliegt komplett unter dem Radar.
Das Frauen-Tennis mit durchaus interessanten deutschen Spielerinnen, landet bei einem Medienkonzern, dessen Ambitionen nach einem Jahr eingeschlafen sind.
Das Männer-Tennis landet vielleicht beim größten deutschen Pay-TV-Anbieter, der aber nur noch begrenzt lange von der Präsenz von Federer und Nadal profitieren kann und kaum Aussicht auf relevante deutsche Spieler hat.
Wie wird 2016?
Aber 2016 ist wohl dafür zu früh.
Neben BeIN Sports sollte man auch Telekommunikationsunternehmen auf dem Radar haben, Stichwort Vodafone/Kabel Deutschland und Liberty Global/UnityMedia.
Käme sie, würde sie mit einem Schlag richtig Bewegung in den Sportsender-Markt bringen. Im Moment haben wir Premium-Sky und dann ganz viel Resterampe. Es gibt nichts dazwischen. Würde ein – wenn auch kleines – Bundesliga-Paket an einen Konkurrenten gehen, der hiermit ein isoliertes Pay-Angebot startet (also nicht so wie derzeit SPORT1+ im Paket bei diversen Anbietern), wird dieser auch andere Rechte bieten müssen. Auftritt Perform mit ihren Sublizenzen.
Möglich ist bei der Ausschreibung alles. Aber ein großer, weißer Ritter wird nicht kommen. Aber meine Prognose ist, dass Constantin zusammen mit Perform für ein relevantes Paket bietet und bei Erfolg ein neues Pay-Angebot startet, in dem SPORT1+ und SPORT1 US aufgehen.
Da Deutschland ja immer ca. 10 Jahre hinter anderen Märkten hängt, würde ich auch hier MMA/UFC noch nennen. Natürlich gibt es hier den Sonderfall der juristischen Probleme. Diese neigen sich aber dem Ende zu, so dass es mit viel Glück Ende 2016, spätestens 2017 wieder ins TV gehen könnte.
Nur nationale Liga alleine wird für Wachstum nicht reichen. Es muss zusätzlich durch internationale Erfolge auf Klub- oder Nationalmannschaftsebene angefüttert werden und ich fürchte, dass die aktuellen Entwicklungen dies nachhaltig beschädigen können.
Die DEL sehe ich nicht aus ihrem Dilemma rauskommen, dass sie zur Finanzierung des Spielbetriebs eigentlich mehr Ligaspiele austrägt, als es der Attraktivität des Sports gut tut. Mit Spannung kann man in den nächsten Jahren beobachten, wie sich die DEL mit Etablierung von Auf- und Abstieg weiterentwickelt – ob es sich überhaupt um einen reelen Auf-Abstieg handelt oder ob die Rahmenbedingungen dies nur zu einer Scheinregelung machen, wie bei der BBL.
Ich sehe inzwischen im Handball wieder mehr Musik drin. Nicht zuletzt weil der Handball mit HBL, CL und Nationalmannschaft über drei solide Säulen verfügt und diese auch gut und regelmäßig bespielt. Wenn der Handball jetzt einen strategischen TV-Partner finden würde, der sich etliches von Telekom Basketball abguckt…
Die UFC sehe ich auch im Kommen – nicht zuletzt weil Boxen töter als tot ist. Wenn es eine Sportart so notwendig hat, ein Talent wie Feigenbutz derart mies orchestriert nach vorne zu schieben, ist das eine Bankrotterklärung. Und Huck als Klitschko-Nachfolge? Puh… Boxen macht damit Raum für die UFC frei und das ganze ist wie maßgeschneidertes Timing für P7S1.
Beim Motorsport frage ich mich, ob die Formel 1 nicht hart gen Kollaps zusteuert und nur noch von Ecclestone mühsam am Leben erhalten wird. Einen Formel 1-Nachfolger sehe ich derzeit weit und breit nicht.
Rugby hat 2015 in Deutschland ein gutes Jahr gehabt – wie immer wenn Rugby-WM ist und alle erstaunt über die positive Resonanz sind. Das pfannenfertige Wachstumspotential für Rugby ist nicht sehr groß. Zu vorderst sind die Six Nations zu nennen. Die Übertragungszeiten sind nicht überragend, aber okay. Je mehr die Bundesliga ihr Produkt durch zusätzliche Anstosszeiten verwässert, desto weniger problematisch wird es, 15h30-Rugby gegen eine schlappe Bundesliga-Konferenz zu stellen.
Südhalbkugel-Rugby bietet kostengünstige Ergänzung zu Randzeiten (morgens bzw. im Falle Argentiniens: späte Prime Time). Vereinsrugby halte ich nicht für vermittelbar.
Aber auch das ist so eine Geschichte, über die ich mal länger nachdenken wollen würde: wieviel müsste ein TV-Sender investieren, um sich mit dem Deutschen Rugby-Verband zusammenzutun und zu sagen: wir begleiten euch und wollen versuchen, die deutsche Rugby-Nationalmannschaft 2023 bei der WM (in Frankreich, Irland, Italien oder Südafrika) dabei zu haben. Deutschland war nur vier Spiele von einer Qualifikation für 2015 entfernt (20:31 gegen Russland verloren, Russland setzte sich danach 23:15 gg Simbabwe durch, gewann das Hinspiel gegen Uruguay, verlor aber das Rückspiel zu hoch). Wirtschaftlich vielleicht keine validen Überlegungen – ich kann mich trotzdem nicht ganz von der Faszination eines solchen Projektes losreißen.
Aber auch Italien und Argentinien kamen nicht von jetzt auf gleich einigermaßen “konkurrenzfähig” (im Sinne von “verlieren nicht jedes Spiel mit 50 Punkten Unterschied). Das war auch eher Marathon als 10.000 Meter Lauf.
Wie war 2015?
Dicht dahinter die NFL mit dem Glücksfall ProSieben Maxx. Twitter ist voll mit dem Thema – nicht nur positiv, aber all news is good news. Hierdurch wurde der Boden bereitet für ein regular season Spiel in Deutschland, was es ohne diesen Erfolg auf absehbare Zeit nicht gegeben hätte.
Zudem bin ich Vorsitzender meines eigenen, kleinen Karsten-Petrzika-Fanclubs.
Abseits des großen Sports muss ich eine lobende Erwähnung loswerden. Sebastian Hackl, der die WWE kommentiert. Ich hätte nie gedacht, dass ein deutscher Kommentar mal das Produkt besser machen würde – früher ging es nur darum, dass sie nicht zu sehr nerven. Doch er hat es geschafft.
Bei den Moderatoren finde ich die Entmachtung von Jan Henkel bei der Champions League immer noch bedauerlich. Sebastian Hellmann macht wenig falsch, ebenso Matthias Opdenhövel. Letzteren sehe ich zu selten, sonst wäre er wahrscheinlich meine Nummer 1.
Morgen erscheint meine kleine persönliche 2015er-Bilanz.
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