What’s new, Constantin?

Constantin Medien hatte am Mittwoch zu einer Präsentation für die neue Fernseh-Saison bei SPORT1 “zu sich nach Hause” eingeladen. Zu sich nach Hause hieß: in das Gewerbegebiet AGROB. Zwischen Unterföhring, einem Erdbeerfeld für Selbstpflücker und Ismaning, liegt eine Ansammlung von großen deutschen Medienkonzernen und Fernsehstudios, zu erreichen via einer Buslinie die alle 10 bis 20 Minuten zwischen der U-Bahn-Station Studentenstadt und S-Bahn-Station Ismaning pendelt.

Fünf Fußminuten von der Bushaltestelle entfernt, liegt die Konzernzentrale von Constantin Media und SPORT1. Gegenüber steht ein altes Fabrikgebäude aus Ziegelstein in dem die Präsentation stattfand.

Die Häppchen und Getränke wurde im Empfangsraum, einem gediegen weißen Raum, gereicht. Um kurz nach 10h30 gab es dann auch Einlass in einen abgedunkelten, großen, bestuhlten Raum, wo die Präsentation abgehalten wurde.

Die erste Sitzreihe vorne rechts war für Mitglieder aus dem Konzern reserviert und vorne links für die “Sender-Promis” wie Stefan Kretzschmar, Thomas Strunz, Thomas Helmer, Jörg und Laura Wontorra. Manch ein namhafter Mitarbeiter ging nach vorne nur um enttäuscht festzustellen, dass für ihn kein Stuhl reserviert war und schlich wieder zurück.

Die Constantin Medien-Story according Constantin Medien

Bernhard Burgener, der Vorstandsvorsitzende der Constantin Medien, kam nach vorne. Wie vor knapp einem Monat beim Sports Media Summit in Köln, kam Burgener in einem karierten Hemd (in Köln in blau, in Ismaning in rot) und und brachte auch gleich einen Schwung von Powerpoint-Folien mit, die er bereits in Köln präsentierte.

Die Grundstory damals wie gestern: Innovationen für die Digitale Transformation werden in Silicon Valley gemacht und die neuen Triebfedern, auch für die Medienwelt, sind die globalen Internetunternehmen. Daraus ergibt sich für ein Unternehmen wie Constantin Medien die Herausforderung, wie man sich für die Zukunft aufstellt: Präsenz auf allen Plattformen und “die Marke” wird immer wichtiger, um gegenüber diesen Unternehmen zu bestehen.

Die Werbeerlöse werden noch stärker von Print ins Internet abwandern. Mobile wird immer wichtiger und für die SPORT1-Plattform ergibt sich daraus die Aufgabe, noch stärker den User im Mittelpunkt seiner Leistungen zu stellen: ihn über Sport zu informieren, ihn den Sport live erleben zu lassen, ihn den Sport per Spiele und Fan-Artikel live ausleben zu lassen und die Interaktion mit dem User anstoßen und begleiten.

Das SPORT1-Kapitel

Im Sommer 2012 schlug bei SPORT1 ein neues, und anscheinend kostengünstigeres Programmschema auf, als die Prime Time unter der Woche plötzlich mit Dokus und Scripted Reality wie die Ludolfs besetzt wurden.

Burgener sprach von einem schweren Sommer, von zahlreichen Personalabgängen und von wegbrechenden Quoten.

Bereits im Oktober wurde daher senderintern zu einer Initiative “Face up to the max“ (eh…) aufgerufen, an der sich alle Mitarbeiter beteiligen konnten. Stolz verkündete Burgener die Beteiligung von mehr als 250 Mitarbeiter, 50 Projektgruppen und mehr als 140 Grobkonzepte, u.a. mit dem im Frühjahr gestarteten “Laufbandquiz” als erstes Produkt dieser “Innovationsoffensive”.

Nicht minder stolz verkündet Burgener, dass der Rückgang der Marktanteile bei SPORT1 im 1ten Quartal gestoppt werden konnte und im 2ten Quartal der Sender gegenüber dem Vorjahresquartal von 1,2% auf 1,7% zulegen konnte – wohlgemerkt in der Kernzielgruppe der Männer 14 bis 49.

Constantin Medien will deutlich kommunizieren, dass die Spirale der schlechten Laune gestoppt wurde und im neuen Jahr an etlichen Fronten der SPORT1-Plattform wieder Geld in die Hand genommen wird.

Wieviel neu steckt in SPORT1 diesmal?

Erstes offenkundiges Zeichen der Veränderung ist ein neues Logo, dass das furchtbare alte Logo ablöst. Ohne dass das neue Logo ein typografisches Highlight wäre, ist es dem alten Logo an Klarheit so haushoch überlegen, das man fragen muss: warum erst jetzt.

Das Logo wird für die anderen SPORT1-Plattformen mitsamt eines neuen Gesamtauftrittes adaptiert.

Was neue Formate für den Free-TV-Sender SPORT1 angeht (wir erinnern uns: siebenhunderttausend neue Grobkonzepten aus der Arbeitsgruppe), so wurden einige Highlights vorgestellt, aber abseits dieser Highlight wurde die Kommunikation sehr schnell schmallippig.

Bei SPORT1 springt dann aus der Innovationsoffensive eine Idee “laßt uns doch einen Fußballtalk mit Jörg Wontorra machen – am Abend!” heraus. Und so wurde “Mittendrin” geboren, eine Fußball-Talkshow sonntags 21h45 – 23h00, in der Gästen aus der Bundesliga und Promis auf den Bundesligaspieltag zurückblicken – live in Ismaning produziert. Damit dürfte Jörg Wontorra zukünftig erst montags immer wieder nach Marbella fliegen.

Ein zweites Format was vorgestellt wurde: “Fantausch“. Wie Frauentausch, nur mit Fans. Als dreiviertelstündige Doku montags bis freitags und jeweils Samstags in der Wiederholung “en-bloc” ausgestrahlt. Entgegen dem ersten Aufstöhnen auf Twitter & Co., finde ich die Idee grundsätzlich nicht doof, wiewohl man sich sehr leicht eine Umsetzung vorstellen kann, die dann ähnlich wie das RTL2-Vorbild schwer nach gesellschaftlichen Totalschaden aussieht.

Das war es dann auch schon, was die neuen, vorgestellten Formate für SPORT1 anging.

Es gab zwei Personalien für den Sender: Laura Wontorra, verwandt und vertöchtert mit Jörg, wechselt von SKY zu SPORT1, wird Anchorwoman für das Montagsspiel. Anna Kraft, Newsfrau bei SKY Sport News und Lebensgefährtin von Wolff Fuss, wechselt zu SPORT1 und wird Anchorwoman für Bundesliga Aktuell. Damit wäre also zumindest an zwei Positionen die Frage “Wer ist Buschmann nach Buschmann” geklärt.

Grundsätzlich ist man mit der Ausrichtung des Senders am Nachmittag zufrieden. Dort wird es beim Mix aus Wiederholungen und Doku-Formaten bleiben. Für 2014 hat man sich aber einen Programmstart ab 12 Uhr vorgenommen – wird also die Teleshop- und Quizformate zweieinhalb Stunden weiter zurück drängen.

Grundsätzlich möchte man als Programm “zuverlässiger” werden, also noch mehr gelernte Sendezeiten etablieren. Mal sehen wie in der kommenden HBL und BBL-Saison sich die Sendezeiten verteilen, zumal man mal wieder sagt, dass man mit dem Samstagabendtermin für die BBL sehr zufrieden ist. Apropos BBL: sehr gerne wurde immer wieder erwähnt, wie zufrieden man mit den Einschaltquoten in diesen Playoffs gewesen ist.

Überraschenderweise missing in action: Regionalliga-Übertragungen. Es gab von SPORT1 keine Ankündigungen für solche Übertragungen, dennoch wurden sie thematisiert, als Olaf Schröder gegen “soziale Medien” stichelten und davon sprach, dass diese mit der Veröffentlichung eines internen “Planungspapiers” für solche Übertragungen unnötig Aufregung verursacht hätte.

Inhaltlich waren die Ausführungen von Olaf Schröder eher unbefriedigend, da im Papier ja schon konkret von Übertragungskonzepte, Werbeblöcke und Werbepreise die Rede war. Das es sich hierbei nur um Planungen gehandelt haben soll, dürften nur Krisenmanagement-Sprüche gewesen sein, um die aufgeregte Handballszene zu beruhigen.

Schröder versicherte: die HBL werde im Programm bleiben und ist absolut sicher. Aber Schröder machte im zweiten Teil seiner Handball-Ausführungen aber auch deutlich: die negative Tendenz bei den Zuschauerzahlen ist beunruhigend und man werde sich mit der HBL an einen Tisch setzen müssen um sich neue Lösungen zu überlegen – laut Rhetorik-Handbuch des Fähnlein Fieselschweifs eine wenig verschlüsselte Ansage, dass sich die HBL doch bitte einen neuen Sendeplatz einfallen lassen möge. Die HBL, erst letztes Jahr den Vertrag mit SPORT1 bis 2017 verlängert, hat da wenig andere Optionen. Die Tonalität die gegenüber der frisch verlängerten HBL angeschlagen wurde, war eine deutlich andere als gegenüber der BBL die vor ihrem letzten Vertragsjahr steht…

SPORT1+: anwesend

Geht es darum wie der Pay-TV-Bruder auf der Veranstaltung präsentiert wurde, dann ist SPORT1+ der kleine verstossene Verwandte, der nachts in der Besenkammer schlafen muss. Der Sender wurde nur am Rande erwähnt, im Zuge des Ausbaus des Fußballrechte-Portfolios. Wie seit einigen Wochen bekannt, hat SPORT1 ein Paket von MP Silva erworben: Serie A, Ligue 1, Ligue 2, franz. Pokal, MLS (ab 2014) und die brasilianische Meisterschaft wandern von Sportdigital zu SPORT1+ (mit einer neuen Highlight-Show im Free-TV auf SPORT1 montags ab 23h30).

Es wurden ansonsten keine weiteren Details genannt. Auf die Frage wann mit der Übertragung der bereits laufenden brasilianischen Liga begonnen wird: “die Frage ist in der Programmredaktion noch nicht entschieden“. Auf die Frage was es für ein Sendekonzept insbesondere für den Sonntagabend mit der Kollision der Topspiele der Ligue 1 und Serie A: “die Frage ist in der Programmredaktion noch nicht entschieden“.

Ähnlich fielen die Antworten auch auf meine Nachfragen zu Sendekonzepten für die BBL in ihrem letzten Vertragsjahr mit SPORT1 (immerhin: mit dem Magazin ist man zufrieden) und für die Euroleague, wo ja der FC Bayern per Wildcard einen Startplatz für die Gruppenphase bekommen hat, aus.

Es wirkt nicht so, als würde man für SPORT1+ in naher Zukunft mehr planen, als eine reine Abspielplattform für Sportrechte.

SPORT1.us: abwesend

Das Thema des ESPN America-Ersatzsenders wurde ja u.a. in diesem Blog hinlänglich durchgekaut. Wenige Tage vor der Präsentation gab es immer mehr Signale, dass der Sender nicht Bestandteil der Präsentation werden wird – daher ist der Text im Screensport am Mittwoch so ausgefallen wie er ausfiel.

Es wurde keine Silbe über den geplanten US-Sportsender verloren und auf Nachfrage erklärte Bernhard Burgener: über Projekte wird erst gesprochen wenn sie in trockenen Tüchern sind.

Und auch außerhalb dieser Nachfrage, gab man sich komplett zugeknöpft.

Und folgender Dialog via Twitter, ist für Freunde der Kaffeesatzleserei gedacht:

SPORT1.fm: der Underdog

Es gab ein Projekt, das meine Erwartungen übertraf, und wo ich, auch nicht zuletzt nach einigen Gesprächen mit Menschen aus dem Umfeld, positiver als vor der Präsentation gestimmt bin. SPORT1.fm 

Die Fakten sind schnell erzählt: überraschend hat SPORT1 bei der Rechteausschreibung die Audiorechte der Bundesliga erworben – 90elf ging leer aus und hat nach Saisonende den Stecker gezogen. SPORT1 wird einen Radiosender starten: SPORT1.fm.

Der Sender am 19ten Juli, dem ersten Spieltag der Zweiten Liga, starten. Er wird über das Web, per Apps für iPad/iPhone und Android und via Mobile Website verbreitet. Der Sender wird gratis sein, es wird also auch für die App nichts zu zahlen sein. Die refinanzierung soll ausschließlich über Werbung und Sponsoring passieren.

Eine teilweise offensive Kommunikation gab es bezüglich der Verbreitung via DAB+. Auf der Powerpoint-Präsentation angekündigt, zeigten Nachfragen, dass man bzgl. DAB+ erst noch in Verhandlungen steht. Eine Verbreitung via DAB+ ist noch nicht fix.

Es wird alle Bundesliga- und Zweitligaspiele geben, größtenteils aus dem Studio, fallweise aber auch aus dem Stadion kommentiert. Es gibt Spiele der Nationalmannschaft (Freundschaftsspiele und WM-Qualis). Es gibt Spiele des DFB-Pokals (ab Viertelfinale alle Spiele, vor dem Viertelfinale ausgewählte Spiele, ein ehemaliges 90elf-Recht). Darüber hinaus wird es auch TV-Formate wie Doppelpass geben.

Der Sender versteht sich aber ausdrücklich nicht als reiner Fußballsender. Es sind auch Übertragungen aus HBL und BBL geplant und in den Talkformaten wird man ebenfalls über den Fußball-Horizont blicken. So wird es u.a. eine tägliche Sportradio360-Schiene geben (Mo-Fr, mittags eine Stunde, mit wechselnden Schwerpunkten: dienstags US-Sport, donnerstags Basketball/Handball etc…) und darüber hinaus wird es auch Ausschnitte aus der Big Show geben.

Das wird bezüglich der Moderatoren und Telefongäste ein interessanter Eiertanz sein, denn in der Tat: die Problematik “SKY-Angestellte bei einer SPORT1-Sendung” ist vorhanden und anscheinend nur für den Doppelpass außer Kraft gesetzt. Wo kämen wir denn dahin, wenn auch Auftritte eines Wasserball-affinen Thomas Wagner bei Sportradio360 für SKY werbende Wirkung hätten… Alles im Dienste des Zuschauers, liebe Medienkonzerne, gell?

Zurück zu SPORT1.fm. Große Teile der SPORT1.fm-Belegschaft sind bekannte Namen von 90elf und aus dem TV: Oliver Forster, Katja Wölffing, Holger Pfandt, Andreas Mann, Daniela Fuss, Konstantin “Konni” Winkler etcetera. Überhaupt erwähnte man das gute Verhältnis mit den ehemaligen Fußballsender 90elf.

Zwei Wochen vor Sendestart noch kein Programmschema veröffentlicht (außer: Sendebeginn der Livestrecken morgens um 7 Uhr). On air ist dagegen die neue Website gegangen: sport1.fm ist jetzt “scharfgeschaltet”.

Der Sender hat die Chance eine Lücke zu besetzen, die in zahlreichen anderen europäischen Ländern längst gefüllt ist: ein Sportradio mit hohen Wortanteil und hohen Liveanteil zu werden, der sich als Bestandteil der täglichen Sportdiskussion etabliert.

Ob es gelingt, kann man noch nicht sagen – zu wenig ist über die konkrete Umsetzung bekannt. Möglicherweise wird es dem Sender ähnlich ergehen wie SKY Sport News: schade dass das volle Potential nicht ausgenutzt wird, aber gut dass es ihn gibt (und bei aller berechtigten und unberechtigten Kritik an SSN: der Sender wird wahrgenommen).

Fazit

SPORT1-Programmchef Olaf Schröder (oben),
Constantin-Vorstandschef Burgener (unten)

Auf der Habenseite konnte SPORT1 bei mir verbuchen, dass ich inzwischen auf SPORT1.fm wesentlich gespannter bin, als ich es noch in den Anfangstagen nach Bekanntwerden des Projektes war.

SPORT1.fm ist eigentlich auch das einzig richtig neue Projekt. Alle anderen Änderungen fallen eher in die Schublade “Feinjustierung” oder “Ergänzung” statt Neudefinition. Die Headline der Pressemitteilung von Constantin Medien zu Präsentation lautete: “Constantin Medien treibt die digitale Transformation im Sportsegment mit Hochdruck voran“. Das hört sich weniger nach Programm als nach Technik an. Lässt man die Powerpoint-Präsentation noch einmal durchlaufen, zeigen zahlreiche Slides Diagramme und Tabellen. Wer sich die Frage stellt, warum Constantin Medien im letzten Sommer die Wende vollführt hat und mehr Geld in die Hand nimmt, wer sich die Frage stellt, wohin die Investitionen führen soll, der ahnt es beim Anblick der Powerpoint-Präsentation.

Constantin Medien hat kein neues Erlösmodell gefunden. Constantin Medien betreibt eine Wette auf die Zukunft. Man wettet auf die Wanderung der Erlöse gen Internet, Mobile und dem Social Media-Umfeld. Man will in diesem Umfeld Omnipräsenz zeigen, um den User (und damit indirekt Erlöse) überall abzugreifen (“Touchpoints“), egal ob er im Internet ist, Radio hört, TV guckt oder mit einer App unterwegs ist. Der Claim des Sportradios SPORT1.fm zeigt wo es lang geht: “Das Spiel ist wo du bist”

Aus der Perspektive von SPORT1 scheint die Frage der “Omnipräsenz” eher ein Frage der technischen Umsetzung (die Hasen-Methode “Ick bün all dor“) als eine inhaltliche Frage zu sein. Alleine SPORT1.fm verspricht eine inhaltliche spannende Neuerung zu sein. Ansonsten setzt man auf Bekanntes ohne Risiko (Jörg Wontorra, neue TV-Rechte). Für eine Sendergruppe die vor neun Monaten Projektgruppen für Grobkonzepte und neue Formate gründete, ist das abseits von SPORT1.fm dann doch sehr defensiv gewesen. Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, ob man doch noch mehr in der Pipeline hat, aber noch nicht darüber sprechen wollte.