Last Call vom Freitag: Football-Methadon CFL, NBA-Draft und Ombudsmänner

Gestern hat in Kanada die neue Saison der CFL begonnen – die Canadian Football League (hier ein kleine Erklärung zur CFL).

Die gute Nachricht: es sieht so aus als würden auch dieses Jahr Spiele in voller Länge und on demand im Videobereich von TSN abgelegt werden. Hier zum Beispiel das Saisoneröffnungsspiel Winnipeg Blue Bombers – Montreal Canadiens.

Es ist zwar einige Jahre her, dass NASN/ESPN America CFL übertrug, aber bei so einer Partie begegnet man mit QB Anthony Calvillo (inzwischen 40 Jahre alt!) und QB Buck Pierce noch zwei hinreichend bekannte Namen. Montreal wird nach dem Abgang von Marc Trestman (Headcoach der Chicago Bears) von Dan Hawkins trainiert, den ich einige Jahre lang als Headcoach bei den Colorado Buffaloes auf dem Radar hatte. In einem schwierigen Football-Programm hat er damals versucht den Umbruch einzuleiten, aber nach 2-3 Jahren ist ihm das Programm entglitten, möglicherweise auch, weil er das Dilemma hatte, seinen Sohn als QB im Kader zu haben.

Was ist dieses Jahr neu in der CFL?

Die Winnipeg Blue Bombers haben mit der Saisoneröffnung auch ihr neues Stadion, “Investors Group Field” (Fassungsvermögen: 33.000) eröffnet.

Die Hamilton Tiger Cats haben das jahrelange Theater um ein neues Stadion zwar gelöst, sind aber noch nicht drin. Das alte Ivor Wynne Stadium wurde platt gemacht. Am gleichen Ort wird bis 2014 das New Hamilton Stadium entstehen (Fassungsvermögen: 24.000). Bis dahin spielt man im Alumni Stadium in Guelph (Fassungsvermögen: 15.000, 50km nordwestlich von Hamilton).

Unverändert ist die Schlechtigkeit des Teams, das weiterhin seit 2001 auf seine erste winning season wartet. Natürlich hat man wieder den Trainer gewechselt. Diesmal ist es Kent Austin, der nach vier Jahren Ausflug in die US-College-Szene, in die CFL zurückgekehrt. Diesmal als volles Paket: als Headcoach und GM.

Apropos Stadion: bei den Toronto Argonauts schien die Stadionfrage gelöst zu sein. Der Mietvertrag mit dem Rogers Center (in dem u.a. auch die Toronto Blue Jays spielen) lief nach der vergangenen Saison aus und lange schien es so, als ob die Argonauts keinen neuen Vertrag bekommen würden, da die Blue Jays Naturrasen in der Halle installieren wollten. Diesen Mai wurde dann aber der Mietvertrag überraschenderweise doch verlängert – bis 2017.

Nur wird seit einigen Wochen wieder die gleiche Diskussion losgetreten: die Blue Jays versuchen die Argonauts aus diesem Vertrag hinauszukomplimentieren, um Naturrasen installieren zu können und die Fans der Argonauts haben langsam die Schnauze voll. Auch aus ihrer Sicht ist das stets nur zur Hälfte gefüllte Rogers Centre atmosphärisch grenzwertig. Nach Auslaufen des Vertrags im letzten November haben die Argonauts einige Optionen analysiert und diese Optionen werden wohl gerade wieder verstärkt unter die Lupe genommen. Gut möglich das im Laufe der Saison doch noch der Entschluss zu einem Stadionwechsel in 1-2 Jahren gefällt wird.

Nach langem Zögern durch Investoren und Liga, gibt es eine neue, neunte Franchise. Die Ottawa Redblacks werden allerdings erst mit der Fertigstellung der Renovierungsarbeiten im Frank Clair Stadium 2014 an den Start gehen. Nach den Ottawa Rough Riders und Ottawa Renegades ist es nun der dritte Anlauf in der kanadischen Hauptstadt ein CFL-Team zu etablieren.

Infolge der neuen Franchise könnte dies auch die letzte Saison sein, in der Winnipeg im Osten spielt. Man wird nächste Saison möglicherweise wieder zum “alten” Zustand zurückkehren und die Blue Bombers in der West Division spielen lassen.

Der exklusive TV-Vertrag mit TSN, nach der letzten Saison ausgelaufen, wurde bis Ende 2018 verlängert und NBC und ESPN haben ein recht großes Rechtepaket für die USA eingekauft, wo die CFL so stark präsent sein wird, wie seit der US-Expansion Mitte der 90er Jahre nicht.

Die CFL-Spiele werde ich im Laufe der nächsten Tage in Screensport aufnehmen – in der Hoffnung das sie alle bei TSN aufschlagen werden.

Die CFL triggert bei mir, gerade in den Wochen vor dem Stecker-Ziehen von ESPN America, sentimentale Gefühle – war es doch einer der Programmschwerpunkte des ESPNA-Vorläufers NASN, vor seinem Aufkauf durch ESPN.


Der Tight End der New England Patriots Aaron Hernandez ist des Mordes angeklagt. Sein Team, New England Patriots, hat offensichtlich die eskalierende Ereignisse schon in den Vortagen beobachtet und nach der Verhaftung, und noch vor der Anklage wegen Mordes, ihn gefeuert. Der Schritt wiegt umso schwerer, wenn man die sportliche Wichtigkeit von Hernandez und finanzielle Tragweite mit berücksichtigt. Immerhin ist Hernandez “nur” angeklagt und noch nicht verurteilt.

Ein weiteres Indiz wie schnell sich die New England Patriots von Hernandez distanzieren möchten: die Patriots gestehen den Käufern eines Replica-Shirts mit der #81 von Hernandez von ihren Fan-Läden , ein Umtauschrecht zu.

Etwas was den Fall Hernandez m.E. aus europäischer Sicht schwer fassbar macht, ist die recht niedrige Schwelle mit denen in den USA aus Ordnungswiedrigkeiten oder Gesetzesverstössen ein medial Riesenfass aufgemacht wird. Stichwort Fremdgehen, Trunkenheit am Steuer oder Gras rauchen.

Wenn nun so ein Brocken ansteht, Mordverdacht und aktuell wird wegen zwei weiteren Morden gegen Hernandez ermittelt, dann fehlt dem Vorgang das Alleinstellungsmerkmal, dass er eigentlich verdient hat.


Die diesjährige NBA-Draft fand letzte Nacht im Barclays-Center in Brooklyn statt. Aus deutscher Sicht kann ich mich nicht an so einen Jahrgang erinnern: Dennis Schröder als Spielmacher in der ersten Runde von den Atlanta Hawks gepickt. Mit Elias Harris einen zweiten deutschen Spieler mit Außenseiterchancen auf einen NBA-Job und mit Daniel Theis und Bigdan Radosavljevic zwei weitere BBL-Spieler die sich in der Draft versuchten (Bambergs Philipp Neumann zog für dieses Jahr zurück).

Um Elias Harris tut es mir ein bisschen leid, denn es war früh in dieser College Saison spürbar, dass er spielerisch in die falsche Richtung abgebogen ist und auch die wenigen Glamour-Spiele die Gonzaga hatte, nicht nutzen konnte. Dazu kam ein Kelly Olynyk so ziemlich aus dem Nichts, der ihn komplett in den Schatten stellte.

Dennis Schröder habe ich in Bewegtbildern eigentlich erst beim Nike Hoop Summit wahrgenommen und da ist mir dann doch der nächtliche Snack aus dem Mund auf die Tastatur gefallen. Er spielte so smooth, mit Tempovariationen, mit Hirn und hatte trotz der kurzen Vorbereitungszeit sehr viel Spielverständnis mit seinen Kollegen. Gefällt.

Seb Dumitru a.k.a. NBA Chef, bekannt von Got Nexxt und Sportradio360, hat in seinem Blog eine gut lesbare Analyse zu der ersten Runde der Draft geschrieben.

Zu Nerlens Noel: “Philly geht in den All-In Tank-Modus… und ersetzt seinen alten Franchise-Center mit Knieproblemen (Bynum) durch einen neuen Franchise-Center mit Knieproblemen.

Zu Cody Zeller und Charlotte: “Obwohl die Bobcats als potentielle Verlierer galten, weil sie in der Lotterie bis auf Nummer Vier abrutschten, hatten sie hier die Chance, einen möglichen, späteren Star wie Noel oder McLemore aus dem Wasser zu fischen, zumindest aber einen dringend benötigten Franchise-Center, wie es Len einmal einer werden könnte. Statt dessen entscheiden sich die Kätzchen für Zeller, einen zu kleinen Big Man, der in der NBA sein Spiel völlig umstellen werden muss, um auf Dauer bestehen zu können. Ein weiterer Draft-Hirnfurz, Made in Charlotte. Alle Jahre wieder…

Und die Charlotte Bobcats-Fans auf der Draft Party, waren nicht wirklich happy.


Apropos Hirnfurz. Eine nichts sagende Pressemitteilung des NDRs: der NDR-Rundfunkrat hat über die Sportrechte-Strategie beraten. Welche Schlussfolgerung der NDR gezogen hat, wird aus dem Fazit des Vorsitzenden nicht deutlich. Freund Grund fazitet:

Berichterstattung über Spitzensport gehört eindeutig zum Informationsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, aber auch Sportarten, die nicht unbedingt im Rampenlicht stehen, sollen einen angemessenen Platz im Programm haben […]

Dabei geht es auch darum, gegebenenfalls Sportarten zu finden, die zukünftig für die Zuschauer interessant sein könnten.

Dass man mit dem Status Quo im Grundsatz zufrieden ist, geht indirekt daraus hervor, dass die Pressemitteilung die handelsüblichen Textbausteine vom ARD-Sportkordinator Balkausky und WDR-Sportchef Simon verwendet: ARD berichtet über siebenhunderttausend verschiedenen Sportarten, Fußball käme nur auf 22% Livesportanteil (im EM-Jahr 2012) und Wintersport auf 26%.

Was fehlt, ist eine Aufschlüsselung der Übertragungs-/Produktionskosten und das Aufzeigen der Entwicklung über die letzten 20 Jahre.


Die L’Équipe versucht sich unter dem Label “Explore” an längeren und aufwändigeren Web-Reportagen im Stil von “Snow Fall” der NY Times. Nun ist das dritte Stück erschienen und es ist auch auf englisch produziert worden: “Human Cannonballs” über die Sprinter bei der Tour de France.

Zuvor erschienen: “Born to Climb” über Kletterer bei der Tour de France (“The mountains made their name, then swallowed them alive”) und, nur auf französisch, das Debüt “À mains nues – Carlos Soria” über einen 74jährigen Bergsteiger.


Der neue Ombudsman von ESPN, Robert Lipsyte, hat seine erste Kolumne abgeliefert und nach dem die letzten Ombudsmänner/-frauen/-organisation für ihre farblose Haltung kritisiert wurden, geht Lipsyte von Anfang an steil. Seine Kolumne beschäftigt sich mit dem “Coming Out” von NBA-Center Jason Collins und wie ESPN dieses Ereignis journalistisch aufgearbeitet hat: What are commentary boundaries at ESPN?.

Lipsyte zeichnet zuerst in groben Zügen, auf welche Aspekte er in seiner 18monatigen Amtszeit als Ombudsmann den Fokus legt, um dann direkt in das Thema reinzuschneiden: einer missglückten Ausgabe des täglichen Hintergrundmagazins “Outside The Lines” (teilweise als Video bei ESPN zu sehen), bei der eine Diskussion zwischen LZ Granderson und Chris Broussard in Richtung religiöse Anschauungsfragen entglitt und heftiges Bashing in den Social Medias auslöste.

Lipsyte listet auf, wo die Fehler in der konkreten Ausführung der Sendung on air, aber auch in der Vorbereitung waren und wo die Versäumnisse in der Weiterführung der Story rund um das Coming Out waren.

Ich würde mir eine ähnliche Diskussion und Hinterfragung auch in Deutschland wünschen. Aber selbst die Sportschau scheint überfordert zu sein, es ihren Kollegen in Hamburg gleich zu tun und in einem “Sportschau-Blog” mehr Hintergründe zu liefern.

Solange sich die die TV-Anstalten solchen Ansätzen der Transparenz und des Dialoges verweigern, muss zwangsläufig jede Kritik an Kommentatoren, Übertragung oder Berichten ins Leere laufen, da es an konkrete Messlatten fehlt. Dialog heißt nicht, einmal im Monat einen Google Hangout zu veranstalten und darüber zu diskutieren, ob ein Interview vielleicht 30 Sekunden zu lang geraten ist und ob der Tisch zur Interviewsituation passt.

Solange nur die ARD-Sportoberen ihre eigenen Bewertungsgrundsätze kennen, bleibt der Gebührenzahler fragend zurück, mit was eigentlich eine derart bodenlose Leistung wie die von Tom Bartels am letzten Donnerstag im Confed Cup noch zu verteidigen ist. Anders als das keine der Sportveranwortlichen zuhört, ist es eigentlich nicht zu erklären.

Es macht den TV-Anstalten den Job einfacher, keine Qualitätskriterien zu nennen. So kann jede Kritik grundsätzlich und immer als “Bashing” abgetan werden. Aber zu einem Zeitpunkt an denen selbst Bundesligavereine im Rahmen ihrer Vermarktung das Thema “Leitbilder” entdecken, wirken die Sportredaktionen mit ihrer Attitüde von oben herab und als geschlossener Zirkel wie monarchistische, elitäres Überbleibsel, die glauben, dass ihre eigene Selbstdefinition Existenzberechtigung genug ist.


Arne Behr hat sich mit dem Thema Oliver Kreuzer beim HSV beschäftigt: “Willkommen auf dem Drahtseil”. Dabei nimmt Behr vor allem eine historische Perspektive ein, wenn er an Peter Krohn, die Blaupause für einen modernen Geschäftsführer, erinnert und daraus die Entstehung des Aufsichtsrats ins einer jetzigen Struktur ableitet.


Fokus Fußball mit der Freitagsausgabe der Linkelf: “#link11: Kein Sommerloch dank Confed Cup” – der Titel deutet es an: der Confed Cup gibt heuer ziemlich viel her. Von der taktischen Analyse des Halbfinales Spanien – Italien, über das Elfmeterschießen, bis hin zum Stürmer-Sondereinsatzkommando Martinez.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Manchmal fragt man sich auch, ob die Sportredaktionen im öffentlichrechtlichen Rundfunk selbst wissen, wo ihr Qualitätsanspruch liegt. Vieles wirkt oft abseits des Spitzenfußballs immer wieder hausbackend und pflichterfüllend.

  3. Mir ist ja unklar, wie Du das durchhalten willst (ich selber hebe mir drei Viertel zum Lesen und Link-Verfolgen für das Wochenende auf – gut’s nächtle allerseits), aber erst mal vielen Dank für das verfolgen der Anregung, den Wochentag im Titel zu nennen.

    Und im Voraus heißen Dank für diese und die wohl folgenden Verlinkungen der CFL. Wäre an mir komplett vorbei gegangen. So aber sehe ich schon, wie ich die schreckliche Zeit bis zum Wiederanpfiff der Bundesliga überbrücke (Tennis my ass).

  4. Tja, das mit der Reaktion amerikanischer Medien (und der Öffentlichkeit) liegt wohl daran, daß es völlig wurscht ist, ob man in den USA wegen Mordes od. eines “kleinen” Vergehens angeklagt wird.

    http://www.youtube.com/watch?v=c-xEdbEubjs

    Warum sollte die Öffentlichkeit also anders reagieren wenn es um Mord geht? Mir persönlich wär’s blunzn, ob ich bis zum Tod im Häfn sitze weil ich jemandem den Schädel eingeschlagen habe oder weil ich 3x hintereinander einen Schokoriegel gestohlen hab’. Da könnte man ja genauso gut über das chinesische, saudi-arabische od. nordkoreanische Rechtssystem und den jeweiligen Reaktionen in der Öffentlichkeit diskutieren. Hinterwäldlerisch sind alle Genannten.

    Und ob nur angeklagt od. schon verurteilt ist in den USA ebenso wurscht. In der Zeitung bist sowieso sofort, das Urteil ist dann nicht einmal zweit-, sondern höchstens drittrangig.

  5. @NBA Draft. Gratulation an Dennis Schröder. Wenn er sich in der ersten Saison als Backup von Teague ins Team bringen kann, dann geht da in Zukunft was.
    @Hernandez Ich finde es weiterhin unfassbar wieso die Schusswaffenfrage in USA nie gestellt wird. Ob schuldig oder nicht. Hernandez hatte 5 Halbautomatische Waffen zuhause. Warum? Wozu braucht der Mann 5 Knarren. Solange die Antwort auf die Frage wie man ein Massaker an Grundschülern verhindern kann lautet bewaffnet die Lehrer oder stellt bewaffnete Wachen auf, kann man sich nicht wundern.
    Und Lappalie oder nicht die Charakterfrage bei Hernandez kommt ja nicht vom Gras rauchen alleine. Da steht noch ein ausgeschossenes Auge im Raum und andere Gewalttätigkeiten.
    Ansonsten sehe ich die fragwürdige Gewichtung von Fehlverhalten im amerikanischen Rechtssystem aber genauso wie die dogfood.

  6. Aber zu einem Zeitpunkt an denen selbst Bundesligavereine im Rahmen ihrer Vermarktung das Thema “Leitbilder” entdecken, wirken die Sportredaktionen mit ihrer Attitüde von oben herab und als geschlossener Zirkel wie monarchistische, elitäres Überbleibsel, die glauben, dass ihre eigene Selbstdefinition Existenzberechtigung genug ist.

    Das hätte ich gern auf ‘ner Bronzetafel eingraviert.