Auf der Suche nach Identität
Ich bekomme immer wieder Mails, die mich auf Veranstaltungen, Kongressen u.ä. hinweisen. Als vor 2 Wochen rund um das Relegationsspiel Lautern – Hoffenheim die alte Tradition vs Mäzen-Klub-Diskussion wieder aufflammte, kam just ein solcher Hinweis auf einen Vortrag zum Thema Fußball und Identitäten von Adriano Gómez-Bantel. Spontan beschloss ich mit einer Interviewanfrage zu antworten und vor ca. zehn Tagen wurde das Interview via Google Docs durchgeführt.
Die Frage nach der Identität eines Fußball-Vereins beschäftigt mich immer wieder, seit ich vor ca. einem Jahr auf dem SPONSORs Sports Media Summit einen Vortrag des Marketingvorstandes von Schalke 04, Alexander Jobst, über E-Gaming gesehen habe. Bei der Einleitung der Präsentation stellte er auch den Markenkern von Schalke 04 vor und ich fand es auffällig, mit welch generischen Begriffen bei der Definition gearbeitet wurde. Welcher Verein würde für sich nicht in Anspruch nehmen: “Leidenschaft”, “Fans regional, national und international”, “Treue und Zusammenhalt”, “Jugendarbeit” und “Tradition”? Wieviele Bundesligisten nehmen denn wirklich einmalige/eindeutige Attribute für sich in Anspruch?
Das war eigentlich der Ausgangspunkt meiner Fragen an Adriano Gómez-Bantel. An dieser Stelle möchte ich mich bei Herrn Gómez-Bantel bedanken, für die Zeit die er sich zur Beantwortung der Fragen genommen hat.
Um die Quintessenz des Interviews vorwegzunehmen: bei der Identitätsstiftung von Klubs spielen Tradition von Klub und Fans und der regionale Bezug eine Rolle, die durch nichts anderes ersetzt werden kann. Und genau das macht es jungen, “künstlichen” Klubs so schwer, ernst genommen zu werden.
Ich denke dass RB Leipzig ein interessanter Test für diese Thesen sein kann. Während Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim/Sinsheim Klubs in kleinen Städten sind oder, wie Leverkusen, in einem Umfeld mit zahlreicher Konkurrenz, handelt es sich bei RB Leipzig um einen Klub in dem ostdeutschen Großraum mit den meisten Einwohnern (Berlin ausgenommen) und auf Bundesliga-Ebene wenig Konkurrenz. RB Leipzig könnte also, anders als Wolfsburg, Leverkusen oder Hoffenheim, vielleicht wirklich regionale Identifikation produzieren.
Frage: Warum sollte ein Sportklub sich überhaupt Gedanken um einen “Markenkern” oder “Leitbild” machen?
Adriano Gómez-Bantel: Generell tue ich mich mit dem Begriff “Markenkern” in Zusammenhang mit Fußballvereinen etwas schwer, denn dieses Wort impliziert die kommerzielle Sichtweise auf einen Verein. Ein Fußballverein wurde aber nicht als Produkt gegründet, das sich auf dem Markt gut verkaufen soll. Es klingt schon seltsam, wenn ideelle Begriffe wie “Treue” und “Leidenschaft” in einem Atemzug mit Vokabeln aus dem Marketing genannt werden.
Wenn die Außenwirkung eines Vereins authentisch sein soll, muss der Markenkern oder das Leitbild die Vereinsidentität wiedergeben – und die hat ihren Ursprung in der Historie des Vereins. Die Vereinsidentität lässt sich nicht künstlich erschaffen, sondern sie ist organisch gewachsen. Es handelt sich dabei um die Besonderheiten eines Vereins, im besten Fall sogar dessen Alleinstellungsmerkmale. Ebenfalls wichtig für die Leitbild sind die Anhänger, die von außen die Vereinsidentität prägen […]
Der spanische Verein Athletic Bilbao hat z.B. die Tradition, fast ausschließlich Basken in seinen Reihen spielen zu lassen, weil der Verein sich als Vertreter seiner Heimatregion versteht. Diese Vereins-Philosophie ist ideellen Ursprungs, sie ist das Markenzeichen des Clubs und bildet einen Teil seiner Identität – wenn man es so bezeichnen möchte, ist es das “Leitbild” des Vereins.
Frage: Kann es eine Markendefinition geben, die ohne austauschbare Begriffe auskommt, die 90% aller anderen Vereine auch für sich in Anspruch nehmen (“Fans”, “Treue”, “Jugendarbeit”)?
Adriano Gómez-Bantel: […] Ein Verein muss sich selbst sehr gut beobachten. Der oberflächliche Blick reicht dabei nicht aus – der Blick muss in die Tiefe gehen, sonst ist die Selbstdefinition nicht authentisch. Hat aber ein Verein durch die Entdeckung und Aufbereitung seiner eigenen Geschichte sein Profil entdeckt und geschärft, dann kann er seine Leitlinien glaubwürdig in die Öffentlichkeit tragen.
Natürlich benutzen sehr viele Vereine den Begriff “Jugendarbeit” für ihre Selbstdefinition, aber dabei so überzeugend wie Ajax Amsterdam oder der FC Barcelona zu sein, dürfte den meisten Vereinen äußerst schwerfallen.
Frage: Wie sieht es mit einer Markendefinition z.B. im Ruhrpott aus, wo etliche Vereine auf engstem Raum sich um Schlagwörter wie “Revier”, “ehrlicher Fußball” und Arbeitertradition balgen?
Adriano Gómez-Bantel: Sicherlich haben sehr viele Fußballvereine im Ruhrgebiet eine Arbeitertradition über die sie sich zu Recht definieren. Und mir den Schlagwörtern “Revier” und “Tradition” grenzen sie sich ja von den meisten anderen Bundesligavereinen ab. Aber auch bei den Revier-Mannschaften gibt es Unterscheidungsmöglichkeiten, wenn der Blick unter die Oberfläche geht. Wenn von den Anhängern vom FC Schalke 04 gesprochen wird, dann fällt der Begriff “Knappen”. Das ist der traditionelle Begriff für diejenigen, die eine Bergmannslehre abgeschlossen haben. Und dass die Schalker Spieler und Anhänger als Knappen betitelt werden liegt daran, dass der Ursprung des Vereins im Bergmannsmilieu liegt. Kein anderer Verein im Pott käme auf die Idee, seine Fans und Spieler als Knappen zu bezeichnen.
Es dürfte damit klar werden, wie wichtig für einen Verein die Beschäftigung mit seiner Tradition und Identität ist. Möchte ein Verein nicht zum Einheitsbrei werden und weiterhin Attraktivität ausstrahlen, ist mehr nötig als die Investition in Superstars und das verwenden von Worthülsen.
Frage: Was ist von einem Claim wie “Echte Liebe” zu halten, der wenig Bezug zum Image des BVB hat und dem, was das Team derzeit auf dem Spielfeld hinlegt?
Adriano Gómez-Bantel: Dieser Claim muss sehr stark auf die Anhänger des BVB bezogen werden. Auf den ersten Blick wirkt dieser Claim natürlich austauschbar. Was den BVB aber auszeichnet ist seine Anhängerschaft. Kein Verein in Deutschland verkauft so viele Dauerkarten wie Borussia Dortmund. Der Verein hält den Zuschauerrekord und war auch in Europa mehrmals auf dem 1. Platz was die Zuschauerzahlen angeht. Der Claim “Echte Liebe” ist zwar etwas abgedroschen, aber er ist dennoch authentisch. Trotz verlorenem Champions League Finale hätte man meinen können, dass sich die Dortmunder mehr freuen als die Siegen des Wettbewerbs. Da passt der Claim “Echte Liebe” einfach.
Ähnliches sehen wir beim FC Bayern München. Bis heute ist vom FC Hollywood die Rede und immer noch hört man hier und da: “Ein echter Münchner ist 1860-Fan.” Natürlich möchte Bayern München deshalb gezielt an seiner Außenwirkung arbeiten. Der Verein bemüht sich mit aller Kraft eine symbolische Vertreterrolle für die Region einzunehmen. Mit dem Claim “Mia san mia” möchte er sich bewusst vom Rest Deutschlands abgrenzen und zugleich einer Region zuordnen. Dennoch wirkt dieser Claim sowie der Lederhosenzwang bei öffentlichen Veranstaltungen ein wenig aufgebügelt.
Frage: Müsste die Definition eines Markenkerns nicht konsequenterweise auch Einfluss auf das Anforderungsprofil eines Sportdirektors und Trainers haben?
Wenn der aggressive, vorwärtsorientierte Spielstil von Jürgen Klopp und seine kumpelhafte Art als starke Attribute in das BVB-Image einfließen, ergibt sich dann daraus auch eine Verpflichtung für nachfolgende Trainer- und Spielerverpflichtungen durch den Sportdirektor?
Adriano Gómez-Bantel: Steht ein Verein traditionell für einen offensiven Spielstil, wäre es irritierend, wenn der Verein einen Defensiv-Experten als Trainer verpflichtet und das Team mit einem Mal zur Konter-Mannschaft wird. Es besteht also in der Tat eine gewisse Verpflichtung zur traditionellen Spiel-Philosophie, sofern denn eine vorhanden ist.
Eine Einzelperson kann aber den Markenkern nicht nachhaltig beeinflussen. Ein Verein wäre sonst ein sich ständig wandelndes Objekt, das für die Bestimmung von sich selbst immer abhängig von der Persönlichkeit seiner Protagonisten ist und sich andauernd neu erfinden muss.
Der Markenkern oder das Leitbild von einem Fußballverein ist abhängig von dessen Identität und nicht von Personalien. Der Kern für das Leitbild liegt meistens bei der Vereinsgründung, dann hat sich dieses Bild über die Jahrzehnte hinweg weiterentwickelt. Die Vereinsidentität ist somit organisch gewachsen. Ein authentisches Leitbild kann nicht durch eine Agentur oder durch die Öffentlichkeitsabteilung generiert werden – zumindest nicht, wenn ein Verein ernst genommen werden möchte […]
Frage: Kann das Leitbild eines Vereines nicht zur Belastung werden, wenn die dahinter steckenden Ansprüche nicht erfüllt werden? Hängt zum Beispiel das Leitmotiv “Junge Wilde” dem VfB-Trainer Bruno Labbadia nicht wie ein Mühlstein um den Hals, weil er die damit implizierten Attribute “junge, ehrgeizige Spieler”, “vorwärtsorientiert, intensiv” nicht erfüllt?
Adriano Gómez-Bantel: Der VfB Stuttgart ist ein Verein, der seit Jahren eine außerordentlich gute Jugendarbeit leistet. Nicht umsonst sind die A-Junioren und B-Junioren vom VfB Rekordmeister. Und auch die Torwartschule der Stuttgarter bringt immer wieder überragende Schlussmänner hervor. Die Stuttgarter Jugend ist so etwas wie das “Schwaben-Gold”. Aus dieser Arbeit resultierte die Spielergeneration der “Jungen Wilden”.
Dass der Verein sich der Jugendarbeit verpflichtet fühlt und dass sie eines seiner Leitbilder ist, bringt dem gesamten deutschen Fußball Vorteile. – Und für Bruno Labbadia bringt das die Option auf junge, gut ausgebildete Spieler aus den eigenen Reihen. Das ist ein Vorteil, den sich viele Vereine wünschen.
Ein weiteres Leitbild des Vereins ist es ja, sich als Vertreter der Region zu betrachten. Das wurde schon in den 1950er Jahren so definiert und dazu gehört es, viele Spieler aus der eigenen Region in die 1. Mannschaft zu integrieren – also auf die eigene Jugend zu bauen.
Auf den ersten Blick mag das Einhalten der Leitbilder natürlich wie etwas begrenzendes wirken, aber mit der Aufgabe seiner Leitbilder würde ein Verein seine Identität verlieren. Das bringt kurzfristig gesehen vielleicht (!) sportlichen und finanziellen Erfolg, aber inhaltlich kommt es einer Selbstaufgabe gleich. Was bleibt dann noch vom Verein übrig und ist so ein Verein überhaupt noch attraktiv?
Frage: Eines der dominantesten Gegenpole bei der Charakterisierung von Vereinen ist “Tradition” vs. “Neureich” mit u.a. Kaiserslautern, Dortmund, HSV auf der einen Seite und z.B. Hoffenheim, Wolfsburg und Leverkusen auf der anderen Seite. Die letztgenannten Vereine bekommen diesen Makel nicht weg, wie z.B. auch die Einschaltquoten im TV zeigen. Ist es nur eine Frage der Zeit bis die Akzeptanz da ist? Ist es eine Frage des sportlichen Erfolges? Gibt es international Beispiele wo ein “artifizieller” Klub im Laufe der Zeit Akzeptanz gefunden hat (US-Sport mit seinem Franchise-System ausgenommen)?
Adriano Gómez-Bantel: Man muss schon lang überlegen um ein Beispiel für einen “artifiziellen” Fußball-Club zu finden, der auf viel Akzeptanz stößt.
Vereinsgeschichte ist etwas, das über den Charakter eines Fußballvereins erzählt. Ein Verein, der nichts zu erzählen hat wirkt nicht so interessant wie ein Verein, der viel zu berichten weiß.Wie schon gesagt: Tradition ist etwas, das über die Jahre wächst und das sich nicht künstlich erzeugen lässt. Verfügt ein Verein noch nicht über Traditionen oder hat er diese Aufgegeben, dann verliert er auch seine Attraktivität. Wenn sich zum Beispiel ein Verein für Sponsorengelder umbenennt, dann wirkt das wie Selbstverleugnung.
Frage: Weg von den Vereinen, hin zu Ligen und Verbänden. Wie kann bei diesen Organisationen eine unterschiedliche Positionierung ausfallen, wenn sich alle um die gleichen Attribute wie “junge Zielgruppe”, “dynamischer Sport”, “jetzt auch in Großstädten angekommen” balgen?
Adriano Gómez-Bantel: Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Lassen Sie uns an Rugby denken: Die Sportart ist in ihrer Entstehungsgeschichte eng verknüpft mit dem Fußball. Ohne weiteres könnte man diese Sportart als den körperbetonteren Bruder vom Fußball positionieren. Auch der American Football setzt eine gewisse Härte voraus, ist aber z.B. nicht so dynamisch wie Hockey. Die Positionierung sollte in jedem Fall über die Eigenheiten und Alleinstellungsmerkmale einer Sportart stattfinden.
Ich nehme aus dem Interview mit, dass der scheinbar fehlende “Charakter” eines Klubs auch manchmal nur ein Problem einer zu wenig differenzierten Außendarstellung oder Wahrnehmung der Öffentlichkeit ist, mit.
Wenn die Revierklubs alle scheinbar um die gleichen Attribute kämpfen, dann muss man als Beobachter vielleicht noch einige Treppen tiefer steigen, bis man die Differenzierung z.B. zwischen Schalke 04, Borussia Dortmund und VfL Bochum erkennt. Das ist für mich eine der Erkenntnisse des Interviews: wenn ich nichts über eine Identität oder den Attributen eines Vereines weiß, dann liegt es nicht zwingend daran, dass der Verein gesichtslos ist, sondern dass ich nicht tief genug gegangen bin.
Gleichzeitig zeigt es aber auch das Problem eines Claims wie “Echte Liebe”, der erst (oder: nur) aus der Binnensicht eines BVB-Fans nicht anmassend wirkt. Ein Claim der mehr nach innen wirkt aber nach außen hin, wenig verständlich erscheint.
Reaktionen
[…] [allesaussersport] Auf der Suche nach Identität: http://www.allesaussersport.de/archiv/2013/06/10/auf-der-suche-nach-identitat/ […]
Interessantes Thema. Ich bin kein Experte für Vereinsidentität, aber mir scheint, dass es um so schwieriger ist, ein “Leitbild” zu finden, das den Verein einigermaßen korrekt abbildet, je lebendiger und vielfältiger die jeweilige Fankultur ist. Die zitierten Beispiele (Schalke, BVB) empfinde ich als historisches Kondensat, dass tatsächlich eher als Marke denn als Leitbild funktioniert. Bei St. Pauli (dem einzigen Verein, bei dem ich etwas mehr von der Fankultur kenne) ist diese Marke der “linke Freibeuter-Kultverein”, und gerade das Markenmäßige dieser Pauschalisierung geht vielen Fans auf den Senkel. Bei Pauli müssen zudem auch eine ganze Menge unterschiedliche Identitäten unter einen Hut gebracht werden – der Verein hat so viele Gesichter wie Fans und ich denke, das ist bei anderen Vereinen genauso. Ich finde deshalb die Zuschreibung als “Marke” zunächst mal korrekt, da es nicht so sehr um Identifikation der Fans mit dem Verein geht, sondern um Abgrenzung nach außen (zu anderen Vereinen/Fans) bzw. um Zuschreibungen, die in verkürzten Zusammenhängen gut funktionieren (TV-Berichterstattung). Dass dazu dann noch folkloristische Elemente kommen, die ritualisiert werden für die Fankultur (das Kohlestück für Raul bei Schalke, der Totenkopf bei Pauli, dicke Eier bei den Bayern) macht das noch nicht zu einem Leitbild, sondern eher zu einem Image oder einer Projektionsfläche, in der sich die Identität des jeweiligen Fans wiederfinden kann.
Eine viel differenziertere Außendarstellung ist aber auch gar nicht oder nur schwer möglich. Wer außer den eigenen Fans will denn schon wissen, wie viele Fraktionen bei einem Verein auf der Tribüne stehen und wie die Sicht dieser Fraktionen auf den Verein ist? Bei Pauli ist ja schon der kulturelle Unterschied auf den einzelnen Tribünen gewaltig, und selbst innerhalb der Süd und der Gegengerade gibt es deutlich wahrnehmbare Differenzen zwischen den jeweiligen Blöcken (USP, die alte singing area, die old school supporter, die Trendfans usw). Wie ist das bei anderen Klubs?
Aha, interessant. Was aber immer noch einer Antwort bedarf ist Folgendes: Was braucht man denn als Fußballclub um “Tradition” zu haben? Erfolg? Tragödien? Viele Fans? Keine Fans? Und ist die Tradition perdu, wenn ein Gönner/Großsponsor/Mafiosi einsteigt? Also zählt nur der Weg, wie man zum Geld gekommen ist, ob man “Tradition” hat oder nicht?
Hoffenheim hat – trotz 1899 – keine Tradition, Bayern – trotz Hoeneß – schon. Wohl auch noch, wenn er nicht 10 Mios, sondern – sagen wir mal – 100 Mios unterschlagen, und in den Club gesteckt hätte. Der eine hat sein Geld (möglicherweise) ehrlich verdient und in den Club gepulvert, der Andere wohl nicht.
Irgendwie schwant mir, daß diese Herangehensweise sicherlich nicht nach objektiven Kriterien erfolgt bzw. erfolgen kann.
Und selbst die irrsten Hater müssten ja konstatieren, daß zwischen dem Vorgehen von Hopp und Mateschitz noch immer ein 100 zu 1-Unterschied liegt, oder?
Eigentlich heißt “Tradition” bei den meisten Clubs einfach “alt sein”, aber irgendwie gibt’s Ausnahmen….objektiv gesehen wird dann nach recht wirren Kriterien unterschieden.
Naja, will ja nicht abendfüllend werden, ist wohl sowieso eine Sinnlos-Diskussion ;).
PS: Und außerdem werfe ich noch in den Ring: Die Vereinswahl (“Ich werd’ jetzt Fan von….”) in Kinder- od. (besonders!) Jugendjahren ist eine Charakterfrage….
Tolles Interview zu einem guten Thema! Mir fehlt ein wenig die Rolle der Medien: Haben die nicht auch oft genug einen (größeren) Anteil an der Erschaffung und Bestätigung eines Images/Leitbildes, wie z.B. die “jungen Wilden” des VfB Stuttgart oder der “FC Hollywood” – waren das nicht zu allererst auch von Journalisten formulierte, ausgewählte und verbreitete Schlagzeilen???
“Charakterfrage”? Hm. Ich erleb das gerade bei den eigenen Kindern, die sind gerade im bzw. kurz vor dem Vereinswahl-Alter. Da hast Du quasi drei Optionen: 1. Du wohnst im Einzugsbereich eines Profi-Vereins und schließt dich dem an, was dir im Freundesumfeld vorgelebt wird. 2. Du orientierst dich an dem was dir von Elternseite vorgegeben wird. 3. Du entscheidest dich für eine der momentan erfolgreichsten Mannschaften, weil “Gewinnen” in dem Alter (so roundabout 6) so enorm wichtig ist. Ich seh da in keinem Fall einen Zusammenhang zum Charakter des kleinen Fans.
Naja, um Tradition zu haben, muss man ja auch was tradieren – also Erzählungen über den Verein weitergeben (die 1983 Mannschaft beim HSV, die Europacomebacks von Werder Bremen, die Fohlenelf der Gladbacher): Wobei die anekdotische Aufzählung ja schon zeigt, das Tradition nicht notwendiger weise von Anno Dunnemals ist (wobei die Meisterschaft von 1922 auch eine Erzählung über das eigene Selbst des HSV ist – meiner Meinung nach). Und who knows, evtl. stiftet die Relegation 2013 bei den Sinnsheimern ja aus so was.
Mir fehlt oben aber ein wichtiger Quell von Identität – die Integration in die Gruppe hat immer auch eine Differenzbeschreibung gegen nicht Mitglieder. Sieht man im Fußball ja schön an S04 vs BvB – räumliche Nähe und aufeinander Bezug nehmen stiftet die beiden Identitäten (und können auch an anderen Beispielen festgemacht werden).
oder manchmal ist es auch einfach Zufall, ein besonderes Spiel oder der Verein deines Lieblingsfußballers. Trotz Aufwachsen im Dunstkreis des Ruhrgebiets und eines Dortmund-Fan-Vaters (und Bayern-Fan-Mutter) ist es bei mir Werder geworden, ohne dass es die 100%-ige Erklärung dafür gibt. Vielleicht war die Mischung aus grünen Trikots und der Sympathie für Marco Bode ausschlaggebend.
Die Frage ist ja auch, an wen sich das denn genau richtet. Ich sehe es auch so, dass die Vereinswahl ganz entscheidend von der Region abhängig ist und darüber wieder, was das Umfeld meint. Bei mir war das auch schon in der Grundschule geklärt. Und der Verein steht eben oft für ein Heimatgefühl. Daher verfolge ich auch die Kieler Störche, weil ich da mal gewohnt hab und mein Stiefdad ist nebenbei Fan von Lautern, weil er aus der Region kommt und mein Vater von Augsburg aus dem gleichen Grund usw.
Dieses ganze Drumrum mit Folklore etc. ist für mich auch eher ein Nebengeräusch, das sich eher an die Menschen richtet, die sowieso schon Fans sind und eben zur Abgrenzung anderen Vereinen gegenüber. Aber es wird ja nun niemand Schalkefan, weil er so auf Bergbau-Folklore steht.
Das ist für mich auch der Kern der Tradition, was die neureichen Klubs nicht mal so eben nachholen können. Die meisten alten Vereine bestehen halt schon seit 100 Jahren und sind total mit der Stadt verwachsen und das pflanzt sich von Generation zu Generation fort. Für Leipzig sehe ich da noch die besten Chancen, weil sie in der Region wenig Konkurrenz haben und darüberhinaus vielleicht eine Art Leuchtturm des Ostens werden könnten, wenn sie es in die 1. Liga schaffen. Das wäre auch ein Alleinstellungsmerkmal und gerade beim Ballack-Abschiedsspiel hat man imo gesehen, dass das schon nicht ganz unwichtig ist.
Ich war schon immer Fan von S04, inklusive kratziger Bettwäsche im Kindesalter. Nur an jenem unglaublichen 21. Mai 1975 (es dürfte ein Mittwoch gewesen sein) war ich fassungslos und für ein paar Stunden versucht, das Fanlager zu wechseln, weil ich wollte doch auch mal zu den Siegern gehören. Doch am nächsten Tag hatte ich die Versuchung überwunden (sie war niemals wieder so groß wie damals) und hatte mich dran erinnert und gehalten: Einmal Schalke, immer Schalke.
Übrigens, habe ich gerade noch gesehen, durfte ich jenes Spiel auch deshalb schauen, weil Anpfiff war schon 18:00. Nicht auszudenken, auch damals hätten sie drei Stunden später begonnen, ich mit meinen 11 Lenzen hätte mir das Spektakel sicher nicht anschauen dürfen.
Ich glaube das sportliche Erfolge in fast allen Fällen nicht direkt zur Identifikation taugen.
Aus “Werder Bremen, wir sind die Meister von 1987/88” lassen sich schlecht direkt Leitbilder formulieren. Aber 2-3 Schritte weiter, hast du eben nicht nur die Meisterschaften oder die furiosen Europapokalspiele von Werder vor Augen, sondern auch die Typen die dafür verantwortlich sind: bodenständige, unauffällige Spieler, “nordisch by nature”, die aber auf dem Platz den Schalter umlegen konnten – vielleicht auch noch mit so einem atypischen Schmuckstück wie Herzog oder Micoud. Und da kann man anfangen daraus eine Idee von Identität zu entwickeln – und dann zum Beispiel das Werder Anno 2012/13 im Vergleich auf den Prüfstand stellen. Nicht aus der Perspektive Europaerfolge gegen Beinaheabstieg, sondern aus der Perspektive Eilts, Schaaf, Neubarth gegen Arnautovic, Elias.
Nicht die Ergebnisse machen die Tradition und Identität, sondern die Menschen dahinter.
* Eine Ausnahme müsste man für Klubs machen, die in Massen erfolgreich sind. Bayern München ist ein Extremfall, weil dort der sportliche Erfolg inzwischen in die Identität eingesickert ist und dann so eine Ausnahmesaison wie 2012/13 Bestandteil der Identität wird.
Was mich aber dann umtreibt, ist die Frage, warum es mit Bayer Leverkusen nicht funktioniert. Zuviel Konkurrenz in der Umgebung? Kein Nukleus der so lange blieb, dass man sie mit dem 2001/02-Vizekusen verbinden konnte? War diese eine Saison zu wenig um Identität zu schaffen?
#Medienrollle: Bestätigung, Ausschmückung und Bewahrung des Bildes sicherlich.
Erschaffung eines Images/Leitbildes vielleicht eher weniger – mal von der Verschlagwortung abgesehen.
Junge Wilde standen nunmal auf dem Platz, Werder spielte unter Schaaf offensiv, der SVW oder Manchester U. haben lange einen Trainer beschäftigt.
Die Renaissance der Ruhrgebietsvereine in den 90zigern wurde mit der Ära der vorherigen Erfolge verknüpft.
Den Begriff des FC Hollywood muss man vielleicht differenziert sehen, da parallel die People-Magazine bis in die ör. Medien vordrangen, ohne die, so sicher nicht denkbar; trotzdem gewann das Fussballspiel in den 90zigern stark an Bedeutung und erst das Bosman-Urteil katapultierte Fussballer in Celebsphären.
Natürlich ist es kompliziert, den Medienanteil zu gewichten, aber, vieles wird auf dem Platz erzählt und dann erst medial aufbereitet.
Sind die Begriffe erst einmal in der Welt, wird natürlich fröhlich subsumiert, was beim VfB auch schon den Labbadia bedrängen kann
Ich muss sagen, ich wäre nie im Leben auf die Idee gekommen, den “Echte Liebe”-Claim für authentischer als den “Mia san mia”-Claim zu halten – so haben ich Herrn Gómez-Bantel verstanden.
Das liegt wohl daran, dass ich die Aussage des Claim auch nie als “Wir sind Bayern” verstanden habe, sondern immer eher als “Wir sind wie wir sind, und der Rest der Liga/Welt kann uns mal…”.
Ich denke, viel authentischer geht es nicht… :-)
Da finde ich “Echte Liebe” deutlich aufgesetzter und am Ende auch austauschbarer.
Ein “n” gebe ich zurück – erster Absatz.
@dogfood: Zu Leverkusen hat Dein Gesprächspartner eine Antwort eigentlich geliefert (Umbenennung für Sponsorengelder). Sie haben sich den Schritt des Umbenennens allerdings gleich gespart und hießen schon immer so. Bayer… -Neudeutsch würde man sagen, es ist einfach “unsexy”. Es ist Fußball, der ist emotional und nicht rational und ich kann mir kaum etwas Schlimmeres vorstellen im Stadion den Namen eines Chemiekonzerns zu hören bzw. zu rufen. Imho auch eines der Probleme neben der hohe Fluktuation, warum es der Basketball in Deutschland abseits regionaler Hochburgen schwer hat sich zu verankern.
Sehr interessantes Interview. Danke.
ich finde eigentlich, dass du, dogfood, und auch die anderen kommentatoren hier interessanteres zum thema zu sagen haben als herr gomez-bantel. aber die idee, ein interview zu führen, finde ich toll. und zumindest taugt das als diskussionsauslöser.
alles auf tradition zu schieben, ist mir zu einfach. die anfänge des fcb z.b. haben mit den attributen, die ihm heute zugeschrieben werden, kaum etwas zu tun. natürlich spielt die tradition eine wichtige rolle, aber ich glaube, dass der begriff zu ungenau ist und die fragen, auf die es ankommt, abwürgt. fragen muss man doch danach, was einen klub im einzelnen von anderen unterscheidet und besonders macht. und da kommen eben verschiedenste faktoren zusammen. aufschlussreich ist ja tatsächlich hoffenheim, wo relativ schnell ein schillerndes image (hopp/retorte – junge regionalspieler) da war, das dann aber ebenso schnell wieder futsch war, als die zentralen leute ausgetauscht wurden, und jetzt, seit gisdol, scheint das image wieder aufzuflammen.
Ich möchte das mit der “Charakterfrage” noch kurz näher erklären, weil es ja etwas schwammig formuliert war:
Ich glaube, es ist diesbezüglich ähnlich wie in Modefragen: Manche lieben es, mit der Masse mitzuschwimmen, andere wollen genau das Gegenteil.
Der Hauptteil entscheidet sich IMO sicher für einen Verein, weil die Freunde Maxl und Rudi schon Fan vom FC XY sind. Dabei ist es – glaube ich – gerade in Gegenden, wo es wenig starke Konkurrenz gibt, sogar noch eklatanter. So war’s zumindest auch bei mir in der Umgebung, und besonders Leute die nicht einem nahen “Großclub” angehören wollten, wurden schon schief angeschaut.
Und dann gab’s eben auch die, die gerade wegen “Jetzt-erst-Recht” zu einem ganz anderen Verein gegangen sind…. und die waren auch insgesamt nicht so “angepasst” wie die 1. Gruppe.
Also ich sage z.B. einmal: Paulianer wird man eher nicht erst als 25jähriger linker Punk, sondern schon viel früher als unangepasster Jugendlicher, wenn die Masse zum HSV geht. Sorry, nix gegen den Chef, mir fiel gerade kein besseres Beispiel ein.
Und noch kurz zur Tradition: @Ariane: Du schreibst: “Die meisten alten Vereine bestehen halt schon seit 100 Jahren und sind total mit der Stadt verwachsen…”. Da hätte ich eine Frage: Das gilt für Hoffenheim nicht, weil……? Muss also für Tradition auch “Größe” vorhanden sein? Oder gilt Größe in der Vergangenheit (siehe OFC o.ä.) mehr, als bei kürzlich “groß gewordenen” Vereinen?
Ich sage mal: “Tradition” ist die Zusammenfassung der Wahrnehmung der Mehrheit, nix was auf Fakten aufgebaut ist.
Ich bin Fan von RB Leipzig, und das seit Anbeginn. Für mich ist das der Verein, mit dem ich mich verbunden fühle, dem ich vertraue, mit dem ich feiere und leide.
Vereine, die auf eine lange Tradition zurückblicken können haben in ihrer öffentlichen Wahrnehmung die Nase vorn. Es macht mich aber auch betroffen, wenn Anhänger dieser Vereine meinen Bezug zum Heimatverein verachtend herabwürdigen. Ich bin weder Eventfan, noch gekauft oder bestochen worden. Tradition im Ostfussball unter Profivereinen zu finden ist schwer. Die in den 60er Jahren gegründeten Speerspitzen des sozialistischen Fussballs wurden bis ´90 über Staatsgelder und dem DTSB finanziert. Angeschlossen an Sportleistungszentren wie in Karl-Marx-Stadt, Magdeburg, Erfurt, Leipzig oder Dresden wurden sie allesamt durch Staatsgelder gesponsort. Wieder andere wurden zu BSG´s umfunktioniert und über die Staatsfirmen finanziell unterhalten. In Summe betrachtet auch nicht besser, als jeder andere Kommerzverein, der heutzutage herabwürdigend als “nichtexistent” oder “herzlos” betitelt wird. Will man erfolgreich sein, gehören Tradition und Kommerz im Fussball offensichtlich zusammen. Man kann es sehen und akzeptieren, eine Möglichkeit. Man will es nicht wahr haben und kämpft dagegen an, auch eine Möglichkeit.
Heute noch einen Verein aus dem Boden zu stampfen, ihm Tradition einzuhauchen und zu hoffen, dass er in hundert Jahren endlich akzeptiert wird, scheint in diesen vergänglichen Zeiten ein sinnlosen Unterfangen.
Bist du Leipziger ? Hattest du vorher gar keinen Verein ? Wie kommt man denn überhaupt mit RB in Berührung ?
@dogfood
Zu Leverkusen ist bei mir hängengeblieben dass sie zwar immer gute Spieler hatten, diese allerdings VOR oder NACH der Zeit bei Bayer die grossen Erfolge hatten.
Vielleicht macht dies auch einen Teil der “Identität” des Clubs aus: Als “Ausbildungsverein” oder “Auffangbecken”.
Das ist in Verbindung mit “Werkskohle” dann ein grosser Schritt, diesem unvoreingenommen gegenüberzutreten – wobei ich persönlich Bayer04 mittlerweile in der 1. BL nicht mehr missen möchte.
Bzgl. “Vereinsfindung”:
Das sehe ich absolut so wie Bernicz, es gibt die 3 Punkte Region, Familie und sportlicher Erfolg zum richtigen Zeitpunkt (z.B. hat Gladbach unter den zwischen 1960 und 1970 Geborenen einen deutlich höheren Anteil als bspw. in der 80er-Generation). Bei meinem Sohn hat die familiäre Prägung (Bayern) die regionale (Nürnberg) aus dem Feld geschlagen (was im übrigen ein echter Charaktertest ist, denn unter seinen Schulkameraden ist er damit immer Außenseiter).
Atterls These greift eigentlich nur für den in Deutschland nicht besonders häufigen Spezialfall, daß es in einer Stadt zwei sportlich fast gleichrangige Vereine gibt.
@atterl
Tradition: Ja, das Alter ist nicht das einzige Merkmal. Wie dogfood schon schrieb, hat es auch mit identifikationsstiftenden Personen und Ereignissen zu tun. Die glänzenden Augen eines älteren Herrn, wenn er erzählt, dass er den Seeler noch hat Fußball spielen sehen, kann man nicht künstlich irgendwie aufbauen.
@Ariane
Vielleicht wird ja auch bei Hoffenheim gerade “Tradition” gemacht, wenn in 20 Jahren Menschen mit “leuchtenden Augen erzählen”, wie ein Privat(!)mann Hopp Unsummen zum Start eines Projektes aus eigener Tasche zahlte und sich dann stückchenweise zurückzog (zumindest finanziell)…
Das kommt mir bei der jetztigen Traditionsdebatte immer zu kurz:
Ist gerade JETZT die Zeit, in der keine neuen Traditionen enstehen sondern nur noch bestehende Traditionen weiter fortgefüht werden “dürfen”?!
Bzgl. “Vereinsimage”:
Gerade Bayern hat ja nie besonders offensiv auf die Vorkriegszeit Bezug genommen, obwohl der Verein daraus Positives entnehmen könnte (jüdisch geprägter Club, der von den Nazis vorübergehend aus der Spitze entfernt wurde). Das Traditionsimage der Bayern speist sich meines Erachtens hauptsächlich aus der Mannschaft um Maier/Beckenbauer/Müller, daß der Verein eine deutlich ältere Tradition hat, und auch vor 1860 an der deutschen Spitze war, ist einfach kaum medienpräsent.
Der Slogan “Mia san mia” bezieht sich ganz bestimmt nicht auf die Region, Bayern München ist in München und Umgebung (v.a. Oberbayern und Niederbayern) schon jetzt der prägende Fußballverein, genauso wie es der 1. FC Nürnberg für Nürnberg und Teile Frankens ist. Ich sehe das so wie radjam – “Mia san mia” paraphrasiert die bekannte Redensart “Was schert sich die Eiche, wenn sich die Wildsau an ihr reibt”. Mithin: wir gehen unseren Weg, unbeeindruckt von den anderen. Älter als die “Echte Liebe” ist das IIRC sowieso, und authentischer kommt es mir (aus meiner regional beschränkten Sicht) auch vor :-)
“Nicht die Ergebnisse machen die Tradition und Identität, sondern die Menschen dahinter.” schrieb @dogfood
Sehr richtig, aber nicht nur die gestaltenden Personen im Verein wie Spieler oder Trainer, sondern eben auch die Fans, die Geschichten von älteren Spielen, Ereignissen weitergeben – sei es in der Familie, durch Freunde oder andere Fans, aber auch durch Literatur, YT oder Wiki.
Für den (jungen) Fan einer Mannschaft ist das grundsätzliche Unterscheidungssmerkmal der Augenblick, in dem er/sie sich für einen Verein entscheidet. Von da an ist sein Club der Beste, Gößte für ihn/sie.
Der Weg dahin ist von Umfeld- und Medienerzählungen begleitet, irgendwann kann es als Fantum bezeichnet werden. Und dann geht es halt los: Schüler-, Studentenputten, das Aufsaugen von Geschichten – gerade in schlechteren Zeiten.
Da entsteht dann Tradition, ob in der Grotenburg oder auf Schalke. Dortmund ist im Binnenverhältnis natürlich echte Liebe. Ein arbeitsamer Knuuut ist dann auch erstmal ein Dortmunder Phänomen, nur irgendwann wird es von den Medien aufgegriffen. Und mit dem Wachstum und der Internationalisierung des Fussballmarktes sind nun auch die Vereine dazu übergegangen, ihre Bereiche, ihre Identität abzustecken. Und wenn Marketingabteilungen übernehmen, kann es auch danebengehen.
Natürlich kann ich über “Echte Liebe” grinsen, finde es aber geschickt, dass sich der Verein diesen Allgemeinplatz gesichert hat.
Er ist aber erstmal für die Fans bzw. die potentiellen.
Natürlich dient er auch zur Abgrenzung, aber ehrlich, der Slogan ist doch nur eine weitere Bestätigung der Gegnerschaft für einen S04 oder Bayern-Fan.
Andererseits ist in Leipzig ein großes Publikum erreichbar und wenn der Verein nach oben kommt, haben die dortigen Fans sich genug zu erzählen, ohne permanent auf alten Käse angewiesen zu sein. Die Erzählung in der Öffentlichkeit muss halt durch interessante Konzepte oder tollen Fussball gestaltet werden. Wenn das nicht glückt, wird es die eigenen Fans auch nicht weiter stören, vermutlich sogar weiter zusammenbringen.
Ich will geilen Fussball sehen!
Ein Fallbeispiel, das all die Komponenten Tradition, Geld, Stars, Erfolge, Absturz, Wiederaufstehung, Legenden und limitiertes Zuschauerpotential in extremster Weise kombinieren würde: Der AS Monaco. Hat dieser Verein denn eine nennenswerte Anzahl von französischen (oder gar italienischen) Fans? Wie sieht die Strahlkraft vom unweit beheimateten OGC Nice aus? Zu welchem Klub halten die Menschen in Cannes oder Grasse? Und wie kommt Marseille in dieser Gegend so an?
Mich würden ein paar Ausführungen dazu sehr interessieren, und ich glaube, da lässt sich einiges zum Aspekt “Chancen eines Vereins ohne Region” herauslesen, auch wenn viele Jahre lang noch so viel Geld und Erfolg vorhanden gewesen ist.
Grundsätzlich halte ich den Begriff Marke durchaus für bei Vereinen anwendbar. Bei Marken geht es ja nicht alleine um eine kommerzielle Konstruktion, sondern ganz trocken um einen Nutzen, den man mit dem Namen letztlich verbindet. Da ein Verein sich in der Öffentlichkeit befindet, also nicht einfach nur eine Privatperson, ist es daher auch eine Marke, weil sie sich zudem von anderen Vereinen abgrenzt. Inwieweit diese Funktion kommerziell genutzt wird, ist eine andere Stufe.
Der Nutzen ist natürlich rein emotional. Es geht um Begeisterung, Freude, Unterhaltung, usw. Oft ist ein Verein auch ein Statement. Es wurde weiter oben schon mal angedeutet, so ist der FC St.Pauli durchaus für einige Gruppen ein klares Statement, auch wenn man nicht der klassische Fussballanhänger ist. So vielfältig in diesem Sinne halte ich den FC St.Pauli nicht bzw. ist es wenn, dann ja diese Offenheit, die das Vereinsaussenbild prägt.
Wieso jetzt Bayer Leverkusen nicht so funktioniert wie andere, hängt meiner Meinung nach durchaus mit dem Einfluß des Bayer-Konzern zusammen. Es ist eine Mischung aus vielem. Bayer war jahrzehntelang eine graue Maus. “Graue Mäuse” haben oft nur ein regionales oder sogar nur lokales Einzugsgebiet. Erfolg bringt meiner Meinung nach schon Fans, die aber eben nur dann bleiben, wenn neben dem Erfolg dann eben auch andere Dinge geschehen, die praktisch die Vereinswahl bestätigen. Dazu gehören dann eben auch Menschen in den Vereinen.
Für mich als Fan (nicht von Bayer) war Bayer seit Beginn meiner Fußballzeit in den 90er immer eher ein technokratisch geführtet Verein. Da ändern auch Leute wie Calmund nichts dran. Im Basketball hatte Leverkusen ja durchaus ein ähnliches Bild abgegeben. Zwar waren die Zuschauerzahlen in der Bundesliga top früher, allerdings auf einem nierdrigen absoluten Niveau. Vor dem Umzug nach Düsseldorf hatte man nur durchschnittliche Zuschauerzahlen. Und auch dort wurde sportlicher Erfolg irgendwie starr geplant.
Einen generalstabsmässige Planung nehmen Fans meiner Meinung nicht ab, zumindest eine größere Masse. Fehlt dann auch der absolute Erfolg, bleiben die üblichen grauen Mäuse Fans über. Ich würde behaupten, dass bei den Heimspielen von Bayer die überwiegende Mehrheit der Fans aus der unmittelbaren Umgebung kommt. Die TV-Quoten sind dann auch so niedrig, weil eben die Fans dann auch im Stadion sind.
Gilt denn ein “Claim” pauschal als positiv oder nützlich? Als Beispiel würde ich da “Vizekusen” anführen. Und können sich diese in ihrer Außenwirkung über die Zeit verändern? Wo der “Meister der Herzen” zum Zeitpunkt des Entstehens ein Mitfühlen ausdrückte, löst er heute doch eher ein Belächeln aus.
Ein sehr interessantes Interview. Vielen Dank für die Veröffentlichung.
Mit Calmund, Völler und dem teilweise begeisternden Spiel hat Leverkusen vieles richtig gemacht. Gerade international habe ich die oft gerne verfolgt, Niederlagen haben mich nicht weiter berührt, Siege gerne mitgenommen.
Relativ einfach, da ich kein Köln Fan oder so bin, keine Animositäten wie gg. andere Vereine habe. #Screensport
Wenn die Gerüchte stimmen, hat Bayer selbst für das CL-Finale Karten verschenken müssen. Jedenfalls spricht die Zahl der paar Vögel, die bei greifbarer Meisterschaft auswärts unterwegs waren, Bände. #Livesport
Natürlich hat Bayer auch Fans, nur eben zu wenige, so dass Außenstehende dadurch kaum angesprochen werden können. Von der Marke ganz zu schweigen.
In dem Sinne habe ich auch, die hier teilweise herrschende, Häme gg. F95 nicht nachvollziehen können. Gerade auswärts haben viele Stadionbesucher die Fortuna als sehr bereichernd wahrgenommen (von dem Ärger mit der SGE mal abgesehen).
Die Markendiskussion kann man am Beispiel Bayer gerne durchspielen, diskutabel ist aber nicht Bayer (auch nur noch ein Bayer, KFC), sondern Bayer, plus VfL Winterkorn, plus Hoffe und RB am Horizont.
Gab neulich übrigens auch einen netten Artikel in der Zeit über Leverkusen, warum sie vielleicht doch ein Sonderfall sind.
Sehr feine Sache übrigens ein Interview, einen Text als Diskussionsgrundlage anzubieten. Die Länge einiger Beiträge spricht wohl für sich und die Diskussion ist jenseits von Livespielen etwas unaufgeregter.
Gerne immer wieder.
Dabei dachte ich, Du, @dogfood, wärst gerade unter Tage bei einem Kunden.
@mik
Das Problem von Bayer scheint einfach zu sein, dass der Begriff “Marke” schon zu 100% im Vereinsnamen steht…
Da kommt das “Vizekusen” (was ich als ganz grossen move halte, dass man sich das Recht darauf selbst sicherte!) immer als Zweites…
@Ste / Re: Monaco
Monaco ist eine Freakstadt. Es gehört nicht zu Frankreich. Es hat eine absurde Bevölkerungsstruktur (nur 20% der Stadtbevölkerung sind gebürtige Monegassen = wenig Identifikation). Es ist klein (37.000 Einwohner). Es ist sehr klein (Stadtfläche = 2km x 1km).
Zum Vergleich: Nice 345.000 (Cannes 73.000, sind in der 4ten Liga).
Der AS Monaco hat schon immer ein Zuschauerproblem gehabt (Ligue 2: 4.600 und 5.800, in der Ligue 1 auch nur 6-11.000 im Schnitt). Selbst das Leichtathletikmeeting von Monaco hat seine Probleme gehabt.
Es gibt da unten nur einen Klub mit Strahlkraft: das ist Marseille, wo das schon fast Bayern-München-esk wird, weil OM als Stellvertreter des Südens gegen den PSG und OL empfunden wird.
Auf regionaler Ebene hast du noch die Ligue 1-Konkurrenz aus Nice und Montpellier. Aber das ist qua Zuschauerzahl und Ressourcen eigentlich eine andere Liga. Die nächste Saison wird eine der wichtigsten bei OM werden: sie müssen die Frau Präsidentin überzeugen, dass man auf CL-Niveau mitspielen kann und es daher okay ist, entsprechende Personalkosten zu haben – angesichts PSG und Monaco dürfte nur noch ein CL-Platz zu haben sein.
Der AS Monaco ist nicht da um den Monegassen zu gefallen, sondern…
a.) in Europa Eindruck zu hinterlassen (und entsprechende Gelder/Sponsoring etc anzuziehen)
b.) sich über CL-Gelder und franz. TV-Gelder (40-50 Mio für Spitzenteams) zu refinanzieren
c.) ein dubioses Finanzobjekt bei dem auch Spieleragenten für irgendwelche Deals im Boot sitzen.
Ich weiß noch nicht welche der drei Antworten bzw. wieviele der drei Antworten richtig sind.
Upps…. war eher auf David gemünzt… Sorry!
@mik: Das Interview ist seit ca. 10 Tagen in der Mache und seit Ende letzter Woche abgeschlossen. Gestern habe ich mir die Interviewpassagen markiert und heute morgen den Text geschrieben. Das ist also alles trotz Buchung vom Kunden möglich gewesen …
… zumal ich heute morgen beim Kunden aufgeschlagen bin, und er mich doof anguckt: “10ter JULI”. Immerhin hatte ich so an einem sonnigen Vormittag die Muße mit der Fähre in die Stadt reinzufahren.
Ah, die Fernschachvariante mit einem Zug und Nachdenkzeit, da entwickelt sich ein Artikel natürlich schon.
Abweichender Kalendereintrag ist lustig, solange er vorgreifend und nicht ical induziert ist.
Und Fähre bei dem Wetter ist immer angenehm, auch wenn man sich nach Ausstieg immer so komisch orientieren muss.
Zuerst mal wieder ein großes Dankeschön an dogfood für die Mühen.
In meinem Falle ist es mit dem Club des Vorzuges etwas differenziert.
Zum Einen würde ich mich nur für einen einzigen Club als “Fan” bezeichnen und das ist der Club meiner Heimatstadt und geprägt darauf wurde ich schon als kleines Kind, als mein Opa mit mir oft zum Trainingsgucken gegangen ist und auch später zum Spielbesuch ins Stadion. Mein Herz hängt sozusagen am Club.
Nebenbei sympathisiere ich aber auch seit meiner Kindheit, speziell bei internationalen Spielen mit den Bayern. Dies kommt bei mir, durch einzelne Typen, die ich als Kind/Jugendlicher bewunderte. Beim FCB waren dies damals Jean-Marie Pfaff, den ich für eine unglaublich coole Sau hielt und später Lothar, den ich einfach gerne auf dem Spielfeld sah.
Generell glaube ich, daß Typen/Persönlichkeiten, sowohl bei Spielern, aber auch in Funktionen, eine der wichtigsten Teile der Identifikation zu Clubs sind.
Der Typ Klopp z.B. ermöglichte dem BVB in den letzten Jahren erst eine Popularität in gewisse Schichten hinein, die dem BVB in traditioneller Prägung sonst vollkommen versagt geblieben wären.
Aber zurück zur eigenen Geschichte… Über die Jahre hinweg habe ich in der Fußball-BuLi aber auch immer wieder mit unterschiedlichen Clubs mitgefiebert. Auch z.B. mit Leverkusen in der “Vize-Zeit”, weil die mir einfach Spaß mit tollem Fußball geboten haben oder auch Freiburg mit den ganzen “-willi’s”. Diese Art des Sympathisieren hat aber bei mir auch den Selbstzweck, daß es mir einfach mehr Spaß macht, ein Spiel abseits des Clubs anzusehen, wenn man für die Eine oder Andere Seite mitfiebert.
Ganz seltsam wird es dann bei mir, wenn es in meinen Lieblingssport Eishockey geht. Natürlich fiebere ich da mit dem lokalen DEL-Team, einschl Dauerkarte, mit, aber dort kommt an erster Stelle die Sportart. Als vor einigen Jahren die Insolvenz drohte, fand ich dies zwar traurig, aber wenn es als Nachfolger dann einen 2.Liga Club gegeben hätte, hätte ich mir halt dort eine Dauerkarte geholt und mitgefiebert.
Und da wären wir dann beim Thema Austauschbarkeit, wie wir es hier neulich beim Thema BBL hatten. Meiner Meinung nach liegt die Austauschbarkeit bzw das Alleinstellungsmerkmal eines Clubs im heutigen Sportbusiness beim Fan auch immer eng verknüpft mit der Austauschbarkeit der Spieler.
Danke dogfood für das Interview und danke an alle für die tolle Diskussion hier!
Nebenbei bemerkt:
“Heimatverein” SSV Reutlingen (weil eben am höchsten spielend)
Papa: Stuttgarter Kickers
Mama: Bayern München:
Ich: Borussia Dortmund seit Anfang der 90er (fand die Auftritte im UEFA-Pokal einfach toll und die tollen Farben….).
Interessantes Thema. Eines, das einem als Anhänger des Leipziger RasenBallsports naturgemäß immer wieder begegnet.. Identität ist letztlich immer eine Frage von Personen und Geschichten. Sowohl auf dem Rasen als auch auf den Rängen. Ich würde behaupten, dass dafür ein großstädtisches Umfeld und eine vielfälftige Jugendkultur ein nicht unerheblicher Baustein ist (ausführlicher in einem kürzlich geschriebenen Blogbeitrag zum Thema Tradition und Identität: http://rotebrauseblogger.de/2013/05/18/traditionelle-identitaten/ ), da sich Identitätsbildung zumindest unterhalb der Champions-League-Clubs bzw. vor allem unterhalb der Bayern immer in einem regionalen Rahmen abspielt und es in diesem Sinne essenziell ist, dass im regionalen Rahmen auch eine öffentliche Kultur existiert, die Narrationen aufnimmt, weiterträgt und verinnerlicht.
Interessanter ist vielleicht noch die Frage, wie groß der Identitätsanteil ist, der einem quasi von außen aufgedrückt wird. Gerade in Leipzig erwächst viel an innerem Zusammenhalt (und somit Identität) aus der Ablehnung von außen und vor allem vom Erleben, dass die Außenwahrnehmung (und -ablehnung) über die Geburts- und Geldgeber-/Besitzergeschichte (inklusive Benennung als Eventfans) und das eigene Fußballerleben so fundamental auseinandertriften (was sich dann im Chant “Eure Meinung ist uns scheißegal” ausdrückt). Und letztlich gewinnen wohl die meisten Vereine viel von ihrer Identität durch das Außen und durch besondere Rivalitäten, nur dass die Ausprägung in Leipzig noch mal etwas größer, weil allumfassender ist. Die spannende Frage wäre, was von RB Leipzig übrig bliebe, wenn es ein allseits anerkannter Verein wäre, dem die sportlichen Erfolge fehlen..
@dogfood
Da dies wohl nicht nur heute sondern generell für die AAS-“Gemeinde” interessant ist, gäbe es nicht die Möglichkeit dies auf der rechten Seite der HP (wo gerade die “Shorties” sind) als länger dauernden thread zu platzieren?
Mich beindruckt an dieser Diskussion gerade dass jeder mal darüber nachdenkt, was er eigentlich “für sich” so als “gegeben” annimmt…
@Conejero zur Frage der Tradition
Doch natürlich wird sich auch in neueren Vereinen wie Hoffenheim irgendwann eine Tradition bilden, aber das wird zum Einen lange dauern und zum Anderen weiß ich nicht, ob es heute noch so möglich ist wie früher. Die Zeiten haben sich ja doch geändert und heute haben die neueren Vereine das Problem, direkt irgendwie als Marke rüberkommen zu müssen, während andere Vereine einfach nur simple Fußballclubs ohne solche Überlegungen waren und ich weiß auch nicht, ob dieser starke Lokalpatriotismus mit aller Folklore noch weitergeht, bzw neu aufgebaut werden kann. Schalke finde ich da am extremsten mit der Bergbau-Folklore. Es sind immer noch die Knappen, man sagt auf Schalke und Glück auf und natürlich fahren die Spieler 1x im Jahr in einen Kohleflöz (wahrscheinlich steht der nur noch deswegen) usw. Dabei ist die ruhmreiche Kohlevergangenheit ja ewig her und heute ist vielleicht 1 von 1000 Fans oder noch weniger iwie mit Kohlebergbau beschäftigt. Trotzdem ist das total verwachsen, sowas kann man nicht künstlich erschaffen, das würde total lächerlich wirken und diese Alleinstellungsmerkmale gibt es eben auch nicht mehr, daher muss man automatisch auf austauschbare Claims zurückgreifen.
Leverkusen ist eine interessante Frage. Ich bin eigentlich ziemlich neutral und hab auch nichts gegen Werksclubs, empfinde Leverkusen und Wolfsburg aber einfach als langweilig, ohne dass ich genau sagen könnte, warum. Als ich nach Niedersachsen gezogen bin, hab ich Hannover ein bisschen ins Herz geschlossen, ohne dass ich da nun wirklich in der Nähe wohne. (Aber Werder geht ja gar nicht^^) Und Wolfsburg kam da so gar nicht in Frage, weil ich sie eben langweilig finde, obwohl mir spontan kein Grund einfiele, wodurch Hannover spannender ist. Doch na gut, ich finde den Slomka und einige Spieler sympathisch.
Ich denke, was oben geschrieben wurde “Region, Erfolg, Familie” stiften am meisten Identität. Ich bin mir ziemlich sicher, dass man das sogar mathematisch berechnen kann. Wie weit sind die nächsten bedeutenden Vereine entfernt, wie viel Erfolg haben diese und wohin lenkt einen die Familie? Nach meiner Beobachtung, je jünger desto erfolgsbestimmter, je älter desto regional. Wenn in der Region wenig ist und Familie/Bekannte einen nicht lenken, bleibt man halt bei Bayern kleben.
“Gibt es international Beispiele wo ein “artifizieller” Klub im Laufe der Zeit Akzeptanz gefunden hat (US-Sport mit seinem Franchise-System ausgenommen)?”
Wenn RB Leipzig das Projekt durchzieht und längere Zeit in der Bundesliga spielt, werden sie im Osten eine weit überproportionale Akzeptanz haben. Der “Ossi” ist so gestrickt. Wenn ein Verein es nach oben schafft, hat er weit über den 50km Radius hinaus Unterstützung. Das hat nichts mit Fußball zu tun. Das ist im Handball, Boxen, Leichtathletik usw. das Gleiche. Im Fußball ist es nur größer. Ende der 90er war Hansa Rostock nach Umfragen der viertbeliebteste Verein Deutschlands und das sicher nicht, weil sie sonderlich viele Anhänger im “Westen” hatten.
Wo da mal Hannover 96 auftauchte, eigentlich ein gutes Beispiel.
Weder der HSV, Werder oder 96 und auch der FCB kriegen durch innerstädtisches Publikum das Stadion regelmäßig voll.
Umland oder verwaltungstechnische Region schließen mehr als die Lücken.
96 hat zwar zu den Entscheidungsspielen zum Ligaaufstieg in die 2. an einigen Rekordgrenzen gekratzt, in vielen Spielen in der 3. Liga konnte ich aber locker durch das leere Stadion spazieren.
Bevor 96 nach oben kam, fuhren wochenendlich viele Fans nach HH, HB oder zur Arminia – von Lüneburg nicht schwer, vom HBF nach Bielefeld auch nicht sonderlich LANG.
In der ersten Liga hat 96 natürlich andere Besucher abgerufen, weil aus der Stadt vermehrt Schläfer zum Verein kamen.
Interessanterweise halt ein Verein, der aus dem Nichts Identifikation entstehen lassen konnte, weil da wohl Tradition schlummerte. Die Idee kleiner/großer HSV – Werder ist doof, entstand da übrigens auch erst beim Aufstieg und wird inzwischen als selbstverständlich hingenommen.
Minütlich sehe ich beim RB eigentlich mehr Potential.
Interessantes Thema, starkes Interview!
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