Eskalation im Rugby-Krieg mit England und BT
Chaos in der europäischen Klub-Rugby-Landschaft. Es begann als gestern überraschend bekannt wurde, dass die höchste englische Rugby-Liga Premiership Rugby mit dem IPTV-Betreiber BT einen 4-Jahres-Vertrag ab Sommer 2013 unterzeichnet hat. BT löst damit die aktuellen Rechtebesitzer BSkyB und ESPN UK ab und zahlt 190 Mio Euro (50% mehr als bislang).
Mit in dem Vertrag inkludiert, und hier wird es schwierig, sind ab Sommer 2014 TV-Rechte aller englischer Klubs in den europäischen Pokalwettbewerben. Der Clou steckt in dem generischen Begriff “europäischen Pokalwettbewerben”, denn keiner weiß, wie ab Sommer 2014 diese europäischen Pokalwettbewerbe aussehen werden. Englische und französische Teams haben angekündigt, nach Ende der laufenden TV-Verträge aus dem Heineken Cup aussteigen zu wollen. Wenn der Veranstalter des Heineken Cups, die ERC (European Rugby Cup Ltd) nicht gravierende Änderungen vornehmen würde, würde man halt mit den Franzosen einen eigenen Pokal aufziehen und Schotten, Italiener, Iren und Waliser außen vor lassen. Den Engländern und Franzosen geht es dabei um eine Ausdünnung des Heineken Cups (um den Spielkalender weniger anstregend zu machen) und um einer Repräsentation durch Vereine nach sportlichen Gesichtspunkten statt einer garantierten Zahl von Startplätzen für Klubs aus kleineren Ländern. U.a. stört man sich am fehlenden Abstieg in der Celtic League und damit sportliche Verzerrung, weil die Celtic League-Teams sich es damit eher leisten können, zuhause mit der zweiten Garnitur anzutreten.
Gleichzeitig hängt Premiership Rugby als Karrotte dem ERC hin: wenn man sich auf umfangreiche Änderungen des Heineken Cups einigen würde, könnte man sich sogar die Einführung eines dritten Europapokals vorstellen, an dem dann auch Klubs aus Russland, Spanien, Georgien und Portugal teilnehmen könnten.
Ungeachtet dieser neuen Tatsachen, meldete BSkyB gestern einige Stunden später den Erwerb von Rugby-Europapokal-Rechten ab Sommer 2014, ebenfalls für vier Jahre.
Wie man aus obenstehenden Ausführungen erahnen kann, ist dieser TV-Vertrag mit dem ERC abgeschlossen worden und umfasst den Heineken Cup sowie den zweiten Europapokal, den Challenge Cup. Da u.a. von “Exklusivrechten” an Playoffs und Finals die Rede ist, ist der Vertrag auf Kollisionskurs mit dem TV-Vertrag von Premiership und BT.
Der ERC erklärte gestern abend die Klausel zwischen dem Premiership Rugby und BT bezüglich der Europapokal-Spiele gemäß der Regularien des Weltverbandes und eines Beschlusses des ERC für ungültig. Auf einem Treffen des ERC-Vorstandes, an dem auch die Premiership teilnahm, wurde im Juni beschlossen, mit BSkyB einen neuen Vier-Jahres-Vertrag einzugehen.
Für den britischen Telekomgiganten BT ist das nach Erwerb von Premier League-Exklusivrechten ab Sommer 2013 der nächste Donnerschlag auf dem britischen Markt. Die Ansage ist offensichtlich: man rüstet sich mit TV-Rechten auf, um den noch zu gründenden neuen TV-Sender zu einem Premiumsender zu pimpen. Dabei geht es BT in erster Linie nicht darum mit Pay-TV schwarze Zahlen zu schreiben, sondern sein Triple-Play-Angebot attraktiv zu machen. Während beim Kabelnetzbetreiber Virgin 70% der Kunden Triple Play hätten und bei BSkyB 40%, wären es bei BT nur 12%.
Und wie bei der Premier League ist BT dazu willens, derzeit Premium-Preise für die TV-Rechte zu zahlen. Erst vor wenigen Wochen hatte man u.a. ESPN UK auch die TV-Rechte für die französische Rugby-Liga Top14 weggeschnappt. Ob sich diese Politik der Hochpreisrechte auszahlen wird, wird man abwarten müssen. Setanta ist damit vor einigen Jahren schon einmal auf die Schnauze gefallen, allerdings hat BT andere finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen als Setanta.
Verlierer sind BSkyB und ESPN UK. ESPN UK macht einen schlimmen Sommer durch – nach Verlust der Premier League-Rechte ab Sommer 2013 nun auch der Verlust von Premiership Rugby. So langsam wird da die Konzernmutter gefragt sein, sich wieder mehr um den europäischen Markt zu kümmern und zu investieren, um den Status des britischen Ablegers nicht zu gefährden.
Stimmen aus Frankreich liegen noch nicht vor – die L’Équipe wird heute bestreikt.
Reaktionen
Der Heineken Cup hat momentan 6 Gruppenspiele und 3 KO-Spiele, wie will man den denn noch verschlanken? Das scheint mir ein vorgeschobenes Argument zu sein.
3 Gruppenspiele