Zum Bundesliga-Rückrundenstart
24 Fragen zu 18 Mannschaften
1. FC Bayern München
- Nutzt dem Team eine Leberwurst? – Nach dem er sich in der Hinrunde mit Müller in der Wolle hatte, pampte er gestern Boateng an und Boateng hatte daraufhin keinen Bock mehr, Robben anzuspielen. Garniert wird das ganze mit dem offen zur Schau getragenen Gestus einer beleidigten Leberwurst (grob), die erschüttert über die Majestätsbeleidigung erst einmal jammernd auf dem Boden bleibt (vor dem 0:1) oder die Hände in die Hüften stemmt (nach dem Boateng-Clash).
- Zuviel “Mir san mia” und zu wenig Taktikguru bei Heynckes? – Nach knapp einer Stunde des Spiels hatte Heynckes genug gesehen und brachte Rafinha und Alaba für Boateng und Tymostchuk. Wer jetzt einen grandiosen taktischen Kniff erwartete, wurde enttäuscht. Stattdessen fingen die Bayern wie in der Partie der Hinrunde an, eine Flanke nach der anderen in den Strafraum zu schaufeln. Es war von Anfang an klar, wie Gladbach spielen lassen würden, doch von den Bayern kam wenig und nach den ersten beiden Auswechslungen etwas was wie taktischer Offenbarungseid aussah. Wie kann sich Heynckes von einem Spiel verarschen lassen, dass eine 1:1-Kopie der Hinrunde war?
2. Borussia Dortmund
- Zuviel Sechs-Appeal? – Nach dem Gündogan zum Ende der Rückrunde einen besseren Eindruck hinterließ, stellt sich die Frage, ob der BVB – ohne Spiele in Europa – ein Überangebot auf der Sechs hat: Kehl, Gündogan, da Silva, Leitner, Bender. Bei da Silva kann ich mir noch vorstellen, dass er die Füße länger still hält.
- Nach der schwächeren Rückrunde der letzten Saison, wie wird die Kraft in dieser Rückrunde aussehen? – Letzte Saison: Hinrundenbilanz 14-1-2, 43Pkt. Rückrundenbilanz 9-5-3, 32Pkt.
3. FC Schalke 04
- Was ist das echte Schalke? – Ich kann mich an dieses Schalke nicht gewöhnen. Es wirkt für mich eher wie ein Übergangszustand zu irgendwas anderem. Ein Trainer (Huub Steevens) der aufgrund seines Alters nur noch eine limitierte Zeit auf Schalke hat. Ein Kader bei dem hinter Farfan und Raul und vielleicht auch Huntelaar perspektivisch Fragezeichen stehen. Und die Frage was für einen Kader sich Schalke leisten kann. Obasi statt Farfan ist ja diesbezüglich auch eine Ansage.
4. Borussia Mönchengladbach
- Wieweit reicht die Hinrunden-Taktik-Blaupause? – Ich hätte spontan gesagt: nicht sehr weit. Die Gegner sollten sich auf Gladbach eingestellt haben – ausgerechnet die Bayern beweisen das Gegenteil.
- Wer wird Reus nach Reus? – Als Gladbach Marin abgab, war Weltuntergang. Und dann kam Reus. Jetzt wo Gladbach Reus zum Saisonende abgeben wird, ist Weltuntergang. Hat sich aber mit Herrmann nicht schon längst der nächste Topspieler positioniert? Ich bin auf seine Fortschritte in der Rückrunde sehr gespannt.
5. SV Werder Bremen
- Spielt Werder in der Abwehr mit dem Kader wieder Harakiri? – Andreas Wolf wird wohl nach Monaco wechseln. Alles im grünen Bereich – sofern Naldo gesund bleibt. Ohne Naldo bleiben Sokratis und Prödl als IVs, mit dem Backup Silvestre. Drei Spieler für zwei Positionen? Der 1. FC Nürnberg würde anfangen hysterisch aufzulachen bei soviel Risikofreude. Angesichts des Umstandes dass Wolf noch bis zum letzten Hinrundenspieltag in der Startelf war, kann ich den Move nicht nachvollziehen und frage mich wieweit Werder davon getrieben war, einen Posten von der Gehaltsliste streichen zu können.
- Wird dies die letzte Rückrunde von Marin bei Werder? – Marin wirkt, insbesondere wenn man das Aufblühen von Reus daneben stellt, wie ein Auslaufmodell. Und siehe oben: wenn bereits der Wechsel von Wolf vielleicht geldgetrieben war, wie sehr ist Werder dann überhaupt noch darauf erpicht, Marin zu halten?
6. Bayer Leverkusen
- Fortschreitende Dutt-isierung von Bayer? – Die Sollbruchstelle bei Bayer geht von Dutt aus. Die entscheidende Frage ist aber wie der “Frontverlauf” innerhalb der Mannschaft ist. Die Signale die aus der Mannschaft kommen, sind unterschiedlich. Ein Rolfes hat sichtliche Probleme, während Ballack durchaus auf einer Linie mit Dutt zu liegen scheint. Die jungen Spieler scheinen auch eher Dutt-nah zu sein, brechen aber dem Trainer mit ihrer teilweise phlegmatischen Spielweise das Genick. Ob mit oder ohne Dutt: Leverkusen scheint sich zu einer komplett anderen Mannschaft zu verändern und in Ermangelung von Leitfiguren, könnte man dort enden, wo Hoffenheim schon ist: immer wieder spielerische lichte Momente einer jungen Mannschaft, die aber null Zielstrebigkeit besitzt.
7. Hannover 96
- Was macht der Akku? – Für mich eine der Überraschungen der Winterpause: null Neueinkäufe bei Hannover. Kein Aufrüsten des Kaders, obwohl die Mannschaft offensichtlichen Kräftverschleiß hatte und auf etlichen Positionen “alternativlos” war … und ist.
- Wie lange kann man sich einen Ein-Mann-Sturm leisten? – Alle reden über die Freiburger Abhängigkeit von Cissé. Mohammed Abdellaoue hat 9 von 20 Toren geschossen. Zweitbester Torschütze? Schlaudraff mit sage und schreibe zwei Toren. Dahinter sieben Spieler mit je einem Treffer. Hannover scheint nur eine Abdellaoue-Verletzung vom Desaster entfernt zu sein.
8. VfB Stuttgart
- Wohin geht die Reise mit Labbadia und Bobic? – Bruno Labbadia scheint noch am Basteln der Mannschaft zu sein. Cacau enteiert, mit Pogrebnyak nicht glücklich. Mit Kuzmanovic scheint man auch nicht die nächsten Jahrzehnte planen zu wollen/können. Auf der 10er-Position scheint sich nur Hajnal etablieren zu können. Es wirkt so, als würden Labbadia und Bobic sehr gemächlich sich Bausteine für eine neue Mannschaft zusammenzukaufen. Nicht per HSV-Radikalkur, sondern eher als Fünf-Jahres-Plan. Wer was von Bobic hören will, wohin die Richtung geht, bekommt keine zufriedenstellende Antwort. Die gestrige Pressekonferenz zur Vertragsverlängerung war nur unsagbare Phrasendrescherei.
9. 1899 Hoffenheim
- Wieviele Rhetorik-Patronen hat Stanislawski noch im Halfter, nach dem er bereits in der Hinrunde etliche Male den Charakter weiter Teile der Mannschaft und am Ende sogar sich in Frage stellte? – Die zwei Kannen Kaffee tun Stanislawski nicht gut, so hibbelig scheint er angesichts fehlender Fortschritte zu sein. Alle reden sie in Hoffenheim zu Saisonbeginn von Ruhe, Weitsicht und Strategie um dann zur Winterpause wegen fehlender Fortschritte schon wieder alles zu hinterfragen.
- Wie wird die Offensive aussehen? – Mit dem Verkauf von Obasi (ja, doch, es soll ein Verkauf, nicht nur eine Ausleihe sein) und Sigurdsson haben zwei Spieler den Klub verlassen die in der Hinrunde auf immerhin 17 Einsätze kamen.
10. 1. FC Köln
- Bekommt Solbakken seine Defensive fertig gebastelt? – Bei einer so gravierenden Änderung im Spielsystem darf sich Köln nicht beklagen, damit immerhin bis auf Platz 10 gekommen zu sein. Es hapert noch an der Konstanz der Defensive, die sich immer wieder gerne mal drei Tore einfängt (3-Gegentore-Spiele: Wolfsburg, HSV, Hertha, Werder, Gladbach, Bayern. Gegen Schalke, und Dortmund waren es sogar noch mehr). Dies muss ausgebügelt werden, bevor nächste Saison dann das große Thema Offensive ansteht, möglicherweise dann ohne Podolski.
11. Hertha BSC
- Mehr Heim-Initiative von Hertha? – Immer wieder diese Heimspiele, wo man selbst gegen passive Gegner sich förmlich weigerte zuhause die Initiative zu übernehmen, prototypisch die Spiele gegen Nürnberg oder Hannover. Das ging immer wieder auch anders, wie z.B. in Hamburg oder zuhause gegen Gladbach. Ich schiebe das auch auf Babbel, dessen Auftritte in den Medien ähnlich profillos waren – bis dann auf den unterhaltsamen Dezember-Clash mit Preetz. Mal sehen ob Skibby, der Trainer da eine Mentalitätsänderung reinbringen kann.
12. VfL Wolfsburg
- Wolfsburg mit mehr O oder mehr D? – Viel wird zwar über die Situation der Offensive diskutiert. Einer Umstellung auf eine Spitze, Verstärkung der Flügel etc… Die eigentliche Überraschung für eine Magath-Truppe sind aber die 34 Gegentore, drittschwächste Abwehr der Liga. Was Magath normalerweise bei seinen Teams als erstes macht, ist das Abdichten der Abwehr, durch eine sehr engmaschige Defensive, die bereits im Mittelfeld die Räume engmacht und das Passspiel enorm erschwert.
Davon war heuer nix zu sehen.
13. Hamburger SV
- Hat es das HSV-Ego nicht ein bißchen zu eilig? – Liest man Interviews von Vorstand und Spieler, steht der HSV im Grunde genommen kurz vor der Weltherrschaft. Ein Serie von acht Bundesligaspielen ohne Niederlage unter Thorsten Fink hat mächtig Höhenluft in die Hirne geblasen – auch wenn die Partien vielfach spielerisch nicht überzeugend waren, im Kader etliche Baustellen bestehen bleiben und der “MVP” der Hinrunde, Töre, länger ausfällt. Und das Ganze sage und schreibe nur drei Punkte übern Strich.
14. 1.FSV Mainz 05
- Findet Mainz seine Effizienz? – Wieviele Spiele hat Mainz dadurch vergeigt, dass man zwar Torchancen herausspielte, aber keine Tore schoß? Anscheinend versucht man es weiter mit dem gleichen Personal – in der Winterpause wurde zumindest im Sturm nicht nachgerüstet.
15. 1.FC Nürnberg
- Wird es eine neue Offensive geben? – Der Versuch die einzige Sturmspitze Pekhart über starke Außenpositionen zu füttern, floppte, u.a. weil die Flügel schnell weggenommen waren und Pekhart dann verhungerte. 17 Tore, drittschlechteste Offensive (Pekhart 4 Tore). Personelle Nachrüstung geschah nicht. Hat Hecking also am System geschraubt?
16. 1.FC Kaiserslautern
- Wird es eine neue Offensive geben? – Ähnliches Thema wie beim FCN (13 Tore, schwächster Ligawert), wenn auch in einer anderen Variante: hier scheint sich weniger die Systemfrage zu stellen, sondern mehr die der individuellen Klasse. Stefan Kuntz hat jedenfalls nachgeladen: Jörgensen, Swierczok und Sandro Wagner, in der Hoffnung dass sich einer als Glückslos erweist.
17. FC Augsburg
- Wird es eine neue Offensive geben? – Und auch hier. 15 Tore, zweitschwächster Ligawert. Bei Sascha Mölders dürften zwar ruhig etwas mehr Tore abfallen (4 Tore), aber so wie er arbeitet und die Bälle auch fernab vom Zentrum bekommt, hapert es vorallem beim agilen Mittelfeld, das zwar nachrückt, aber nicht genügend torgefährlich ist. Bellinghausen, Baier, Gogia, Ndjeng, Brinkmann und Werner haben insgesamt nur drei Tore erzielt. Das ist viel zu wenig für ein offensives Mittelfeld bei einem 4-2-3-1.
18. SC Freiburg
- Wer hat das absurde Timing nach Hinrundenende verbrochen, daszu erst zu einer zügigen Entlassung/Suspendierung von sechs Spielern führte und dann erst knapp zehn Tage später zu einem Trainerwechsel? – Christian Streich hat zwar auf seiner Antritts-PK davon gesprochen, dass die Entscheidung zur Spieler-Abstrafung von ihm mitgetragen wurde. Aber das muss mir jemand erklären, wie man Stammspieler (Bastians & Butscher) zügig suspendieren kann, aber dann zehn Tage braucht, um die Trainerfrage zu überdenken. Die Zweifel an Sorg muss es doch schon länger gegeben haben und dann stelle ich einen neuen Trainer doch nicht in Sachen Suspendierung vor vollendeten Tatsachen?
Zeilensport
Bent it like Bender hat seine eigene Bundesliga-Rückrundenvorschau auf die Beinde gestellt. Fazit: Kaiserslautern und Freiburg steigen ab, Augsburg in die Relegation und Bayern wird vor Dortmund, Schalke und Leverkusen Meister.
Seine Beiträge zu den einzelnen Teams, sind im Blog unter dem Tag #bundesligacheck gesammelt.
derhatschongelb hat in Sportsaal sich mal die Transfers von 10 Jahre Magath angeschaut. Spieler für Spieler. 97 Einzelbewertungen!
Zum Rückrundenstart startet auch eine Kampagne der taz: Andreas Rüttenauer for DFB-Präsident. Mit Facebook-Seite, Twitter-Account @DFB_Kandidat, Interview in der taz und Youtube-Video wirbt der taz-Sportredakteur. Okay, das ist witzig gemeint, aber dahinter steckt durchaus die ernsthafte Frage, wie es sein kann, dass der Präsident des größten Sportverbandes der Welt per Gemauschel ausgeguckt wird und die anstehende Präsidenten-Wahl zu einer Akklamation verkommt? Ist eine der Lehren aus der unerträglich korrupten FIFA nicht eine konsequente Demokratisierung der Verbände? Mehr zu diesen Schlussfolgerungen ist dem “Manifest 2020” zu entnehmen, das hinter dieser Aktion steckt.
Reaktionen
ich mag problemorientierte betrachtungen!
deswegen mein vorschlag für die grundlegendere frage an den hsv:
Wird es gelingen, ein eigenes Spiel zu finden?
klar: die umdeutung der 2 siege und 6 unentschieden zu einer erfolgsserie ist schon eine enrvige hybris, aber das finks amtszeit bis zur winterpause keine wesentlichen optischen spuren in der taktischen ausrichtung und strategischen performance gebracht hat, ist doch wesentlich gefährlicher, als die selbstüberschätzung.
Sehr genialer Eintrag. Danke.
Die Heynckes-Frage ist eher rethorischer Natur, nehme ich an?
Sehr interessant, wie limitiert er sich dann doch zeigt. Der Weg zur hinlänglich bekannten Dünnhäutigkeit ist nicht mehr weit.
Aber das wird jetzt erstmal mit Siegen in den nächsten 6-8 Spielen überkleistert, bevor sie wieder gegen Dortmund, Milan und Kaiserslautern untergehen.
@Gladbach:
Das “die Gegner sollten Gladbachs Spielweise durchschaut haben”-Argument hast du imho letzte Rückrunde bei 96 auch schon gebracht. Auch damals konnten sich nicht wirklich viele Teams drauf einstellen und 96 spielte auch eine gute Rückrunde. Glaube die überschätzt die Fähigkeiten der Gegner ;-)
Teams, bei denen der Trainer sein System an die vorhandenen Spieler anpasst und nicht andersrum (vgl. Diskussion bei sortradio360 zum Thema vorher mal n Kicker Sonderheft kaufen) sind halt einfach erfolgreich.
@Hannover:
Da kommt ziemlich sicher noch n Spieler. Schmadtke ist da an 1-3 Spielern (primäre Stürmer) dran. Wäre ebenfalls überrascht und dazu noch ziemlich ungluecklich wenn man mit diesem Kader am 1.2 die ganze Rückrunde vor sich hätte.
Bei Hannover nur auf die erzielten Bundesligatore zu schauen finde ich etwas kurzsichtig: in den 8 europäischen Spielen erzielte Abdellaoue “nur” 2 der 12 Tore (Schlaudraff 3, Pander 2, 5 Spieler je 1). Zusammengerechnet ist die Abhängigkeit von ihm weniger deutlich.