“Die Stars des DDR-Fußballs”

Noch auf der Suche nach einem Weihnachtsgeschenk? Ich hätte da einen Vorschlag…

Die Stars des DDR-Fußballs” sammelt 75 Kurzportraits von Spielern, Schiedsrichtern und Trainern des DDR-Fußballs von den 50er bis zu den 90er Jahren. “Kurzportrait” meint eine halbe bis eine Seite sehr luftig gesetzten Text mit einem großen Photo und einigen Daten wie Geburtsdatum, Vereinszugehörigkeit, Oberliga- und Länderspiele. Die Portraits sind in die Rubriken “Helden ihrer Clubs“, “Strategen“, “Tormaschinen“, “Torwächter“, “Abwehrrecken“, “Wende-Stars“, “An Linie & Pfeife“, “Staatsflüchtlinge” und “Die besten 12 aus 40 Jahre” eingeteilt.

Es ist kein Buch dass man sich von der ersten bis zur letzten Seite in einem Rutsch durchliest. Eher wird man im Buch schmökern, sich mal fünf Portraits durchlesen, es wieder zur Seite legen, um dann am nächsten Tag weitere Portraits zu lesen. Oder es mal immer wieder rausholen, wenn man gerade über einen Namen stolpert oder seinem Kind/Enkel zeigen will, was es “damals” für Spieler gab.

Und diesen Zweck erfüllt das Buch. Die Portraits sind keine tiefenpsychologische Analyse oder der Versuch eine Biografie zu erklären, sondern nur eine einfache, simple Verortung der Person im DDR-Fußball, manchmal mit einer Anekdote garniert. Man betreibt keine Systemkritik und als “Wessi” hatte ich manchmal das Gefühl dass dies ein Buch von “Ossis” für “Ossis” ist. Aber es tut es nur leise. Es gibt kein “früher war alles besser” oder “wir hatten die besseren Fußballer“. Unbequemes wird nicht ignoriert. Verklärung geschieht, soweit ich es überhaupt beurteilen kann, maximal durch die eine oder andere Auslassung, aber die grobe Richtung ist okay. Im Kapitel “Staatsflüchtlinge” macht Lutz Eigendorf den Start und immer wieder kommt in den Portraits die latente Unzufriedenheit der Spieler mit dem Staat zum Ausdruck, der die Spieler zwingt, zu anderen Vereinen zu wechseln, Spitzeldienste zu betreiben oder bei Auswärtsreisen großes Misstrauen gegenüber seinen Spielern hegt. Diskutabel bleibt allenfalls ob die Schiebung im DDR-Fußball u.a. zugunsten Dynamo Berlins, ausreichend thematisiert wird.

Gleichzeitig sind dies aber auch die Punkte, die bei mir einen “Hunger” nach Mehr geweckt haben. Mehr Text, tiefere Texte, über die Probleme weil es im Süden der DDR mehr Fußballvereine gab als im Norden und deswegen Spieler und Klubs nach Norden “versetzt” wurde. Wie es war, bei einem der nicht-protegierten Klubs im Osten zu spielen. Wie es war, als nicht zuverlässiges Element gebrandmarkt zu sein und deswegen von Auslandsreisen ausgeschlossen worden zu sein.

Wer das Buch als Appetithappen oder “Coffee Table Book” versteht, wird, sag ich mal als “Wessi”, mit dem Buch zufrieden sein. Was das Buch nicht ist, ist eine analytische Abhandlung von 40 Jahren DDR-Fußballs.


Disclaimer: Der Delius Klasing Verlag hat mir das Buch als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Ein Buch in dem viel lehrreiches über DDR-Fußball steht ist Hanns Leske: Erich Mielke und das runde Leder. Wissenschaftlich, manchmal sprachlich tröge, aber tief, episodenreich und mit 620 Seiten kein Leichtgewicht.

  3. Ich find schön, welch realistischen Blick Du auf Deine Leserschaft hast (22.12.)

  4. Ich wohne ja in einer Stadt, in die in den 60er Jahren ein Erstligaklub auf Geheiß von oben von Berlin verpflanzt wurde. Und die Leute reden immer noch – zum Teil mit glänzenden Augen – von “ihrem” ASK (Armeesportklub) Vorwärts, wohl auch, weil die heutige Viktoria in der sechstklassigen Brandenburgliga ihr Dasein fristet (in einem abbruchreifen Stadion). Das Buch kratzt mir dann doch zu sehr an de Oberfläche. Eine gute Seite Text ist über einen Spieler einfach zu wenig, um hinter die Fassade zu gucken. Höchstens als Anfangslektüre geeignet, um einen ersten Überblick zu bekommen. Schön allerdings, dass auch an Schiedsrichter gedacht wurde. Rudi Glöckner ist ja immer noch der einzige Deutsche, der je ein WM-Endspiel. gepfiffen hat. Danke fürs Ausschweifen.

  5. Wenn ich das richtig verstanden habe, will das Buch gar nicht den Anspruch erheben, ausschweifend tiefgründig zu sein, sondern einfach informativ und kompakt. Daher scheint mir eine Seite pro Persönlichkeit eine durchaus vernünftige Dimension. Mehr liest man eh nicht mal zwischendurch, dann lieber 4-5 Personen hintereinander weg. Klingt interessant auch wenn es für mich alles große Unbekannte sind und meine Affinität zum DDR-Fußball eher nicht so vorhanden ist.

  6. “nach”, oder?

  7. Hab (bevor ich dies hier las) im Buchladen mal kurz darin geblättert.
    Ganz hübsch, ganz nett.
    “Helden ihrer Clubs” gefiel mir als Rubrik am besten, weil dort einige Spieler auftauchen, die nie oder seltenst in einer Nationalmannschaft spielten und dennoch das Bild der Oberliga prägten.

    Gestört hat mich der Titel “Stars”. Der wird heute inflationär gebraucht und spielte im DDR-Fußball keine Rolle.

    Gewundert habe ich mich darüber, dass ich beim schnellen Durchblättern Dörner nicht gesehen habe.
    Aber dafür habe ich ihn ja jahrzehntelang spielen gesehen. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie gut der wirklich war.

  8. Ich habe das Buch aktuell nicht vor meiner Nase liegen, glaube aber das Dixie Dörner drin gewesen ist. Ich meine mich zu erinnern, u.a. was über seine Zeit als Trainer bei Werder gelesen zu haben und ein Bild des jungen Dörner gesehen zu haben. Aber wie gesagt: ich hab das Buch zuhause liegen und kann nicht nachschauen.

  9. Dann wohl in der von dir genannten Kategorie “Die besten 12 aus 40 Jahren”. Die war mir im Weihnachtseinkaufstress nämlich auch gar nicht aufgefallen.

  10. Ich werde es nicht kaufen, Kurzporträts interessieren mich nicht. Allerdings muss ich als bekennender blau-weißer Kuttenfan sagen, dass das Coverfoto sehr gut gewählt wurde. Ich hätte noch Streich reinkopiert, dann wäre das FCM-Glück bzw der FCM-Schmerz perfekt.

    Hanns Leske “Erich Mileke, die Stasi und das runde Leder” ist in der Tat zu empfehlen.

    Auch seine “Enzyklopädie des DDR-Fußballs”.

    Ich glaube, das sind zwei der gründlichsten Recherchen zu diesem Thema, zwar stasiaktenfixiert, aber weit darüber hinausgehend, da wo die meisten Autoren nur Kindheits- oder Jugenderinnerungen zusammen schreiben.

    Ansonsten: nun ist auch mal gut.

  11. ich würde es mir kaufen. habe zwar wenig mit ddr-fussi am hut, aber hatte eine sehr skurrile begegnung in sachen ddr-fußball anfang des neuen jahrtausends. ich war in einer klinik in thüringen (unweit von jena) und lief mit einem duke-hoodie in den dortigen speisesal. kommt ein (damals) mitfünfziger auf mich zu, strahlt mich an und sagt “nü das is jo’n ding. hamm sie was mit’m dugge zü tün?” ich war kurz verwirrt, da ich seinen thüringischen dialekt nicht gleich verstand und sagte nur “wiiee?” er daraufhin: “nu da beda dugge, des wor emol n subba fussballer hier bei üns”. habe mich dann mal schlau gemacht und bin seitden “fan” von peter ducke…