Die H-Bombe: der Verein bleibt größer als der Trainer
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Wäre nicht heute Allerheiligen, würde man sich bei SKY vor Freude in die Arme fallen und Brian Sullivan würde der sky90-Redaktion eine Kiste Bier spendieren. Mit dem Uli Hoeneß-Interview in der gestrigen Ausgabe der sky90-Talkshow hat man einen Coup gelandet.
Uli Hoeneß-Interviews sind nie unterhalb eines gewissen Unterhaltungswert und so lauschte man gestern schon gespannt seinen Einschätzungen über Mainz und Dortmund (sinngemäß: hätte damals die Verpflichtung von Jürgen Klinsmann nicht geklappt, hätte man Gespräche mit Jürgen Klopp geführt).
Recht unvermittelt platzte dann aber die H-Bombe als Uli Hoeneß bei einer Einschätzung des FC Bayerns auf den Trainer zu sprechen kam – ein geplanter Schlag (mit ironischen Unterton “Ich habe darüber mit Sicherheit einige Minuten nachgedacht“).
Spieler der zweiten Reihe
Uli Hoeneß erwähnte ausdrücklich die drei Torschützen vom Freitag, Gomez, Demichelis und Tymoschuk.
Wie sehr Hoeneß mit dem Hegen und Pflegen der Zweiten Reihe Recht hat, zeigt sich anhand einer Meldung von heute morgen: Ivica Olic wird wegen eines Außenmeniskus- und Knorpelschaden im Knie heute zur OP in die USA fliegen, die nächsten sechs Wochen nur auf Krücken laufen können und vermutlich 5 bis 6 Monate ausfallen.
Van Gaals Menschenführung wurde von Hoeneß nach allen Regeln der Kunst auseinandergenommen. Er warf ihm ein Schwachreden der Spieler aus der Zweiten Reihe vor, dass angesichts des Spielplanes und der Verletztenmisere nun negativ auf die Bayern zurückschlägt (“Ich sitze auf der Tribüne und sehe drei Tore von Leuten, die längst weg sollten” “Tymoschuk hat doch nur gespielt weil kein anderer mehr auf der Bank war!“).
Van Gaals Umgang mit dem Spielern passe nicht zu der Philosophie der Bayern (“Ich glaube da ist dem einen oder anderen Spieler unrecht getan worden.“) – vor dem geistigen Auge taucht das Interview mit Demichelis am Freitag auf, als er mit tränenerstickter Stimme noch einmal seine Jahre bei den Bayern lobend erwähnte, aber auch dass er keine Perspektive bei den Bayern mehr sieht.
Das Interview von Uli Hoeneß – eine bewusst gewählte Eskalation, weil die Kommunikation mit dem Trainer schwer fällt. Van Gaal akzeptiere keine andere Meinung und sei bei fehlenden Erfolg noch weniger erreichbar. Beschwichtigend erklärte Hoeneß, dass van Gaal die Kritik nicht annehmen werde, van Gaal aber mit der Kritik wird leben müssen und leben wird. Es sieht keine Probleme aufgrund der Kritik auf die Bayern zukommen.
Was Uli Hoeneß mehrmals erwähnte, auch im Zusammenhang mit dem Magath-Konstrukt auf Schalke: Fußball sei keine One Man-Show. Und damit meinte er mehr als Entscheidungsstrukturen.
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Über die sportliche Problematik die hinter den Hoeneß-Angriffen steckt, hat sich RealityCheck Gedanken gemacht: “Zündelmeister Hoeneß und van Gaals Man Management”
Spannend ist aber die Motivation der Angriffe von Uli Hoeneß. Warum kommen diese Angriffe nur einen Monat nach der Vertragsverlängerung mit van Gaal bis Sommer 2012?
Das Medium für die Angriffe: Fernsehen live statt Zeitung mit gegengelesenem Interview und Erscheinungstermin am frühen (Dienstag) Morgen. Drei Tage vor einem CL-Spiel mit dem die Qualifikation für die KO-Runden gesetzt werden kann. Drei Tage vor dem Spiel gegen Cluj einem Spiel das unter normalen Umständen noch nicht einmal Fußpilz vor dem Fernseher gelockt hätte.
Die für Louis van Gaal günstigste Auslegung wäre ein Spielchen “Good Cop, Bad Cop” zwischen Hoeneß und van Gaal. Wenn dem so wäre, hätte Hoeneß eine Oskar-preisverdächtige Schauspielleistung dargeboten, denn der lässige Uli Hoeneß zu Beginn der Sendung, hatte nicht mehr viel gemein mit dem gedrungenen Hoeneß, der mit schmalen Lippen und Schweiß unter der Unterlippe über van Gaal loslegte. Das war kein Adrenalin gesteuerter Exkurs. Es blieb kontrolliert, aber energisch.
Uli Hoeneß hielt sich seit knapp einem Jahr spürbar mit Äußerungen zurück. Er interpretierte seine Rolle deutlich präsidialer und überlässt die Bühne Christian Nerlinger. Aber die Causa “Van Gaal” war “Chef-Sache”, so sehr muss es Hoeneß gedrückt haben, so sehr sah Hoeneß die Notwendigkeit.
Bei aller Schärfe. Heneoß hat weder den FC Bayern noch van Gaal in eine Ecke getrieben, aus der es kein Zurück gibt. Wenn van Gaal es nicht seinerseits eskalieren lässt, ist da noch nichts verbrannt worden. Insofern ist der Zeitpunkt gut gewählt, weil sie van Gaal Zeit für eine rationale Reaktion gibt statt zwischen “Gladiolen oder Tod” wählen zu müssen.
Hoeneß gab deutlich zu verstehen, dass das Interview nur ein Warnschuß, nur die Markierung einer Grenze war. Er betonte, das van Gaal die Kritik nicht akzeptieren mag, aber dies weder für den FCB noch für van Gaal ein Problem darstellen würde. Er sprach nicht von unhaltbaren Zuständen, sondern nur von “Reizpunkte setzen” und “Dingen, die angesprochen werden müssen“. Es klang deutlich heraus, dass er van Gaal behalten möchte – aber nicht um den Preis, dass die “Bayern-Familie” kaputtgeht. Van Gaal kann anscheinend wählen, ob er sich kompromissbereit zeigt, oder der Vertrag nach Ende der Saison im beiderseitigen Einvernehmen gelöst wird.
Kein Trainer kann so groß wie der FC Bayern sein.
Einen dreizehnminütigen Zusammenschnitt von sky90 gibt es bei SKY selber. Bei BILD.de gibt es nachfolgenden einminütigen Zusammenschnitt:
Reaktionen
jetzt sag ich’s nochmal hier, stat nur um screensport #2:
ich glaube, der sich hoeneß’sche kampfgeist bei sky90 auch aus der frustration über die olic-verletzung gespeist hat.
die entscheidung zur OP fiel am sonntag und ich nehme stark an, dass hoeneß gestern abend davon wusste.
durch diese verschärfung der verletzungsmisère bekommt das thema “2. reihe”-spieler natürlich noch einmal mehr brisanz.
deine argumente für einen ‘bedachten warnschuss’ sind insofern stechend, als das hoeneß sich wirklich mühe gegeben hat, keine verbrannte rede zu hinterlassen.
eiß jemand, ob es sky90 nochmal in der kompletten wiederholung gibt? der tv-guide spuckt als nächste sendung die am nächsten sonntag aus.
schließlich wird jedes buli spiel auch gefühlte 50 mal in der woche wiederholt.
Ist natürlich auch überraschend und wenig vorhersehbar für Hoeneß, dass van Gaal beim FC Bayern sich so ganz anders verhält als in seiner bisherigen Trainerkarriere.
Oh, wait. Das stimmt ja gar nicht.
@thorben:
Nö! Sky90 wird nur sonntags abends, in der Nacht zu Montag und am Montagmorgen nochmal gesendet – warum auch immer…
@Thorben: ich weiß natürlich nicht ob SKY noch kurzfristig sein Programm umstellt, aber bislang gab es Wiederholungen nur im Laufe des Abends/Nachts und des nächsten Morgens.
Das van Gaal auf für manche Leute schockierende Art und Weise direkt und ehrlich ist sollte ja jedem schon nach wenigen Interviews aufgefallen sein. So ist er dann halt überall. So wird er auch nicht verhindern können oder wollen zu zeigen, was er von einigen seiner Spielern hält. Wie konsequent er da ist wurde mir spätestens klar, als er Thomas Müller, der bis dahin fast jedes Spiel und jede Minute perfekt und wertvoll für Bayern gespielt hatte, lautstark für seine vergebene Chane im Spiel gegen Lautern kritisierte und ihm die Schuld für die Niederlage zuschob. Wenn Spieler etwas falsch machen bzw. nicht so wie er will, dann sieht er sich um seine Arbeit betrogen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Spieler, die hier angeblich schlecht behandelt werden, gewisse Details im Training und Spiel nicht umsetzen können. Und die will er dann auch nicht mehr haben und sieht keinen Sinn in weiterer Zusammenarbeit.
So ist er und er wird sich auch nicht ändern. Ich weiß nicht ob man da sofort von schlechter Menschenführung sprechen kann. Ich finde es bemerkenswert, dass die angesprochenen Spieler, die ja so schlecht behandelt werden, im Moment viel spielen und offensichtlich das Optimum aus sich herausholen. Das ist es was Hoeneß ja gesagt hat. Michelis, Timoszschuck (oder so) treffen, Gomez sogar regelmäßig. Was bitte will man denn noch mehr? Ist es nicht Aufgabe des Trainers und Messwert der Führungsqualität, dass Spieler ihre Leistungsstärke voll ausschöpfen? Und wenn man die Bilder der letzten Saison aus Berlin gesehen hat, sah mir das nicht als schlechtes Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer aus.
Andererseits verstehe ich Hoeneß, denn ich sehe auch die Gefahr, dass van Gaal zu sehr seinen Weg geht. Auf diese Weise hat man Spieler wie Lucio verloren und wird auch noch andere verlieren. Van Gaal zieht Spieler, die spielen wie er will, technisch und fußballerisch besseren Spielern vor. Nur letztendlich hat man dann nicht mehr eine Mannschaft am Start, die in einer Saison allein durch einen Weltklasse-Kader Spiele gewinnt. Dann passiert es, dass Mannschaften wie Mainz mit viel Herz und gute taktische Ausrichtung in München gewinnen können. Und zwar regelmäßig. Wenn man sich die Mannschaft wie sie jetzt ist, ohne Robben und Ribery anguckt, dann ist das was Ballbehandlung angeht nicht weltklasse, sondern teilweise hölzern (im Vergleich mit anderen europäischen Spitzenmannschaften). Setzt man so eine Mannschaft unter Druck bzw. macht man die Räume eng, hat sie es schwer, sich durchzusetzen.
Außerdem denke ich dass van Gaal vor kurzem genauso direkt mit Hoeneß gesprochen hat, auf eine Weise, die er bestimmt lange nicht erlebt hat. Und das hat ihn sichtbar schockiert. Und ich sehe es genauso, dass der Trainer mit der Fußball-Kompetenz der Bayern-Bosse zusammenarbeiten muss. Es müssen gewissen Dinge berücksichtigt werden, z.B. Vereinsstruktur und das deutsche Umfeld, die ein van Gaal als ausländischer Trainer nur begrenzt beurteilen kann.
interessant auch die zeitliche Parallele zum letztjährigen Reizpunktsetzer
Wer weiß wie sehr Hoeneß für “seine” Spieler da ist, der weiß, dass diese Äußerungen eine Herzensangelgenheit waren und nicht nur blankes Kalkül. Und Hoeneß hatten es schon immer die “schwächeren” im kader angetan, denen er sich besonders verpflichtet fühlte. Er möchte halt das jeder Spieler, selbst die die sportlich nicht glücklich geworden sind in München hinterher sagen. Bayern ist ein toller Verein. Und ich wiederhole da nochmal meine Äußerung im Eintrag nebenan, Demichelis hat viel für den FC Bayern geleistet, da halte auch ich es nicht für fair ihn wie einen dahergelaufenen Amateurspieler zu behandeln der mal irgendwann ein Tor gemacht hat. Und, um auch das zu wiederholen, das obwohl ich denke, dass er aktuell nur Innenverteidiger Nr. 3 ist.
Die Medienresonanz ist auf jeden Fall enorm, die FAZ z.B. mit einem etwas abgewogeneren Urteil http://goo.gl/EBER
Interessant ist ja auch, wie vG in Barcelona (bei seinem 1. Engagement) gescheitert ist, als er, gestärkt durch die Erfolge, die bei den Fans beliebten Stars ausgewechselt und durch (in seinen Augen perfekt in sein System passende) Landsleute ersetzt hat, ohne das genügend nach außen kommuniziert zu haben. Aber Klopp wird so schnell nicht von Dortmund loszueisen sein…
Kein Vereinspräsident kann so groß wie der FC Bayern sein.
sky90 vom Sonntag wird heute abend auf SKY um 22h30 (u.a. auf HD1) wiederholt.
Gucke gerade die Wdh…
sieht das auch noch jemand so, dass “Töppi” den Redefluss von Hoeneß und seine durchaus interessanten Aussagen etwas unterbrochen hat? Ständig quatscht der dazwischen, quasi: “Herr Lehrer, ich weiß auch was!”….wirklich sehr schleimiger Typ…..
Kurz am Rande und etwas Off-Topic: Georg Kofler morgen zu Gast bei Maischberger in der ARD.
Thema: Aufschwung XXL: Warum verprügeln wir Schwarz-Gelb? Weitere Gäste u.a. Andrea Nahles und Klaus Ernst! Mehr hier: http://www.daserste.de/maischberger/sendung.asp?datum=02.11.2010&startseite=true
LvG schreibt wohl in seinem Buch (ich selber hab es nicht gelesen):
„Eine professionelle Forderung von mir ist: Jederzeit on speaking terms bleiben. Niemand darf sich zum Kind machen, das trotzt, weil es nicht recht bekommt und sich bei anderen ausheult. Beim FC Bayern sind die Voraussetzungen in dieser Hinsicht ungünstig. Franz Beckenbauers Meinung hat den Rang göttlicher Offenbarung, und auch im Vorstand sitzen Ex-Stars wie Rummenigge und Hoeneß, die für die heutigen Stars ein offenes Ohr haben. Das hat schon etwas Schönes, doch ich halte es für den falschen Umgang. Es widerspricht meiner Philosophie. Leider muss ich das als die Kultur dieses Klubs hinnehmen. Diese Leute sind es immer gewöhnt gewesen, ihren Einfluss zu haben. Es gefiel ihnen gut, ihren Draht zu den Spielern zu haben. Der Vorstand setzt sich hauptsächlich aus Ex-Spielern zusammen, die den FC Bayern zu seiner Größe geführt haben. Da liegt es in der Natur der Sache, dass sie ihre Meinung haben. Rummenigge und Hoeneß sagten: „Louis, wir tun das doch alles auch für dich, da kannst du doch nicht allein entscheiden.“ Ich antwortete: „Doch, ich kann.“ Wenn Spieler riechen, dass sie irgendwo ein offenes Ohr finden können, dann werden sie dort hingehen. Das schafft Unruhe, das kostet viel wertvolle Energie, auch für Hoeneß und Rummenigge.“
Als genau diese Passage bei der Buch-Präsi von ZDF-Werbeikone KMH vorgelesen wurde, saß Hoeneß angeblich mit versteinerter Miene da. (Qu. http://www.abendzeitung.de/sport/fc_bayern/217860).
War klar, dass da noch ein Gegenschlag kommen musste.
oh, schön. danke thor.
“Karl-Heinz Rummenigge drückte er den Wälzer in die Hand, deutete auf den Band „Vision“ und sagte: „Für Sie ist das auch wichtig zu lesen.“ Rummenigge nickte nur, sprachlos.”
Ein für mich ganz wichtiger Stimmungs-Indikator in München sind die Hoeneßschen Freitagsabends-Wein-Treffen mit seinen Trainern. Unter Hitzfeld war dies eine Selbstverständlichkeit, Klinsmann mochte sich nie darauf einlassen und van Gaal (bekennender Wein-Liebhaber) soll diese Treffen vor einiger Zeit aufgekündigt haben.
@barton fink: ich finde leider den sz-artikel gerade nicht mehr, in dem sinngemäß stand, daß van gaal hoeneß für nicht übermäßig kompetent hält, was fußball angeht. wenn er das auch nur mal andeutungsweise hat fallen lassen (hat er vermutlich), wäre ein eisklima zwischen den beiden kaum verwunderlich.