Wer bietet mehr: Big 8, Big Ten, Big 12, Pac-16
Abseits des europäischen Sportinteresse erschüttert ein schweres Erdbeben die US-Sport-Szene, wo der College Sport vor den einschneidendsten Veränderungen der letzten anderthalb Jahrzehnten steht. Und nur zur Erinnerung: nominell mag College Sport ein Amateursport sein, aber Einschaltquoten, TV-Gelder und Sponsoring machen daraus längst ein milliardenschweres Geschäft. Die SEC bekommt von ESPN die nächsten 13 Jahre 150 Mio US$ pro Jahr an TV-Geldern für Football und Basketball. Die SEC und Big Ten machen pro Jahr 850 Millionen US$ Umsatz, die University of Texas hat mit ihren Texas Longhorns 120 Mio US$ 2007/08 eingenommen (weitere Zahlen). Zum Vergleich: Bayern München hat 2006/07 157 Mio Euro eingenommen.
Wir reden also über Amateursport – die Studenten dürfen keinerlei Zuwendung bekommen – mit dem Look’n’Feel von Profisport.
Die über 120 Football- und über 330 Basketball-Teams der obersten Kategorie sind in verschiedene Conference (“Ligen”) eingeteilt. Nach einem kartellrechtlichen Verfahren gegen die Zentralvermarktung durch den College Sport-Dachverband NCAA 1984, sind es die Conferences die Spielbetrieb und Vermarktung organisieren. Die Conferences haben immer noch einen regionalen Bezug, auch um lukrative Rivalitäten zusammenzustellen, aber es gibt keine juristischen Gründe warum ein Westküstenteam nicht in einer Ostküsten-Conference mitmachen könnte.
Im Laufe der Zeit haben sich durch Fusionen von Conferences oder dem Reinholen von sportlich starken oder lukrativen Colleges einige große Conferences gebildet. Das wirkt sich insbesondere im Football aus, wo die sechs großen Conferences mit ihrem Zusammenschluss zur BCS über die Verteilung der lukrativsten Endspiele entscheiden. Die letzte einschneidende Veränderung gab es 1996, als die Big 8 mit Teilen der SWC fusionierten und zur Big 12 wurden.
Als jemand der seit maximal 10 – 15 Jahren den College Sport verfolgt, war für mich die Big 12 die Redneck-Conference rund um texanische Colleges und den Staaten nördlich davon. Die Cowboyhut-Conference. Viele namhafte, große, sportlich starke College-Teams wie Texas Longhorns, Nebraska Cornhuskers, Kansas Jayhawks, Oklahoma Sooners. Im Basketball und Football eine Macht.
Und die Chancen dass es die Big 12 2012 noch geben wird, sind nach den Ereignissen in dieser Woche, schlecht.
Umfallen des ersten Dominosteins
Der Start der Entwicklung lässt sich auf den Sommer 2006 zurückverfolgen, als die Big Ten den Start eines eigenen Fernsehsenders, das Big Ten Network ausrief. Der 2006 abgeschlossene Deal umfasst einen festen TV-Vertrag mit ESPN/ABC über zehn Jahre und eine 25 Jahre währende Kooperation mit FOX zum Aufbau eines eigenen TV-Senders – der TV-Sender könnte nach ersten Schätzungen in diesen 25 Jahren Einnahmen von 2,8 Milliarden US $ generieren.
2008 und 2010 haben auch die SEC und die ACC (an der Atlantikküste) milliardenschwere, langfristige TV-Verträge über 15 bzw 12 Jahre abgeschlossen – ein Wandel von den TV-Verträgen die bislang nur über 5, 6 Jahre abgeschlossen wurden.
Zwei der großen Conferences blieben aber außen vor. Bei der Pac-10 und die Big 12 laufen die TV-Verträge im Sommer 2011 oder 2012 aus. Während aber hinsichtlich dieser neu zu verhandelnden TV-Veträge aus der Big 12-Ecke rund um Commissioner Dan Beebe nichts zu hören ist, tritt die sportlich zuletzt arg gebeutelte Pac-10 seit einem Jahr sehr aggressiv auf. Der neue Commissioner Larry Scott machte schnell keinen Hehl daraus, dass er eine Expansion der Pac-10 ernsthaft in Erwägung zöge. Im Februar dieses Jahres wurde mit Kevin Weiberg der dafür richtige Mann als Deputy Commissioner angeheuert: der ehemaliger Big 12-Commissioner kennt die Big 12 wie seine Westentasche und war am Aufbau des Big Ten Network beteiligt.
Spätestens als zum Jahreswechsel die Big Ten ankündigte, für die Erschließung neuer Fernsehmärkte seines Big Ten Network, über die Aufnahme weiterer Colleges nachzudenken, ist das Rennen um potentielle Conference-Wechsler eröffnet. Im Februar zog die Pac-10 nach, als sie sogar eine Expansion um sechs Teams, zur Pac-10 ins Gespräch brachte. Die Aggressivität der Pac-10 und die Personalie Weiberg lassen zudem vermuten, dass die Pac-10 möglicherweise seine zukünftige TV-Pläne schon fertig in der Schublade hat: die Conference gilt als FOX-nahe.
Und die Big 12? Commisioner Dan Bebee glänzt durch Passivität.
Spaltpilze
Die Passivität mag auch dadurch bedingt sein, dass die Redneck-Conference hinter den Kulissen alles andere als geschlossen ist.
Die eine Sollbruchstelle sind die Finanzen. Das sehr gemächliche Geschäftsgebaren der Big 12 macht sich inzwischen auch bei den TV-Geldern bemerkbar. Nach Abschluss der neuen TV-Verträge bekommen in der Big Ten und SEC die einzelnen Colleges mehr als 20 Mio US$ TV-Gelder pro Jahr überwiesen. In der Big 12 sind es, je nach Präsenz der einzelnen Colleges im Fernsehen, nur 7 bis 12 Mio US$.
Historisch waren sich die Teams auch nie grün. Die vier texanischen Colleges (Baylor, Texas, Texas A&M, Texas Tech) auf der einen Seite und die Big Eight-Mitglieder (Nebraska, Kansas, Kansas State, Missouri, Oklahoma, Oklahoma State, Colorado, Iowa State) auf der anderen Seite. Dazu die Big Eight in sich, die unterschiedliche geographische Präferenzen hatten. Colorado als westlichstes College, ist das einzige College der Big 12, dass sich in der Mountain Time Zone befindet. Missouri und Iowa waren als östlichste Colleges der Big Ten in der Mentalität näher als den Rednecks aus Texas.
Das Aufkommen der Gerüchte um mögliche Wechsel, schaffte in der Big 12 eine Atmosphäre des Misstrauens. Colleges beschuldigten Colleges durch das Nachdenken über einen Wechsel den Totengräber für die Big 12 zu geben. Texas gegen Missouri und Nebraska. Anfang letzter Woche eskalierte die Situation, als der Commissioner der Big 12 Nebraska und Missouri ein Ultimatum bis Freitag gab, um sich über einen zukünftigen Verbleib in der Big 12 zu äußern.
Domino!
Tatsächlich war es aber Colorado das als erstes absprang und am Donnerstag seinen Wechsel in die Pac-10 bekannt gab. Wie erwähnt: der Wechsel war geographisch sinnvoll, zumal die Colorado Buffaloes seine Spieler bevorzugt westlich der Rocky Mountains rekrutiert.
Nach dem Ultimatum durch die Big 12 sprangen am Freitag dann die Nebraska Cornhuskers ab und kündigten einen Anschluss an die Big Ten an. Während Colorado seit Jahren eine sportlich kleine Nummer sind, gehören die Cornhuskers zu den Big Eight-Gründungsmitglieder und sind in Sachen Football eines der ganz großen Colleges, Stichwort Memorial Stadium, 81.000 Zuschauer Fassungsvermögen, seit 1962 für jedes Spiel ausverkauft gewesen.
Die Begründung von Nebraska: es sei allen Beteiligten klar, dass die Big 12 auseinanderfallen würde. Daher habe man sich entschlossen diesen Schritt jetzt zu unternehmen, zu einem Zeitpunkt, wo man noch Herr über sein eigenes Handeln sei. Unausgesprochen schwingt da auch mit, dass man die Schnauze voll von der autoritären Attitüde der University of Texas hat.
Es war erst die Overtüre
Bislang sind es nur zwei Colleges, aber wie Aasgeier kreisen die Conferences um die restlichen Big 12-Bestandteile, die dank der schwachen Führung, nicht mehr als überlebensfähig gelten – dazu ist die Attraktivität der Angebote auf dem Tisch zu groß.
Die Pac-10, so sagen es mehrere Medien, hat weiteren Big 12-Colleges ein Angebot unterbreitet, um auf 16 Mannschaften, als Pac-16 zu expandieren: Texas, Texas Tech, Texas A&M, Oklahoma und Oklahoma State. Laut ESPN sollen zumindest Texas, Texas Tech, Oklahoma und Oklahoma State bereits intern für einen Wechsel zur Pac-10 gestimmt haben, aber warten bis Texas seinen Wechsel offiziell macht.
Schlüsselmerkmal dieser Offerte: es bleiben die drei staatlichen texanischen Colleges zusammen (Baylor ist eine katholische Universität). Angeblich soll es Druck der texanischen Regierung geben, dass die drei Colleges zusammenbleiben. Andere sagen wiederum, dass man sich durchaus vorstellen könne, dass Texas A&M rausgebrochen wird.
Die anderen Aasgeier sind die Big Ten und die SEC. Angeblich soll die SEC Texas A&M ein Angebot zum Wechsel gemacht haben.
Aber es gibt auch Colleges die anscheinend von den großen Angeboten ausgeschlossen sind. Nicht nur kleine und sportlich inzwischen nahezu bedeutungslose Colleges wie das texanische Baylor. Auch um Kansas, Kansas State und Iowa State ist es sehr still geworden. Zur Pac-10 mag man sie schon geographisch nicht hinzurechnen. Als Fernsehmarkt geben sie nicht soviel her, als dass sie wahnsinnig hohe Attraktivität für die Big Ten hätten. Aber da gibt es noch die dritte Option …
Nebenwirkungen
Auch abseits der großen BCS-Conferences kommt Bewegung. Um im Football den sechs großen, lukrativen und mächtigen Conferences etwas entgegen zu setzen, scheinen letzte Woche Konzentrationsbewegungen bei den kleineren Conferences losgetreten worden zu sein. Nach dem Boise State seit Jahren die WAC (Western Athletic Conference) derart in Grund und Boden spielt, dass im Ligabetrieb maximal ein Spiel pro Saison verloren geht, wurde am Freitag überraschend der Wechsel von Boise State von der WAC zur MWC (Mountain West Conference) bekanntgegeben.
Die Mountain West hat sich in den letzten Jahren dank TCU, Utah und BYU als stärkste “kleine” Conference im College Football etabliert und bekommt mit Boise State den vierten “Zwerg” mit Top 25-Ambitionen. Bereits dieser Wechsel hätte Potential das De-facto-Endspiel-Monopol der großen BCS-Conferences anzugreifen.
Doch anscheinend greift die Mountain West noch stärker ins Geschehen ein: mehrere Lokalzeitungen von Big 12-Unis melden, dass die Mountain West Verhandlungen über einen Wechsel mit Kansas, Kansas State und Missouri gestartet haben.
Die Situation ist vorallem für die Kansas Jayhawks extrem bizarr. Das Football-Programm ist nicht das schlechteste. Vorallem gehört aber das Basketball-Programm konstant zu den Besten des Landes. Dieses Basketball-Programm plötzlich in einer Mid Major-Conference spielen zu sehen – Basketball spielt in der Mountain West abseits von BYU kaum eine Rolle – fühlt sich einfach falsch an.
Trotzdem ist bislang noch nirgends die Rede davon, dass Kansas seine Loyalitäten splitten könnte – so wie zahlreiche Big East-Teams nur im Basketball der Conference angehören. Stattdessen treten erste Lokalpolitiker auf und fordern staatliches Eingreifen um das sogenannte “Conference Alignment” zu regulieren.
Es spielen bei den anstehenden bzw. möglichen Wechseln so viele Faktoren eine Rolle, dass auch eine Überraschung noch nicht auszuschließen ist. Zum Beispiel das Ego der University of Texas, dass so groß sein soll, dass man zögert sich einer Conference wie der SEC anzuschließen, wo jede Uni den gleichen Anteil an den TV-Geldern bekommt. Gibt es möglicherweise ein Interesse der University of Texas lieber in einer eigenen Conference den Leader zu spielen, als in einer starken Pac-10 oder SEC eine unter vielen starken Mannschaften zu sein?
Die Wechsel der Conferences sind für 2012 (Colorado) bzw 2011 angekündigt – aber vermutlich werden sich alle Beteiligten auf einen Wechsel im Sommer 2011 einigen. To be continued.
Reaktionen
Klasse Artikel. Danke.
Danke auch von mir. Es schmerzt ein bisschen das mitanzusehen. Gerade als Fan der Big 12 speziell der Longhorns. Die in Californien zu sehen passt nicht, dann doch lieber nach Dixieland (SEC), was auch mentalitaetsmaessieg deutlich mehr Sinn macht. Mir ist wichtig das es geografisch einigermassen Sinn macht.
Longhorns bleiben lt. ESPN in der Big 12. Naja, in was halt von der Big 12 übrig bleibt.
Behält UT also sein eigenes Königreich und darf sich von den verbliebenen (naja, zumindest Baylor, ISU, KU und KSU) feiern lassen, dass UT sie vorm Absturz in die Bedeutungslosigkeit gerettet hat. Sofern die Zahlen zum neuen TV-Vertrag im ESPN-Artikel stimmen, hätte UT auch nix besseres passieren können. Streichen durch ihr Longhorn-Network in Zukunft in etwa so viel ein, wie sie auch in der SEC/Big X/Pac X gekriegt hätten und behalten dabei ihr eigenes Königreich und eine Conference, die einzig und allein nach ihrer Pfeife tanzt. In der SEC/Pac X/Big X wäre dies definitiv nicht der Fall gewesen.