Goodells Big Ben Theory

Gestern wurde der zweifache Super Bowl-Sieger QB Ben Roethlisberger der Pittsburgh Steelers von der NFL für vier bis sechs Spiele gesperrt (Strafmaß: 6 Spiele, kann bei “guter Führung” auf vier Spiele reduziert werden).

Die Strafe bezieht sich auf einen Vorfall Anfang März, der nach einem Fall von Sexueller Nötigung aussieht. Dummerweise sind die Ermittlungen der Polizei so schlampig durchgeführt worden, dass am Ende die Ermittlungen eingestellt werden mussten. Das Bauchgefühl der meisten Beobachter tendiert aber dazu, dass dort eine Form der Sexuellen Nötigung stattgefunden hat. Erste Sponsoren sind abgesprungen.

Der Fall Roethlisberger stellt NFL-Commissioner Roger Goodell vor dem Dilemma etwas abstrafen zu müssen/wollen, was keinen gerichtsverwertbaren Hintergrund hat. Roger Goodell trat im Sommer 2006, vor dem Hintergrund einer zunehmenden Zahl von Spielern die mit dem Gesetz in Konflikt kam, seine Job an und Goodell machte bei seinem Antritt auch schnell klar, eine harte Linie zu fahren, um einen Werteverfall der NFL zu vermeiden (“Werteverfall” in allen möglichen Interpretationen).

Vor diesem Hintergrund war es klar, dass Goodell im Fall Roethlisberger reagieren musste.

In einer Erklärung bediente er sich eines Zwei-Fronten-Angriffes. Einerseits macht er klar, dass er sich mit seiner Beurteilung der Situation von der Beurteilung der Ermittlungsbehörden abkoppelt. Aus dem Brief von Goodell an Roethlisberger:

I recognize that the allegations in Georgia were disputed and that they did not result in criminal charges being filed against you. My decision today is not based on a finding that you violated Georgia law, or on a conclusion that differs from that of the local prosecutor. That said, you are held to a higher standard as an NFL player, and there is nothing about your conduct in Milledgeville that can remotely be described as admirable, responsible, or consistent with either the values of the league or the expectations of our fans […]

Your conduct raises sufficient concerns that I believe effective intervention now is the best step for your personal and professional welfare.

aus: “Roethlisberger suspended six games, must undergo evaluation” von der NFL

Andererseits basiert seine Entscheidung auf ein faktisch erwiesenes und im Vergleich zur Sexuellen Nötigung, sehr kleines Vergehen von Roethlisberger, dass für weniger puritanische, europäische Augen, befremdlich wirkt.

The personal conduct policy makes clear that I may impose discipline ‘even where the conduct does not result in conviction of a crime’ as, for example, where the conduct ‘imposes inherent danger to the safety and well being of another person’.

As the District Attorney concluded, the extensive investigatory record shows that you contributed to the irresponsible consumption of alcohol by purchasing (or facilitating the purchase of) alcoholic beverages for underage college students, at least some of whom were likely already intoxicated. There is no question that the excessive consumption of alcohol that evening put the students and yourself at risk. The personal-conduct policy also states that discipline is appropriate for conduct that ‘undermines or puts at risk the integrity and reputation of the NFL, NFL clubs, or NFL players.’

By any measure, your conduct satisfies that standard.

aus: “Roethlisberger suspended six games, must undergo evaluation” von der NFL

Gemeint ist die Sexuelle Nötigung, abgestraft wird aber der Suff.

Die Strafe läßt einigen Spielraum, denn Roethlisberger wird nicht nur für 6 Spiele gesperrt und muss auf das entsprechende Gehalt von zirka 2,5 Mio US$ verzichten. Er muss sich im Sommer auch in eine Verhaltenstherapie begeben. Von den Empfehlungen der Psychotherapeuten wird es abhängen, ob Roethlisberger bereits an den Trainingscamps der Steelers teilnehmen kann oder erst nach Ablauf der Sperre Ende Oktober wieder in den Trainingsbetrieb einsteigen darf. Bei positiven Verhalten wird die Sperre gar auf vier Spiele reduziert und Roethlisberger könnte nach der Bye-Week Mitte Oktober wieder einsteigen – rechtzeitig vor dem Spiel gegen “Erzfeind” Cleveland.

Eine kommerzielle Liga als moralische Instanz. Das fällt nicht leicht zu akzeptieren. Aber wenn man sich einige Fälle von Verfehlungen anschaut, wie das hanebüchene Ding von Wizards Gilbert Arenas, die Selbstperforation von WR Plaxico Burress oder auch die schlichte Menge an kleineren Gewalttaten auch gegen die eigene Familie, dann kann ich sehr wohl nachvollziehen, dass eine wichtige Institution des Landes wie die NFL, sich als moralische Instanz geriert. Problematisch wird es aber wenn in anderen Bereichen der (Selbst-)Darstellung sehr wohl das martialische Image des American Footballs gepflegt wird – von Liga und Medien. An diesem blinden Fleck hat auch Goodell noch nicht gerührt.

Die Dimension Steelers

Das Vergehen Roethlisbergers ist ein harter Schlag für die Besitzer der Steelers, die Rooney-Familie, die mit zu den integresten Besitzern der NFL gehören und großen Respekt genießen. Roethlisberger ist bereits der zweite Steelers-Spieler der in der Offseason über die Stränge schlug. Gegen WR Santonio Holmes wurde wegen Substance Abuse (was Doping, Alkohol oder Medikamente umfassen kann) für vier Spiele gesperrt und von den Steelers schnellstmöglich zu den NY Jets getradet.

Weil es somit zwei Fälle in der Offseason gab, wurden die Steelers gestern zusätzlich mit 200.000 US$ Geldstrafe belegt.

Die Steelers müssen in ihren ersten Spielen also auf QB Roethlisberger verzichten. Das betrifft die Spiele gegen Atlanta, in Tennessee, bei Tampa Bay und gegen Baltimore. Dann folgt die Bye-Week und die Spiele fünf und sechs gegen Cleveland und in Miami. Roethlisberger könnte also ausgerechnet zum Prime Time-Spiel beim Titelverteidiger New Orleans zurückkehren, dem als Sündenpfuhl verschriehenen “Big Easy“.

Bereits Anfang der Woche haben die Steelers einen ersten Move gemacht, als sie einen 7th Rd-Pick für QB Byron Leftwich an Tampa Bay gaben. Damit hat man drei potentielle Starter in QB Leftwich, QB Batch und QB Dixon. Gestern wurde zudem der Vertrag mit Leftwich gleich um ein weiteres Jahr bis 2011 verlängert. Das führte zu verstärkten Spekulationen in NFL-Kreisen, dass die Steelers vielleicht sogar versuchen werden, Ben Roethlisberger wegzutraden. Angeblich sollen die Oakland Raiders schwer interessiert sein.

QB Leftwich ist als immobiler Pocket Passer zwar das Gegenteil von QB Roethlisberger und die Saison für Saison schwächere Offense Line läßt ihn nicht wirklich als idealen Ersatz erscheinen. Aber Leftwich hatte vor zwei Jahren Roethlisberger schon mal ersetzt und machte seine Sache damals verblüffend gut (QB-Rating 104,3).

Charlie Batch, auch schon eine halbe Ewigkeit Backup, ist ein grundsolider Mann, aber öfters verletzt. QB Dennis Dixon ist vor drei Jahren gedraftet worden und hat immer noch keine substantielle Spielzeit auf die Kette bekommen. Die Verpflichtung von Leftwich ist alles andere als ein Vertrauensbeweis für ihn.

Die Auswahl an Quarterbacks gilt in der diesjährigen Draft als mau (wobei man diskutieren kann, ob es die nächste Saison nicht noch schwächer aussieht). Ein möglicher Trade der Steelers für Roethlisberger oder die mögliche Aufgabe von Dixon als Nachwuchsmann, bieten 1-2 Themen mehr für die Draft.

Die Dimension Öffentlichkeit

Die Bestrafung Roethlisbergers wurde erst gestern bekannt gegeben. tatsächlich wurde aber das Strafmaß wohl etwas länger diskutiert. Es ist schon kurios, dass die TV-Anstalten in ihrer zu Beginn vorgestern bekanntgegebenen Sendeplanung keines der ersten sechs Steelers-Spiele landesweit übertragen, obwohl es einige taugliche Spiele dafür gegeben hat.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. typisch bigotte USA. Was Kollege Roethlisberger in seiner Freizeit macht, sollte weder die NFL, noch die Steelers was angehen, so lange es nicht strafbar ist, bzw. ihm nichts nachgewiesen wird. Der Mann ist Football-Spieler, nicht Pfarrer oder Politiker. Warum sollte man an ihn andere ( höhere ) Maßstäbe anlegen als an “normale” Menschen ?

    Bei solchen Sachen steht immer Aussage gegen Aussage, und ohne jetzt unsensibel klingen zu wollen, die junge Dame wäre auch nicht die erste, die versucht, aus so einer Sache mit der einen oder anderen Million Dollar Schmerzensgeld rauszukommen.

    [Edit: aus anderem Blogeintrag reinkopiert -dogfood]

  3. Ich denke das hat weniger was mit “bigott” zu tun, sondern mehr mit dem verzweifelten Versuch die Geister einzufangen, die man rief.

    Die Umstände legen nahe, dass es sich zumindest um keinen Erpressungsversuch handelte, denn von den Personen die durch Dämlichkeit oder Absicht die Ermittlungen z.B. am Tatort behinderten, agierte keine einzige aufgrund der Intervention der Frau.

  4. Es werden deswegen höhere Maßstäbe angelegt weil er in der Öffentlichkeit steht.

  5. quatsch. dann muesste ein ribery wohl auch gesperrt werden. auch fuer sportler, die in der oeffentlichkeit stehen, gilt das unschuldsprinzip bis zur verurteilung und das recht auf privatleben

  6. Müsste Baguettery auch. Personen die in der Öffentlichkeit stehen, stehen besonders unter Beobachtung so dass deren Handlungen auch besonders zu bewerten sind.

    Rein rechtlich mag Herr R. aus der Geschichte herauskommen, moralisch eher weniger. Und das ist ja auch anscheinend einer der Ansatzpunkte von Gotohell.

  7. Wieso Unschuldsvermutung?

    In Georgia ist der Kauf von Alkohol für Minderjährige verboten, sofern man nicht ein Elternteil des Jugendlichen ist.

    Eine Petitesse, aber letztendlich das Konstrukt an dem Goodell seine Strafe aufhängt.

  8. Ist übrigens auch ein Grundproblem desSports AF. Ich kann den Spielern eben nicht Tag für Tag beibringen den Gegner möglichst effektiv und brutal unter die Grasnarbe zu tacklen und den Sport insgesamt als “männlichstes und härtestes Spiel auf dem Planeten” anpreisen und dann privat von den Akteuren ein Verhalten wie im christlichen Jugendchor (der Pastor ist hierbei mal ausgenommen) verlangen.

  9. Roethlisberger hat durch seinen illegalen Akt eine Situation herbeigeführt, die Menschen geschadet hat und polizeiliche Ermittlungen nach sich zog. Damit hat er seinem Arbeitgeber, der Marke NFL Schaden zugefügt und wird abgemahnt, hier eben gesperrt. Ich kann daran nicht “bigottes” erkennen. Scheint mir ein ganz normaler Vorgang zu sein.

  10. Das Problem ist doch, dass Roethlisberger nicht zum ersten Mal durch “sowas” auffällt…

    In der NY Times ist übrigens ein guter Artikel über die Rolle von Nike: http://opinionator.blogs.nytimes.com/2010/04/21/nikes-women-problem/?hp

  11. @dröhn: Kann man auch auf andere gesellschaftliche Aspekte anwenden: kann ich Soldaten das möglichst effektive Töten beibringen, und trotzdem verlangen, dass sie sich zivilgesellschaftlich eingliedern? Irgendwie schon, oder? Unterstützende Maßnahmen um dies zu befödern mal außen vor gelassen, wobei man dies auch wiederum auf den Football zurück übertragen könnte.
    Ich will hier eine gesellschaftliche Ambivalenz (durch Medien und Fans beförderte Aggressivität) und Verantwortung nicht verneinen, aber diese Denke, Fehlverhalten auf Grund von solch banalen Umständen wie ausgeübtem Beruf für ‘normal’ und somit hinnehmbar zu erklären, ist ein Stück weit gefährlich.

  12. @Andre,

    gefährlich finde ich das nicht. Wie du an den zurückkehrenden Soldaten aus den Einsatzgebieten der Bw im Ausland inzwischen feststellen kannst ist das ein ziemlich schwieriges Thema. Verlangen kann ich zwar eine “zivilgesellschaftliche Eingliederung”, das Leben sieht aber leider anders aus. Ich habe übrigens nirgendwo geschrieben dass das hinnehmbar wäre und das weise ich auch weit von mir.

    Trotzdem bleibt es dabei dass Tag für Tag Aggressivität und Brutalität (gegen andere aber auch gegen sich selbst) im Football Training gefördert und gefordert wird und diese Spieler dann ohne psychologische Betreuung auf die Menschheit losgelassen werden.

    Meine eigenen Erfahrungen bei der Bw (Ausbildung der KFOR bzw. SFOR Truppen) haben mir gezeigt dass intensive psychologische Betreuung von Nöten sind selbst wenn Aggressionen/Gewalt nur gespielt werden sollen. Und wenn es damals manchmal auch nur das allabendliche gemeinsame Bierchen und Gespräch mit “Aggressoren” auf der einen Seite und den “Kameraden” auf der anderen Seite war.

    Die NFL als reichste Sportliga der Welt sollte da vielleicht Mittel und Wege finden betroffene Sportler zu erkennen und ihnen auch Hilfe zukommen zu lassen.

  13. @Tom: Roethlisbergers Arbeitgeber ist aber nicht die NFL, sondern die Steelers. Und wenn ich jetzt lese, dass die Rechte der NFL sogar so weit gehen, dass man Verhaltenstherapie anordnen kann, kriege ich das kalte Grausen.
    Wenn der Mann Verhaltenstherapie braucht, sollte das seine Privatsache sein ( und bleiben ). Er wird fürs Football-Spielen bezahlt, sonst nichts.
    Ich kann verstehen, dass Goodell das Image der NFL schützen will, aber aus meiner Sicht geht die Einmischung der Liga hier eindeutig zu weit.
    Oder ist es für jemanden hier vorstellbar, dass die DFL z.B. Herrn Ribery Verhaltenstherapie verordnet ?
    Tut mir leid, aber dass ist mir ein bißchen zu viel 1984.

  14. Der Vergleich mit einem normalen Arbeitnehmer hinkt, was spätestens bei der Draft vs. freier Wahl des Arbeitsplatzes deutlich wird.

    Wenn man irgendwelche Behelfskonstrukte aus der “normalen” Arbeitswelt benutzen will, dann kann man z.B. das Innungswesen verwenden wie z.B. die Handwerkskammer, die eine Pflichtmitgliedschaft ist und einige Rechte und Pflichten besitzt.

    So gesehen ist Roethlisberger nicht nur Arbeitnehmer der Steelers, sondern auch Mitglied der Spielergewerkschaft und damit Mitglied eines Rahmenvertrages zwischen Spielergewerkschaft und der NFL, die u.a. Goodell Sanktionierungsmöglichkeiten gibt.

    Gefallen Roethlisberger die Sanktionsmöglichkeiten nicht, dann hat er das über die Spielergewerkschaft und nicht mit den Steelers abzukaspern.

  15. @B.Schuss,

    ja, wäre für mich vorstellbar.

  16. @dröhn: Vielleicht hab ich dich da auch falsch verstanden. Dennoch – man kann schon erwarten, dass sich Football-Spieler genauso aggressionsfrei verhalten, wie jeder andere auch. Den Aspekt, dass man entsprechende Maßnahmen treffen kann/soll, um dies (besser) zu ermöglichen, habe ich, wie erwähnt, erstmal außen vorgelassen, weil dies quasi sekundär ist. Mir ging es nur darum, den Anspruch an ein ‘normales’ Verhalten nicht mit dem Hinweis auf die beruflich geforderte / beförderte Aggressivität fallen zu lassen (Zitat: ‘Ich kann nicht .. beibringen … und dann … ein Verhalten wie … verlangen’). Doch, kann man. Die Gesellschaft darf sich da nicht aus der Verantwortung stehlen, genauso wenig darf man den Football-Spieler aber dieser Verantwortung für sein Verhalten entheben. Den Soldaten auch nicht, btw.

  17. @Andre,

    ich glaube wir verstehen uns wirklich nicht so richtig, sind aber auch nicht wirklich weit voneinander entfernt.

  18. Sowas nennt man gemeinhin wohl “einen Schuss vor den Bug” – nicht nur vor Roethlisbergers. Wenn ich den zuständigen Staatsanwalt richtig im Ohr habe, war der Tenor seiner Ermittlungseinstellung quasi “wir wissen genau was da vorgefallen ist, aber ich kann es im Gerichtssaal nicht so beweisen, dass eine Jury sicher zu einer Verurteilung kommt”, was man gerne als schallende Ohrfeige an Roethlisbergers Wange verstehen darf. Auch angesichts der diversen anderen “Verfehlungen” moralischer und juristischer Natur in der NFL ist da Goodells Drang zu reagieren verständlich. “Wir können auch anders, also benehmt euch gefälligst.”

  19. @B.Schuss:
    Dass der Comissioner Therapien anordnet, ist bei Verstößen gegen die Substance Abuse Policy auch die Regel. Wieso sollte das bei Verstößen gegen die ebenfalls vertraglich festgehaltene Personal Conduct Policy anders sein? War, so weit ich mich erinnere, bei M. Vick nicht anders.

  20. Ist das nicht zu kompliziert gedacht? Wo immer jemand wie Roethlisberger (wahlweise Kobe Briant, Cristiano Ronaldo, dessen Freund Rooney usw. usw.) hinkommt, liegen ihm die groupies zu Füßen. Zumindest sieht das für ihn so aus, free lunch, a gmahte Wiesn.

    Wenn es dann irgendwann fast zwangsläufig Ärger gibt, liegt das nicht am Aggressionspotential einer Sportart; sondern daran, dass der Betreffende sein rosagepudertes Weltbild mit der Realität nicht in Einklang bringt.

  21. @dröhn: Ähm.. welche Verhaltensweise Riberys wäre jetzt aus deiner Sicht aus moralischen Gründen bestrafenswürdig?

    Soweit ich “weiß”, hat er entgeltlich mit einer Prostituierten verkehrt.
    Dabei ging er davon aus, dass diese diesem Gewerbe freiwillig nachgehe und volljährig sei. Letzteres stellte sich mittlerweile als unrichtig heraus, ohne dass er dies damals wissen konnte.
    Zudem war er zu diesem Zeitpunkt mit einer anderen Person verheiratet.

    Ich sehe dort beim besten Willen keine moralische Verfehlung, die mich oder die von Dir als schützenswert angesehene Öffentlichkeit irgendetwas angehen würde. Übersehe ich etwas?

  22. @B.Schuss: naja der Sportler wird in der NFL (wie in den anderen Ligen Nordamerikas auch) für Sport und Unterhaltung und das ganze drumherum bezahlt(Image usw.). Und wie dogfood ja schon schreibt ist das wegen des Franchisesystems, shared revenue, CBA und dem Verhältnis NFL/NFLPA etwas anders als in D, wo sich Vereine in einem Verband treffen aber grundsätzlich autonom operieren.

    Das Konzept: persönliches/privates Problem->Therapie->2nd Chance in der Öffentlichkeit wirkt natürlich auch etwas befremdlich in D.
    An sich ist es aber auch in D die Regel, dass der Arbeitgeber Schulungen und Lehrgänge anordnen kann. Und in diesem Fall geht es eben nicht um eine “fachliche” Fortbildung, sondern um das Saubermann-Image, das die NFL braucht um Geld zu verdienen, und das somit auch der Angestellte Roethlisberger zu pflegen hat.

    Du hast aber natürlich recht, sowas gäbe es in D (zurecht) eher nicht. Ich glaube Wal-Mart hat mal versucht hier eine Conduct-Policy einzuführen und ist kläglich an der deutschen Mentalität und dem Rechtsempfinden gescheitert.
    Nur “typisch bigotte USA” passt denke ich nicht, da sich hier einfach einer der Unterschiede zw USA und Europa in Rechts- und Gesellschaftsystem manifestiert.(Freiheit vs Regulierung etc)

  23. Wie würde wohl die NFL einen Fall Ribery bewerten. Objektiver Tatbestand Sex mit Minderjährigen ist erfüllt, allein es fehlte die Kenntnis (nach jetzigem Stand.

    Finde die Strafe gegen Big Ben extrem hoch (Sperre ein Drittel der Saison plus Geldstrafe von 2,5 Millionen Dollar (wenn ich es richtig überschlage) für ein Delikt, das ich jetzt eher auf der unteren Skala veranschlagen würde (ich meine jetzt nur das mit dem Alkohol an Minderjährige, weil sich alles andere nicht bewiesen ließ.

    Da muss ein Guerrero echt froh sein, dass er in der Bundesliga und nicht in der MLB spielt, obwohl er einen KLasse Wurf hat. BTW: Ein Pitcher wurde wegen Dopings für 50 Spiele gesperrt, die de facto nur zehn sind wegen der Pausen.

  24. @sternburg,

    ne schon klar, wer verheiratet ist darf natürlich wie blöde fremdvögeln dass die Schwarte kracht. Doof dass man zwischendurch mal eben ne Minderjährige erwischt (die Schlampe hats doch eh nur gewollt), noch dööfer dass das Ganze auch noch rauskommt, dabei gibts tausende andere Ehemänner die es Tag für Tag genauso treiben. Schade nur dass sich für diese tausende eben die Presse kein Stück interessiert.

    Das einzige was Du übersiehst bist Du tatsächlich nur Du und Deine Einstellung selbst.

  25. @dröhn: Richtig, ein Jeder darf Vögel, bis die Schwarte kracht. Auch Verheiratete, und auch “fremd”. Wenn das die Eheleute untereinander und voneinander anders erwarten, so ist das allein deren Sache und bewirkt gegebenenfalls allein deren persönliche Enttäuschung von der Fähigkeit des jeweils anderen, ein gegebenes Versprechen zu halten.

    Meine eigene “Einstellung” (ich glaube, Du wärst über die Zahl meiner bisherigen Sexualkonktakte eher erstaunt) tut da nun wiederum überhaupt nichts zur Sache.

    @Frankfurter Löwe:

    Objektiver Tatbestand Sex mit Minderjährigen ist erfüllt, allein es fehlte die Kenntnis

    Du wirst lachen: Wenn Du zu deinen Zahnarzt gehst, damit der Dir ein Loch füllt, dann ist der objektive und der subjektive Tatbestand einer strafbaren Körperverletzung erfüllt. Allein, es fehlt die Rechtswidrigkeit.
    Und wenn Dir dein Friseur auf deinen Wunsch eine Glatze rasiert, gilt im Zweifel das gleiche.

    Friseure und Ärzte, alle aus moralischen Grunden zu bestrafen?

    (nach jetzigem Stand)

    Naja, klar, aber worüber sollen wir uns bitte sonst unterhalten? Ist euch eigentlich allen klar – um den Bogen zurück zu Roehtlisberger zu schlagen -, wie oft wegen der hanebüchesten angeblichen Vergehen zunächst ermittelt und dann später nach Ermittlungsfehlern und allgemeiner Schwierigkeit, den Sachverhalt aufzuklären, eingestellt wird? Bei quasi jeder einzigen dieser Angelegenheiten wäre es möglich, eine zutreffende Berichterstattung so zu drehen, dass sich der oben erwähnte Eindruck einstellt. Wir sprechen uns wieder, wenn euch so etwas mal passiert.

    Sollten sich in der Zwischenzeit neue Erkenntnisse ergeben, bin ich der erste, der seine Meinung zur Disposition stellt.

  26. @Frankfurter Löwe: Man sollte die Sperren in der MLB im Kontext erläutern, wenn man sie als Argument benutzen will. 50 Spiele Sperre -die schon eine ganze Menge Spieler bekommen haben, nicht bloss einer- sind nach der aktuell gültigen Vereinbarung die Standardstrafe bei Doping-Erstvergehen (100 Spiele bei Zweitvergehen, Sperre auf Lebenszeit bei weiteren). 50 Spiele Sperre sind allerdings auch “nur” ein knappes Drittel einer regulären MLB-Saison (162 Spiele für jedes Team, pre-season spring training und eventuelle post-season playoffs um die verschiedenen Titel nicht mitgerechnet).

  27. Nur als Anmerkung, ohne dem Ergebnis des Drafts vorzugreifen, als Goodell den Spieler der Steelers verkuendnet hat, riefen die Steelers Fans: “She said no! She said no!”

  28. @Sternburg,

    Du hast gefragt welche seiner Handlungen aus moralischer Sicht bestrafenswürdig wären und da kann ich Dir klipp und klar drauf antworten “Der Ehebruch”, dummerweise in diesem Fall sogar mit ner Minderjährigen. Obs dir gefällt oder nicht, das Treueversprechen gehört halt blöderweise dazu und mich interessieren weder deine Sexualkontakte in Anzahl,Farbe, Form und Alter noch dein Verhalten in der “Öffentlichkeit”.

    Bei dem Franzosenkicker sieht das aber leider nunmal anders aus, aber das hat er sich mit seiner Berufswahl eben selber zuzuschreiben.

  29. Dröhn, wir kommen hier wohl nicht mehr zusammen. Ich möchte mal versuchen etwas Schärfe aus der Diskussion zu nehmen. Das wir verschiedener Meinung sind, bedeutet ja nicht zwingend, dass der jeweils andere bekloppt sein muss.

    Ich gehe bei der bewertung einer moralischen Verfehlung von dem Begriff des Verstoßes gegen die guten Sitten aus, welche die deutsche rechtsprechung in gewohnter Selbsüberschätzung als “Anstandsgefühl aller billig und grerecht denkenden” definiert. Womit die Problematik fein umrissen ist: Einerseits muss es sich um Verhaltensvorstellungen mit einer gewissen Allgemeingültigkeit handeln, andererseits muss irgendjemand Abgrenzungen zu den allgemein betriebenen, aber gleichwohl sozial abzulehnenden Verhaltensweisen vornehmen (Steuerhinterziehung etwa).

    Da habe ich beim “Ehebruch” schon Probleme. Zur Bürgerehe (anders bei der kirchlichen, der ich aber von vornherein keinen Anspruch auf Bindung der allgemeinen Moralvorstellungen zusprechen mag) gehören manigfaltige gegenüber dem Ehepartner und teilweise auch gegenüber der Allgemeinheit eingegangene Verpflichtungen zur gegenseitigen Rücksichtnahme, Beistand und Verantwortung. Dazu gehört auch die Herstellung einer häuslichen Gemeinschaft sowie der (so, liebe Kinder, hier bitte mal weghören) “Geschlechtsgemeinschaft”. Eine Pflicht, Sexualkontakte außerhalb der Ehegemeinschaft zu unterlassen, besteht hingegen grundsätzlich nicht (zugegeben vereinfacht).

    Es mag so sein, dass die Eheleute Franzosenkicker sich untereinander weitergehendes geschworen haben, wovon wir aber nichts wissen.

    Im letzteren Fall könnte und wird wohl ein Bruch dieses Versprechens von der Ehefrau als moralisch verwerflich angesehen werden. Wie diese daraus nun Konsequenzen zieht, geht uns als Öffentlichkeit aber zunächst überhaupt nichts an. In keinem Fall können wir als Öffentlichkeit m.E. allein aus dieser moralischen Empörung der Ehefrau, mag sie noch so gerechtfertigt sein, eigene Rechte zur Bestrafung des Ehegatten ableiten.

    Du sagst nun (so meine ich, dich zu verstehen), dass die Liga oder die Öffentlichkeit ein Recht auf Vorbildhaftes Verhalten des prominenten und gut bezahlten Einzelsportlers besitzt und von daher ein Recht zur Bestrafung, wenn diese Erwartung auf vorbildhaftes Verhalten durch moralische Verfehlungen enttäuscht wird. Da würde ich soweit eventuell sogar mitgehen. Aber es muss m.E. als Voraussetzung jedenfalls hinzutreten, dass es sich um eine die Öffentlichkeit tatsächlich tangierende moralische Verfehlung handeln muss, um diese Pflicht zum vorbildhaften Verhalten zu verletzen. Maßstab kann da die Phrase “Wenn das alle machen würden..” sein.

    Wenn das (nämlich Ehebruch) alle machen würden, wäre das unschön, aber die Gesellschaft dadurch in keinem Interesse verletzt. Gegenbeispiel: wenn er Unterhaltszahlungen schleifen lässt oder alkoholisiert ein Fahrzeug führt. Dann nämlich werden wir als Andere konkret belastet oder gefährdet, wenn dies “alle machen würden” dementsprechend mehr.

    Dass die Frau in diesem Fall minderjährig war, muss, solange keine Anhaltspunktze bestehen, dass er dies auch nur ahnen konnte, tatsächlich unbeachtlich bleiben. Die Formulierung “zufällig” braucht also gar nicht so süffisant verwendet zu werden, solange wir es nicht besser wissen, hat es sich für uns gefälligst tatsächlich um einen Zufall zu handeln.

    Abschließende Frage: Verstehe ich dich richtig, dass Du das Geschehen anders beurteilen würdest, wenn die Franzosenkickers nicht verheiratet gewesen wären?

    [Uff. Jetzt habe ich mich doch schon wieder so viel mit eiem Thema bechäftigt, dass mir eigentlich völlig Banane ist. Von der allgegenwärtigen Arbeitsablenkung mal abgesehen]

  30. Puh, das erste Posting von Dir dem ich ansatzweise folgen kann. Ich werde Dir allerdings aufgrund meines Jobs nicht so quanti- und qualitativ antworten können wie Du das gerade getan hast, für deine Antwort aber erstmal ein Danke.

    Gesellschaftlich gesehen ist der “Ehebruch” moralisch verwerflich, wie Du schon sagst wissen wir beide zwar nicht was in den Ehepapieren steht, können aber im Allgemeinen von einer fehlenden Fremdgehklausel ausgehen. Somit hat er schon mal gegen ein “gesellschaftliches” Tabu verstoßen.

    Leider steht er als Person der Öffentlichkeit unter “besonderer Beobachtung und Bewertung” seiner Taten. Vorbildfunktion und so, da kann Frau Kläßmann ja ein Lied von singen. Hätte, wohlgemerkt, hätte die DFL einen Verhaltenskodex der solche Vorkomnisse bestrafen würde kann ich mir sogar sehr gut eine Strafe (Geld, Spielsperre, psychologische Betreuung, Sozialdienst) vorstellen.

    Inwieweit er tatsächlich bestraft wird sollen die Gerichte klären, moralisch hat er ins Klo gegriffen, dafür strafen ihn die Zeitungen und er sich selber anscheinend auf dem Spielfeld ja bereits ab.

    Abschließend, wäre er unverheiratet in diese ganze Sache gestolpert hätten die Schlagzeilen ganz anders ausgesehen. Da wäre er nämlich ein ganz großer Stecher unter der Sonne gewesen und man hätte dem Mädel eher vorgeworfen dass sie nicht wie “unter 18” aussieht, wetten ;)