Die gefühlte Bundesliga-Tabelle 2009/10, #20

Es ist die zweite Ausgabe der gefühlten Bundesliga-Tabelle. Hier fasse ich meine Eindrücke vom Bundesliga-Wochenende zusammen. Dabei sortiere ich die Bundesliga-Teams ausschließlich nach ihren Spielen vom Wochenende – wenn man so will, eine Art Stimmungsbarometer. Die zweite Spalte gibt den Unterschied zur Vorwoche an, also sozusagen ein Gradmesser für die Stimmungsänderung.

An diesem Wochenende fällt es mir leicht die beiden Top-Positionen oben und unten zu platzieren. Ganz oben die Bayern, die bereits in der Vorwoche beim Sieg in Bremen Gute-Laune-Fußball (für eigene Fans und sonstige Sympathisanten) ablieferten und diesmal locker einen Kantersieg hätten abliefern können, aber trotz ausbleibender Tore nicht nervös wurden.

Ganz unten die Bremer. Kein Mannschaftsteil wurde am Wochenende derart filetiert wie die Bremer Defensive. Bei den Bremer Fans herrscht abgrundtiefer Frust über die Stagnation. Nachdem die Bremer in der Hinrunde ihr Abwehrtrauma überwunden zu haben schienen (16 statt 28 Gegentore), fallen sie wieder in die alten Muster zurück und stehen gegen lange Bälle und schnelle Gegenangriffe nicht gut (inzwischen “nur noch” 24 statt 32 Gegentore, nur ein Punkt besser).

Die Defensivschwächen Werders sind verblüffend, da sie bis auf Abdennour eine eingespielte Formation betreffen, die inzwischen noch nicht einmal eine aus dem gegnerischen Torwartabschlag eingeleitete Situation sauber geklärt bekommt (0:2). Wie kann eine hinten derart erfahrene Mannschaft sich immer wieder die Tore nach dem gleichen Muster einfangen.

Gefühlte Tabelle, 2009/10, #20

1. +2 Bayern München
2. +2 1. FC Köln
3. +9 Mönchengladbach
4. +10 1. FC Nürnberg
5. 0 VfB Stuttgart
6. -4 Bayer Leverkusen
7. +11 VfL Wolfsburg
8. 0 Schalke 04
9. -3 VfL Bochum
10. -1 Hamburger SV
11. +4 SC Freiburg
12. +1 Hertha BSC
13. -6 FSV Mainz 05
14. -3 Eintracht Frankfurt
15. +1 1899 Hoffenheim
16. -15 Borussia Dortmund
17. 0 Hannover 96
18. -8 Werder Bremen

In der gefühlten Tabelle gibt es diesmal ein breites Mittelfeld von Teams, denen Punktverluste nicht so schmerzen. Angefangen von Bochum: “nur” 0:0 in Berlin, aber keinen Boden auf die Konkurrenz verloren. HSV, eigentlich wertvolle Punkte im Kampf um CL-Plätze gegen Wolfsburg verloren, aber der Last-Minute-Ausgleich von Trochowski übertüncht den Ärger so wie es der van Nistelrooy-Transfer letzte Woche in Dortmund machte. Freiburg, nicht unerwartet in Leverkusen verloren, aber immerhin bis zum Dreifach-Pack sehr gut mitgehalten. Hertha BSC – ein 0:0 zuhause gegen einen direkten Abstiegskonkurrenten ist eigentlich wieder zu wenig, aber der Abstand zum Relegationsplatz und Nicht-Abstiegsplätzen ist auf wundersame Weise wieder um einen Punkt geschmolzen. Mainz 05 hat, wie Freiburg, die erwartete Packung bekommen. Leichtes Unwohlsein wie wenig man in der Defensive den Bayern entgegenzusetzen hatte, aber trotzdem ein “normales” Ergebnis.

Kommen wir zu den Feel-Good-Mannschaften zwischen den Bayern und dem Mittelfeld. Köln hat keinen brillanten Sieg erzielt, aber einen wichtigen Sieg gegen einen Gegner den man vielleicht schon eine halbe Gewichtsklasse höher wähnte. Sie haben sich eine Art eigene, kleine spielerische Komfortzone gebastelt, stehen hinten besser und schaffen es vorne mit Minimalismus zu punkten. Das Selbstvertrauen steigt, der Abstand zum Relegationsplatz ist auf 7 Punkte angewachsen.

Mönchengladbach holte nach einem blaßen 0:0 in Berlin mit Konterfußball ein amüsantes 4:3. Hoher Unterhaltungswert, mit Raffinesse vorgetragene schnelle Angriffsspielzüge. Das sah klasse aus, aber im Hinterkopf ist die Angst, dass es sich um ein Freakresultat (Bremer Defensive!) handelt.

Nürnberg mit einem sogenannten “Sechs-Punkte-Spiel” in Hannover, 3:1 deutlich gewonnen. Die Neueinkäufe Breno, Ottl und Tavares sichern die Defensive ab und mit Mintal hinter den Spitzen könnte Hecking auch für die Offensive etwas Funktionierendes gefunden haben.

Freakresultat auch beim VfB Stuttgart. Ja, die Mannschaft hat sich weiter stabilisiert, aber das 4:1 fühlte sich im laufenden Spiel maximal wie ein 2:1 an. Leverkusen konnte am Sonntag die Vorlage der Bayern kontern, gewann 3:1, allerdings mit einer wackeligen ersten halben Stunde und einem ersten Hauch zu großer Coolness.

Wolfsburg nach dem Trainerwechsel mit einem Erfolgserlebnis in Hamburg. Veh Taktiktafel ist von Köstner zugunsten einer “Defense First”-Haltung, die wieder verstärkt auf Konter setzt, weggelegt worden. Der VfL wirkt stabilisiert, aber erst mal auch nicht mehr. Schalke 04 mit einem jener kühl heruntergespielten Siege, an die man sich inzwischen schon gewöhnt hat. Punkt egeholt. Mehr will man nicht, mehr braucht man nicht und für die Stimmung sollen ruhig die anderen Kapellen sorgen.

Soweit die Guten. Dahinter das große Mittefeld, ehe es zum unteren Drittel geht. Eintracht Frankfurt und “launische Diva“. Nach dem 1:1 in Nürnberg verlor man in einem schwachen Spiel gegen einen Gegner, den man eigentlich qua Selbstverständnis zuhause schlagen muss. Auch die Premiere von Altintop weckte noch keine Phantasien – dazu ist er auch zu kurz im Team. An Negativerlebnisse hat man sich in Hoffenheim gewöhnt, weswegen man ein 0:2 in Schalke durchaus hinnehmen kann – immerhin fehlte Simunic. Aber die Harmlosigkeit der Offensive ist erschreckend.

Die Niederlage von Borussia Dortmund war nicht schmerzhaft, weil das 1:4 eine große spielerische Kluft zum VfB offenbarte – hätte Owomoyela einen besseren Tag erwischt, hätte das Spiel auch anders aussehen können – sondern weil sie die optimistische Stimmung nach den Siegen gegen Köln und Hamburg versaute. Ich glaub keine Mannschaft dreht diese Saison emotional derart am Rad, wie der BVB – sei es aufgrund der jungen Mannschaft, sei es aufgrund von Jürgen Klopp.

Wenn nicht Werder Bremen wäre, käme man an Hannover 96 als Ausgeburt negativer Stimmung nicht vorbei. Zweites Spiel unter Slomka, angekündigter Systemumstellung hin zur Doppelsechs, neuformierte Abwehr, Rückkehr von Hanke und trotzdem ein Team bei dem sich nichts regt. Mir ist es egal wieviele Punkte Rückstand Hertha hat, ich kann mir nicht vorstellen das H96 noch lange vor den berlinern bleibt. Wie H96 da raus will, ist mir ein Rätsel.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Hach, der Effzeh an 2!
    Damit könnt ich bis Saisonende ziemlich gut leben!

  3. Bin Bremen-Fan und habe außer viel Zustimmung nichts anzubieten.

    Der Frust rührt nicht von dem Spiel und dem Ergebnis an sich her – Gladbach ist wie Frankfurt und Schalke einer der Vereine, mit denen wir uns schon traditionell schwer tun, und das Spiel war im Ergebnis halt eines dieser “wilden” Spiele die es bei uns gelegentlich gibt.

    Das Problem ist, richtig gesagt, die Art der Gegentore, und die Tatsache, dass dieses Syndrom in der Hinrunde endlich, endlich überwunden schien. Ich bin kein Fan von Sicherheitsfußball – als Bremer gewinnt man tendenziell lieber 5:4 als 1:0, sonst wird man mit dem Verein auch nicht glücklich. Aber es gibt einen Unterschied zwischen “hinten nicht ganz sicher stehen auf Kosten einer berauschenden Offensive” und “defensiv einfach nur sch***e stehen”. Und dabei hat man immer noch das Gefühl, ohne unsere beiden Innenverteidiger und den Torwart wäre das alles noch viel schlimmer.

    Es ist so, wie Dogfood sagt: Abgrundtiefer Frust.

  4. ich würde es schön finden, wenn die tabelle auch am ende einer saison so aussehen würde – bayern, köln und gladbach in der CL

  5. Bin 96er und muss widersprechen: Noch mehr letzter als Hannover geht nicht. No no no! Nein nein nein! Auch Bremen kann sich nicht noch schlechter fuehlen. Denn denen fällt vorne wenigstens ab und an was ein. (5Tor in 2 Spielen).

    H96 ist vorne die Einfallslosigkeit auf 2-4 Beinen. Ich kann mir zZt scher vorstellen, dass die in den nächsten 14 Spielen mehr als 12 Tore schiessen (nein, Eigentore zählen nicht mit dazu).

    Dazu hinten auch nicht besser als der SVW. Torwart quasi entmachtet (wer wollte eigentlich diesen Tremmel?). Der Ami darf nach Gelb wegen jetzt Schulterbruch nicht spielen, Balitsch auch verletzt, Schulz gaaaanz weit weg von jeglicher Sicherheit, Haggui wohl noch in Afrika mit den Gedanken, Rausch vielleicht auch dort mit seinen Gedanken(?) jedenfalls auch nicht besser als der Rest.
    Triple R Arnold B. (RueckRundenRakete) hat die Zuendschnur auch noch nicht gefunden und es auf 3x Freistoss in Richtung Dach gebracht.

    Kurzum: Noch dunkler als in Hannover geht einfach nicht. Daher Antrag auf Platz 18 gestellt :)

  6. Der Tremmel wäre sicher nicht verkehrt gewesen. Was verkehrt war: Die Art und Weise. Wenn das nicht in trockenen Tüchern ist, kannste es einfach nicht publik machen und so deinen Keeper völlig kaputt machen. Dass Fromlowitz momentan alles andere als solide ist, steht natürlich außer Frage.

  7. Du weißt, daß dein Verein schon lange nichts mehr mit der Tabellenführung zu tun hatte, wenn dir selbst eine solche höchst subjektive und momentaufnahmenhafte Tabelle einen Schauer über den Rücken jagt, nur weil da Platz 2 steht. Hach.

  8. Ich muss runnertobi zustimmen. Letzterer als 96 geht nicht. Wenn es 200 Plätze gäbe wäre der 200 für sie noch zu gut. Ich habe noch nie eine so hoffnungslose Truppe gesehen(Selbst Hertha in der Hinrunde hatte einen Hauch von Hoffnung). Das merkt man auch bei den Interviews nach dem Spiel. Keiner(weder Präsident noch Manager noch Trainer noch Spieler) versuchen auch nur den Anschein zu erwecken es könnte irgendwann in den nächsten Monaten besser werden.

  9. Kann die Frustration der 96er sehr gut nachvollziehen. Hätte auch nicht gedacht, daß der Glubb so entspannt die 3 Punkte mitnehmen kann. Bei 96 merkte man, daß “Angst nicht nur Seele auffressen”, sondern auch Füßballerbeine lähmt. Aber der Sieg für uns war nicht mehr als eine Notwendigkeit und ist ohne ein Nachlegen gegen Stuttgart und in Gladbach ein Muster ohne Wert.

  10. nette spielerei mit der tabelle.

    aber dortmund (die 6 der letzten 7 spiele gewonnen, nur 1 der letzten 13 verloren und 8 Punkte vorsprung (!!!) auf platz 6 haben) 3 Plätze hinter Hertha (die aus 2 Heimspielen gegen direkte Konkurrenten kein Tor erzielten!) zu plazieren, wirkt mir doch arg kurzfristig gedacht.

    das entwickeln einer solchen tabelle aus den letzten 3 (? statt 1) spielen als betrachtungsbasis würde dem sicher gut tun.

    versaut das 1:4 gegen eine aufstrebende mannschaft wirklich die stimmung? wenn einer “seinen jungs” auch mal eine niederlage schlichtweg _zugesteht_, dann ja wohl klopp.