New England, Indianapolis und das 4th down
Zuerst eine Spoilerwarnung: wer das Sunday Night Game zwischen den Indianapolis Colts und den New England Patriots nicht gesehen hat, bekommt den entscheidenden Moment des Spieles “gespoilt“. Alle die es nicht wollen, mögen jetzt woanders hinsurfen…
Noch da? Okay. Knapp über 2 Minuten zu spielen, 4th down and 2 an New Englands 28, man liegt 6 Punkte vorne. Zur Verblüffung aller, lässt Belichick das 4th down ausspielen, statt den Ball ans andere Ende des Spielfelds zu treten.
Es wird ein kurzer Pass nach halbrechts zu Kevin Faulk gespielt, der nach ein-, zweimaligen Nachfassen den Ball unter Kontrolle bekommt, aber gleichzeitig nach hinten geworfen wird. Die Schiedsrichter entscheiden: kein 1st Down, also Turnover on Downs, Ballbesitz Colts an New Englands 29. Belichick hat keine Auszeit mehr und die Two Minute Warning wurde erst nach dem Spielzug gegeben, somit konnte dafür keine Booth Review in Kraft treten.
Ball für die Colts, Touchdown, Sieg Colts, Spiel fertig. Klappe zu. Affe tot.
Hier ein Ausschnitt aus der Analyse von Deion Sanders und Steve Mariucci vom NFL Network.
Ich halte es für eine Fehlentscheidung der Schiedsrichter – für meinen Geschmack hatte Faulk den Ball spätestens nach dem zweiten Nachfassen unter Kontrolle und war damit jenseits der virtuellen gelben Linie (von deren Korrektheit ich jetzt mal ausgehe).
Gleichzeitig halte ich es für eine Fehlentscheidung von Bill Belichick. Bei so einem Spielstand spiele ich so tief in der eigenen Hälfte nicht Russisch Roulette. Auch bei einer Quote von 70+x% 4th Down-Conversion. Das Argument “Manning ist zuvor locker das Feld runtermarschiert” gilt um so mehr, wenn man Manning an der eigenen 30yds den Ball in die Hand drückt.
Noch mehr Meinungen:
Jürgen Kalwa/American Arena, Peter King/SI, Don Banks/SI
Siehe auch die Kommentare von heute morgen von domi67, korsakoff und domi67 zum Zweiten, der argumentiert, dass New England Handelnde bleiben wollten, statt sich vom Abhängigen von QB Mannings Offense machen zu wollen.
Reaktionen
Ich bin da eher bei Kalwa. Ja, probieren!
Der Amerikaner an sich (Achtung, Stereotyp) ist ja eher der Riskierer, der Abenteurer, ganz nach dem Motto einfach mal probieren. Leider fehlt diese Mentalität im Football etwas wie ich finde. Diese ganzen Sachen wie 4th Down ausspielen, 2-Point-Converison, Trickspielzüge etc. werden meinem Geschmack nach viel zu selten eingesetzt. Ich bin überzeugt, dass man damit im Regelfall erfolgreicher ist als ohne. Hier ist es eben schief gegangen, aber den Versuch war es wert. Auch weil es sicher eine Überraschung für die Colts war, die damit mit Sicherheit nicht gerechnet haben. Leider Pech gehabt, aber ich bin mir sicher, dass im Erfolgsfall alle vom Trainerfuchs Belichick geschwärmt hätten…
ps: im Basketball nimmt man bei einem 2-Punkte-Rückstand in 99% der Fälle immer den Dreier im letzten Wurf, um zu gewinnen. Da sagt auch keiner “hättest man den einfacherern Zweier genommen und das Spiel in der OT versucht zu gewinnen”. Ist nicht 100%ig vergleichbar, aber geht in die Richtung
Offensichtlich war es keine Überraschung für die Colts. Und schon gar nicht nachdem Belichick die letzte Auszeit zur Besprechung des 4th Down genommen hat.
Faulk war zudem in Manndeckung (als er aus dem Backfield nach außen rückt, rückt ein Safety von der Raumdeckung an die Scrimmage Line um ihn in Manndeckung zu nehmen) und im ganzen Ablauf des Spielzugs gab es nichts was den Safety hätte abschütteln können. Die Colts sahen für mich ziemlich gut vorbereitet aus.
In der Analyse bin ich echt zwiegespalten. Es gibt für beide Optionen gute Gründe und ich kann die von BB nachvollziehen, da der letzte Drive der Colts ja angedeutet hat, dass Manning die (sagen wir mal) 40 yards Unterschied zwischen Punt und nicht erfolgreicher 4th Down conversion ziemlich schnell erspielt hätte. Die Defense wahr platt und vor und im Spiel ist bis auf Burgess der komplette “pass rush” ausgefallen -> noch weniger Druck auf Manning. Und auch in der Secondary hätte man wahrscheinlich, um das Big Play über außen zu verhindern, die Mitte mehr aufmachen müssen, wo dann Clark frei gewesen wäre… Also da kann ich BB schon verstehen.
Ich hätte allerdings den langen Pass gecallt, da sich die Colts ja (inklusive der Safeties) an der LOS versammelt haben und Moss gegen einen kleinen Rookie CB ohne Hilfe sicher relativ großen Chancen gehabt hätte. Aber deshalb bin ich wahrscheinlich auch kein NFL Coach…
Das Falk m.M.n. eigentlich drüber war ist natürlich extrem ärgerlich, hätte aber keine Bedeutung gehabt, wenn man vorher in der Redzone etwas effizienter gewesen wäre, was leider schon die ganze Saison über problematisch ist. Alternativ würde natürlich auch ein RB helfen, der 2 yards in so einer Situation einfach mal “durchhämmert”.
Ich habe auch mit ja gestimmt, und gerade schaue ich mir noch mal das Tape an und kann beim besten Willen nicht sagen, ob die Refs richtig lagen. Es kommt natürlich auf die Umstände an, doch gerade die Pats haben genug Waffen, um zwei Yards zu schaffen und den Sack zuzumachen. Der einzige Fehler, den Belichick wohl gemacht hat, war, dass er eine Auszeit genommen hat und somit jedes Überraschungsmoment.
Schade, dass es nicht geklappt hat (und das sage ich als gemäßigter Colts–Fan). Denn die Coaches riskieren m. E. viel zu wenig und werden das zukünftig noch weniger wagen. Diese ganze Punterei (vor allem an der gegnerischen 40-Yard-Linie, nur damit ein Touchback herauskommt) wird völlig übertrieben. Ich sage ja nicht, dass immer an der eigenen 30-Yard-Linie 4 an two ausgespielt werden sollen, aber ein bisschen mehr Einfallsreichtum – gerade von eigentlich unterlegenen Teams – würde ich mir schon wünschen.
Davon ab: Es war ein richtig geiles Football-Spiel. Die beiden Teams werden, wenn nicht alles täuscht, in den Play-offs noch einmal aufeinandertreffen. Und wie ich fand, hat Sebastian Vollmer ein richtig gutes Spiel gemacht, wenn mir diese Deutschtümelei erlaubt sei.
Halte den Call auch für richtig (und mutig). Das einzig halbwegs negative ist für mich, dass er damit seiner Defense nicht wirklich das Vertrauen ausspricht. Aber im TD-Drive vorher konnte man sehen, dass Manning wahrscheinlich mit der Zeit (2 min + TO) die 60-70 yard geschafft hätte. Außerdem entging man so einem möglichen Puntreturn.
Somit hat man beim Ausspielen zu 70 % ein neues first down und fast gewonnen. Wenn es schief geht, konnte immer noch die Defense zeigen, dass sie die Colts stoppen können. Und eigentlich zeigt der Ausgang ja, dass die D die Colts nicht mehr stoppen konnte (und somit Bellicheat recht hat).
Vor allem: was sendet diese Entscheidung für ein Signal an die Defense???
Ganz nebenbei: klasse Leistung von Sebastian Vollmer gegen einen der besten DEs der NFL. Ist auch Collinsworth und Co. nicht entgangen…
Der Call von Belichick war richtig – ohne das Time Out, Ansonsten denke ich, dass Faulk über der Linie war. Wo wir wieder bei Schiedsrichter-Leistungen sind, die erneut nicht gut sind. Dies betrifft nicht nur gestern.
Interessant fande ich die Diskussion in ESPN’s “Football Today” Podcast. Die “Experten” waren sich einig, dass ein Belichick, Tomlin oder anderen Coaches mit Resume solche Entscheidungen machen können ohne kritisiert zu werden. Ein Mangini oder Cable wären für die gleiche Entscheidung von der Presse “gerüffelt” worden.
Halte es für den richtigen Entscheidung, mit Fehlentscheidung das er über der Linie war. Dumm halt, dass NE keine Challenge/TO mehr hatte.
Hier noch ein Advanced NFL Stats-Artikel zu dem Thema:
http://www.advancednflstats.com/2009/11/belichicks-4th-down-decision-vs-colts.html
Statistisch scheint Belichick zumindest die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Gefunden via Deadspin: http://deadspin.com/5405774/belichick-was-right
“Coaches mit Resume”? ;)
bin grad mit der Aufzeichnung fertig geworden und hab oben meinem Gefühl während des schauens folgend mit Nein gestimmt.
Die Argumente der Pro-Fraktion hier in den Kommentaren sowie in einigen der Artikel sind natürlich nicht vollkommen von der Hand zu weisen, reichen mir persönlich jedoch lediglich, die Logik hinter Belichicks Entscheidung nachzuvollziehen, nicht jedoch sie gutzuheißen. (bei einem hypothetischen 4th&Inches mit nem Sneak meinetwegen, aber nicht bei &2 und passing game)
Selbst Brady trottet im übrigen nach der fast-Interception nach dem 3en Versuch wie selbstverständlich vom Feld. Unabhängig von Belichicks Entscheidung ist mir zudem ein Rätsel, aus welchem Grund man zu Beginn des Drives diese eigenartige/unnötige Auszeit, und somit die Möglichkeit einer Challange, genommen hat.
Mir hat die Entscheidung nicht so gefallen. Sicher war Manning in Fahrt gekommen und wäre für ihn auch von der eigenen 30 einiges möglich gewesen. Aber war ja auch nicht so, dass er zuvor reihenweise 20+-yard-Pässe an den Mann gebracht hätte. Das big play im Touchdown-drive davor war eine defensive pass interference gewesen. Und zwei andere der nicht alllzu zahlreichen weiten Versuche in der 2. Halbzeit waren abgefangen worden. Deshalb hätte ich mir aus Patriots-Sicht trotz müder Defense diesen letzten drive gegeben. Denn irgendwann in diesen knapp zwei Minuten hätten die Colts wohl ein big play gebraucht. Klar, Manning kann das, aber einfacher wirds nicht gegen Ende. So richtig vergleichen lassen sich die Situationen zwar nicht, aber war ja Ende der 1. Halbzeit nicht unähnlich gewesen, als Manning mit 1:36 Minuten an der eigenen 24 den Ball erhielt, aber letztlich sogar noch einmal punten musste.
Jedenfalls stand so die eigene defense dann einer fast ausweglosen Situation gegenüber und konnte Manning tun, was die ganze Zeit schon ziemlich gut lief. Mit einem punt hingegen hätte der defense der Rücken gestärkt werden können und für Manning wäre es alles andere als einfach geworden.
Auch 24 Stunden später halte ich die Entscheidung für richtig, finde allerdings im Nachhinein -hinterher ist man ja immer schlauer – dass die Patriots Addai bei seinem Lauf mit über 1 Minute auf der Uhr, nachdem er den ersten Tackle gebrochen hatte, ruhig den Touchdown hätten erzielen lassen sollen. Denn dann hätte Brady -zwar ohne Timeouts- noch genug Zeit gehabt, NE in Fieldgoal Reichweite zu bringen, zumal Gostkowski ein richtig staker Kicker ist. Beim Warmup in London hat er mehrfach aus 60 Yards getroffen. Im Dome in Indy hätte das auch noch klappen können.
Ich bin mir sicher, belichik wird in ähnlicher Situation wieder so entscheiden(von den Timeouts abgesehen)
Würde diese Diskussion genauso intensiv geführt werden, wenn es geklappt hätte? Wäre Belichick dann der Held?
Ich merke immer wieder, dass man Footballspiele nicht ausmachen darf, auch wenn das eine Team im 4ten mit 17 Punkten vorne liegt… ärgerlich. Egal.
Nun zur Diskussion. Zunächst einmal: was für eine unglaubliche Leistung der Colts! Mit 17 Punkten zurück anfang des 4. Viertels. Dann noch eine Interception im nächsten Drive und dennoch geben die nicht auf. Selbst als die 3 Minuten vor Schluss noch mit 13 Punkten zurück liegen machen die weiter und glauben daran noch etwas zu reissen… wahnsinn (wenn das der HSV bloss mal täte).
In meinen Augen wurde das Spiel 3 Minuten vor Schluss mit der Call der Pass Interference “entschieden”, den ich für eine arge Fehlentscheidung halte! Hätten die Colts in dem Drive nicht scoren können, wäre es das gewesen.
Der Fehler von BB lag dann nicht mehr im Ausspielen des vierten Versuches, sondern vorher im dritten! Was spielt der denn da nen Pass?! Es sind noch 2 yards und etwa 8 Sekunden zur 2 Minute-Warning. Warum lässt er denn da nicht laufen? Ein 1st Down und das Spiel ist vielleicht gegessen. Statt dessen riskiert er da die Completion und eine Interception… danach den vierten zu spielen ist bloss noch die Konsequenz um den “Fehler” wieder gerade bügeln zu wollen.
Die Begründung man hätte Angst, dass Manning noch einmal so einen Drive hinlegt kann doch nicht im ernst zählen. Erstens hat man eine Defense und zweitens waren die Drives davor aus Sicht der Colts wirklich sehr glücklich…
Warum in so einer Situation also solches Risiko? Hätte der vierte geklappt, wäre Belichick in einen Augen nicht der Held gewesen, sondern hätte bloss über seinen miesen Call beim Versuch vorher hinweggespielt…
Daher ein klares “Nein”.
@nyck:
Ich gebe dir recht, dass in der Situation ein Lauf bei 3rd down der bessere call gewesen wäre. Vorausgesetzt, NE hätte dabei keinen nennenswerten Raumverlust erlitten, hätte NE bei Nichterreichen des 1st downs entweder Indys 3. Timeout oder die 2-minute warning zur Diskussion des weiteren Vorgehens gehabt und NE hätte ein Timeout behalten. Deswegen wäre das mit Sicherheit die bessere Lösung gewesen. Aber ich denke, Belichik hielt es für unwahrscheinlich, dass Brady es nicht gelingt, mit 2 Passversuchen ca. 2 yards für ein neues 1st down zu erspielen. Und das sehe ich dann wieder ähnlich wie BB.
ich habe das spiel nicht gesehen und habe sympathien für die argumente von beiden seiten. im gesamten gesehen verstehe ich aber die ganze aufregung darüber nicht (natürlich ist es für die medien grosses futter um die seiten zu füllen).
aber mal ehrlich: wär dies ein do-or-die-spiel gewesen, hätte bb den 4. nie ausgespielt ! aber es ging ja gestern im grunde nur um die goldene ananas. in der divison ist ne 2 spiele vorne und wird wohl auch nicht eingeholt werden. andererseits haben sie wohl die hoffnung auf den heimvorteil in den playoffs aufgegeben (obwohl ich dies als einziges argument gelten lassen würde, dass das spiel gestern nicht völlig unwichtig war).
daher kann man in solch einem spiel natürlich experimentieren – und geht der plan auf, hat man indy wohl auch moralisch angeknackst (was für die playoffs nicht unerheblich ist).
Um Jürgen Kalwa ein bisschen recht zu geben: Es gibt nicht so wahnsinnig viele Alternativen und jede ist zu rechtfertigen (nicht zuletzt durch die Wahrscheinlichkeit einen kurzen Pass anzubringen, aber dann hätte es doch auch ein Screen-Pass getan, oder ein Screen auf den Halfback, oder einen kurzen Hook auf den Tight-End…). Naja, so eine Entscheidung wie diese von Belichick macht Football ja auch spannend…
Wenn ich ein Patriots Fan wäre, dann würde ich mich darüber allerdings sehr ärgern! ;)
als eagles-fan ärgert mich das in meinen augen sehr defensive verhalten von andy reid bei 3 & … in der redzone oder nahe der redzone.
da find ich dann das agieren von belichick wieder symphatisch.
Also ich habe das Spiel nicht gesehen, aber von dem was ich hier lese würde ich den Call als falsch sehen. Ich finde gut wenn man auch an der eigenen 28 zumindest in Erwägung zieht das vierte down auszuspielen. Aber hier gibt es aus meiner Sicht einige Dinge die dagegen sprechen.
a) man scheint erst nach dem versemmelten dritten down die Entscheidung getroffen zu haben. Wäre das nicht so gewesen hätte man warscheinlich im dritten ein Laufspiel versucht und hätte sich mit sicherheit den Timeout sparen können.
b) New England hat kein Laufspiel das in der Regel 2y generieren kann wenn der Gegner einen Lauf erwartet, das schließt einen Laufspielzug fast komplett aus.
c) Die Tatsache, dass man kein Timeout mehr hat(siehe a) nimmt einem die Möglichkeit auf das Ausspielen zu verzichten, wenn man das Gefühl hat das die Defense den Spielzug gelesen hat.
Durch diese drei Punkte glaube ich ,das die Risiken die möglichkeiten überwogen haben und daher hätte man punten sollen.
Zu der von einem Kommentator angestellten Berechnung möchte ich sagen, das ein Mathematiker ausgerechnet hat, das es immer besser ist den vierten Versuch auszuspielen(sogar wenn man in Field Goal Range ist),
Nur Sport ist eben nicht nur reine Mathematik, denn sonst hätte das bestimmt mal jemand ausprobiert.
@ freddy7: “Nur Sport ist eben nicht nur reine Mathematik, denn sonst hätte das bestimmt mal jemand ausprobiert.”
Mal abgesehen davon, dass die Praxis und die Theorie im Sport zweierlei sind, weil jede spieltaktische Entscheidung eine Reaktion nach sich ziehen wird und weil jeder Impuls gesteuerte Reflex die Abläufe beeinflussen kann, kommt doch gerade im Football einer statistisch abgepufferten Handlungsweise eine ähnlich wichtige Rolle wie im Schach zu. Der gesamte Analyse-Apparat mit den Polaroids, den Stunden vorm Videomonitor, den hunderten von sehr genau ausgetüftelten Spielzügen dient doch nur einem Zweck: jede Chancenkonstellation für jede denkbare Situation zu erkennen und jedwede Verhaltenstendenzen und Schwächen nach den Grundsätzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung hochzukalkulieren.
Diese Vorgehensweise ist der Grund, weshalb die Spieler auf dem Platz wie ferngesteuerte Roboter wirken. Warum wird Football so gespielt? Weil man auf diese Weise mehr Erfolg hat, als wenn man den Spielern sich selbst und ihrer Kreativtiät und Spontaneität überlässt. Und weil dem amerikanischen Publikum dieses Spiel gefällt.
Aus dieser Vorgehensweise folgt allerdings zwangsläufig, dass ein Coach entweder einen im Vorhinein ausgearbeiteten Plan aus einer bestimmten Abfolge an Spielzügen umsetzt. Was die meisten zumindest zu Beginn einer Halbzeit praktizieren, weil sie sich damit von allzu nervösen Detailabwägungen abkoppeln und stattdessen das tun, was sie sich vorgenommen haben. Oder aber in jeder Situation hochrechnet, welcher Spielzug nach den blitzartigen aufgestellten Wahrscheinlichkeitsrechnungen am erfolgversprechendsten ist.
Natürlich muss sich kein Coach an solche Prinzipien halten. Er kann machen, was er will. Er kann bluffen und tricksen und verwirren und provozieren. Aber spätestens in einer solchen Situation muss er sich fragen: Was ist der Spielzug mit dem größeren Chancenkoeffizienten? Denn er will ja nicht den Colts den Ball überlassen, sondern ihn behalten. (Wobei Belichick in diesem Fall auch noch einen Fake Punt in Erwägung hätte ziehen können. Ob er das getan hat, wissen wir nicht. Er ist bekanntlich jemand, der konsequent mit verdeckten Karten arbeitet.)
Kurzum, so langweilig eine solche Aussage klingt. Gerade im Football ist die Wahrscheinlichkeitsrechnung ein nützliches Mittel. Das Problem sind allerdings oft die Mathematiker und ihre Berechnungsmethoden. Da gibt es in Sachen 4th Down Erfolg vs. Punt erhebliche Abweichungen.
Klingt nach Poker ;)
Aber von wegen ferngesteuert: es sind immer noch Menschen auf dem Platz. Das ist zwar schlecht für jede Berechnung aber toll insofern, als dass diese ja auch selber denken und kreativ werden können. Und dann wird das eine spannende Sache. Die besten Plays sind Broken Plays, wenn die Athleten plötzlich auf ihre Instinkte umschalten und nicht vorhergesehene Dinge passieren…
Ich hätte generell anders entschieden, aber wenn schon eine solche Entscheidung, dann doch bitte auf Moss werfen, der den ganzen Abend lang der Colts Secondary den Arsch versohlt hat.
Ich frage mich bei der Entscheidung das selbe, wie die Kommentatoren auf ESPN. Vertraut Belichick seiner Defense so wenig, dass er es ihr unter diesen Umständen nicht zutraut, die Colts zu stoppen ? Klar, die Jungs waren erschöpft, und einige mit Verletzungen draussen. Aber die Offense der Colts war auch nicht so grandios an dem Abend, trotz des 79-Yards TD Spielzuges zuvor. In den letzten 7 Spielzügen davor 2 INT, 3 Punts, zwei TD.
Nicht so toll, dass man davon ausgehen MUSSTE, dass Manning den TD in 2 Minuten mit nur einem Timeout AUF JEDEN FALL schafft.
Klar, Brady ist ein grandioser QB, und das Argument, dass man unbedingt die Kontrolle behalten wollte, hat was für sich.Trotzdem: unter diesen Umständen wäre mir das Risiko zu groß gewesen.
Andererseits: Belichick hat drei Superbowls gewonnen, ich nicht…^^
Wie es Jürgen Kalwa schon andeutet, war das Ausspielen des 4. Downs statistisch gesehen vermutlich eine genau so gute bzw. schlechte Entscheidung, wie es ein Punt gewesen wäre. Wenn man für solche Situationen überhaupt sinnvoll Wahrscheinlichkeiten ausrechnen kann, bei den ganzen Variablen.
Anders formuliert: hätte durchaus auch klappen können. Bei 70%+ Completion Rate on 4th Downs sowieso.
Das Problem ist halt, dass solche Entscheidungen am Ergebnis gemessen werden. Das die Statistik eventuell auf der Seite der Pats war, spielt dann leider keine Rolle mehr.
ebenfalls auf SI:
http://sportsillustrated.cnn.com/2009/writers/joe_posnanski/11/16/belichick/index.html
auch ne gute Erklärung.
Ich denke Statistiken zu 4th Downs sind in diesem Falle kaum anwendbar. Mich würde eher eine Statistik für durchtelegraphierte 4th Downs” interessieren. Wie gesagt: es gab keinerlei Überraschungseffekt, da Belichick durch das Nehmen der letzten Auszeit das Ausspielen des 4th Downs quasi angekündigt hat. Das Heranziehen der 4th Down-Conversion-Stats ist daher maximalst schräg, weil hier die Ausnahmesituation bestand, dass die Colts WUSSTEN: wenn die Play Clock wieder anfängt zu ticken, wird nicht plötzlich die Punt Formation erscheinen.
Ich finde den Artikel auf der SI sehr interessant und die Entscheidung, oder besser die mögliche Entstehung dieser Entscheidung wird nachvollziehbarer.
@dogfood Selbst wenn eine Defense “weiss” was kommt muss die den Spielzug erst einmal verhindern. Du hast doch als Verteidiger kaum einen Hinweis darauf was nun als Spielzug kommt! Für einen Inside-Run spricht die kurze Yardage, ein Screen könnte ebenso gut sein, aber genauso ein Action-Play mit längerem Pass, oder aber wirklich die oberriskante Nummer mit einem Pass in den Rückraum. Ich weiss nicht, ob die Information “4tes Down, sie gehen” wirklich so viel hilft…
Ich müsste mir die Defense Aufstellung zu dem Play noch einmal ansehen, vielleicht erkennt man was sie erwartet haben.
Also, ich bin absolut für die BB-Entscheidung, weil mich die sicherheitsbetonte Variante (4th down in der eigenen Hälfte =punt) schon seit jeher aufregt. Wenn ich allerdings lese, dass die Completion rate on 4th downs 70 % + beträgt, fällt mir sofort Winston Churchill mit seinem angeblichen Ausspruch ein, dass er nur Stastitiken vertraut, die er selber gefälscht hat. Ich denke, dass die obengenannte Erfolgsrate nur deswegen so hoch ist, weil es sich bei der überwiegenden Mehrzahl der Versuche um “4th down and inches” handelt. Frage an die Stastiker: Gibt es eine Untersuchung, in wieviel Fällen ein “4th down and two” erfolgreich war?
ähm – Frage an die Statistiker
Wie oben geschrieben: offensichtlich wusste die Defense was kommen würde. Faulk wurde in Manndeckung genommen und zog beim rausmarschieren den Safety mit sich, der noch vor den Snap an die Scrimmage Line rückte.
Dass Belichick bei 2yds eher ein Pass nehmen würde, war angesichts der Schwäche des Laufspiels nachvollziehbar. In dem Moment kann ich als Defense besser auf die potentiellen Passempfänger reagieren, als wenn ich auch noch den Laufspielzug durch die Mitte verteidigen muss.
Keine Frage, die Pats haben ein großartiges Kurzpassspiel. Aber aufgrund der Probleme im Laufspiel fehlt ihnen auch eine ganz wichtige Facette und das kann ihnen in bei diesem Spielzug das Genick gebrochen haben.
Aber auch das fließt in keiner 4th Down-Conversion-Stats ein: wie groß die Bedrohung durch ein funktionierendes Laufspiel ist.
Ich habe mir die Defense gerade noch einmal angekuckt, die sind volles Risiko gegangen. Die fünf Receiver (twins auf beiden Seiten, plus einen wide out) habe sie in Manndeckung, wobei die auf der strong side ein bisschen mehr Abstand halten. Dann gehen sie mit 6 Leuten auf Quarterback-Jagd gegen 5 Linemen, zwei davon blitzen, der Defensive End von aussen, und ein Linebacker innen. Es gibt kein Backfield, fast eine Goalline coverage…
Das hätte auch unglaublich in die Hose gehen können: wenn der Defensive End (ich glaube es war Freeney) nicht so schnell durch gewesen wäre (den haben sie absichtlich laufen lassen und die Line nach rechts geshiftet) hätte Brady einen tacken mehr Zeit für den Wurf gehabt. Hinzu kommt noch, dass Bullit Faulk unglaublich gedeckt hat. Diese kurze Passroute muss man erst einmal verteidigen!
Je mehr ich darüber nachdenke, desto geiler finde ich den Play-Call von Belichick…
[…] vergessen, aber hier sollen die deutschsprachigen Beobachter nicht unerwähnt bleiben: während AllesAußerSport auf der Anti-Belichick-Seite steht, goutiert Jürgen Kalwa mit guten Argumenten Belichicks […]
Nur so am Rande: Mit der Verpflichtung von Joe Posnanski hat SI enorm gewonnen. Er war schon vorher ein Schreiber mit einem gute Ruf (bei einer Zeitung in Kansas City), aber jetzt hat er Platz und mehr Publikum. Ich hoffe, die SI-Leute landen noch ein paar mehr von diesem Kaliber. ESPN braucht Gegenwind.
@Kalwa Wenn noch mehr Zeitungen Pleite gehen, dann könnte das durchaus passieren…
Der call von Belichick war richtig, da hat Kalwa völlig recht. Der spot, den die Zebras New England gegeben haben, war falsch. Aber das war der große Fehler von Belly: das clock management. Drei überflüssige timeouts in der zweiten Halbzeit, davon zwei in der Zeit zwischen 3:00 und 2:00 Minuten noch zu spielen. Darum konnten die Patriots den spot auf nicht mehr challengen.
Und vor allem ist es schade, daß der gamble nicht aufgegangen ist, weil – und da kann man Kalwa gar nicht genug recht geben – die anderen coaches die nicht quasi unkündbar sind wie Belichick, jetzt erst recht (nach dieser weitverbreiteten vernichtenden Kritik für Belly) weiterhin so konservativ wie bisher spielen lassen werden.