Koyoten sterben nur langsam

Am Dienstag ging das zähe Ringen um die NHL-Franchise Phoenix Coyotes in die nächste Runde: das Verfahren um die Konkurseröffnung vor Gericht.

Die Phoenix Coyotes haben, u.a. aufgrund eines sehr ungünstigen Hallenmietvertrag mit der Stadt Glendale, seit Jahren zweistellige Millionenverluste eingefahren. Besitzer Jerry Moyes zog im April die Reißleine, als er überraschend einen Konkursantrag stellte. Der Konkurs nach Chapter 11 stellt nicht nur einen Weg dar, um ohne Abfindung aus dem Hallenmietvertrag rauszukommen, sondern die Franchise an der NHL vorbei, an den kanadischen Milliadär Jim Balsillie zu verkaufen, der mit dem Team gerne nach Hamilton, nahe Toronto umziehen möchte. Die NHL geht massiv gegen diesen Plan an, da er an mehreren Stellen die Autorität der NHL unterwandert – prompt haben NFL, NBA und MLB offizielle Statements zur Unterstützung der NHL vor Gericht abgegeben. Man stellt sich auf den Standpunkt, dass ein Verkauf und Umzug nur über die NHL zu regeln ist.

Aufgrund dieser Konstellation geht es beim Verfahren in Phoenix nicht einfach nur um Insolvenz ja oder nein.

Vier Fragen muss der arme Richter Redfield T. Baum (“Mein Freund, der Baum“) in öffentlichen Verhandlungen klären:

  • Wer kontrolliert die Coyotes?
  • Ist der Konkursantrag berechtigt?
  • Dürfen die Coyotes ohne Einverständnis der NHL umziehen?
  • An wen werden die Coyotes verkauft?

Richter Baum hat am Dienstag mehr oder weniger diesen Fahrplan festgelegt und deutlich gemacht, dass er sich des Themas des Franchise-Umzuges nicht vor dem 22.6. annehmen wird und über mögliche Käufer noch später entscheiden wird, da die Qualität der Angebote wohl von der Möglichkeit eines Umzuges abhängen.

Am Dienstag hat sich Baum also zuvorderst der Frage der Kontrolle über die Franchise angenommen und das ist eine spannende Geschichte geworden.

Das jahrelange Dahinsiechen der Phoenix Coyotes war allenthalben bekannt. Dass die Franchise aber in dieser Saison vor dem Abnippeln stehen würde, dämmerte den NHL-Verantwortlichen erst im Laufe des Sommers. NHL-Deputy Commissioner Bill Daly erklärte per Eid, dass die NHL seit August 2008 wusste, dass Phoenix höchstwahrscheinlich die Saison nicht überleben würde.

Im Oktober gab es bei den Coyotes eine große interne Runde um die Zukunft der Franchise zu erörtern. Der Coyotes-CEO Jeff Shumway präsentierte die Zahlen. Die Lage war verheerend. Seit Juni hatte die NHL bereits 4x Geld zugeschossen und trotzdem drohte für die Saison ein Verlust von über 35 Mio US$ aufzulaufen. Immer häufiger musste Besitzer Moyes Tickets aufkaufen, um den offiziellen Zuschauerschnitt auf über 13.500 zu heben und damit voll am Revenue Sharing der NHL beteiligt zu werden.

Moyes machte angesichts der Optionen deutlich, dass er eher früher als später aus den Coyotes aussteigen möchte und drohte erstmals mit Konkurs. Bei der NHL schlugen daraufhin massiv die Alarmglocken aus und man bat um eine Unterredung mit Moyes.

Am 3.11. hat die NHL bei einem Treffen in New York der Stadt Glendale in Sachen Hallenmiete Zugeständnisse abgerungen, u.a. eine Verringerung der Miete um 15 Mio. US$ pro Jahr. Moyes reichte dies aber angesichts eines Verlustes von 35 Mio US$ nicht aus. Die NHL wiederum wollte weiteres Geld in die Coyotes nur gegen Übernahme der Kontrolle zuschießen.

So wurde am 14.11 zwischen Moyes und der NHL ein Papier unterschrieben, dass die Kontrolle der Franchise zwei Strohmännern übergab. Trotz dieser heiklen Situation hat NHL-Commissioner Bettman den kompletten Winter gegenüber Journalisten und Geschäftsleuten ein gesundes Bild der Franchise gezeichnet und jede Kontrolle über die Franchise dementiert, u.a. als der CEO Shumway Ende Januar die Coyotes verließ. Oder gefeuert wurde. Bettmans Statements im Winter, kommen nun als Bumerang zurück.
(Quellen: Globe and Mail [1], [2], [3])

Wer hatte denn nun auf Basis der Papiere vom 14ten November die Kontrolle über die Franchise gehabt? Die NHL sagt: “wir haben die Kontrolle gehabt, also durfte Moyes den Konkursantrag im April gar nicht stellen”. Die Papiere würden eindeutig belegen, das Moyes alle Macht an die Strohmänner der NHL übergab.

Die Anwälte von Moyes weisen aber darauf hin, dass die Papiere nur die Stimmrechte der Coyotes in dem NHL Board of Governors an die NHL übertragen hat, nicht aber die sonstige Kontrolle über die Franchise.

Moyes könnte als Punktsieger aus dieser Runde rauskommen, denn Richter Baum merkte an, das Moyes noch am 21.11. im Namen der Coyotes einen Kredit aufnehmen konnte – was wohl kaum möglich wäre, wenn Moyes sämtliche Kontrolle an die NHL übergeben hat. Auch musste die NHL explizit um Erlaubnis zur Einsicht in die Bücher nachfragen – ungewöhnlich wenn man die Kontrolle der Franchise besitzt.

Nach vier Stunden Verhandlung beschloß Richter Baum die Entscheidung zu vertagen und beiden Parteien eine Woche Zeit zu geben, um einen Kompromiß auszuhandeln.
(Quellen: SportsbusinessDaily.com, Globe and Mail, CBC, Tweets von der Verhandlung: Kevin McGran, Chris Johnston, Liveblogging von vor Ort: Sportsnet.ca)

Wie es danach weitergehen wird, ist auch eine Frage der Angebote. Das Angebot vom Blackberry-Miteigentümer Jim Balsillie ist bekannt: 212,5 Mio US$, verbunden mit einem Umzug nach Hamilton. Balsillie hat andeuten lassen, dass er es sich auch vorstellen könne, noch ein Jahr in Glendale zu bleiben, um die offiziellen Fristen der NHL einzuhalten – vorausgesetzt die NHL würde die Verluste für das Jahr Verzögerung tragen. Die Zeit für einen schnellen Umzug läuft Balsillie davon, schließlich ist die Frage der Abfindungen an die Toronto Maple Leafs und Buffalo Sabres völlig ungeklärt. Hamilton liegt in einem 50-Meilen-Radius der beiden Franchises und dürfte nur gegen Strafzahlungen dort angesiedelt werden – sofern Balsillie nicht auch hier den großen Hammer der gerichtlichen Anfechtung holen will.

So sehr sich das Interesse auf Toronto als Hamilton-Gegenspieler konzentriert, die Franchise in Hamilton könnte vorallem Buffalo in den Ruin treiben. Die Stadt Buffalo leidet unter der schwächelnden Konjunktur und teilt das Schicksal so vieler Städte in Pennsylvania oder New York: die Einwohner treibt es in wirtschaftlich bessere Gegenden.

Das zweite große Angebot, das nur Stunden nach dem Einreichen des Konkursantrags bekannt geworden ist, stammt von Chicago-Bulls-Besitzer Jerry Reinsdorf. Das Angebot wurde mit Hilfe der NHL ausgearbeitet, doch Moyes kam der offiziellen Präsentation mit seinem Konkursantrag zuvor. Das Angebot soll sich nur auf 130 Mio US$ belaufen und besitzt eine Ausstiegsklausel nach einem oder zwei Jahren. Nach Ziehen der Ausstiegsklausel soll der Film- und TV-Produzent Jerry Bruckenheimer die Möglichkeit haben, die Franchise zu übernehmen und nach Las Vegas umziehen zu dürfen. Reinsdorf soll eigentlich nur ein Strohmann für Bruckenheimer sein, der mangels adäquater Halle eh nicht vor 2011 nach Las Vegas umziehen könnte.
(Quellen: Globe and Mail [1], [2])

Aus dem Nichts aufgetaucht, ist ein drittes Angebot vom Minderheiten-Besitzer der Phoenix Coyotes John Breslow, der angeblich mitsamt einer Investorengruppe, die Coyotes in Phoenix halten will, und NHL-weit ein völlig unbeschriebenes Blatt ist.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Danke für die tolle Darstellung. Leider hat man selbst keine Zeit, sich so tief zu informieren. Schlußfolgerung aber für mich: die Kommerzialisierung im Sport hat mehrere Seiten. Leider auch ganz häßliche…

  3. kurz mal klug scheißen:
    Der TV Produzent heißt Bruckheimer, nicht Bruckenheimer.

  4. Wenn die Coyotes nach Las Vegas umziehen sind sie in ein paar Jahren wieder da wo sie jetzt auch sind. Aber sie bräuchten den Namen nicht ändern.

  5. Da wäre ich vorsichtig – durchaus denkbar, dass man die Coyotes in Vegas dann als typisches Hotel-Casino-Event aufbaut und auch entsprechend vermarktet. Das kostet zwar die Fanbasis, bringt aber relativ verlässliche Einnahmen. Imho gibt es in der NHL sowieso zuviele Franchises, deren einzige Funktion es ist, den Markt mehr oder weniger abzudecken und die an mangelndem *grundsätzlichen* Zuspruch in der Umgebung leiden. Man sollte die Coyotes einfach pleite gehen lassen und das Franchise aus der Liga nehmen – ein Verlust wär das jedenfalls für niemanden (außer für den Hallenbetreiber).

  6. Das wird jetzt leider ein bisschen länger:

    In Phoenix handelt es sich um Wiederbelebungsversuche an einem toten Objekt. Ich habe schon an anderer Stelle angemerkt, dass ich die Ballung von Teams in bestimmten Regionen für eine bessere Strategie halte als die Ausdehnung der Liga in jeden Winkel des Kontinents. Florida, Arizona, Georgia – das bringt nichts. Diese Strategie war ein Versuch und basierte auf der Hoffnung, dass man als landesweite Liga bei landesweit tätigen Sendern opulente Fernsehlizenzen herausholen kann. Damit ist die NHL gescheitert. Seit Jahren zeigt sich, dass Eishockey im US-Fernsehen nur als Randthema läuft. Fernsehgeld lässt sich hingegen durchaus im regionalen Bereich erwirtschaften. Besonders wenn die jeweiligen Regionen attraktive sportliche Rivalitäten entwickeln. Dann schalten solche Leute ein, die vergeblich versucht haben, Karten zu bekommen, und solche, die sich für Derbys interessieren. Die Bindung zum Fan wird stärker.

    Der Hinweis von dogfood auf Buffalo ist spot on. Das ist eine sterbende Stadt, die ich neulich mal mehrere Tage auf den Spuren von Thomas Vanek “genossen” habe. Bisher hat sich der negative wirtschaftliche Trend noch nicht auf die Zuschauerzahlen bei den Sabres ausgewirkt. Das kann aber passieren, wenn die Mannschaft sportlich absackt. Kurioserweise gibt es in Buffalo eine ganze Reihe von Dauerkartenbesitzern aus Toronto. Wieso? Die haben bei den Maple Leafs keine Karten bekommen, fahren also auf jeden Fall viermal im Jahr über die Grenze, um ihre Mannschaft zu sehen und anzufeuern. Ich habe so ein Match live gesehen. Das ist kein echtes Heimspiel für die Sabres. Die Verteilung der Fans ist 50/50. Dieses Interesse würde dann Hamilton absorbieren. Denn es liegt näher an Toronto.

    Die ganze Gemengelage lässt sich viel besser managen, wenn die Liga schrumpft. Denn es gibt nicht genug Städte, die gross genug sind, um langfristig hinreichend Wirtschaftskraft zu bieten. Columbus und Nashville, Tampa Bay und Miami – das sind alles Kandidaten für den Exitus.

    Wie streicht man Clubs? In dem die Gemeinschaft der verbleibenden Teams den Besitzern einen angemessenen Betrag auszahlt. Also irgendetwas um die 150 Millionen Dollar pro Mannschaft. Für Club-Inhaber, die seit Jahren Verluste kompensieren müssen, wäre das ein Segen.

  7. Shoalts, der seit MONATEN an den Coyotes dran gewesen ist, nennt die nächsten 7-8 Problemfälle.
    – Atlanta: Besitzergruppe komplett zerstritten
    – Nashville: zu kleiner Markt, wenig ressourcen
    – Florida: ähnlich wie Phoenix. Halle am Arsch der Welt, Tickets müssen für lau vertickt werden, Team macht seit Jahren Verluste
    – Tampa Bay: ähnlich wie Florida, zusätzlich zwei relativ unerfahrene Besitzer, bei denen jedermann auf den letalen Fehler wartet.
    – NY Islanders: Besitzer kotzt seit Monaten über die Arena und will nur raus. Raus aus Nassau und von den islanders
    – NJ Devils: sehen weiterhin kein Land gegen die Rangers.
    – Dallas: Besitzer Tom Hicks ist bis über beide Ohren verschuldet und hat Liverpool-Kredite auch noch an den Backen.
    – St. Louis: Wackelige Kredite, scheint aber gut zu gehen.

    Es sind zuviele Teams denen es schlecht geht. Bettman werden noch einige Läden um die Ohren fliegen.

    Viele sind sich einig, dass eine Verkleinerung angebracht wäre, aber dies wird unter Bettman nicht passieren. Damit dies kurzfristig passiert, bräuchte es eine Palastrevolution, bei der Bettman gekippt werden würde. Das ist nicht komplett an den Haaren herbeigezogen, denn Bettman und Daly haben sich von Moyes und Balsillie am Ring durch die Manege ziehen lassen und unter normalen Umständen hätte das Konsequenzen.

    Ich glaube aber dass die “beharrenden” Kräfte noch stärker sind und da sind es dann halt Leute wie aus dem Umfeld von AEG, die einfach ihre neuen Hallen in Kansas & Co gefüllt sehen wollen.

    Es ist ja bezeichnend, dass sich jemand wie Reinsdorf dafür hergibt, den Strohmann zu spielen. Das sagt einiges über die Vernetzung von Teilen der US-Profi-Sportszene aus… Und die haben alles Interesse dieser Welt daran, Bettman zu halten.

  8. – NY Islanders: Besitzer kotzt seit Monaten über die Arena und will nur raus. Raus aus Nassau und von den islanders
    Haben nicht die Islanders entschieden auf ihrer letzten Tagung(März),dass sie eine neue Halle bauen?
    Und damit wäre der Besitzer zufrieden, da er eigentlich von anfang an nicht nach Nassau wollte und er von der NHL bestimmt war.
    Zumindest klang es bei der Tagung so dass man in NY bleiben will.

    – Dallas: Besitzer Tom Hicks ist bis über beide Ohren verschuldet und hat Liverpool-Kredite auch noch an den Backen.
    Daher ist doch der Stadionneubau in Liverpool komplett auf Eis gelegt.

    -Coyots
    Was spricht gegen LV? Grad dieser Markt wäre doch ein Versuchwert zumindest für das Eventpublikum. Immerhin schafft man es in LV Konzerte von Alt-Stars z.B. ala Cheer zu verkaufen.
    Grad für die Hotels wäre es doch Lohnenswert Zimmervermietung mit einem NHL Spiel zu verkaufen.
    Wobei es mir persönlich lieber wäre wenn Franchise in Hamiliton landet. Aber ich bin auch gegen eine Verkleinerung der NHL und dies ist wohl nicht mehr auf zuhalten schon allein in der Wirtschaftlichenlage und wird wohl von vielen bevorzugt.

    -NJ Devils
    Ich dacht die Lage hätte sich dort entspannt grad mit der Vermarktung der Fernsehrechte an MSG und der Annäherung an NY.

    -Florida/Tampa Bay
    2 schwächelnde Teams in einem Bundesstaat die nie für Eishockey stehen werden, da wird wohl eins auf der Strecke bleiben.
    Ein Kollege war beim Spiel zw. Florida und Tampa und er war sehr enttäucht von der Stimmung gewesen. Kein Derby Feeling und wenig Stimmung in der Halle und die Halle war in seinen Augen nur 3/4 voll.

    Vielleicht liegt dies auch an der Länge der Saison? Warum sollten auch Zuschauer zu einem Spiel gehen, wenn beide Manschaften eingentlich schon die Saison abgehackt haben und zudem keine Eishockeyverrücktenzentren sind.

  9. @ tk: Bezüglich Islanders – glücklich ist der Besitzer da nicht wirklich, der Bau der neuen Arena zögert sich jetzt schon Jahre hin und scheint immer noch nicht gesichert zu sein.
    http://www.thehockeynews.com/articles/25907-Report-New-York-Islanders-owner-Charles-Wang-regrets-buying-team.html