Zeilensport: “Hoffe” mal wieder
Martin vom VfL-Blog verdanken wir anläßlich des Spiels vom letzten Freitag TSG 1855 Hoffenheim – Leverkusen erste Eindrücke aus dem neuen Hoffenheim-Stadion: “Hoffe“.
Ganz andere Eindrücke hat Jochen Hieber in der FAZ von Hoffenheim: “Vereinsmeier müssen draußen bleiben“. Etwaige Bedenken wegen des Konstruktes Hoffenheim, werden zu einem Kulturkampf stilisiert, um dann am Ende ein Salut des durch Hoffenheim geprägten “Mittelmaßes” zu geben.
[Was] dort passiert, ist nichts weniger als ein kulturelles und soziales Experiment, das sich des Fußballs als massenwirksamer Basis bedient […]
Einen „Akademiker-Fanclub“ aber – er hat 28 Mitglieder, darunter vier weibliche – gibt es nirgendwo sonst: und das ist ein Indiz. Das Faszinierende an Hoffenheim sei, so Gerhard, „dass man hier ein Projekt von Beginn an und von klein auf begleiten konnte – und nun sieht, wie etwas wächst, losgelöst von den branchenüblichen Borniertheiten.“ […]
„Kultiviert“ nennt Eberhard Will, der in Mannheim praktizierende Vorsitzende des Fanclubs „Ärzte für Hoffenheim“
Kühne Konstruktion seine These mit Hilfe eines sage und schreibe 28 Mitglieder starken Fanclubs zu unterstreichen. Und wenn sich demnächst zwei Punks in einer Bäckerei in Hoffenheim treffen, wird die Stadt dann damit zur hippen Mega-Metropole? Nächster Beleg: “Ärzte für Hoffenheim“. Wieviele Mitglieder da wohl drin sind, um als hieberkompatiblen Beweis zu dienen? 17?
“Losgelöst von branchenüblichen Borniertheiten” meint offensichtlich nicht losgelöst von Seilschaften zwischen DFB und Hoffenheim. Wer hat gleich noch einmal diese Woche Hoffenheim vor Kritik von Dortmunds Watzke in Schutz genommen? Der DFB, in Form von Niersbach.
Das Neue aber hüllt sich listig in den Tarnmantel der Tradition. Natürlich hat der heutige Klub überhaupt nichts mehr mit jenem des Gründerjahres 1899 zu tun, aber er nutzt die künstliche Kontinuität sehr geschickt, um bodenständig und damit glaubwürdig zu erscheinen […]
In Wahrheit jedoch ist die TSG 1899 Hoffenheim ein Meta- oder ein Antiverein, genauer: er ist beides in einem. Und just das ist seine Stärke. […] Dass [Hopp] den Traum dann in seinem Geburtsstädtchen selbst verwirklichen musste, belegt zum einen Heidelbergs verpasste Chance und zum anderen die souveräne Beliebigkeit der jetzigen Vereinsidentität […]
[Das] Stadion selbst ist klug dosierte und kühl konstruierte Emotion […] Gleichwohl hat es bereits eine ganz eigene Aura – jene des mittleren Maßes und also auch des mittleren Glanzes.
Erstaunlich was Joachim Hieber alles lobenswert findet. “künstliche Kontinuität”, “um glaubwürdig zu erscheinen“, “Beliebigkeit”, da souverän. “Kühl konstruierte Emotion” und “Mittelmaß”.
Der Artikel fährt fort mit den Jugendförderzentren u.a. in “sozialen Problemzonen” der Region, die weniger der Förderung potentieller Hoffenheim-Talente dienen sollen, sondern der Bildung und Beschäftigung für die Kids, ein Aspekt den man in der Tat nicht häufig in den Medien wiederfindet.
Mit diesen anthroposophischen Projekten hat es ja der ehemalige Fußball-WM-Kulturbeauftragter und Vertreter der DFB Kulturstiftung Jochen Hieber. Vor zwei Jahren schmiß er sich für FIFA-Präsident Sepp Blatter in die Bresche, als eine ARD-Doku es wagte, die sozialen Aspekte der FIFA mal nicht zu erwähnen.
Wir schalten um zur Werbung
Seit Jahren gilt “In-Game-Advertising” als das nächste heiße Ding der Video-/Computerspielebranche um Kohle zu scheffeln, allerdings haben die Dinger erst im Laufe des letzten Jahres massiv in die Spiele Einzug gehalten.
Was ist “In-Game-Advertising”? Es handelt sich dabei um Werbung in Videospielen. Vereinfacht gesagt: den Verkauf von Werbebanden in Fußballspielen. Oder Plakatwänden in Rennspielen. Etc… pp. Der Witz ist übrigens, dass die Spielehersteller dies sogar als “Realismus” verkaufen, wenn in den Spielewelten wie in der “echten” Welt, “echte” Werbung zu sehen ist (vergleiche dazu GTA IV mit seiner Werbe-Persiflagen oder das erste Wipe Out, mit den von Designers Republic (Gott hab sie selig) gestylten Plakatwände).
Das Baseballspiel MLB2K9 überzieht es aber mit “In-Game-Advertising”. In dem Spiel wurden reele Stadien umgebaut und angepasst um Platz für In-Game-Advertising zu schaffen. Gerade im Baseball ein hochgradiger Frevel, da Ausmaße des Feldes und die Höhe der Outfield Walls Auswirkungen hat, wann ein Ball noch gut ist (via Dubious Quality).
Reaktionen
Seltsamer Artikel in der FAZ. Wäre solch einer vor gut 20 Jahren in einer DDR Zeitung über irgendeinen emporkommenden Stasi- oder Polizeiverein erschienen, wüsste der geübte Leser, dass er es hier mit einem geschickt formulierten Totalverriss zu tun hat. Aber so?
In der Rubrik “Wider die Vereinsmeierei alten Stils” hätte der Autor auch noch anfügen können, dass Hopp das Stimmrecht für neue Vereinsmitglieder abgeschafft hat. Das nenne ich mal die 50+1 Regel kreativ ausgelebt.
hoffenheim, hoffenheim da… ich persönlich finde, dass man grade nach der winterpause sieht, dass hoffenheim nocht nicht konstanz hat, auch wenn andere mannschaften (bayern :-( ) in diesem bereich im Moment ebenso große Defizite haben. Letztlich ist es doch auch nur ein Fußballverein, der mehr oder weniger guten Fußball spielt. Mal schauen, wie sich der Verein in der Zukunft entwickelt, wenn sie sich 2-3 Jahre dort oben halten können, DANN können wir weiterreden und den Club als Topteam betrachten, denn die Konstanz über mehrere Jahre macht meiner Meinung nach ein Topteam aus!
“Das Neue aber hüllt sich listig in den Tarnmantel der Tradition” ???
Also entweder ist das die pure Ironie und lässt damit den ganzen Artikel als Karnevalsscherz erscheinen, oder der Autor meint das ernst, ist dann aber hoffentlich nur betrunken und somit kein Fall fürs Drogengesetz.
Im Ernst: welch wunderbare Blüten der Profilierungswahn manchmal treibt…
Nun, ich habe ohnehin eine sehr distanzierte Haltung zu diesem Verein. Ich denke, dieser Klub wird sich bald schon in die Reihe der “grauen Mäuse” in der BL einreihen und sich dann auch als Zweitligist auf Dauer etablieren… Die Shooting-Stars werden den Klub verlassen (Ibisevic z.B. hatte seinen Abschied ja schon vor seiner Verletzung angekündigt) und wirklich gute Spieler werden sich kaum für TSG Hoffenheim entscheiden, wenn sie die Wahl haben zu den etablierten Klubs zu wechseln. Zudem hat Herr Hopp ja schon verlautbaren lassen, dass er “den Verein auf eigene Füße stellen” möchte. Ein Abschied auf Raten… Meine Prognose ist daher ziemlich einfach: Ein Jahr Furore, zwei Jahre Durchschnitt und dann einen dauerhaften Paltz im oberen Drittel der Liga II, in ähnlicher Qualität und Güte wie Mainz 05 oder Greuther Fürth.
der beste Satz:
“„dass man hier ein Projekt von Beginn an und von klein auf begleiten konnte – und nun sieht, wie etwas wächst, losgelöst von den branchenüblichen Borniertheiten.“”
von klein auf, der Fanklub wurde 2007 gegründet, unsere lieben Akademiker sind schlicht und ergreifend auf einen fahrenden Zug aufgesprungen…
@Frankie: Ibisevic hatte seinen Abschied angekündigt? Komisch das ich das anders in Erinnerung habe. Nämlich das er verlängern wollte. Und das war nur kurz vor seiner Verletzung.
Klar ist das auch Hoffenheim Spieler nicht halten kann, wenn die richtig großen Vereine kommen sollten. Dann wird man halt sehen was das angeblich so gute Scouting der Kraichgauer wert ist und ob man diese Spieler dann ersetzen kann.
Ich denke aber das man nicht in der Versenkung verschwinden wird. Auch wenn Hopp angekündigt hat den Verein auf eigene Beine stellen zu wollen heißt das nicht das man dann keine Zuwendungen mehr bekommt.
naja, Frankie, bist du da so sicher mit der Liga-2-Prognose ?
Mag sein, daß ein paar Spieler den Verein in Richtung “größerer” Namen verlassen werden, aber das spült auch Geld in die onehin nicht gerade knappen Kassen, welches dann wiederum benutzt werden könnte, um gleichwertigen Ersatz zu beschaffen.
Denn eins ist doch klar: die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen in Hoffenheim.
Dazu kommen ein offensichtlich gut funktionierender Trainerstab, Jugendarbeit, etc.
Ich denke, Hoffenheim bleibt in der ersten Liga. Vielleicht nicht mehr mit dem Erfolg der ersten Saison, aber auf dem Niveau von Hannover oder Wolfsburg. Mittelfeld mit Potential zum UEFA-Pokal.
Und was Herrn Watzkes Äusserungen zum Thema “Clubs, die relativ wenig Ausstrahlung haben und wenige Emotionen wecken, aber über sehr viel Geld verfügen“ betrifft, der BVB war auch nicht im ersten oder zweiten Jahr nach seiner Gründung ein Riesenverein.
Die Tradition und die Geschichte des BVB, die seinen Reiz heute vielleicht ausmachen, mussten sich auch erst entwickeln. Und der BVB hatte damals sogar noch den Vorteil, dass man zu einer Zeit in den Profifussball einstieg, als dieser quasi am Anfang stand. Wenn man Gründungsmitglied der Bundesliga ist, hat mans leicht, 45 Jahre später über Tradition und Geschichte zu dozieren, und die Nase über die neureichen Emporkömmlinge zu rümpfen.
Herr Watzke sollte mal lieber vor seiner eigenen Tür kehren. Tradition hin oder her, die letzte Meisterschaft des BVB ist auch schon 8 Jahre her, und die letzten Jahre waren geprägt von sportlichem Mittelmaß.
Mag ja sein, daß Hoffenheim noch nicht die Ausstrahlung hat, oder die Emotionen weckt, wie es etablierte Vereine wie der BVB mit langer Historie in der BuLi tun. Aber es ist ja auch erst ihre erste Saison im Oberhaus. Warten wir mal 40 Jahre, dann wäre ein Vergleich vielleicht fair.
Das Zitat von Watzke im FAZ-Artikel ist etwas problematisch, da Watzke im gleichen Statement u.a. auch auf die schiefe Haltung der DFL in Sachen “50+1” hinwies und eben deswegen Wolfsburg, Leverkusen und Hoffenheim als Beispiele nahm, wo 50+1 nur de jure befolgt wird, aber faktisch unterlaufen wird/wurde.
Herr Hieber hat sich da nur ein Goodie rausgesucht, weil es so schön in sein Freund/Feind-Schema passt.
die 50+1 wird doch eh über kurz oder lang gekippt, nehme ich an.
Macht ja auch keinen Sinn, die Vereine einerseits als Wirtschaftsunternehmen führen zu wollen ( und zu müssen ), aber gleichzeitig mit so einer Regelung daher zu kommen.
Vereinsmeierei oder modernes Wirtschaftsunternehmen. Man kann nicht beides haben…
Man kann doch von Hoppenheim halten was man will, sie haben in der Hinrunde großartigen Fußball bespielt – was sie in der Rückrunde aber erstmal wiederholen müssen.
Was mich immer wieder stutzig macht, ist die Tatsache, dass immer die tolle jugendarbeit als Argument für Hoffe angeführt wird.
Nur wo sind denn die ganzen Talente aus der eigenen Jugend? Als es in der 2. BuLi nicht auf Anhieb geklappt hat, wurde direkt der Geldbeutel aufgemacht und es wurden für ein paar Mios neue Spieler geholt.
Oder dauert es noch 2-10 Jahre bis die ersten Eigengewächse in der ersten Mannschaft von Hoffe zu sehen sind?
ups – soll natürlich Gespielt heißen
Das mit dem Akademiker-Fanclub mag für Deutschland stimmen, in Österreich fallen mir ad hoc zwei Gegenbeispiele ein:
Die grün-weissen Akademiker von Rapid Wien (Hier in der Fanklub-Auflistung) und der akademische Fanclub von Vorwärts Steyr (Bildbeweis). Letzteres ist übrigens ein Fünftligist.
was an den Projekten die Herr Hieber begrüßt anthroposophisch sein soll bleibt mir allerdings verborgen…
Was ist denn ein Akademiker-Fanclub, wenn nicht borniert?
@Stefan
Synonmye und Erweiterungen gesucht?
Snobistisch?
Überheblich?
Selbstüberschätzend?
Dumm?
Billige PR?
EinParadebeispiel für den Groucho-Marx-Satz, dass er ja wohl in keinen Club einträte, der ihn als Mitglied akzeptieren würde?
Asozial?
Hoffenheimtypisch, weil ja ach so anders?
Ein “Projekt”?
In Kaiserslautern gibt es auch schon seit ewigen Zeiten einen Ärztefanclub.
Jo, ich kenne auch nen Ärzte-Fanclub. Hat aber nix mit Fußball zu tun ;-)
Spackenfront würde allerdings auch bei so manchen Fangruppen in Bundesligastadien zutreffen ;-)