College Football-Saison 2008/09: die großen Conferences
Ein Blick auf verschiedene Conferences. Aus Zeitmangel nur auf die sechs großen Conferences, unter Ignoranz interessanter Mid-Majors wie Conference USA oder die putzige WAC (Boise State, Hawaii)
ACC
Die ACC ist eine Conference der man sowohl im Basketball als auch im Football nachsagt, dass sie in den letzten Jahren an Strahlkraft verloren hat. Die Teams sind nahe der Atlantikküste beheimatet, vom Norden mit Boston bis runter nach Florida.
Die Clemson Tigers (bei AP an #9 gerankt) mit Tommy Bowden gelten als Favorit für den Conference-Titel, schleppen aber auch eben den “Bowden-Effekt” mit sich herum: Bowdens Mannschaften wird nachgesagt immer schön dann zu kollabieren, wenn wichtige landesweite Siege oder Titel anstehen. QB Cullen Harper, nach Knöchelverletzung wieder genesen, ist ein möglicher Anwärter auf die Heisman Trophy, also eine Art “MVP” des College Footballs. Die OffenseLine ist aber unerfahren.
Als großer Gegenspieler werden dieses Jahr in der ACC die Wake Forest Demon Deacons (#23) erwartet. Headcoach Jim Grobe, im 8ten Jahr bei Wake Forest, leistet in einem der kleinsten Colleges konstant gute Arbeit und wird immer häufiger in Verbindung mit einem der großen Colleges genannt.
Auch die Virginia Tech Hokies (#17) werden immer wieder genannt. Sie sind schwer einzuschätzen, da ein Generationswechsel stattfand und fast alle Starter von der Schule abgegangen sind. Ein erstes Indiz dafür das Headcoach Frank Beamer dieser Generation noch nicht so über den Weg traut, ist das Überstreifen des Redshirts für QB Tyrod Taylor. Redshirt = College-Sportler dürfen nur vier Jahre lang Sport machen. Streifen sie ein sog. Redshirt über, dürfen sie am College normal weiter studieren und sogar mit der Mannschaft trainieren, aber nicht an Spielen teilnehmen. Sie sind “auf Eis gelegt”. Das Jahr wird aber nicht auf die vier Jahre angerechnet, so dass sie auch in ihrem fünften Uni-Jahr noch spielen können.
Starting-QB Sean Glennon gilt als limitiert, während QB Tyrod Taylor dem Angriff neue Optionen gegeben hätte. Darauf freiwillig zu verzichten, wird von einigen als ein Abschenken der Saison interpretiert.
Andere Mannschaften: Florida State Seminoles. Hier trainiert noch der Papa von Tommy Bowden: Bobby Bowden. 79 Jahre alt und in seiner 33ten Saison bei FSU (42 Jahre insgesamt). Das alljährliche Aufeinandertreffen von FSU und Clemson hat inzwischen den Beinamen “Bowden Bowl” bekommen (dieses Jahr: 8.11.). Zwar hat Bobby Bowden seinen OffCoord Jimbo Fisher zu seinem Nachfolger ernannt, es aber offen gelassen, wann er zurücktreten wird. Der aktuelle Vertrag läuft zum Saisonende aus.
Georgia Tech Yellow Jackets haben letzten November Headcoach Chan Gailey gefeuert und von Navy Paul Johnson verpflichtet, der eine der außergewöhnlichsten Offenses bei Navy spielen ließ. Das große Fragezeichen ist inwieweit Johnson bereits das notwendige Spielermaterial vorfindet. Mit Freshman-QB Jaybo Shaw hat er einen QB der die “Flexbone Offense” bereits aus der High School kennt, aber der mutmaßlich nicht der Starter sein wird. Das Team ist generell an den sog. skill positions sehr, sehr jung & unerfahren.
Big East
Die Big East Conference ist im Norden um die großen Seen bis zur Atlantikküste angesiedelt, mit der großen Ausnahme der University of South Florida (USF) in Tampa, die 2005 in die Big East wechselte und geographisch völlig aus dem Rahmen schlägt.
Die West Virginia Mountaineers werden trotz ihres turbulenten Saisonabschlusses dieses Jahr als beste Big East-Mannschaft gehandelt, derzeit an #8 gerankt. Ende letzten Jahres gab es ein unglaubliches Theater als der beliebte Headcoach Rich Rodriguez plötzlich die Uni verließ und nach Michigan ging, mit elf(!) seiner Assistenten im Schlepptau. Es folgten Gerichtsprozesse um Ausstiegsklauseln und Abfindungen. Unterm Strich mussten Rodriguez und Michiganknapp 4 Mio US$ an WVU zahlen. WVU musste sich aber nachsagen lassen, dass sie schlechte Verlierer seien.
Headcoach ist Bill Stewart, über den man nur gutes hört. Aber Rodriguez hatte eine sehr eigene Offense entwickelt und viele Starter des Vorjahres, darunter die komplette exzellente OL, sind zurückgekehrt. Das kann zum Problem werden, wenn Bill Stewart und sein neuer OffCoord Jeff Mullen sich eher an ein bereits vorhandenes System anpassen müssen, als umgekehrt. Die Erfahrung kann aber auch den Trainerwechsel erleichtern.
Die Offense ist extremstens lauflastig und durchschlagskräftig, gleichzeitig aber auch eindimensional. QB #5 Pat White gilt als läuferisch starker QB mit einer gehörigen Portion Spielintelligenz.
Die South Florida Bulls sind überraschend hoch an #19 gerankt und ein ebenso unbekanntes wie junges (12 Jahre) Football-Programm. Diese Einschätzung verdanken sie einem guten 2007, als sie phasenweise bis auf #2 kletterten ehe sie mit 3 Niederlagen in den Polls runterpurzelten. 10 Starter der Offense kehren zurück.
Andere Mannschaften: Rutgers Scarlet Knights. Auf die sollte man ein Auge halten, weil ich glaube, dass sie sich mit Headcoach Greg Schiano ein Problem aufgehalst haben. Schiano macht einen, gelinde gesagt, sehr geschäftstüchtigen Eindruck. Treibt den Stadionausbau bei Rutgers voran, hat ein undurchsichtig komplexes Vertragwerk, Nebenverträge mit einer Marketing-Agentur und eine Ausstiegsklausel falls der Stadionausbau bis 2009 nicht durch ist. Immerhin hat er das Football-Programm an eines der ältesten US-Colleges (1766) wieder nach oben gebracht.
Die Pittsburgh Panthers besitzen mit Porno-Schnäuzer Dave “Long Dong” Wannstedt einen der bekannteren Headcoaches: gescheitert bei den NFL-Teams in Chicago und Miami und jetzt einen gemächlichen Aufbau in Pittsburgh.
Syracuse Oranges Headcoach Greg Robinson hat nach schlechten drei Saison das Verfallsdatum quasi auf seine Stirn geklebt bekommen.
Big Ten
Zwar umfassen die Big Ten inzwischen elf Mannschaften, diese sind aber durch die Bank immer noch in den Bundesstaaten rund um die Großen Seen angesiedelt, weswegen in der Conference viel Erdiges, viel Blue Collar mitschwingt, klassischer Arbeiter-oder Landwirt-Ethos. Schraubschlüssel oder Melkmaschine: Ohio, Illinois, Indiana, Wisconsin, Michigan, Iowa.
Als erstes müssen derzeit die Ohio State Buckeyes genannt werden, die sowohl im Basketball als auch im Football zu einer kleinen Großmacht geworden sind. Im Football werden sie aktuell an #2 gerankt.
Headcoach Jim Tressel – im Herzen genauso abgrundtief konservativ wie sein roter Pollunder ohne den er an Spieltagen kaum zu sehen ist – hat das Team mit bemerkenswerter Konstanz oben halten können, aber von den drei National Championship Games die letzten zwei verloren, darunter im Januar als topgeranktes Team gegen die #2 LSU.
Wie weit die Kastanien (Buck Eyes) diesmal kommen, hängt zum einen von QB Todd Boeckmann ab, der ein sehr effizienter Werfer ist, der auch gerne tief wirft, zum anderen von der Defense, bei der sich die Auguren nicht ganz einig sind, wie gut sie wirklich arbeitet.
In der Hinterhand hat man noch QB Terrelle Pryor als Freshman, der einer der am stärksten umworbensten High School-Spieler war.
Die Wisconsin Badgers sind an #13 gerankt, obwohl sie an den skill positions mit einigen neuen Startern aufwarten und wegen Verletzungen in den ersten Spielen mit einem blutjungen defensive backfield aufspielen müssen. Wie bei USF nährt sich auch hier der Optimismus vorallem vom guten Abschneiden in der letzten Saison.
Die Illinois Fighting Illini gehen an #20 in die Saison. Die letzte Saison war der Durchbruch von Headcoach Ron Zook bei seinem neuen Arbeitgeber (seit 2005 bei den Illini) und wird seinem “guten Recruiting” zugeschrieben. Deswegen in Anführungszeichen, weil man immer wieder hie und da Zweifel an den menschlichen Qualitäten von Zook hört.
Letzte Saison kam man als #13 nicht unumstritten in eine der fünf großen Bowls rein und wurde von USC abgeschlachtet (17:49). Zentrale Frage wird sein, wie die Offense mit dem Abgang vom Arbeitstier RB Mendenhall klar kommt. QB Juice Williams gilt als unsicherer Kantonist, guter Arm, aber unpräzise in den Würfen. Ohne einen guten RB zur Arbeitsentlastung, kann es mit der Offense-Herrlichkeit der Fighting Illini schnell vorbei sein.
Penn State Nittany Lions wurden mutigerweise an #22 gerankt. Penn State ist eines der Teams mit den größten Off-Field-Problemen was das Strafregister der College-Spieler angeht. Einige Studenten entschuldigen dies mit einer sehr rigiden örtlichen Polizei, die die Studenten sogar für das Trinken in der Öffentlichkeit für eine Nacht in den Bau schicken.
Zudem kündigt der Trainerstab einen Philosophiewechsel an: weg vom power running das per Physis wieder und wieder durch die Mitte geht, mehr hin zum Speed und Beweglichkeit. Im Roster hat man jedenfalls diverse junge Running Backs: Sophomores und Freshmen.
“Trainerstab” heißt auch 2008 noch Joe Paterno. Und wem schon vorhin die Zahlen zu Bobby Bowden gigantisch erschienen, gegen “Joe Pa” und seiner Brille von 25,6 Dioptrin (“Glasbausteine“) sieht Bobby wie ein Jungspund aus. Paterno ist 82 Jahre alt und nun 43 Jahre lang Headcoach bei Penn State, exakt 500 Partien. Das hört sich gigantisch an, ist aber nicht ohne Probleme. Natürlich machen sich die Leute Gedanken bzgl. der Vergreisung und wie man “Joe Pa” von den Schaltstellen des Teams wegbekommt, ohne seine Legende anzukratzen. BTW: Wiedersehen mit dem ehemaligen Rhein Fire-Coach Galen Hall, der den OffCoord. gibt.
Andere Teams: an erster Stelle die Michigan Wolverines, die zu einer der klassischen College Football-Teams gehören und letzte Saison das große Drama schrieben, als Headcoach Lloyd Carr nicht unumstritten in die Saison ging, um gleich in der ersten Woche eine spektakuläre Niederlage gegen das unterklassige Appalachian State eingeschenkt zu bekommen. Carr war von diesem Zeitpunkt an dead man walking. Von Spiel zu Spiel nahmen die Gerüchte zu, das Carr gefeuert wird. Mitte November war es dann soweit, dass Carr nach der Partie gg Ohio State seinen Spielern den Rücktritt ankündigte.
Und dann kam oben erwähnter (siehe Big East/West Virginia) Rich Rodriguez und brachte gleich 11 Assistenten von WVU im Schlepptau mit sich und versuchte gleich noch Spieler von anderen Unis abzuwerben, weswegen er von Purdues Joe Tiller als “Quacksalber” bezeichnet wurde. Rodriguez’ Probleme sind artverwandt mit denen seines Nachfolgers Bill Stewart bei WVU, wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen: niemand weiß wie gut das Spielermaterial für Rodriguez’ eigenartiger Offense und seiner 3-3-5-Defense ist. Zudem gingen Schlüsselspieler wie QB Chad Henne, OL Jake Long oder WR Manningham verloren.
Big 12
Die Big 12 Conference ist im Herzen der USA angesiedelt und verkörpert wie keine andere Conference die Rednecks. Texas, Oklahoma, Kansas, Missouri, dazu die Einöden Nebraska, Iowa und Colorado. Sowohl im Football als auch Basketball existiert eine sehr hohe Leistungsdichte.
Die Oklahoma Sooners sind an #4 gerankt, so wie sie die letzte Saison abschlossen. Der Schedule gilt als günstig, da man viele starke Gegner zuhause empfängt. Dazu kommen sehr erfahrene Mannschaftsteile, wie die OL von denen alle 5 Starter diese Saison zurückkehren und QB Sam Bradford eine sehr gute Pass Protection geben. Bradford ist einer der effizientesten QBs des Landes und wird auch als Heisman Trophy-Anwärter gehandelt.
Headcoach Bob Stoops, 10 Jahre in Oklahoma, gehört ebenfalls zu jener Sorte von Trainer, die sich inzwischen den Ruf eines Underachievers zugezogen haben. Er hat die letzten vier BCS-Bowls verloren, letzte Saison 28:48 gegen WVU
Ähnliche Vorzeichen bei den Missouri Tigers (#6): viele Starter die zurückgekehrt sind und ein QB Chase Daniels der als Heisman Trophy-Material gilt.
An #11 stehen die Texas Longhorns von Headcoach Mack Brown. Der Quarterback der nun im dritten Jahr das Zepter übernimmt, Colt McCoy gilt als QB der dazu neigt den Kopf zu verlieren, wenn er im Eiltempo dicke gegnerische Spieler heranstürmen sieht. Er neigt dazu häufig gesackt zu werden, weil ihm das Vertrauen in die OL fehlt.
Einen Platz weiter unten, auf #12, stehen die Texas Tech Red Riders vorallem dank ihrer Pass-Offense. WR Michael Crabtree soll ein NFL-Spieler in spe sein. Crabtree ist übrigens das richtige Stichwort um über Crabman auf “My name is Earl” zu kommen, dessen dritte Staffel derzeit bei Channcel 4 läuft und von mir abgöttisch geliebt wird. Nur so am Rande erwähnt.
Die Kansas Jayhawks sind an #14 postiert. Das Team um den extrem dicken Headcoach Mark Magino leidet seit geraumer Zeit am Fehlen eines Top-RBs und am Fehlen einiger Semester Pädagogik-Studiums.
Andere Mannschaften: Die Nebraska Cornhuskers gehören ebenfalls zu den ganz, ganz namhaften College Football-Teams, nicht zuletzt weil sie vielleicht das College Football-Team mit dem größten Einzugsgebiet sind. Dazu zirka 3,7 Tonnen Tradition. Diese Tradition war es auch, die die letzten Jahre versaute. Ex-NFL-Coach Bill Callahan musste sich permanent an seinem legendären Vorgänger Tom Osborne messen lassen. Als wäre dies noch nicht genug, versuchte Callahan eine Offense einzuführen, die den Systemen der NFL ähnelt. Ein tollkühner Gedanke wenn man weiß, das Nebraska zuvor einige Jahrtausende lang immer dieselbe lauflastige Offense mit Optionsspielzügen spielte.
Nachdem dann letzte Saison, trotz frisch verlängerten 3-Millionen-Vertrag, zu Beginn die Ergebnisse ausbleiben, war es eine Demontage von Headcoach Callahan auf Raten. Nach der schlimmsten Heimniederlage seit 1958 (14:45 gg Oklahoma State, Anfang Oktober) wurde einer von Callahans Vorgänger und Intimfeind (Zitat Callahan: “alter Sack“) Tom Osborne als Athletic Director und damit Vorgesetzten installiert. Osborne ist eine unantastbare Coaching-Legende in Nebraska (Headcoach 1973-1997). Nachdem Callahan weitere Negativrekorde brach (Saisonbilanz 4-6, eine 39:76-Heimniederlage/most points allowed) war Callahan nicht mehr zu halten.
Callahans Nachfolger wurde der DefCoord von LSU Bo Pelini, der damit an alter Wirkungsstätte zurückkehrt. Nachdem OffCoord. Shawn Watson geblieben ist, ist es klar wo der Fokus von Pelinis Arbeit ist: die nicht-existente Defense. In der Offense gibt es am Pass-Spiel nicht viel zu werkeln. QB Joe Ganz ist ein guter Werfer mit gutem Gefühl wie er sich in einer Pass Pocket umherzubewegen hat. Er hat allenfalls noch eine zu große Scheu die Pocket zu verlassen um zu scrambeln. Angeblich wurde im Sommer daran gearbeitet, den QB wieder öfters selber laufen zu lassen.
Die Colorado Buffaloes sind ein Footballprogramm im Aufschwung, nachdem sie 2005 aufgrund diverser Verfehlungen ein einziger Trümmerhaufen waren. Verantwortlich für den Aufschwung ist Dan Hawkins, ein ansteckend energiereicher Coach der auch über den eigenen Tellerrand blicken kann. In seinem ersten Jahr erreichte er den Boden mit 2-10. Letzte Saison steigerte man sich auf 6-6. Zwar scheint sich weiterhin nicht viel am Mangel an guten WRs zu tun, aber im eh schon guten Laufspiel konnte noch nachgeladen werden. Mit RB Darrell Scott wurde einer der begehrtesten High School-Spieler verpflichtet. Starter wird aber erst einmal Demetrius Sumler sein. Quarterback wird übrigens Hawkins Sohn Cody sein.
Die Texas A&M Aggies haben mit Headcoach Mike Sherman einen neuen Trainer verpflichtet, nachdem Dennis Franchione mit 8 Siegen nicht genügend einfuhr und unter der Saison auch einen kleinen Skandal mit dem Handel von Insiderinformationen hatte. Mike Sherman kennt man aus der NFL, wo er lange Jahre Headcoach bei den Green Bay Packers war und zuletzt OffCoord bei den Texans. Mit QB Stephen McGee hat man den agilsten QB der Big 12. Und es sage keiner dass Sherman nicht mit profilierten QBs umgehen könne…
SEC
SEC wie Southeastern Conference, 12 Teams die genau dort beheimatet sind, wie es der Name sagt: im Südosten der USA, südlich des Bible Belts mit South Carolina, Tennessee, Louisiana, Kentucky, Arkansas, Alabama und Florida. Auch die SEC zählt zu den Conferences mit hoher Leistungsdichte und einigen populären und landesweit bekannten Teams wie Florida, LSU oder Tennessee.
Die Nummer 1 der Preseason sind aber die Georgia Bulldogs. Wenn man aber Experten hört, so können die eine Reihe von Gründen aufführen, warum die Bulldogs es nicht werden. Abgesehen von einer schweren Conference, hat man auch einen schweren Spielplan dank eines heftigen Auswärtsspiel-Programm.
Headcoach Mark Richt, der in Optik und Lässigkeit an den frühen Paul Newman erinnert, baut vorallem auf QB Matthew Stafford, der das Potential zum NFL-Top Pick hat. Hat einen sehr guten Arm, neigt aber manchmal zu Hopp oder Top-Würfen und hat eine relativ maue Completion Rate.
Die Florida Gators werden als #5 gehandelt und besitzen zwei der am meisten diskutierten Personen der College Football-Szene. Da wäre Headcoach Urban Meyer. Mit den Wörtern “Offensiv-Genie” ist umrissen worüber man bei Meyer diskutiert. Die zweite Person ist ein “Produkt” seines Genius: QB Tim Tebow (Jr.). Es war ja bekannt das Tebow ein laufstarker QB ist, aber kaum einer dürfte 2006 geahnt haben, was für ein Hype er in seinem zweiten Jah2007 lostreten würde, seinem ersten vollen Jahr als Starter.
Es ist eine Offense mit Zillionen von Angriffsoptionen, von denen alleine Tebow ein zweieinhalb Dutzend darstellt. Für einen derart beweglichen Quarterback ist Tebow zudem ein überraschend guter, präziser Werfer, dessen tiefen Pässe dank einer flachen Wurfkurve auch nicht lange in der Luft hängen bleiben. Im Vergleich zu anderen läuferisch starken QBs wie Michael Vick oder Vince Young ist er für sein Alter ein verblüffend guter Passer. Und Laufspieler. Er ist der erste College-Spieler der in einer Saison 20 Pass-TDs und 20 Lauf-TDs erzielt hat. Folgerichtig wurde er als erster Sophomore (Student im 2ten Jahr) mit der Heisman Trophy ausgezeichnet und die halbe weibliche Studentenschaft will sich von ihm schwängern lassen. Darauf wird der tiefreligiöse Tebow nicht erpicht sein. In den Sommerferien hilft er immer in der väterlichen Mission auf den Phillipinen aus.
Die LSU Tigers, auf #7, sind nach dem Abgang von Headcoach Nick Saban 2004 nicht in das befürchtete Loch gefallen. Au contraire, wie man in Lousiana sagt. Nachfolger Les Miles hat das Niveau sogar noch höher schrauben können. Seine Bilanzen: 11-2, 11-2 und 12-2 und letzte Saison die National Championship gegen Ohio State gewonnen.
Die Offense ist geradezu feist gut besetzt, wenn es da nicht Ärger auf der QB-Position gegeben hätte. Im Mai hat man Ryan Perrilloux rausgeschmissen. Ein hochbegabter Junge, der aber seine Disziplinprobleme nicht in Griff bekam. So geht Miles nun mit Freshman Jarrett Lee und Junior Andrew Hatch in die Saison, deren Qualitäten noch nicht ausgelotet sind.
An #10 stehen die Auburn Tigers. Im letzten Jahr lebten sie von ihrer Defense und hatten eine der schwächsten Offenses. Diesen Angriff soll der neue OffCoord Tony Franklin nun Schwung geben.
Die Tennessee Vols (#18) sind mit ihren grellen, orangen Trikots und sehr, sehr intensiven Fans eines der markantesten Teams. Die Marching Band ist so spektakulär, dass sogar die chinesische Volksarmee daran eine ganze Zeit lang zu nuckeln hätten.
Etwas atypisch für die Tradition der Vols der letzten 5-10 Jahre ist die schwache Defense, die sich zuviele Punkte einfängt und bei denen nur LB McCoy höheren Ansprüchen genügt. Mit RB Adrian Foster hat man den vielleicht besten RB in der SEC in seinem letzten Jahr.
Nachdem Nick Saban mit Pauken und Trompeten bei den Miami Dolphins durchfiel, landete er bei den Alabama Crimson Tide (#24) und spielt somit öfters gegen sein ehemaliges Team LSU. Dies könnte das do or die-Jahr für Saban werden. Nicht das sein Job direkt in Gefahr wäre, aber wenn ein Headcoach in einem College neu anfängt, dann tritt die Wirkung seiner Arbeit erst mit 2-3 Jahren Verzögerung ein, weil er noch die alten Spieler des vorigen Coaches mitschleppt und dem “recruiting system” mit dem High School-Spieler angeworben werden erst noch seinen Stempel aufdrücken muss.
Dies ist das zweite Jahr von Saban in Alabama und Saban schmeißt einen ganzen Schwung an frischen Spielern rein. In der Starting Defense werden wohl nur zwei Seniors in der Anfangsformation stehen. Im Frühjahr haben Experten die recruitments von Saban in höchsten Tönen gelobt. Geht die Geschichte dieses Jahr schief, geht Saban einiges von seiner Aura flöten und er hat eine ganze Reihe von Spielern verbrannt.
Andere Teams: Die SEC scheint die Conference der ehemaligen NFL-Coaches zu sein. Ex-Redskins Steve Spurrier tritt bei den South Carolina Gamecocks auf der Stelle und Bobby Petrino ist in seinem ersten Jahr bei den Arkansas Razorbacks. Aus seiner Zeit bei den Atlanta Falcons nimmt Petrino den Ruf eines Oberarschlochs mit, der unangenehmen Konversationen aus dem Weg geht und der viel hinterrücks agiert. Würde sich Petrino heute nochmal in den Umkleideräumen der Falcons blicken lassen, er würde nicht ohne Knochenbrüche rauskommen. Ich habe noch nie soviele Spieler derart über einen Trainer herziehen hören. Viel wird Petrino in dieser Saison bei den Razorbacks nicht machen können. Die Razorbacks lebten letzte Saison von ihrem 1-2-Punch im Laufspiel: RB McFadden und RB Jones. Beide sind weg. Pass-Spiel war kaum vorhanden und dürfte jetzt auch nicht plötzlich aus dem Nichts wieder aufgetaucht sein.
Nicht nur in den Rivalitäten zwischen LSU und Alabama (dank Nick Saban) steckt Feuer. Auch wenn Arkansas auf Ole Miss trifft. Der bei Arkansas rausgemobbte langjährige Trainer Houston Nutt, hat bei den Mississippi Rebels angeheuert.
Interessantes Jahr für die Mississppi State Bulldogs. Der erste schwarze SEC-Coach Sly Croom hatte letzte Saison sein breakout year mit einer 7-5-Bilanz rund um den besten Freshman-QB der SEC, QB Wesley Carroll und einer exzellenten Defense. Bleibt die Tendenz, wird Croom zum Wundermann. Gibt es einen Rückschritt, ist es nur ein Strohfeuer gewesen.
PAC 10
Die PAC-10 vereint die großen Unis an der Westküste plus den Wüstenstaat Arizona. Die Pacific-10 nimmt eine Sonderstellung unter den Conferences ein, weil sie wie keine andere auf Eigenständigkeit bedacht ist und sich immer nur schwer mit den anderen Conferences unterm Hut zu bringen ist, was sich z.B. bei Verhandlungen rund um die BCS zeigt.
Die aktuelle Großmacht der PAC-10 sind die USC Trojans (#3). Southern California ist seit Amtsantritt von Pete Carroll 2001 (nach einer mauen 6-6-Saison) das Maß der Dinge in der PAC-10. Carrolls Bilanz seit 2002: 11-2, 12-1, 13-0, 12-1, 11-2, 11-2. Carroll, der bei den Jets und Patriots keine gute NFL-Zeit verbrachte, war der erste Headcoach der im College Football bewusst Offensiv-Taktiken aus der NFL einbrachte. Diese könnte man am ehesten als West Coast-Offense bezeichnen. Dazu kommt ein sagenhaftes Recruitment, dass seit 5-6 Jahren für einen nicht versiegenden Strom an Talenten sorgt.
Die interessanteste Position bei den Trojans war in diesen Wochen die QB-Position. Nachdem QB Mike Sanchez sich das Knie ausgekugelt hat, startete ein Rennen der potentiellen Nachfolger: QB Mitch Mustain der ein Transfer aus Arkansas ist, wo er eine sehr simpel gestrickte Offense hatte und sich bei USC plötzlich einem Playbook in Telefonbuchdicke gegenüber sah. Freshman Aaron Corp, der als großes Talent gilt, aber derzeit noch mit der Suche nach freien Receivern überfordert ist, wie es überhaupt bei USC usus ist, das kein QB im ersten Jahr mit dem komplexen und zalreichen Spielzügen klarkommt.
Doch die Probleme haben sich auf wundersame Weise gelöst: in dieser Woche meldete sich Mark Sanchez als Starter für das Wochenende zurück.
Pete Carroll ist für die Saison optimistisch, spricht von einer der stärksten Defenses die er jemals gehabt hat. USC ist für seine notorische Schwäche gegen laufstarke QBs bekannt, QB Vince Young ist dort ein absolutes Anathema.
Die Arizona State Sun Devils (ASU) sind auf #15 gerankt. Headcoach Dennis Erickson ist noch als schlohweißer Headcoach bei den Seattle Seahawks bekannt. Wechselte erst Ende 2006 kurzfristig von Idaho zu ASU. Die schwache OL war letzte Saison eine besondere Herausforderung für die QBs: 55 Sacks in 13 Spielen und QB Rudy Carpenter nahm die meisten davon. Tougher QB der nicht scheut Hits zu nehmen, aber auf der anderen Seite auch a bissl zu lange zum Werfen braucht.
Apropos Quarterbacks: die #7 trägt niemand anderes als Jack Elway, Sohn von John Elway (und benannt nach seinem Großvater, dem unvergessenen Galaxy-Trainer). Treppenwitz: Dennis Erickson war unter Großvater Jack Elway der OffCoord Ende der 70er Jahre bei San Jose State. Jetzt trainiert er den gleichnamigen Enkel. Die Welt ist klein… So wie es übrigens aussieht, ist Jack Elway Jr. nicht in der Depth Chart drin, also möglicherweise ein Redshirt, gilt noch als reichlich unfertiger QB.
Die Oregon Ducks werden an #21 geführt. Sie hatten eine sehr gute Saison 2007, waren auf dem besten Wege in eines der BCS-Bowls zu kommen, als Ende November ihr herausragender QB Dennis Dixon einen Kreuzbandriß erlitt. Die Partie gegen Arizona ging verloren. Nach zwei weiteren Niederlagen fiel man von #2 sogar aus dem Top 25 raus.
Wer die Nachfolge von Dixon (von Pittsburgh gedraftet) bestreitet ist unklar. Es spricht einiges dafür das Headcoach Mike Bellotti drei Quarterbacks durchrotieren lassen wird: QB Costa (wird verletzt an diesem Wochenende fehlen), QB Roper und QB Harper.
Einige Trainerstühle in der PAC-10 wackeln gefährlich. Die Arizona Wildcats waren seit 10 Jahren in keiner Bowl und haben seit vier Jahren keine winning season. Headcoach Mike Stoops dürfte nur noch diese eine Chance haben.
Washington Huskies Tyrone Williams ist dead man walking. Der Mann ist vor drei Jahren voller Optimismus zu den Huskies gekommen, nachdem er als erster schwarze Notre Dame-Coach unter umstrittenen Umständen gefeuert wurde. Vom Optimismus ist nach nur 11 Siegen in drei Jahren nichts mehr zu spüren. Das recruiting lag vor Williams am Boden und ist inzwischen noch schlimmer: keiner will sich für Washington commiten, weil keiner weiß wer nächste Saison der Headcoach sein wird. Die Fans begehren auf, wollen Williams gefeuert sehen.
Dann gibt es die Teams die generalüberholt wurden. Bei den Stanford Cardinal arbeitet Jim Harbaugh als Headcoach, jener Mann dem ich als Quarterback mit dem Spitznamen “Captain Comeback” 1996 die zwei irrsten Playoff-Spiele am Stück zu verdanken habe. Harbaugh hatte zwar letzte Saison in seinem ersten Jahr bei den Cardinal “nur” eine Bilanz von 4-11, aber zwei große Siege gegen USC und California. Seine Arbeit wird durch das lose Mundwerk kontrastiert. Er macht gerne den Gegner madig und verbrennt sich dabei auch das Maul.
Die UCLA Bruins drehen am richtig großen Rad. Mit Rick Neuheisel haben sie einen markanten Headcoach verpflichtet. Vom Typus vielleicht vergleichbar mit Christoph Daum plus hohem Schmierigkeitsfaktor. Spitzname “Slick Rick“, berüchtigt für schmierige Psychotricks und Gimmicks. Über seinen Ethos kann man streiten: bei Washington flog er nach verbotenen Basketball-Wetten raus und log seinen Arbeitgeber bzgl. Kontakten zu NFL-Klubs an. Die NCAA schätzte aber die Situation falsch ein und musste gemeinsam mit der Uni an Neuheisel 4,5 Mio US$ zahlen. Der Imageschaden war aber da, Neuheisel blieb zwei Jahre ohne Arbeit und war zuletzt OffCoord bei den Baltimore Ravens, was dann ja auch suuuuper geklappt hat. OffCoord bei den Ravens, das ist ungefähr genauso wie einen Puff in Vatikan Stadt aufmachen.
Mit Neuheisel ist als OffCoord Norm Chow geholt worden. Brisant, brisant. Gerade frisch von den Titans in der NFL gefeuert, war er zuvor jahrelang der OffCoord des Erzfeindes USC. Chow steht im Ruf ein QB-Macher zu sein. Da wird es dann spannend, weil QB Ben Olson den Startplatz eigentlich schon in die Wiege bekommen hat, aber der Mormone hat inzwischen eine reichlich dicke Krankenakte (aktuell: Knochen im Fuß gebrochen) und an seiner statt wird QB Kevin Craft spielen.
Reaktionen
das soll jetzt nicht fanboyish klingen, aber mal im ernst: was du hier in den letzten beiden Beiträgen abfeuerst ist unglaublich, sowas liest man in Deutschland einfach nirgendwo über US Sport. (may sound cheesy, but..) Vielen vielen Dank dafür! Und für alles andere auch. Muss ja mal gesagt werden.
(btw, hast du eigentlich jemals den Gedanken gehegt, dies zur Profession zu machen, bzw. Angebote gehabt?)
so, jetzt genug cotton candy, Gute Nacht.
Darum ist der Blog auch die Nummer 1 ;-)
Ich glaube kaum das es einen deutschen Blogger gibt, der es versteht die verschiedensten Sportarten und Thematiken, besser und ausführlicher zu erklären, als das es hier geschieht. Vor allem in Sachen US Sport findet man im deutschsprachigen Raum so gut wie nix zu College Football, Favoriten, System des College Footballs usw. Danke für diese Zusammenfassung und natürlich auch für alle anderen Themen. Dieser Blog und die Arbeit die dahinter steckt ist einfach unvergleichlich
Das musste mal gesagt werden und damit gebe ich wieder ab ins Studio :-)
du bist ein kranker freak :-)
Ich muß es auch einfach rauslassen !! Top Block , die Nr.1 im deutschen Internet !!!! , aber wie kann man das alles auf einmal und alleine bewältigen ?? oder hilft da die Sportbegeisterte Freundin ? Auf jedenfall weiter so , ich liebe es , so gefüttert zu werden über den US Sport !!
Ich muß mich auch einmal bedanken. Einfach unglaublich, was du hier über College Football alles schreibst. Sagenhaft !
Ich hab den”kurzen” Abriss leider noch nicht ganz lesen können, aber du solltest dir überlegen, ob du nicht ein Preview Heft publizieren solltest.
Da steht meist auch nicht viel mehr drin. Und alles auch noch auf deutsch.
Top Überblick!
Nur zwei Anmerkungen.
Rice scheint mir nen sehr interessanten QB mit chase clement zu haben. Der hat mich gestern überzeugt, wenn auch nur gegen SMU.
Und natürlich:
GO CANES !
Respekt,Kai!
Wie immer gut und informativ zu lesen :-)
Auch von mir Lob in höchsten Tönen! Großartige Artikel übers College Football. Ich versteh immer noch nicht, dass es Leute gibt, die sich für Sport und Football interessieren und deinen Blog nicht kennen..
Was meinst du, wie es mit ND dieses Jahr ausgehen wird? (Schlimmer als letztes ja wohl kaum ;) )
UCLA hat ja auch bereits gross die Klappe gegen USC aufgerissen mit einem Plakat und den Worten “The Monopoly in Los Angeles is over”.
Bin gespannt, ob sie den Worten Taten folgen können.
@racez: Nehme mal an due meinst die “kämpfenden Iren” mit ND. Das kann in der Tat nur besser werden. Letzte Saison war ja eine glatte Hinrichtung.
Ich tippe nur auf eine marginale Verbesserung. Die Geschichte mit dem angeschickerten QB Clausen und Weis’ Pressekonferenz, dafür gibt es nur einen Ausdruck: “State of Denial”.
Ich tippe auf 6 Siege gegen San Diego State, Michigan State, Stanford, North Carolina, Navy und Syracuse
Von einem sonst nur stillen Mitleser ein herzliches Dankeschön.
Wow, habe den Bericht gerade gelesen und muss sagen “Große Klasse, Hut ab”. Beweist wieder einmal, dass “aas” unverzichtbar für jeden ist, der sich für den US-Sport interessiert. Bitte weiter so.