Speedtalk auf PREMIERE mit der Premiere

Eben ging das Debüt der neuen PREMIERE-Sendung “Speedtalk” zu Ende, die es fortan an jedem Rennwochenende eine Dreiviertelstunde vor dem Qualifying geben soll. Sascha Roos, Sven Heidfeld – sind ja eh gerade im Studio da sie um 16h die GP2 kommentieren – und ein dritter Gast (heute: Markus Winkelhock) unterhalten sich über 4-5 Themen, schalten dazu Anrufer rein (der Anruf kostet nur 14ct, keine Abzocke) und lesen eMails vor.

Die Themen heute: Wie sind die deutschen F1-Rennfahrer? Ist Lewis Hamilton schon reif für einen WM-Titel? Wer ist der bessere Ferrari-Fahrer: Massa oder Raikkönen? Braucht die Formel 1 eine Danica Patrick.

Die Sendung war letztendlich völlig überraschungsfrei und lief so ab, wie man es von einer Call-In-Sendung von PREMIERE oder BÄH erwarten würde und so überraschungsfrei wie meine Kritik an der Sendung in den folgenden Zeilen sein wird – ich entschuldige mich schon vorab. Ich bin mir noch nicht schlüssig ob ich die Sendung nur uninteressant oder richtig schlecht weil weit unterm Potential finden soll.

Man bekam 40 Minuten lang die gleichen Versatzstücke zu hören, wie man sie im Laufe eines Rennwochenendes von den Beteiligten vor Ort zu hören bekommt. Mit anderen Worten: für Motorsportinteressierte eine mäßig ergiebige Angelegenheit.

Nun sind Call-In-Sendungen nicht die telegenste Form von Studiosendungen, aber die Sendung wirkte lieblos zusammengeschustert und unvorbereitet, trotz des Boohays der auch bei Spox.com drum gemacht wurde. Man schleppt meines Erachtens mehrere Probleme mit sich herum.

Besetzung: Die Sendung braucht meinungsfreudige Gesprächspartner und einen Moderator der bei den Telefonanrufern soviel Empathie zeigt, dass er knackige Statements rauskitzeln kann.

Sven Heidfeld mag zwar zufällig gerade in München sein, wenn die Sendung stattfindet, aber er könnte in Sachen Charisma, Meinungsfreude und Stimmmelodie problemlos durch ein feuchtes Toastbrot ersetzt werden, ohne dass sich seine Abwesenheit bei den Zuschauern bemerkbar machen würde. Wenn man schon jemanden wie Keke Rosberg im eigenen Stall hat…

Sascha Roos verstand seine Aufgabe nur im Abholen von Statements, sei es bei den Gästen oder bei den Anrufern, was insbesonderen bei den Anrufern zu wenig ist. Andere Call-Ins (Domian, BBC, Deutschlandfunk, Deutschlandradio) zeigen eigentlich, dass die spannenden Geschichten nicht mit dem ersten Statement eines total verschüchterten Wesens am anderen Ende der Telefonleitung kommen. Da muss vom Moderator deutlich mehr kommen.

Und solange die halbe PREMIERE-Belegschaft sich aus dem gleichen Topf Haar-Gel bedient, sollte man nicht “zu glatte Rennfahrer” als Aufreger ins Spiel bringen. Zumindest nicht solange noch Sven Heidfeld mit Hemd und Sweater vor dem aufgebockten Resopal-Tisch sitzt.

Themen: Die Aufteilung in 5-8minütigen Blöcke mit denen die Themen nacheinander abgefrühstückt werden, machen das Zeitfenster in dem die Leute anrufen können, sehr klein.

Andere Call-In-Sendungen sind entweder monothematisch oder kastrieren sich selbst nicht auf kurze Blöcke.

Ressourcen: Schon bitter. Ich habe ein Team auf der Rennstrecke vor Ort. Ich habe drei Reporter, einen Moderator, einen Kommentator und zwei Experten sowie Unmengen von potentiellen Gesprächspartner an der Strecke und zu sehen gibt es in der Sendung exakt eine aufgezeichnete Anmoderation von Peter Lauterbach.

Das hat nichts mit “Eingrooven” auf das Qualifying oder Audience Flow zu tun. Das ist knochentrocken, knauserig und/oder phantasielos.

Sendezeit: Mit Verlaub, die Sendung ist derzeit so uninteressant, dass sie eigentlich nicht als Eröffnungssendung für das Rennsportwochenende taugt.

Die Sendung würde nach dem Qualifying spätestens mit dem Einsetzen der Bundesliga-Saison keinen Sinn machen, aber im Laufe des Rennwochenendes gibt es eine Stelle die sich nun wirklich für so eine Sendung anbieten würde: der Rennsonntag wurde früher von PREMIERE mit Fahrerparade und Warm-Up zelebriert. Inzwischen hat man teilweise die Sendezeit eingespart, teilweise hat die F1 den Ablauf umgestellt (kein Warm-Up mehr). Aber ab 9h15 hat man mit der Formel BMW, der GP2 und dem Porsche SuperCup drei Rennen, die man gut bis zum Beginn der “wirklichen” Vorberichterstattung um 13h zu einem Rahmenprogramm verbinden könnte, u.a. mit einem solchen Call-In-Format.

Insgesamt kein großer Wurf. Zu einem Zeitpunkt an dem man sogar am Versenden bereits eingekaufter Fernsehrechte (WM-Quali Südamerika) spart, wundert mich eine derart uninspirierte Sendung. Dabei sollte der Einsatz von zusätzlichem Gehirnschmalz noch die billigste Ressource sein.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. stimme absolut zu.

    Das war echt fade Kost. Auch die Reingeschalteten waren nun auch nicht grad der Bringer und wurden eh nach dem esten Satz abgewürgt (manchmal sehr zu recht).
    Aber spätestens bei der Patrick-Frage, habe ich mich bei dem “gesammelten Exptertentum” schon etwas gewundert. Wie kann man ernsthaft eine(n) im moment noch zu 90% Oval-Rennfahrer(in) in die Formel1 holen wollen? Marketingtechnisch sicherlich keine Frage, aber mit Sicherheit nicht von der Rennqualität her.

    So eine, oder von mir auch gegenteilige Meinung habe ich irgendwie verpasst.