EM2008, Heiß wie Frittenfett T-0: Gruppe B

Gruppe B

  • Österreich
  • Kroatien
  • Deutschland
  • Polen

Deutschland

Zu der deutschen Nationalmannschaft braucht man nicht viel zu erzählen. Spielerisch haben die Testspiele die Defizite auf den beiden Flügeln schmerzhaft freigelegt. Etwas mehr Hoffnung mache ich mir links, weil #2 Jansens Formkrise mit seiner mangelnden Spielpraxis erklärbar sind. Je länger ich darüber nachdenke, umso weniger glaube ich an eine “Wunderheilung” von #7 Schweinsteiger und seine Rückkehr zur alten Form, weswegen möglicherweise die Variante mit #20 Podolski derzeit am Vielversprechendsten erscheint.

Aber für rechts sehe ich schwarz. #16 Lahms derzeitigen Leistungen laden nicht nur zu lahmen Wortspielen ein, sondern zeigen ein böses Auseinanderklaffen zwischen Lahms verstärkter Außendarstellung in Interviews und Werbung und seiner Nicht-Präsenz (wenn nicht sogar “Unpräsenz“) auf dem Platz. #4 Fritz hat mich auch nicht überwältigt. Am besten gefiel mir #19 David Odonkor, der gegen Weißrussland nicht so eindimensional wirkte, wie ich ihn in Erinnerung hatte.

Die Probleme auf den Außenpositionen werden durch gutes Spiel durch die zentrale Achse wieder gut gemacht. Vorallem #13 Ballack ist in exzellenter Form. Im Nachhinein könnte die lange Verletzungspause von ballack im Herbst ein Segen sein, da er so 20 Pflichtspiele weniger auf der Kette als die meisten anderen Spieler in Topvereinen hat.

Es wird viel über den Ball diskutiert. Vor jeder EM und WM heißt es dass der Ball flattert wie noch nie. Tatsächlich hatte man aber erstmals bei der WM 2006 den Eindruck, dass sich die Offensive darauf einstellt und verstärkt aus der zweiten Reihe abzieht. Und die deutsche Nationalmannschaft ist für solche Situationen geradezu ideal aufgestellt. Frings. Ballack. Schweinsteiger. Podolski. Lahm. Hitzslperger. Trochowski. Borowski.

Mehr noch als die Außenpositionen bereitet mir aber die Mentalität der Mannschaft Kopfzerbrechen. Ich vermisse die absolute Dominanz. Es war gegen Ende der EM-Quali und in den Testspielen zu sehen: die Mannschaft zeigt nur über 45-60 Minuten Autorität, läßt sich dann nach hinten drücken und bringt den Gegner wieder zurück ins Spiel. Ohne 60-80.000 schreiende Fans im Rücken der Mannschaft, mache ich mir Sorgen um den Siegeswillen. Selbst der Sieg gegen Serbien (aus 0:1 ein 2:1 gemacht) hat sich in dieser Hinsicht nicht überzeugend angefühlt.

Österreich

Die Österreicher werden gemeinhin als das schwächste Team der gesamten EM angesehen. Das hat auch viel mit der Außendarstellung von Josef Hickersberger zu tun. Witzigerweise wird am Ende ein österreichisches Team auf dem Platz stehen, dass gewisse Parallelen zu Deutschland 2006 kennt: “Jugend forscht”. Hickersberger geht aber die aggressive, zielstrebige Außendarstellung eines Jürgen Klinsmanns völlig ab. Wo man einem Klinsmann anmerkte, wie er versucht ein Feuer zu entfachen, herrscht bei Hickersberger intellektuelle Bräsigkeit vor.

Wo Klinsmann von Anfang an den harten Schnitt und eine neue Spielergeneration propagierte, fand unter Hickersberger nur langsam eine Verjüngung der Kernmannschaft statt. Klinsmann hat beim Confed-Cup ein Jahr vor der WM gezeigt wo das hinführen könnte. Das ist Hickersberger erst im Ferburar und März des Jahres in den Spielen gegen Deutschland und den Niederlange gelungen. Durch “Hickis” bräsige Art hinken die Österreicher wahrscheinlich ein dreiviertel Jahr hinterm Zeitplan her.

Was ist aber wenn Hickersbergers Außendarstellung unwichtig ist und er nach innen wirkt? Die Mannschaft ist sehr jung und es sieht wirklich so aus, als würden sie das “deutsche” Rezept von 2006 übernehmen wollen und technische Defizite durch Schnelligkeit und Eifer auszugleichen. Die Mannschaft ist zudem nicht richtig zu fassen. Hickersberger hat bis zuletzt verschiedene Spielsysteme ausprobiert, so das zwischen einem 3-5-2 und einem 4-3-2-1 alles drin zu sein scheint. Gerade das 3-5-2 dürfte sich für die Gegner ungewohnt spielen lassen, da das System in Europa kaum verbreitet ist.

Für die Österreich sind diverse Szenarien drin. Wenn die Bubis es gegen Kroatien mit einer international abgewichsten Truppe zu tun bekommt – der so ziemlich schlimmste Auftaktgegner für Österreich – könnte schnell eine Klatsche daraus werden, zumal ich nicht erwarte dass das österreichische Publikum sich so um seine Jungs sammeln wird, wie es die Deutschen in München gegen Costa Rica gemacht haben. Und nach einem schlechten Kroatien-Spiel ist der Rest nur noch Domino-Effekt und Selbstläufer.

Was passiert aber wenn die junge, schnelle Truppe auf eine Mannschaft trifft, die stellenweise alt ist, die ihren wichtigsten Stürmer verloren hat und durch eine schlechte Vorbereitung verunsichert ist? Was passiert wenn Össterreich gegen Kroatien doch gewinnt? So weitergesponnen, kann mir ein “What If”-Szenario vorstellen, bei denen die Österreicher wirklich weiterkommen.

Kroatien

Eine Mannschaft die nach dem furchtbaren Knochenbruch von Eduardo (10 Tore in 12 Spielen) noch keinen Ersatz-Goalgetter gefunden hat? Eine Mannschaft bei der 50% der Sturmhoffnungen auf den hoffnungslos überspielten #18 Ivica Olic lasten?

Man kann einige Themen von der WM 2006 hier wieder aufgreifen. Da wären zum Beispiel die Testspiele vor der WM, die ähnlich wie heute, für die Kroaten schlecht ausfielen.

Der Sturm war auch bei der WM ein Problem, weil sich zu Prso damals kein guter zweiter Mann finden ließ. #17 Klasnic und Olic rotierten immer wieder durch. Nach dem Ausfall von Eduardo gibt es wieder Fragezeichen im Sturm. Es scheint nun auf Olic und dem Dortmunder #21 Petric hinauszulaufen, aber die richtige Überzeugung fehlt.

Generell zweifle ich jede Abwehr an, bei der ein #4 Robert Kovac noch Platz in der Startaufstellung findet. #3 Simunic wirkt auf der Position als Linksverteidiger immer out of position. Torwart #1 Pletikosa ist immer wieder für einen schweren Bolzen gut.

Auf zwei Mannschaftsbereiche bin ich gespannt. Ein sehr offensives Gespann rechts mit dem jungen #5 Corluka (Stammkraft bei ManCity) und #11 Srna, einem klassischen Flügelläufer. Und schließlich das Mittelfeldgespann mit #19 Kranjcar und #14 Modric. 23 und 22 Jahre alt.

Trotz guter Mannschaftsteile, stellen die Kroaten dank der Sturmprobleme eine große Unbekannte in der Gruppe B dar.

Polen

Möglicherweise kann man auch bei Polen Parallelen zur WM 2006 ziehen. Die Polen bestritten damals eine sehr gute EM-Qualifikation, doch just vor der WM drückte der damalige Trainer auf den Selbstzerstörungsknopf. Die Atmo im Team wurde absurd schlecht, den Auftakt im ersten Spiel verpatzte man und danach ging es nur noch bergab.

Ähnliches sagt man nun Leo Beenhakker nach, der mit der Brechstange den Brasilianer #20 Roger naturalisert hat, was der Chemie im Team nicht zuträglich gewesen sein soll. Sagt man zumindest in einigen Medien. Es gab eine 0:3-Schlappe gegen die USA und in den – wenn ich es richtig sehe – drei Testspielen danach hat man nur maximal einen Treffer geschossen. Die Niederlage gegen die USA scheint wirklich wie ein Filmriss gewirkt zu haben.

In der letzten Woche musste zudem “Kuba” Blaszczykowski wegen Verletzung nach Hause geschickt werden, was für den dünnen Kader der Polen eine mächtige Schwächung im Angriffsspiel darstellt.

Es gibt im Kader der Polen kaum wirklich herausragende Spieler. Vielmehr ist es im optimalen Fall ein gut harmonierendes Kollektiv, ausgeglichen besetzt. Aber dahinter soll Leo Beenhakker kaum Alternativen haben.

Ähnlich wie die Kroaten sind die Polen ein schwer zu berechnender Faktor in der Gruppe B.

Fazit

Gemeinhin wird die Gruppe B als schwächste Gruppe bezeichnet. Kann man darüber diskutieren, aber das macht es nicht einfacher die Machtverhältnisse innerhalb der Gruppe einzuschätzen.

Im Grunde genommen weiß man nur bei Deutschland was man hat. Dahinter bleibt es schwer einzuschätzen, sei es weil externe Faktoren wie die Verletzung von Eduardo oder Kuba gekommen sind, sei es, weil die Mannschaften extrem abhängig von Stimmung und Spielverlauf sein werden. Und nicht zuletzt weil es diesmal, anders als vor der WM, so gut wie keine Testspiele im Fernsehen zu sehen gab, von 30-Minuten-Schnippsel auf EUROSPORT abgesehen.

Letztendlich gibt für mich die Erfahrung der Kroaten den Ausschlag um sie vor Österreich und Polen zu setzen.

1/ Deutschland
2/ Kroatien
3/ Österreich
4/ Polen

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. brutzel, zisch, zisch, brutzel…

  3. Hoffentlich stehen nach dem morgigen Spiel die Halbpositionen, sonst wird bis zum Ende der EM durchprobiert. Poldi auf links und Fritz auf rechts wäre aus meiner Sicht keine gute Balance. Da Lahm neuerdings seine Arbeitsbereich fast nur noch in der eigenen Hälfte sieht (und merkwürdigerweise darauf besteht, dass das eine Weiterentwicklung wäre), hätten wir dann rechts nach vorne ne Sackgasse und links defensiv Probleme (die vorher mit Schweinsteiger allerdings auch da waren). Ich befürchte das geht dann zu Lasten von Ballacks Vorwärtsgang (oder zu Gunsten großer Löcher) und den werden wir brauchen. Daher spricht doch einiges für Hitzelsberger, selbst Trochowski könnte sich im Turnierverlauf Hoffnungen machen. Auf rechts denke ich, dass Schweinsteiger noch einen Platzhirsch-Bonus hat und starten darf. Je nach Spielverlauf könnte dann offensiv/defensiv reagiert werden.

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