Screensport am Dienstag: China
Ich habe mir gestern die Aufzeichnung des Presseclubs zum Thema Olympia-Boykott angehört (MP3). Zwei Dinge sind haften geblieben. Jens Weinreich erwähnte das mir bis dato noch nicht bekannte Mittel des “Entzugs”: Das IOC hat die Möglichkeit dem Ausrichter die Olympischen Spiele wieder zu entziehen und wenn es seinem Image als moralische und edle Institution gerecht werden will, ist es eine Option über die es ernsthaft nachdenken muss. Das zweite interessante Sujet war die Forderung dass nicht nur die Sportler sich moralisch messen lassen müssen, sondern auch die deutsche Wirtschaft. Wer verlangt dass Deutschland die Olympischen Spiele boykottiert, hat auch einen Boykott durch deutsche Unternehmen zu verlangen, die sich mit der gleichen moralische Messlatte messen lassen müssen.
John Simpson ist seit Äonen Sonderkorrespondent bei der BBC. Es gibt keinen Krisenherd der letzten 30 Jahre den er nicht besucht hat. Für BBC Radio 4 hat er 19 Jahre nach dem Massaker des Tiananmen-Platz Ort und Protagonisten wieder besucht. Sein Schlußurteil fällt differenziert aus. Erschreckend sind aber die O-Töne als Simpson von seinem Dolmetscher zu eine Art “Ombudsmann” geführt wird und die Bittsteller Simpson umringen um ihm ihre Geschichte zu erzählen. Dies führt binnen Sekunden zu einem Polizeieinsatz in deren Verlauf der Mann der am längsten zu Simpson sprach, in ein Polizeikommissariat verschleppt und verprügelt wird. Stunden später verlässt ein gebrochener Mann die Polizeiwache. Die Dokumentation kann in zwei Teilen zu je 25 Minuten bei BBC Radio 4 gehört werden:
“The Road from Tiananmen” (Real Audio)
“Win in China?” (Real Audio)
Der erste Teil ist zudem diese Woche als Podcast in der Sparte “Documentaries” eingespeist worden.
Vor knapp zwei Wochen waren die Olympischen Spiele auch Thema in der Sendung “Der Tag” von HR 2 (MP3, 53min) mit Eindrücken aus China und eiertanzenden deutschen Sportfunktionären. Eindringlich war hier die Schilderung der China-Korrespondentin, wohlgemerkt vor Ausbruch der Ausschreitungen in Tibet, die ein gemischtes Bild von den Arbeitsverhältnissen für Journalisten in China zeichnete.
Es sei zwar richtig, dass die Journalisten im Zuge der Olympischen Spiele seit geraumer Zeit sich recht frei im Land bewegen können. Aber im Gegenzug haben die Repressionen gegenüber auskunftswilligen Chinesen zugenommen. Der Druck auf Informanten wurde erhöht und unterm Strich sei es inzwischen sogar schwerer diese Leute zu befragen.
Nach den Auseinandersetzungen in Tibet ist die Provinz inzwischen weiträumig abgeriegelt und nur noch ausgesuchte Journalistengruppen erhalten Einlaß. Das hat also mit der Freizügigkeit für Journalisten nicht lange gehalten.
Wer mehr über den Ausbruch der Auseinandersetzungen in Tibet erfahren will, geht am besten zum “Economist”. Dessen Korrespondent war zufällig zu dem Zeitpunkt in Lhasa und hat in der vorletzten Ausgabe berichtet: “A week in Tibet – Trashing the Beijing Road”
Spocht von heute
Champions League, logisch.
Schalke – Barcelona wirkt wie das Viertelfinale der Miserablen (lat. miserari “beklagen, bejammern”). Seit der Verletzung von Messi vergeht keine Woche in der nicht über den Zustand von Barca gejammert wird. Ronaldinho ist im Laufe der letzten Wochen derart verbrannt worden, das eine Rückkehr im Sommer zu Barcelona nicht wahrscheinlich ist. Einen kleinen Höhepunkt erreichte der Klagegesang letzten Samstag, als Barcelona eine 2:0-Halbzeitführung gegen Betis wegwarf und noch 2:3 verlor. Damit dürfte auch Trainer Frank Rijkaard zum Dead Man Walking geworden sein. Sid Lowe, der Spanien-Korrespondent des Guardian-Fußball-Podcasts wusste aus Spanien zu vermeldet, dass die Barça-Scouts Schalke als schwache Mannschaft einschätzten. Sollte Barça gegen Schalke rausfliegen, dürften Rijkaards Tage in Katalanien gezählt sein.
Zumindest so ein halben Dead Man Walking stellt in Schalke Mirko Slomka dar. Schalke ist derzeit eine merkwürdige Mischung aus “nicht besser können” und “nicht besser wollen”. Es ist eine junge Mannschaft, Inkonstanz ist logisch. Aber die schlechte Integration der Einkäufe aus der Winterpause fällt auf Slomka und Müller ebenso zurück, wie der Umstand dass auf Schalke und im Umfeld derzeit Grau in Grau herrscht. Um es mit Börsianer-Slang zu sagen: man hat nicht den Eindruck das in der Aktie Schalke viel Phantasie steckt. Selbst die Vorfreude vor einem CL-Viertelfinalspiel kommt als gelangweilt absolvierte Pflichtübung rüber.
Gut möglich das heute auf Schalke ein trostloses Viertelfinale für den Zuschauer rausspringt.
Der Gegenentwurf beider Mannschaften heißt derzeit Manchester United. Die strotzen derzeit derart vor Virilität, dass man sich bei weiblichen Zuschauer wegen Fernschwangerschaften via Ätherwellen sorgen muss. Es wird interessant sein zu beobachten wie dieses manchester in Rom auftritt, zumal der AS Rom bei Real Madrid im Achtelfinale eine nicht minder abgezockte Leistung zeigte. Alles wird sich an das Viertelfinale im letzten Jahr erinnern, als Rom das Hinspiel 2:1 gewann, ehe es 7:1 in Manchester unterging. In der Gruppenphase in dieser Saison trennte man sich in Rom 1:1, ManUtd gewann in England 2:1. Beide Male gab es in Rom Ausschreitungen zwischen beiden Fangruppen.
Für ManUtd wird vermutlich Van der Sar ins Tor zurückkehren, während bei der Roma Francesco Totti fehlen wird.
Dienstag, 1.4.2008
12h30 NHL: NY Rangers – Pittsburgh Penguins, NASN Tape
Whl: 18h30
19h30 DEL, Playoffs: Halbfinals, Spiel 1/5, PREMIERE live
Vorberichte ab 19h15
Eisbären – DEG (Kommentar: Marc Hindelang)
Köln – Frankfurt (Kommentar: Sven Kukulies)
Zusammenfassung im WDR: 23h55–0h25
20h45 Champions League: Viertelfinale, Hinspiel, PREMIERE live
Vorberichte ab 20h15 mit Patrick Wasserziehr und Franz Beckenbauer
Schalke 04 – Barcelona (Reif/Dittmann) (auch ITV4)
AS Roma – Manchester Utd (Evers/Stach) (auch ITV1)
1h30 NHL: Ottawa Senators – Montreal Canadiens, NASN live
Vorschau auf Mittwoch
10h00 MLB: Seattle Mariners – Texas Rangers, NASN Tape
20h00 HBL: Nordhorn – Flensburg-Handewitt, #27, BÄH live
20h45 Champions League: Viertelfinale, Hinspiel, PREMIERE live
Fenerbahce – Chelsea (auch SAT.1)
Arsenal – Liverpool
1h00 MLB: NY Yankees – Toronto Blue Jays, NASN live
Reaktionen
Ich finde es heuchlerisch, wenn man jetzt alles Ernstes darüber nachdenkt, die Spiele zu boykotieren. Das China ein Land ist, in dem die Menschenrechte nicht das Papier wert sind, auf dem sie geschrieben stehen, war schon lange vor der Vergabe nach Peking bekannt (siehe u.a. Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens, Umgang mit der Todesstrafe, etc.). Jetzt überrascht zu tun ist doch lächerlich und schadet nur den Sportlern. Wenn Boykott, dann VOR der Vergabe, nicht jetzt. Und dann bitte auch den moralischen Zeigefinger heben, bei allen Sportveranstaltungen, die in Staaten stattfinden, die sich nicht an die grunlegenden Menschenrechte halten. Schon vergessen, wo die letzte deutsche Fußballjubelarie stattgefunden hat ? Evtl bei der FrauenfußballWM in …China …. ??
Scheinbar gibts die nächsten Probleme für die Formel1.
Link
Hab versucht, noch andere Quellen zu finden aber bis jetz wird sonst nirgends davon gesprochen. Wenn es wirklich so kommt wie beschrieben, wäre das sicher eine große Blamage für die F1.
Irgendwie muß ich schon schmunzeln, dass man es mit ca. 70 Motorradfahrern ohne Probleme hinbekommt, aber mit 22 F1-Fahrern nicht. Wobei ich jetzt natürlich nicht weiß, ob es in Sachen Fahrlizenzen in der F1 strenger zugeht als bei Moto-GP.
@Eagle-F1
– Hüstel – Schmunzeln ist das korrekte Stichwort bei der Meldung. Deswegen wird es auch keine andere Quellen geben.
vielleicht gibt es die Meldung morgen (am 2. April) auch nicht mehr…
Arrrgh…
Hab ich im Tran wohl ein wenig verpennt was für einen Tag wir heute haben. :D
Peinlich, peinlich….
Warum steht die Verschuldensfrage überall schon fest? Hier Tibet gut, weil Dalai Lama und Buddha und so nett orangene Mönche, alle janz friedlich. Und dort der böse Chinese, Kommunist, Gewalttäter, Unterdrücker. Wer bei den wenigen journalistisch guten Stücken dieser Tage mal genauer hinliest, der wird bemerken, dass es zwischen den lammfrommen Mönchen und der aufständischen Jugend ein paar Unterschiede gibt. Der äußert sich zum Beispiel darin, dass die Jugendlichen Scheiben einschmeissen, Brände legen und Autos umstürzen. Das machen Mönche nicht. Das ist nicht nett, und da haben die Sicherheitsbehörden alles Recht der Welt, dagegen vorzugehen.
Über die Form lässt sich sicher streiten. Aber wer hier gesehen hat, wie die Polizei zum Beispiel bei den Chaostagen/G8-Gipfeln/Sternschanzenfesten gegen harmlose Demonstranten und ein paar Randalierer vorgeht, sollte nicht so mit dem Finger auf China zeigen. Zumal die Quellen der Nachrichtenbilder oft mehr als zweifelhaft sind (schöne Zusammenfassung bei Niggemeier). Ne Absage der WM 2006 hat aber trotzdem niemand gefordert.
Und überhaupt: Jahrelang Ruhe in Tibet, nur jetzt, kurz vor Olympia, rappelt´s im Karton. Zufall?
1.) Warum verkürzt du das Problem auf die Tibet-Frage?
2.) Natürlich habe ich auch bei den “journalistisch guten Stücken mal genauer hingelesen”. Ich habe nicht umsonst den Economist-Artikel verlinkt und auch John Simpson kommt zu einem differenzierten Urteil über die Gesamtsituation in China.
Das kann ich jetzt von deinem Kommentar nicht behaupten.
Davon mal ganz abgesehen, warum sind gegen in Tibet scheibeneinschmeißende Jugendliche “mit jedem Recht der Welt” vorzugehen und in Deutschland bei Autoreifenstechern und mutmaßlichen “terroristischen Vereinigungen” nicht?
Gegen staatliche Repressionen (!) darf man sich nicht zur Wehr setzen? Gehört dann auch ziviler Ungehorsam generell mit der Todesstrafe belegt? Verboten ist er ja schon per definitionem.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt halte ich einen Boykott ebenfalls nicht für angebracht. Wenn Politik und Wirtschaft sich an China anwanzen, sollten das auch die Sportler dürfen.
Was ich nicht verstehe, ist die fast schon demütige Haltung der westlichen Welt. Warum etwa ist die griechische Polizei so vehement gegen Demostranten vorgegangen?
Am schlimmsten jedoch ist die Haltung des IOC, das an dem ganzen Schlammassel schuld ist, weil sie Spiele nach Peking vergeben hat (vermutlich, um dort neuen schlummernde Märkte zu erschließen).
Kein Wort, im gegenteil, man sagt den Sportlern, sie sollen auch die Schnauze halten, sonst fliegen sie raus. Man entzieht sich jeglicher Verantwortung, wäscht seine Hände in Unschuld. Dabei hätte das IOC am ehesten die Möglichkeit, auf China einzuwirken.
Ach ja: Wer gestern die Bilder aus Peking gesehen hat (Beginn des Fackellaufs), kann sich in etwa ausmalen, was es im Aufgust an staatlicher Inszenierung zu bestaunen gibt.
Zum Olympia-Boykott: Finde das einseitige Einprügeln auf China wie im Presseclub sehr bedenklich. In der moralischen Entrüstung spielt gerade bei den Aufrufen “Deutsche! Kauft keine China-Produkte” auch eine ganze Menge National-Protektionismus mit, wo uns doch China als neuer “Export-Weltmeiser” nur den Vize-Titel gönnt.
Festland-China war noch nie in seiner Geschichte eine Demokratie und ich halte sportliche Grossereignisse für wenig tauglich, ein politisches System ändern zu wollen. Und die Reaktionen auf die Provokationen der Free-Tibetbewegung sind – auch wenn man sagen muss leider – genau so zu erwarten gewesen.
Zu CL: Es ist irgendwie aus der ferne betrachtet Schade, dass ein anscheinend so Spieler-freundlicher Trainer wie Rijkaard langfistig bei einem Starensemble wohl doch scheitern wird, auch wenn da schon mit der Messi-Verletzung, den persönlichen Problemen von Henry und dem Burn-Out (?)-Syndrom bei Ronaldinho viel zusammen kommt.
Ich bin erstaunt wie schwarz-weiß die Diskussion hinsichtlich der “Sanktionsmöglichkeiten” ist. Olympia-Boykott und – Entzug sind nur eine von vielen Möglichkeiten. Individueller Protest – auch im Presseclub erwähnt – wären weitere Möglichkeiten.
IMHO wäre das Beste der DOSB machen könnte, zu überprüfen inwieweit es den Athleten möglich ist, die Spiele aus moralischen gründen zu boykottieren, ohne dass die auf Jahre hinaus komplett durch sämtliche Sportförderungsprogramme fallen (ich denke da z.b. an Sportler in der Bundeswehr).
Zwotes: Die Vergabe der Olympischen Spiele nach China war natürlich ein Fehler, genauso wie die Vergabe der Winterspiele nach Sotchi.
Im Falle Peking 2008 sollte man aber nicht unerschlagen, dass dies noch unter Samaranch geschah und es für Jacques Rogge, der ja seinerzeit explizit auf dem Ethik-Ticket zum IOC-Chef gewählt worden ist, Spielraum gibt zu handeln. U.a. die Frage inwieweit sich China an den Vereinbarungen mit dem IOC gehalten hat.
Die Tibet-Frage spielt insofern eine Rolle, weil es die erste große Krise zeitnah an den Spielen ist und man dabei einige Mechanismen beobachten kann, z.B. hinsichtlich der Bewegungsfreiheit von Journalisten oder der Manipulation der Bilder, die beim IOC, Sportler und Medien Alarmglocken schrillen lassen.
Der Senderchef von France Television hat nach den Vorfällen der Fackelentzündungin griechenland – was ein großes Thema in Frankreich war – das Junktim hergestellt: Manipulieren die Chinesen das internationale TV-Signal, steigen France 2 und France 3 aus der Berichterstattung aus.
Re: “National-Protektionsimus”
Mit Verlaub: Bullshit. Niermand fordert ein Boykott chinesischer Produkte. Der Vorwurf des Protektionismus läuft daher ins Leere.
Die deutsche Wirtschaft ist wesentlich abhängiger von Exporten und Exporten nach China, als die Chinesen von Importen aus Deutschland. Man kann darüber streiten ob ein wirtschaftlicher Boykott angesichts der Größenverhältnisse Sinn macht, aber wie im richtigen Leben sollte man Ethos nicht der Buchhaltung unterwerfen.
Re: “Provokationen der Free-Tibet-Bewegung”
Die Ausbrüche in Tibet halte ich ursächlich eher für “Hooliganismus” oder von mir aus auch “Ausländerfeindlichkeit” (auch wenn das nicht den Status der Tibetaner und Han-Chinesen trifft). Den Dalai Lama halten nur die wenigsten für die Ausbrüche direkt verantwortlich.
Re: Ranwanzen
Es geht nicht darum das gleich “Ranwanzen”-Recht für Sportler zu verlangen, sondern umgekehrt Unternehmen und Politiker zum gleichen ethischen/moralischen Handeln zu verpflichten wie es auch Sportler tun können und sollten.
Ein Positives gibt es: das IOC hat das jahrelange Blog-Verbot für Sportler aus dem Olympischen Dorf bzw. während der Spiele endlich gekippt.
Ja, aber wer fordert denn die Sanktionen der olympischen Spiele?
Der Dalia Lama (immer noch) nicht? Dann brauchen wir aber bei allen wichtigen Sportveranstaltungen ein hochkarätig besetztes Ethik-Komitee (deutscher Idealkandidat: Claudia Roth), das schon vor jeder Vergabe Vetomöglichkeiten haben müsste und dann jedes Land andauernd hinsichtlich Menschenrechte, Pressefreiheit etc. überprüft und abklopft.
Schöne Aussichten für viele Länder in Afrika, Nahen Osten und Asien, die dann den westlichen Standards (weil Vertretern aus den Problemländern fehlt ja der unparteische Blick) genügen müssen. Obwohl dann die Coca-Cola-Spiele in Atlanta auch nicht hätten statt finden dürfen. Das da jetzt von den Chinesen (und dann von den Anderen) wieder eine Art Kultur-und-Werte-Kolonialismus des Westens gesehen wird, mag zwar übertrieben sein, aber zeigt auch die andere Perspektive.
Zu der fatalistischen Berichterstattung über Nowitzkis Verletzung:
Jetzt sieht es so aus, dass er morgen gegen die Warriors schon wieder spielen kann, und die deutschen Medien machen alle ganz überrascht:
Kicker
Hm, das liegt doch eigentlich innerhalb der von Mark Cuban veranschlagten zwei Wochen. Aber wenn man natürlich nicht richtig zuhört und falsch zwischen den Zeilen liest, kommt eben so ein Mist raus wie “Fehlt er auch bei der Olympia-Quali?”…
Nachtrag: Vielleicht an einigen Stellen zu polemisch, aber ich wollte nur darauf hinweisen, wenn Sportveranstaltungen politische Manvöriermasse (abseits der Selbstrepräsentation der Veranstalter) werden, dann bitte auch bis zum Ende durchdenken und verbindliche und transparente Standards möglichst vorher im Konsens setzen, und – da sind sich die meisten doch einig – davon sind IOC und FIFA, um nur mal die beiden bedeutensten zu nennen, noch weit davon entfernt.
Wenn die letzten Jahrzehnte Vergabepraxis von großen Sportwettbewerben nicht komplett an mir vorbeigegangen ist, gibt es bereits hochrangig besetzte Komitees und 1-2 Jahre lang währende Diskussionen um die Beurteilung der Bewerber. Es gibt – siehe WM – recht rigide Anforderungskataloge bis hin zum Entfernen von unerwünschter Sponsorenwerbung innerhalb einer Bannmeile rund um Veranstaltungsorte. Da scheint es mir nicht zu schaden wenn eine Prise Menschenrechte bei der Evaluierung der Bewerbungen mit reingenommen wird. Da braucht es keine Claudia Roth. Die Strukturen sind bereits da.
Menschenrechte sind übrigens keine “westlichen” Standards. Es gibt einen Wertekanon, der sogar von China ratifiziert worden ist. Und spätestens an dem Punkt an dem gerne westliche Sponsorengelder in Empfang genommen werden, darf es dann vom westlichen Wertekanon auch gerne noch etwas mehr sein.
Natürlich sind IOC und FIFA korrupt bis unter die Vorhaut. Aber erstens entbindet das keinen Sportler von seiner individuellen Verpflichtung als Mensch nach Wissen und Gewissen zu agieren (etwas was SPD-Politikern wie Annen und Nahles nicht kennen) und zwotens können gerade solche Ereignisse für die (westl.) Öffentlichkeit einen Hebel darstellen IOC und FIFA zu Änderungen zu bewegen.
Olympia und WM sind inzwischen sowieso derart große Events, dass sie für die meisten Länder der dritten Welt oder Schwellenländer nicht in Frage kommen. Selbst Südafrika pfeift aus dem letzten Loch. Es gibt unterhalb dieser Großereignisse andere Ereignisse, die sich besser an schwarze Schafe wie China oder Russland vergeben lassen. Nicht zuletzt weil sie nicht die moralische Bedeutung von Olympia haben (klar, ist mehr ein Image, sollte aber trotzdem auch Verpflichtung sein).
@ dogfood:
kurze Nachfrage, um den Seitenhieb zu verstehen: Grundsätzliche Abneigung gegen ehemalige JuSo-Vorsitzende oder haben die bzgl Olympia in China irgendeinen Bock geschossen?
@ axel-johan
gleiche frage wollte ich auch gerade reinwerfen….
Vorratsdatenspeicherung. Annen und Nahles gehören zu der Gruppe der 26 SPD-Abgeordneten, die sich in einer Erklärung gegen die Vorratsdatenspeicherung gewandt haben, aber im Bundestag dafür gestimmt haben. Sie haben es mit Fraktionsdisziplin begründet und explizit darauf gesetzt dass die Vorratsdatenspeicherung vom BVG gekippt wird. Sie haben also wider besseres Wissen abgestimmt.
Für mich ist das ein Schlag in die Fresse der parlamentarischen Demokratie wenn bei so einer elementaren Frage Abgeordnete sich nicht ihrem Gewissen sondern der Fraktion verpflichtet fühlen. Annen und Nahles sind daher für mich die Prototypen des rückgratlosen Parteisoldaten.
Gerade solche Mechanismen möchte ich z.B. nicht bei Sportler sehen. Jeder sollte sich fragen: Kann ich es mit mir vereinbaren nach Peking zu fahren? Wenn ja, wie gehe ich mit der dortigen Situation um.
Es geht nicht darum “Deutschland” zu vertreten oder das Interesse von Gruppen die einen Boykott wollen oder keinen Boykott wollen. Keinen “Fraktionszwang” in irgendeine Richtung. Jeder Sportler sollte sich das mit sich selbst ausmachen können.
Ginge es bei der aktuellen China-Tibet-Diskussion ausschließlich um Menschenrechte, hätten die Spiele gar nicht erst in die Volksrepublik vergeben werden dürfen. Die klassischen Freiheitsrechte sind kein relatives sondern ein absolutes Gut! Dieser Aspekt ist sowohl Herrn Bach als auch (mindestens) seinen europäischen Partnern im IOC bekannt gewesen, als sie sich für Peking 2008 entschieden. Die Europäische Menschenrechtskonvention war demzufolge kein Standard für die IOC-Mitglieder des alten Kontinents.
Gleichzeitig dürfte den meisten von uns Langnasen unbekannt sein, welchen Wandel das chinesische Riesenreich im vergangenen Jahrhundert durchlebt hat. Eine feudal-totalitäre Gesellschaft transformiert sich in eine dynamische Volkswirtschaft, die politisch darauf bedacht sein will, die Einheit des Landes zu sichern. Auch wenn ich nicht die fortwährenden Menschenrechtsverletzung in China banalisieren will, von denen andere Ethnien (i.e. die Uiguren) mindestens so stark betroffen sind wie die Tibeter, erscheint mir die pauschale Kritik gegen die Volksrepublik als zu substanzlos. Es werden ja stellenweise, wie gestern die Süddeutsche Zeitung in einem Gespräch mit einem Pekinger Gelehrten konstatieren ließ, von den hiesigen Medien falsche Bildmotive genutzt, um damit die Vorgänge in Tibet zu dokumentieren.
Die gern genutzte Methode des Bashings ist immer dann sinnvoll, wenn es gilt, die mangelnde Würdigung der Menschenrechte anzuprangern! Nur, was macht man mit China, dass eine (sofern ich es richtig verstehe) andere Betonung des Individuums gegenüber der Masse besitzt als es in den europäischen Staaten (mittlerweile) Brauch ist? Im Huntingtonschen Sinne wird der Zusammenprall der Kulturen eh im August in China stattfinden. Und die Nervosität der chinesischen Nomenklatura darüber, findet ihren Widerhall in Tibet und überall dort, wo der klassische Freiheitsgedanke auftaucht. Nicht zuletzt bei den olympischen Spielen selbst!
Gestern gab es im Deutschlandfunk eine Diskussion:
“Sport und Politik – Peking 2008”
mit Ines Geipel, Heidi Schüller, Walther Tröger und Herbert Fischer-Solms
Hier der Link zur Audiodatei:
http://podcast-mp3.dradio.de/podcast/2008/03/31/dlf_20080331_1010_62b78b0b.mp3
ich stelle mir Folgendes vor:
Timo Boll wird Olympiasieger und erscheint mit Tibet-Fahne zur Siegerehrung…
Passend zur Diskussion hier gibt es heute ab 21 Uhr einen “Themenabend Tibet” auf arte mit Doku und anschließender Gesprächsrunde. Mehr Infos auf der Sender-Homepage.
Die FAZ über die gestrige Podiumsdiskussion auf den Mainzer Tagen der Fernsehkritik über Fußballvermarktung, mit Struve, Hoeneß, Börnicke & Co.:
Link
Leider geht der Artikel nur wenig auf Jocics zum Teil arg verwirrten Aussagen ein (die ganze Podiumsdiskussion gab’s gestern auf Phoenix). Und auffällig ist auch, dass in vielen Artikeln die Prüfung der Zentralvermarktung im Mittelpunkt steht, dabei erscheint der Kirch-Vertrag kartellrechtlich weitaus bedenklicher als die Zentralvermarktung an sich.
China ist (wie Rußland auch) in unvorstellbar kurzer Zeit vom Mittelalter in die Neuzeit gepusht worden und hat anerkannte Erfolge, auch im Richtung Lebensstandard der Bevölkerung und Freiheit inklusive Bürgerrechten, vorzuweisen. Man muß nur mit der Vergangenheit und nicht mit Illusionen aus Ländern mit ganz anderer Geschichte vergleichen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß die aktuelle chinesische Gesellschaft (wie übrigens die russische auch) mit unserer Form der Demokratie funktionieren und sich weiter fortentwickeln könnte. China ist ein ernster Konkurrent auf dem Weltmarkt geworden, und wo man die treten kann, tut man es. Ich halte das für verlogen (denn dort, wo man China braucht und mit ihm Geld verdient, wird niemand boykottieren…)
Zu Tibet konkret. Chinesen sind mentalitätsbedingt deutlich fleißiger und tüchtiger als manches andere Volk (u. a. die Tibeter). Womit sich in Tibet Chinesen in Wirtschaft und Handel breitmachen und durchsetzen. Das hat weniger mit gezielter chinesischer Diskriminierungspolitik gegenüber den Tibetern, sondern vor allem mit genau diesen Faktoren zu tun. Etwas dagegen tun muß die chinesische Führung trotzdem. Ich vermute mal, das wissen die auch.
Für mich wäre ein Olympiaboykott eine Heuchelei sondergleichen, würde die Verhältnisse in China und Tibet nicht ändern und vor allem dem Sport und den Sportlern schaden.
Oi, ein Volk ist einfach tüchtiger als ein anderes. Hui. Hat man über die Juden glaub ich auch mal gesagt.
Das Argument, dass die Gesellschaft einen schnellen Wandel hinter sich hat und man deshalb vorsichtig sein solle ist verlogen.
Wir reden über absolute Werte, über Menschenrechte. Das ist keine Frage der Umstände, das ist eine rein normative Frage.
Menschenrechte gelten nicht nur dann, wenn man es sich leisten kann.
Erzähl mir nicht man braucht 50 Jahre Vorlauf (welcher Art überhaupt?) um Menschenrechte zu achten. Schau dir den Umbruch 1945 in Deutschland an. Wo war da der Umbruch?
Auch in Russland, mit einem überstarken präsidentiellen System können Menschenrechte geachtet werden. Auch an Diktaturen in anderen Ländern kann man den Anspruch auf Menschenrechte stellen.
Einem solchen System einen Freifahrtschein bei Menschenrechten auszustellen, nur weil sie nicht demokratisch sind… da beißt sich die Katze in den Schwanz.
heute 22.15 Uhr auf PHOENIX:
China und der Westen – Geschäfte statt Menschenrechte?
u.a. mit der Fechterin Imke Duplitzer
http://www.phoenix.de/phoenix_runde/2008/04/01/0/177682.1.htm
weitere Sendetermine:
Do, 03.04.08, 00.00 Uhr
Do, 03.04.08, 09.15 Uhr
@noregret:
dass die chinesen in tibet bessere geschäfte machen als tibeter selber könnte aber auch daran liegen, dass die chinesen dort vielmehr freiheiten haben überhaupt business zu betrieben. meines wissen sind die tibeter da nämlich arg eingeschränkt und die chinesen bekommen viele vergünstigungen (steuern etc.).
“Chinesen sind mentalitätsbedingt deutlich fleißiger und tüchtiger als manches andere Volk (u. a. die Tibeter”)
Oha, so etwas ist natürlich immer eine gewagte Aussage und damit lehnst Du Dich aber sehr weit aus dem Fenster. Vor allem in dieser algemein gültig gehaltenen Form a l a”die Chinesen” bzw. die Tibeter”
“Womit sich in Tibet Chinesen in Wirtschaft und Handel breitmachen und durchsetzen. Das hat weniger mit gezielter chinesischer Diskriminierungspolitik gegenüber den Tibetern, sondern vor allem mit genau diesen Faktoren zu tun”
Und DAS widerspricht eigentlich allem ,was man sonst in den Medien (auch “Qualitätsmedien”) zu diesem Thema findet und fällt mir sehr schwer zu glauben, auch wenn ich nicht behaupte, hier über größeres Hintergrundwissen zu verfügen.
Was mir aber auch etwas sauer aufgestoßen war, ist der erste Bericht zum Thema im “aktuellen Sport-Studio” vor zweieinhalb Wochen. Dort diskutierte WD Poschmann mit Thomas Bach, gezeigt wurden Bilder von tibetischen Steineschmeißern und Randalierern und von der Art der chinesischen Reaktion war noch gar Nichts weiter bekannt, es wurde halt nur Entsprechendes befürchtet..
Trotzdem wurde dort von Poschmann geradezu reflexartig der “Boykott” ins Spiel gebracht und die Frage gestellt, ob man China so was denn durch gehen lassen dürfe- wohlgemerkt zu Bildern von ausschließlich von Tibetern begangenen Gewalttaten.
Das war für mich jedenfalls kein seriöser Journalismus, ganz unabhängig davon, dass China in den folgenden Tagen dann die Vorhaltungen doch noch zum größten Teil bestätigte.
Ach ja: Töppi ist nicht mehr Georgiens Trainer. Dort ist man enttäuscht, dass man sich in der EM-Quali nicht gegen Frankriech, Italien und Schottland durchgesetzt hat.
Und Mosley hat seine Ausschweifungen zugegeben, will aber offenbar Fia-Präses bleiben
http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,544610,00.html
Re: Toppmöller
Toppmöller hat sich in den letzten Tagen sehr laut über ausstehende Zahlungen (ich glaub sogar seit letzten Herbst) beklagt. Bin nicht sicher, aber vor paar tagen war sogar von einer Klage die Rede.
Zudem hatte Toppmöller sich beschwert dass der Verband das Freundschaftsspiel in Wales so schlecht vorbereitet hatte, dass ein Drittel der Spieler mangels Visum nicht mitfahren konnte.
TV-Tipp!
Quergefragt im SWR am Mittwoch, 02.04.2008, 20.15 bis 21.00 Uhr
Brutale Gewalt in China: Müssen wir Olympia boykottieren?
* Gernot Erler
SPD, Staatsminister im Auswärtigen Amt
* Claudia Roth
Bündnis 90/ Die Grünen, Parteichefin
* Heidi Schüller
ehemalige Olympia-Teilnehmerin (München 1972) und Kritikerin der Sommerspiele in China)
* Yangzom Brauen
Hollywood-Schauspielerin und Tibet-Aktivistin
* Christian Reif
deutscher Meister im Weitsprung und Mitglied im Team-Kader Peking
http://www.swr.de/quergefragt/-/id=233198/nid=233198/did=3193978/15og5f1/index.html
Äh, bitte? Hat das IOC nach Coubertin dieses Image jemals gehabt? Also jetzt außerhalb eigener Behauptungen?
Aber danke für die Annen/ Nahles. Hatte ich doch tatsächlich schon wieder verdrängt. Unfassbar, wie sehr man sich an die Aushöhlung der parlamentarischen Demokratie und das faktische imperative Mandat schon so gewöhnt hat.
Mosley @Frankfurter Löwe: Interessant – Außerdem hatte Ecclestone von einer juristischen Auseinandersetzung abgeraten: “Wenn er klagt, sind seine Chancen zu gewinnen nur gering”.
Was weiß Bernie, was wir nicht wissen (und warum will er dann auf keinen Fall, daß er zurücktritt)? M.E. gibt es doch nur diese Möglichkeiten:
– Auf dem Video ist gar nicht Mosley (bisher hat er ja wohl nur nicht dementiert). Dann würde er gewinnen
– Er ist es, aber das ganze fällt unter “Privatsache”, weil es zwar extrem strange ist, aber seine Amtsführung nicht beeinflusst und auch bei näherer Betrachtung keine für die öffentlichkeit interessante Information enthält. Dann würde er wohl gewinnen.
– Wir lernen, daß der Sohn des Führers der britischen faschistischen Partei in seiner Freizeit gerne mit Prostituierten kleine KZ oder von mir aus Wolfsschanzen nachstellt (hat sich da jetzt eigentlich endlich jemand in die Urinpresse eingelesen?). Dann würde er wohl verlieren.
Hmm, evtl solte ich meinen Standpunkt von vorgestern nochmal überdenken. Andererseits würde ich so gerne auch mal Recht behalten, wen ich mit Kai verschiedener Meinung bin.
Der ehemalige UNO-Sonderbotschafter für Sport, Adolf Ogi nimmt IOC-Präsident Rogge in die Pflicht bringt für eine Lösung des Tibet-Konflikts mögliche Mediatoren ins Spiel:
“Ich denke an Leute wie Kofi Annan, Toni Blair oder Nelson Mandela. Es braucht Persönlichkeiten, Weltautoritäten, die über entsprechende Sensibilität und politische Erfahrung verfügen.”
http://www.zisch.ch/navigation/top_main_nav/nachrichten/national/detail.htm?client_request_className=NewsItem&client_request_contentOID=272992