Zeilensport: Die Transparenz der Korruption?
Am Dienstag begann im schweizerischen Zug ein Prozeß gegen ehemalige Manager der Sportrechteagentur ISL/ISMM. Dabei geht es um Bestechung bzw. Korruption: Hat die Agentur Sportfunktionäre geschmiert um an Vermarktungs- und Fernsehrechte zu kommen? Die Rede ist von 138 Millionen Franken binnen 12 Jahre.
Juristisch gesehen dreht sich die Anklage des Betrugs und der Veruntreuung darum, ob Schmiergelder noch zu einem Zeitpunkt gezahlt wurden, wo die Sportrechteagentur eigentlich schon pleite war und ob Gelder die z.B. von TV-Anstalten für Sportrechte an die Agentur gezahlt wurden, für eigene Zwecke umgeleitet worden sind.
Für die Öffentlichkeit interessanter dürfte es sein, welche Sportfunktionäre Empfänger der Schmiergelder der ISL/ISMM waren. Wenn die Kundenliste der ISL/ISMM einigermaßen repräsentativ für die Empfänger der Schmiergelder wäre, dann Holla Waldmarie: FIFA, IOC, IAAF, FIBA, FINA, ATP.
Es sind die handelsüblichen Verdächtigen von denen man schon immer irgendwie geahnt hat, dass es da nicht koscher zugeht, aber ein Verurteilung vor einem Schweizer Gericht oder die namentliche Erwähnung in einem Protokoll oder Zeugenaussage, hätte selbst für Teflonfunktionäre vom Schlage eines Sepp Blatters eine neue Qualität. Es gehört zum Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet die FIFA selbst diesen Prozeß losgetreten hat, als man Anzeige wegen Veruntreuung stellte, weil Zahlungen des brasilianischen TV-Senders TV Globo irgendwo zwischen Brasilien und FIFA verschütt gingen. Als die FIFA die Anzeige 2004 zurückzog, war es schon zu spät. Die Staatsanwaltschaft ermittelte bereits.
Hier mein kleiner Rundgang durch die Berichterstattung zu diesem Prozeß. Eine Berichterstattung bei der man sehr schön auch eine Linie zwischen den normalen Medien und den “Qualitätsmedien” ziehen kann. Der KICKER fand jedenfalls auf seiner Website noch kein Wort zum Prozeß.
Beginnen möchte ich mit einer Rückblende zum Jahr 2002, als Jens Weinreich auf der Sport-Konferenz “Play The Game” einen Vortrag zum Thema ISL/ISMM hielt. Dies war knapp ein Jahr nachdem die Börsenkrise die ISL/ISMM zusammenkrachen ließ. Weinreichs Vortrag eignet sich gut als Sprungbrett um in die Materie einzutauen.
Sechs Jahre später ist Jens Weinreich als freier Sportjournalist u.a. für den SPIEGEL in Zug vor Ort um den Prozeß zu beachten. Vor zwei Wochen war er schon mal kurz im mondänen Zug und zu Beginn der Woche groovte er sich in seinem Blog auf den Prozeß ein, mit einem komplexen Diagramm dass dem Schwiegersohn von FIFA-Opa Joao Havelange Ricardo Terra Texeira derzeit von einer brasilianischen Untersuchungskommission um die Ohren gehauen wird und komplexe Geldflüsse zeigt.
Nach zwei Tagen fasst Jens Weinrich den Prozeß schlagwortartig bei sich zusammen oder in Reinform bei SPIEGELonline: “Funktionäre unter Korruptionsverdacht“.
Thomas Kistner in der SZ “Am Ende verästelter Geldflüsse”
Wolfgang Hettfleisch in der FR “Blatters offene Flanke”
Le Monde am Montag vor Beginn des Prozeß und vom ersten Prozeßtag.
Das Schweizer Fernsehen hatte heute vormittag in einem Magazin ebenfalls einen längeren Beitrag, aber aus Gründen des “Persönlichkeitsrechts” wurde der Beitrag nicht online gestellt. Im TV ausgestrahlt ja, online nein.
Nimmt man quer durch die Zeitungsartikel die Grundstimmung auf, wird offensichtlich alles vom Material der Staatsanwaltschaft abhängen, wieviel aufgedeckt wird. Die sechs Angeklagten scheinen nicht den “brutalstmöglichen Aufklärer” geben zu wollen und berufen sich vorallem darauf, dass “Provisionen” und “Honorare” seit anno dazumals Gang und Gäbe gewesen wären. Es könnte noch nicht einmal mit einem blauen Auge für Blatter enden.
Vielleicht “to be continued”
Reaktionen
Ebendiese SF-Rundschau wird Sonntag um 19:10 auch nochmal auf 3sat ausgestrahlt. Falls nichts dazwischenkommt…