Sportjournalismus-Konferenz: Tag 2
[Andere Blogeinträge: der erste Tag, Vor- und Nachbetrachtungen]
Der zweite Tag, Vormittag
…begann mit meiner Verblüffung das im Hotel am Frühstückstisch die schwarze Kanne nicht heißes Wasser enthielt, sondern Kaffee. Das half dann aber dem Teekännchen und der Assam-Mischung auch nicht sehr viel weiter, da ich sie längst in Kaffee ertränkt hatte. Gut, es war frühmorgens und die Peinlichkeit fiel nicht weiter auf.
Das Hotel Tryp war besser als es der unangenehm an eine Geschlechtskrankheit erinnernde Name ahnen ließ. Ich hatte es bereits in einem anderen Blogeintrag erwähnt: das Hotel liegt am Rande des Universitäts- bzw. Technologie-Park-Gelände Dortmunds, umgeben von diversen Äckern, die Autobahn im Rücken und eine Zufahrtsstraße vor der Nase. Ich habe in meinem Bett ruhig geschlafen. Leider auch hier die üblichen Unsitten: es wird immer noch so getan als wäre ein Internetanschluß ein schwer zu refinanzierendes Gut. Ein Fernseher mit Kabelanschluß und nur 16 Programmen, von denen fünf Programme an schwere Ton- und Bildstörungen litten und natürlich ein Pay-TV-Programm für 13,50 EUR das keiner gucken will, weil es z.B. kein PREMIERE mit aktuellem Sport hat, sondern gefilmte Wichsvorlagen besitzt. Der spanische Eigentümer der Hotelkette führt bizarrerweise dazu, dass spanische Magazine ausliegen und TVE ins Hotel-TV eingespeist wurden.
So unerfreulich dies war, das Frühstücksbüffet war schlichtweg das geilste was ich bislang in einem Hotel vorgefunden hatte. Umfangreich, vielfältig, frisch. Oder um es mit dem gemeinen Sportjournalisten zu sagen: großes Tennis. Apropos Sportjournalist.
Die erste Session des Tages war anfangs eine sehr theoretische, abstrakte Veranstaltung: “Kann es eine Ethik im Sportjournalismus geben” und “Sportwissenschaft als Erkenntnisquelle für Sportjournalismus“.
Den ersten Vortrag hielt Professor Dr. Claus Eurich aus dem eigenen Hause. Schwarze Hose, schwarzer Rollkragenpulli, schwarze Jacke. Der Blick permanent in die Ferne gerichtet. Sehr langsam sprechend, aber mit sehr bestimmter Stimme. Es sah so aus als würde Klaus Kinski in einem Edgar-Wallace-Film einen Existenzialisten spielen.
Professor Eurich redete aus einer sehr abgehobenen und sehr kulturwissenschaftlichen Warte. Sowas kennt man von seinem Studium. Die Äußerlichkeiten machen es leicht ihn als Witzfigur mit wenig Realitätsbezug abzustempeln, aber wenn man sich die Mühe machte, sich durch die Terminologie durchzubeißen und reinzuarbeiten (“über den Kampf ins Spiel finden“), gab es interessante Definitionen als Steilvorlage für das eigene Hirn um zu ergründen ob man diese Definitionen übernehmen will oder wenn nicht, warum man sie nicht übernehmen will.
Er bezeichnete den Sportjournalismus als die schwierigste Disziplin des Journalismus, da nur in diesem Feld neben den klassischen journalistischen Tugenden auch der Aspekt der Unterhaltung vom Publikum verlangt wird. Es gibt kein Feld dessen journalistischen Produkte letztendlich soviel Emotionen auslösen, wie im Sportjournalismus.
Für angehende Journalisten kommen hier einige von Prof. Eurich in die Runde geworfene Begriffe: Unbedingte Achtsamkeit und In-Frage-Stellen der Routine, Empathie, Wahrhaftigkeit, Richtigkeit, Kontextualität, Vollständigkeit und Ambiguitätstoleranz (ein Wort das alleine schon aus ästhetischen Gründen demnächst Einzug in meine Kostenvoranschläge halten wird). Schließlich: der Geist des Nicht-Verletzen-Wollen.
An dem Punkt des “Nicht-Verletzen-Wollen” setzten bei mir Zweifel ein, inwieweit hier nicht eine reine Lehre vertreten wurde, die nicht immer praxisnah ist. Würde dabei nicht immer eine weichgespülte Form des Journalismuses herauskommen, der keine Wirkung hinterläßt, weil es für betroffene Personen ein Leichtes ist, Vorwürfe abzuwehren? Schafft nicht mitunter erst eine Bissigkeit und Lautstärke eine benötigte Aufmerksamkeit?
Es gab dann einen Vortrag von Prof. Dr. Jörg Thiele über das Verhältnis zwischen Sportwissenschaft und Sportjournalismus, aus Sicht der Sportwissenschaft. Es ist bezeichnend dass ich mir nichts aufgeschrieben habe und mir auch sonst vom Vortrag nicht sehr viel hängen geblieben ist. Der Vortrag wirkte seltsam unfokussiert.
Interessant wurde es im dritten Part mit Jens Weinreich, “Sportchef” der Berliner Zeitung und Mitveranstalter (in seiner Funktion als Sportnetzwerk-Führungsmitglied). Er startete die Motorsäge und legte los. Es gab grob gesagt, zwei Ziele. Die Sportwissenschaft an und für sich habe versagt. Sie habe es nicht geschafft wichtige Themenfelder zu besetzen und habe sich durch die Nähe zu den Sportverbänden korrumpieren lassen. Wenn sportwissenschaftlicher Input kommt, dann zu großen Teilen von Seiteneinsteigern die wie z.B. Prof. Werner Franke aus der Naturwissenschaft (Biologie) oder aus der Soziologie kommen.
Jens Weinreich zeigte anhand eines Fallbeispiels das Ausmaß der Verrottung. Für die Bewerbung Berlins als Olympischer Austragungsort wurde ein Sportwissenschaftler angeheuert, der seine Fühler zum IOC ausstreckte um die Lage zu sondieren. Harmlos ausgedrückt. Jener Sportwissenschaftler trat in seinen Berichten an das NOK nicht mit offenem Visier auf, sondern unterzeichnete nur mit dem Decknamen “Astrid”, was die Subversivität der Aktion schon andeutet. Die Berichte die unter der Ägide von Marketingchef Nikolaus Fuchs erstellt wurden, waren teils banal, teils Persönlichkeitsprofile von IOC-Mitgliedern wie z.B. “Der Ehemann würde sich sehr über eine Professurstelle freuen” oder – man fasst es nicht – “Hat spezielle Neigungen” (siehe auch [1], [2]).
Der Vortrag von Jens Weinreich war gespickt mit Spitzen der Güteklasse “den Namen des Professors kann ich nicht nennen”, worauf hin versehentlich für einige Sekunden ein nicht-geschwärztes Dokument zu sehen war. Bei der Gelegenheit wurden auch der im Publikum sitzende Priv.-Doz. Dr. Michael Schaffrath von der TU München (Sport, Medien, kommunikation) gegrüßt.
Anscheinend hat es am Freitag bereits gewisse Kabbeleien zwischen den beiden gegeben [Man beachte den Kommentar von Jens Weinreich]. Michael Schaffrath ließ die die “Grüße” nicht unbeantwortet und stand bei der offenen Fragerunde als erstes auf, um den Prof. Eurich zu fragen, wie denn Verdachtsjournalismus unter ethischen Gesichtspunkten zu beurteilen wäre. Die Verurteilung von Verdachtsjournalismus durch Prof. Eurich war offensichtlich die exakt gewünschte Antwort für Herrn Schaffrath, der triumphierend in den Zuschauerkreis blickte und die Runde gegen Jens Weinreich für gewonnen wähnte.
Verdachtsjournalismus sei deswegen zu verurteilen, weil Anklagen gegen Menschen auch nur dann zu erheben sei, wenn man quasi gerichtsfeste Beweise hätte. Doch das was da als so fester Standpunkt von Prof. Eurich erschien, wurde durch eine Nachfrage eines dänischen Journalisten pulverisiert.
Was soll er denn als Journalist machen: es gäbe immer wieder die Fälle, wo man alle Indizien beisammen habe, die auf einen Doper hindeuten: ein verseuchter Sport, ein unsauberes Umfeld von Betreuern und Trainern und auffällige Leistungssteigerung. Er sei sich anhand dieser Indizien zu 99,9% sicher es mit eine Doper zu tun zu haben, aber es fehlt ihm das letzte Puzzleteil um es dann auch juristisch wasserdicht zu haben. Den Zuschauer über so einen Verdacht nicht zu informieren, käme ebenfalls einem Betrug am Zuschauer gleich, wäre ebenfalls nicht wahrhaft und nicht richtig.
Es war famoses Theater wie sich Prof. Eurich auf einmal um eine Antwort wand, das Mikrophon erst einmal an seinen Kollegen Jörg Thiele reichte, der sich nicht so richtig zuständig fühlen wollte und daher wieder an Eurich gab. Alleine diese Momente lieferten den Beweis für die These von Jens Weinreich, dass die (Sport)Wissenschaft versagt habe. Nach vielen Sekunden in denen Prof. Eurich unruhig hin- und herrutschte und nach einem Ansatz suchte, lenkte ein: er lebt in einem radsportbegeisterten Umfeld und man habe deshalb einfach mal über Jahre hinweg Photos von Lance Armstrong gesammelt. Dabei ist die körperliche Veränderung von Lance Armstrong so frappierend gewesen, dass ihm das Doping förmlich auf dem Leib geschrieben steht. Das wäre ein legitimer Verdacht, der dann auch in dieser Form den Zuschauer vermittelt werden kann: “schaut euch die Photos an und bildet euch selber die Meinung ob er gedopt hat“. Womit nicht mehr oder weniger als eine Form des Verdachtsjournalismus vom Professor dann doch sanktioniert wurde.
Der zweite Tag, mittags
“Wie man Wirklichkeit und Funktionärswirklichkeit unterscheidet” mit Thomas Hahn von der SZ. Nein, dabei ging es nicht darum, Werkzeuge an die Hand zu bekommen, wie man Funktionärsvorstellungen entlarvt, sondern um ein Fallbeispiel das Thomas Hahn im letzten Herbst selber erlebte.
Doch zuerst zum Rahmen. Nicht zuletzt weil Michael Schaffrath im Raum war. Auch wenn er sich nicht verbal am Workshop beteiligte, so war schon sein Mimenspiel und seine Körperhaltung spektakulär genug. Er war wie ein Seminaraufseher, der insgeheim den Referenten beurteilte. Affirmativ oder negierend. Verschränkte Arme, Brust raus. Mund verzogen oder den Oberkörper nach vorne gelegt und auf dem Boden gestarrt. Kopf in den Nacken gelegt und an die Decke gestarrt. Immer wieder den linken Jackenärmel hochgeschoben und die Arme neu verschränkt. Die Stirn in Falten gelegt um Zweifel kundzutun. Alles schön im Blickfeld der meisten Anwesenden, da er aufgrund des vollen Raumes kanpp einen Meter schräg hinter Thomas Hahn stand.
Das Fallbeispiel das Thomas Hahn vortrug, war die des DSV-Präsidenten Alfons Hörmann, der die TV-Verträge des DSVs mehr oder weniger gegen die Wand fuhr. In der Kurzfassung mit den Worten von Thomas Hahn himself aus einem älteren Artikel:
Eine neue Ära ist angebrochen bei der Vierschanzentournee, die Ära nach Rekordreichtum, RTL-Show und Skisprung-Boom, und der Übergang ist keineswegs schmerzfrei gewesen. Denn auch die Tournee ist in diesem Herbst ein Opfer der DSV-Rechte-Politik gewesen und dadurch im Herbst so arg in Verzug geraten wie noch nie im Marketingzeitalter. Das Bestehen hat sie das nicht gekostet, aber ihr Probleme bereitet, die sie noch geraume Zeit begleiten dürfte. Weil der DSV ein Vorkaufsrecht des bisherigen Skisprungsenders RTL übergangen und seine Rechte teuer an die Agentur Infront verkauft hatte, war lange die Frage nicht geklärt, wo und ob überhaupt die Tournee im Fernsehen gesendet würde. Die Organisation stockte, die Budgets der Vereine waren in Gefahr und die Sponsoren sprangen ab, weil sie nicht sicher sein konnten, über die Tournee ein Massenpublikum zu erreichen. Erst im November folgten die Einigung des DSV mit RTL um den Preis einer Abfindung und der Einstieg des öffentlich-rechtlichen Fernsehens […]
Die prunkvolle, 14,5 Millionen Euro teure Olympiaschanze [in Garmisch], die offizielle Zufriedenheit der Funktionäre, die Fernsehzeiten bei ARD/ZDF, die Show, die weitergeht, und die letztlich geglückte Vermarktung bedeuten nicht, dass die Tournee nicht Schaden genommen hat in den Herbststürmen beim DSV. Matthias Pietza wäre der Letzte, der die jüngsten IMG-Geschäfte nicht als Errungenschaft sähe, allerdings haben die späten Verhandlungstermine viel Geld gekostet. Die Unternehmen wollten Argumente hören, warum sie ihre Marketing-Budgets doch noch einmal öffnen sollten für die Tournee. “Das nützt der Markt aus”, sagt Pietza und spricht von “Preisnachlässen im mittleren zweistelligen Prozentbereich”. Längst ist die Agentur deshalb auf ihren Vertragspartner DSV zugegangen, um über die Marktbedingungen zu sprechen. “Durch die negative Berichterstattung ist die Werthaltigkeit der kommerziellen Werberechte der Tournee reduziert”, sagt Pietza und vermeldet eine “partnerschaftliche” Einigung mit dem Skiverband. “Der Vertrag ist angepasst worden”, sagt Pietza. Wie teuer das den DSV kommt, sagt er nicht.
Beeindruckend an dem Vortrag war die Durchdeklinierung der Konsequenzen, ausgehend von den problematischen TV-Rechte-Verhandlungen Hörmanns. Sie zeichneten ein Bild, dass ich in dieser Gesamtheit zu diesem Sujet bislang noch nicht kannte.
Der rote Faden für Thomas Hahn war das Verhalten von Alfons Hörmann auf eine Interviewanfrage von ihm im Oktober. Hahn hatte die entsprechenden Fragen – 15 Stück – an einem Montag geschickt, mit expliziten Hinweis auf die Deadline am Freitag nachmittag. Am Mittwoch gab es ein Telefonat zur Erinnerung und am Freitag nochmals ein kurzes Telefonat mit der Pressestelle. Doch die eMail traf erst um 16h02 ein, also 33 Minuten vor Redaktionsschluß. Dies und die Art und Weise wie die Fragen (nicht) beantwortet wurden, waren auch im Detail entlarvend. Die Diskrepanz zwischen der gefühlten Funktionärswirklichkeit und dem wahren Status Quo traten dadurch deutlich zum Vorschein. Ein selbstsicherer DSV-Präsident der sich in einer starken Position verhält sich anders.
Am Ende wurde “technische” Fragen diskutiert, z.B. über Autorisierung von Interviews und Vor- und Nachteile von Interviews per eMail. Ich weiß gar nicht wie es dazu kam, aber zum Abschluß wurde dann nochmal der “Nebenkriegsschauplatz” “Doping Task-Force” aufgemacht. Es war vermutlich auch wieder eine Konsequenz des Auftrittes von Elmar Theveßen den ich bezüglich der Selbstbeweihräucherung der eigenen “Doping Task Force” (alleine der Name! Sic!) peinlich und für dieses Publikum unangemessen fand.
Während ich aber einen Sinn sehe, so eine Gruppe teilweise außerhalb der normalen Sportredaktion anzusiedeln und mit Expertise anzureichern, vertrat Thomas Hahn die Gegenposition: Doping und Sport seien so miteinander verwoben dass Doping von der Sportredaktion bearbeitet werden muss. Die nötige Expertise müssen sich Journalisten eben aneignen, ähnlich wie auch ein Freddie Röckenhaus beim BVB-Skandal mit einer sehr finanzlastigen Materie klar kam.
Der zweite Tag, Nachmittag
“Information, Unterhaltung und Infotainment im TV-Sport” war ein Vortrag über eine zwei Jahre alte Diplomarbeit. Was sich wie ein großes Thema anhört, entpuppte sich als bloße Auswertung von acht Skisprung-Wettbewerben 2005, die auf ARD, ZDF und RTL übertragen wurden. Ohne die dahintersteckende Arbeit abwerten zu wollen, so waren bis auf zwei Details die Erkenntnisse so banal, dass ich sie auch vorher schon auf ein Butterbrotpapier hätte schreiben können: RTL habe am massivsten die Möglichkeit zur Crosspromotion benützt und am meisten Vor- und Nachlauf gehabt um Werbezeiten zu füllen. Die beiden überraschenderen Details: das ZDF war in Sachen “Boulevardisierung” auf halber Strecke zwischen ARD und RTL, was man an der Aufarbeitung der Springen in den Nachrichtensendungen, aber auch an der Machart der Moderation festmachen konnte. RTL überraschte wiederum weil es der Sender war, der in seinen Reportagestücken die wenigste Musik von den drei Sendern benutzte.
Ich fand die Erkenntnisse u.a. deswegen so enttäuschend. weil natürlich das Studium von 8 Fernsehübertragungen keine allzu breite Basis ist. Was für ein Erkenntnisgewinn soll das sein, dass die ARD noch die sachlichsten Vorberichte hatte, wenn man gleichzeitig im Hinterkopf hat, dass der gleiche Sender beim Boxen im Vorlauf schlichtweg Amok läuft.
In der Diskussion ergaben sich aber andere interessante Details. So z.B. die felsenfeste Überzeugung von Erik Eggers(*), dass der Ausgang der Handball-WM mit Deutschland als Weltmeister, sehr stark von wirtschaftlichen Interessen des Handball-Weltverbandes geleitet war. Die Leistungen der Schiedsrichter im Viertel- und Halbfinale sei so verblüffend schlecht gewesen, dass es Spekulationen gibt, dass das finanziell potenteste Verbandsmitglied einfach Weltmeister werden sollte. (*: man beachte die Ergänzung von Erik Eggers in den Kommentaren)
Aufgehängt an die These das RTL inzwischen damit gescheitert ist, aus Skispringen eine “Formel 1 des Winters” zu machen, wurde auch andiskutiert ob und wie man andere Sportarten hochjazzen kann. Handball ist zum Beispiel in diffizilles Thema. Die ARD versucht derzeit langen Atem zu zeigen und “Liga 1” – das Handballmagazin – als möglichen Nachfolger für eine Fußballlose Sportschau zu positionieren. SPIEGEL Online hat seinerzeit versucht Handball zu featuren, z.B. durch intensive Vorberichterstattung. Die Klickzahlen waren aber so enttäuschend, das man es wieder aufgegeben hat.
Als letzte Runde des Tages kam schließlich das Triumvirat der Blogger dran: Oliver Fritsch, meine Wenigkeit und abschließend Jürgen Kalwa. Dafür dass ich meinen Vortrag zuvor nur zweimal in Gänze durchlaufen hatte, war ich recht happy wie flüssig der Vortrag lief.
Ich muss mal gucken wie und was ich veröffentliche. Ich habe in der Präsentation auch Bildmaterial verwendet, dessen Bildrechte ich noch nicht abgeklärt habe.
Ich habe mich mit dem Internet als Instrument für die Medien zum Erreichen des Lesers/Users/Zuschauer und den Unterschieden zwischen Deutschland und dem angelsächsischen Raum beschäftigt.
Die Kurzfassung: wir sind inzwischen permanent vom Internet umgeben und der User hat ein umfassendes Angebot aus dem er auch gewissen Ansprüche an die Medien ableitet: warum soll Medium XYZ gelesen werden? Medien brauchen klare Profile, eine Verfügbarkeit über diverse technische Kanäle und einer Empathie für den User, damit er sich für vollgenommen wähnt. Die Medien bewegen sich weg von einer “Leuchturm-Funktion” zu einem klassischen Kunden-Dienstleisterverhältnis.
Was an originärem Content
übrig bleibt.
Links: SZ, rechts: Guardian
Ich habe exemplarisch am Beispiel des Guardians gezeigt, wie so eine Öffnung und Profilierung gen Leser/User aussehen kann. Als Negativbeispiel habe ich die Süddeutsche herangezogen (nicht zuletzt weil ich dort die Diskrepanz zwischen qualitativ hochwertigen Journalisten & Zeitungsartikeln und Webauftritt für den größten in Deutschland halte). Anhand eines Screenshots der Homepage für Sport vom Donnerstagabend demonstrierte ich, dass die Seite abzüglich Navigation, Werbung, Bildgalerien und Agenturmaterial nur aus 20% originären Inhalt bestand (gemessen an der Fläche auf dem Screen) mit 14 Links zu Artikeln über 4 Sportarten.
Anhand der BBC, New York Times und ESPN habe ich weitere Möglichkeiten aufgezeigt, wie die Medien das Internet zur Leserbindung nutzen und Blogs und Blogger aufkaufen (TrueHoop, Jayski, Brian Stelter). Es gab Zitate von Führungspersonal der NY Times und des Guardians die deren Einstellung zum Internet verdeutlichen. Guardians Georgina Henry bei der Eröffnung von “Comment is free”
Why are we launching it now? Because it’s obvious to us that our major competition for opinion and debate is moving online, and unless we move with it, we’re failing our journalists and future generations of readers. We need to expand and deepen the debate which takes place every day in our newspapers and for which we have an unrivalled reputation.
Dem habe ich den berüchtigten Artikel vom SZ-Kulturchef Bernd Graff gegenübergestellt, bei dem sich schon der Extrakt über Blogger genüßlich liest:
[…] Oft anonym […] von keiner Sachkenntnis getrübt […] pöbeln nach Gutsherrenart […] getrieben von der Lust an Entrüstung.
[Wir] müssen uns die Kräfte des freien Meinungsmarktes als äußerst destruktiv vorstellen.
Inquisitoren in eigener Sache […] Querulanten […] Leute mit seltsamen Präferenzen […] Freizeitaktivisten mit ein bisschen Schaum vor dem Mund.
Ich mache ein Grundproblem daran fest, dass es an der Kompetenz zur Bildung und Führung von Communities fehlt. Welt.de oder Sueddeutsche.de haben letztendlich schlagartig die Schleusen geöffnet und Kommentare in ihre Artikel eingebunden, während der Guardian sich vorsichtig herangetraut hat, im Laufe der Zeit eine Comments Policy entwickelt und mit Post-Moderation (also: Moderation nach Aufschlagen des Kommentars) ein sehr akzeptables Niveau innerhalb seiner Blogs erreicht hat. Die SZ fühlte sich überfordert und macht nun jeden Abend und am Wochenende die Lampen aus.
Diese mangelnde Expertise in deutschen Medienhäusern ist umso bedauerlicher, weil man sich im angelsächsischen Bereich seit Anbeginn mit dieser Problematik beschäftigte (z.B. im 2001 erschienenen Buch “Design for Community”) und verschiedene Formen der Moderationen probiert.
Am Tisch war als Gast auch Clemens Gerlach von SPIEGEL Online dabei, der in Sachen Bildgalerien (die ich an der SZ kritisierte) und verlinkte eMail-Adressen der Autoren (SPIEGEL: generische Adresse an die Redaktion, Guardian: autorenspezifische eMail-Adresse und andere Ansprache) um Differenzierung bat. Es gäbe sinnvolle Bildgalerien (stimmt, es gab eine schöne Bildgalerie zu den Sportfotos des Jahres) und würde auch Sinn machen generische eMail-Adressen anzugeben, weil dahinter eine permanent anwesende Redaktion stecken würde, die Anfragen ASAP beantworten bzw. weiterleiten könne.
Oliver Fritsch spießte sprachliche und inhaltliche Unsauberheiten in der Qualitätspresse auf (bei solchen Vorträgen rutsche ich immer unruhig auf dem Stuhl hin und her, weil ich mich als Steineschmeißer im Glashaus fühle) und Jürgen Kalwa zog Parallelen zwischen Blogs und den Anfangszeiten seiner Journalisten-Laufbahn in dem damals noch neuen Medium “Stadtmagazine” und forderte die anwesenden Journalisten auf, sich für Blogs als neue Form zu öffnen und dies selber mal auszuprobieren.
Es gab anschließend eine Diskussion in der sich vorallem ein Journalist der Westfälischen Rundschau hervortat (ich hoffe ich habe mich richtig erinnert), der in einer längeren Ausführung fünf Punkte von seinem Notizblock abhakte.
Ein Einwand des Journalisten war die avisierte Zielgruppe. Als die WR vor kurzem eine Telefonaktion zum Thema Borussia Dortmund führte, war der jüngste Anrufer 54 Jahre alt. Repeat: der jüngste Anrufer bei einer Telefonaktion zum lokalen Bundesligaverein war 54 Jahre alt. Seine Schlußfolgerungen: das junge Publikum ist derzeit nicht an Zeitungen heranzuführen und daher müsse man warten bis diese sich in einem Alter befinden, wo sie sich gesetzt haben (“settled down“). Ob er daraus auch folgerte, dass dieses Alter mit 54 erreicht sei, hat er leider nicht gesagt. Implizierte Schlußfolgerung: Investitionen ins Internet gehen für eine Zeitung wie der Westfälischen Rundschau ins Leere. Schöne Grüße.
Es gibt offensichtlich das Kommunikationsproblem, dass einige Leute nach einem Vortrag mit dem Schwerpunkt Blogs glauben, man würde Blogs als das Allheilmittel für all Übel und Probleme in dieser Welt sehen. Meine Intention war eigentlich eine andere: es ging um das veränderte Verhältnis zu Medien aus User-Sicht und dass die Medien in diesem Umfeld an sämtlichen Strippen ziehen müssen, um Leser einzufangen. Blogs sind dabei ebenso wie die Verlosung von bestickten Heizkissen im örtlichen Altersheim nur eine von vielen Strippen.
Wo ich dann das Pochen in meiner Halsschlagader mehr als deutlich spürte, war der Einwurf des WR-Journalisten über Leserkommentare. Es gab Diskussionen wie diese zu handlen seien. Angeblich wurde erwogen dass die Journalisten die Kommentare selber moderieren, was der Journalist mit Nachtarbeit gleich stellte. Das Stefan-Niggemeier-Urteil mache deutlich warum die SZ die Kommentare “außerhalb der Ladenöffnungszeiten” stillegt.
Mit drei Meter dicker Halsschlagader erklärte ich nicht nur, dass das Urteil gegen Stefan Niggemeier noch nicht letztinstanzlich ist und es auch andere Urteile in Sachen Forumshaftung gibt, sondern dass es absolut unverständlich ist, dass Tausende von Blogger weiterhin ihre Kommentare offen lassen, während ausgerechnet große Medienkonzerne nicht die Eier haben sollen, mit ihren juristischen Abteilungen das elementare Recht der Meinungsäußerung zu verteidigen.
Später meldete sich auch Freddie Röckenhaus, als das Gespräch auf meinen Blogeintrag in Sachen “ausgepiepter Bert Dietz bei Beckmann” kam. Er interpretiert das Verhalten mit seinem Wissensstand anders. Während für mich dieser Piepston auch ein unzureichender Schutz gegenüber dem “Informanten” Dietz gewesen ist, ist für Röckenhaus der Piepston nichts anderes als die Forderung von Dietz und seinem Anwalt gewesen. Es hat wohl vor der Sendung die Absprache gegeben, dass Dietz keine Namen nennen würde. Dietz sei dann aber ein Name rausgerutscht, also wurde die ARD im Rahmen der Vereinbarung vom Anwalt gebeten diesen Namen auszupiepsen. Wie technisch leicht dieses Überpiesen auszuhebeln gewesen ist, wäre aus Sicht der ARD irrelevant, weil es eben nicht um “Schutz” ging. Ebenso irrelevant sei es gewesen, dass aus einer Nachfrage von Beckmann eindeutig hervorging das Dietz eben den Namen Godefroot gesagt hatte. Das seien Beckmanns Worte gewesen und damit nicht Bestandteil der Vereinbarungen mit Dietz und seinem Anwalt gewesen.
So gegen 17h30 oder 18 Uhr ging die Diskussion und damit auch die Veranstaltung mit einem rauschenden Applaus für die Veranstalter zu Ende und während im Hintergrund schon alles abgebaut wurde, gab es noch eine Reihe von losen Gesprächen.
Links
Wer mehr über die Konferenz und vorallem andere Meinungen und Sichtweisen lesen will, hier einige Links.
Der Server des Sportnetzwerks ist gerade down, deshalb kann ich nicht mehr als diesen Link beisteuern. Es wird wohl Material der Konferenz online gestellt. Zumindest wurden die Referenten explizit gebeten Material einzuschicken.
Auf der Website gibt es auch die “Dortmunder Erklärung” zu lesen. Es handelt sich dabei um eine Aufforderung an den DOSB sich für die Freilassung des chinesischen Bürgerrechtlers Hu Jia und seiner Familie ebenso einzusetzen wie sich gegen die fortgesetzte Verletzung von Menschenrechte zu wenden.
Auch auf seiner privaten Website schreibt Jens Weinreich ein bißchen über die Konferenz ([1], [2])
Nolookpass von “Nachspiel” war auch bei der Konferenz zugegen: der Freitag, der Samstag
Möglicherweise wird sich auch Jürgen Kalwa in seinem Blog “American Arena” noch zu Wort melden.
Markus Juchem von womensoccer.de war ebenfalls auf der Konferenz.
Auf den Seiten des Institut für Journalistik werden anscheinend nach und nach Zusammenfassungen der einzelnen Seminare (wahrscheinlich durch Studenten) online gestellt. Einfach mal ein paar Links auf der Übersichtsseite ausprobieren. Derzeit sind minimum drei Berichte bereits online.
Der Deutschlandfunk hat bereits gestern nachmittag in seinem Medienmagazin über die Konferenz berichtet. Heute abend gibt zudem im Sportgespräch ein Interview u.a. mit Freddie Röckenhaus.
Rest-Dortmund
Ich hatte knapp zwei, zweieinhalb Stunden Zeit bis zur Abfahrt meines Zuges, fuhr mit der S-Bahn zum Hauptbahnhof und steuerte dank entsprechender Informationen meines kleinen internetkompatiblen Handgerätes eine Starbucks-Filiale an. Mir war nach einer großen Portion irgendwie aromatisierten Kaffees, also latschte ich durch die Dortmunder Innenstadt zum “Markt” bzw “Am Markt”. Ich nehme den Ausdruck “kleinstädtisch” hiermit zurück. Das war eine Original-Großstädtische Fußgängerzone mit den gleichen internationalen Franchises (New Yorker, Burger King, Karstadt) wegen denen ich inzwischen die Kölner Fußgängerzone nicht von der Münchner oder Hamburger, Pariser oder Dortmunder unterscheiden kann. Aber ehrlich: größer als ich es Dortmund zugetraut hätte.
Dann ging es noch zu einem Chinesen in der Brückstraße, ebenfalls noch im Herzen der Dortmunder Innenstadt. Es war der erste Chinese bei dem der Reis extra bestellt werden musste und nicht bei der nicht billigen Portion Kanton-Ente für 7 Euro dabei war. Dazu wirklich viel und fieses Glutamat, so dass das Gemüse un-essbar war, während die Kanton-Ente zart im Fleisch und wunderbar knusprig in der Kruste war.
Auf dem Dortmunder Bahnhof wartete ich eine halbe Stunde und konnte mir die abendlichen S-Bahn-Fahrgäste anschauen, die nicht wirklich an einen Diskurs über Ambiguitätstoleranz interessiert gewesen zu sein schienen.
Der ICE aus München und nach Hamburg war überraschend voll. Noch überraschter war ich, als in Münster sich der Wagen schlagartig leerte und statt knapp 70 Passagiere nur noch fünf oder zehn mitfuhren. Münster?
Der Münsteraner unterscheidet sich übrigens von den anderen Fahrgästen entlang dieser ICE-Linie, dass er schon mit Überfahren der Dortmunder Stadtgrenzen anfängt seine Sachen zu packen und die Taschen aus der Gepäckablage wuchtet um anschließend zwanzig Minuten im Türbereich auf die Einfahrt in Münster Hauptbahnhof zu warten. Sicher ist sicher. So ein Zug kann ja mal auch plötzlich zehn Minuten früher ankommen.
Dann war endlich Ruhe im Karton und der Tag lief langsam und ruhig aus.
Reaktionen
Schöne Erkenntnisse!
Dortmund wird als Innenstadt aber auch oft verkannt – da gibt es neben Westen- und Ostenhellweg ja noch einiges, auch abseits von den üblichen Ladenketten.
Zum Thema Telefonaktion in der WR: Die sollten sowas mal in der WAZ machen, vielleicht würde dann auch ein 30-Jähriger anrufen. Aber meine WAZ bringt nur VfL Bochum-Informationen. :(
interessant! vielen dank! super bericht.
schöne beschreibung.
dein vortrag war am spätnachmittag der allgemeinen ermüdung der stringenteste und – für mich – informativste.
du hattest ja natürlich auch einen schlafvorsprung ;)
quasi gedopt? °°
Wenn ein Zeitungsvertreter heute noch glaubt, dass ein Verlag damit überleben oder gar Gewinne machen kann, dass Jugendliche und junge Erwachsene als “Best Ager” vom Internet-Nutzer unvermittelt zu Zeitungslesern werden und beginnen, bedrucktes Papier kaufen…
…kann man für die Zukunft seines Arbeitgebers nur hoffen, dass er nicht in dessen Management arbeitet. Und für ihn selbst, dass er in absehbarer Zeit und in einem hoffentlich dann noch existierenden Unternehmen das Pensionsalter erreicht.
Ansonsten vielen Dank für die Berichte.
Nabend allerseits,
eigentlich wollte ich heute Abend eine Frage an Dogfood & anderen HSV Experten bezüglich Vincent Kompanys Qualitäten und seiner aktuellen Wichtigkeit im Team von Huub Stevens stellen. Ich hatte das Gefühl das mir die starke 2.Halbzeit von Kompany bereits längst erwartete Antworten lieferte. In der Innenverteidigung kommt er an die Sachlichkeit & Humorlosigkeit von Mathijsen & Reinhardt nicht ran. Und im defensiven Mittelfeld gefallen mir zwar seine oft überraschenden Ballgewinne, aber ebenso nerven auch die laschen sowie unnötigen Ballverluste. Heute ab Minute 46. interpretierte er seine Mittelfeldposition optimal und zeigte mir, obwohl ich Jaro und deJong im defensiven Mittelfeld als stärker erachte, warum man einen Spieler mit solchen überragenden Fähigkeiten versuchen muss einzubauen.
Vielleicht erübrigen sich von daher sachdienliche Hinweise und wir warten mal die nächsten Spieltage ab, …
Kurzer Tip für alle Interessierten der Sportjournalismus-Konferenz aus Dortmund. Heute Abend im Radio auf Deutschland-Funk, wie bereits hier auch schon erwähnt, ein Beitrag dazu.
http://www.dradio.de/
23:30 Uhr – Sportgespräch im DLF
Thema:
“Die Presse im Milliarden-
geschäft mit dem Sport
Eine Diskussionsrunde zur
Dortmunder Journalismus-
Konferenz von ‘sportnetzwerk’
Die Fragen stellen:
Jessica Sturmberg und Herbert
Fischer-Solms”
Daytona 500 auf Pr***iere läuft seit 20 Minuten. Bis dato kein Hinweis auf die Übertragungssituation. Und, wie hier im Board vermutet, keine Adresse um Emails zu schicken :-)
Irre ich mich, oder habe ich das, was der feine Herr Rockenhäus da so über den legendären Pieps ausführt, damals schon vermutet? Aber wenn ich es sage, interessiert das ja wieder keinen. Der schreibt doch von mir ab, kannjawohlnewahsein. ;)
Übrigens, wenn man darüber nachdenkt, daß der Anwalt damals Mist baute: Das tiefe technische Verständnis, das ein “Überpiepen” nicht das selbe wie ein “Unkenntlichmachen” darstellt, muss man vielleicht als Jurist nicht unbedingt auf der Pfanne haben. Schon gar nicht in so einer eiligen Drucksituation*.
Aber das der Beckmann das wiederum Aufgreifen durfte (“sie haben doch ebend gesagt, daß…”) ist schlichtweg unfassbar peinlich. Da kann man sich die Forderung nach dem Überpiepen ja nun genauso gleich schenken.
*Auch wenn man m. E vorher – so unwahrscheinlich war es ja nicht, daß dem Dietz da was rausrutscht – durchaus mal einen Artikel in der Wikipedia oder so überfliegen könnte. Oder halt einfach seine Fantasie anstrengt, und darum nicht in fremden Fachbegriffen wildert, sondern einfach einen übergeodneten Begriff wie bspw. Unkenntlichmachung verwendet. Simples Handwerkzeug. Der arme Herr Dietz. Ob dem dieser Lionel Hutz wohl von einem Freund empfohlen wurde?
Ach, und apropos “Vermutungen”: ich möchte behaupten, daß in einem Hotel, das – wenn ich deine Lagebeschreibung deute – wohl überwiegend vom Typ “Einsamer Geschäftsmann auf der Durchreise” frequentiert werden dürfte, ein Pay-TV-Kanal mit Ruckelfilmen wohl doch den einen oder anderen Interessenten findet.
Die Strassennamen deuten doch bereits darauf hin: Emil-Figge-Weg, An der Palmwedel. Hotel “Tryp” ist da nur noch die, ahem, Sahne auf dem Kuchen.
Ach, ich hatte am Freitag gar keine “Kabbeleien” mit Herrn Schaffrath. Erst am Sonnabend. Da habe ich ihn nämlich zum ersten Mal gesehen; hatte vorher nur viel gelesen und gehört. Ich musste an einer (oder auch zwei) Stellen einfach energischer werden und auf sein Raunen reagieren. Denn das Problem besteht darin: Seit vor einigen Wochen ein ärgerlicher Fehler in der ARD-Dopingberichterstattung passierte, wird von den üblichen Verdächtigen (vor allem von hohen Sportfunktionären und deren Vasallen) verschärft versucht, die Ergebnisse von recherche-orientierten Journalisten mit dem Begriff “Verdachtsberichterstattung” zu verunglimpfen. Dies geschieht durchaus geschickt mit propagandistischen Methoden.
Hier war es so, dass ich alles, was ich gesagt habe (und ich habe ja auch in dem von Dir zitierten Fall des Sporthistorikers keinen Namen genannt, aber eher aus Spass, denn ich habe ja einen Stapel Akten, die alles erstklassig dokumentieren), selbstverständlich auch belegen kann. Ich wollte bewusst nicht mit Namen agieren, sondern das Problem verdeutlichen, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
@ dogfood: Im Übrigen fand ich Deinen Vortrag Klasse, nur hinten raus hätte ich ein bisschen von den Ami-Beispielen gestrichen. Kleinigkeit. Es war sehr gut, auch die Beispiele der SZ-Bilderstrecken: Ausgerechnet Bodybuilder, also Doper, im Online-Ableger der Zeitung von Thomas Kistner und Thomas Hahn, der ja von Dir sehr gelobt wird.
Deine Berichte gefallen mir auch, allerdings solltest Du ruhig weiter unruhig auf dem Stuhl rutschen – Oliver F. is watching you!
über die meinung von erik eggers, daß bei der handball-wm möglicherweise bewußt deutschland bevorzugt wurde, bin ich schon etwas erstaunt. weniger, daß man dies seinen artikeln nicht entnehmen konnte, als ich wenig ansatzpunkte für diese these sehe. sicherlich kam das der ihf nicht ungelegen, aber im viertel- und halbfinale haben das norwegische und das schwedische gespann gepfiffen (im finale das französische). das sind keine schiris, die man absichtlich ansetzt, um jemanden zu bevorzugen (oder die man so leicht beeinflussen könnte). und auch wenn die leistungen die üblichen fehler beinhalteten (die im handball nun mal nicht zu vermeiden sind), verteilte sich das meist auf beide seiten. ausnahme halt das letzte, nicht gegebene tor der franzosen im hf, über daß ich mich als franzose wohl auch endlos aufgeregt hätte, aber da war halt nur der zeitpunkt unglücklich. auch sonst habe ich außer spanischen medien und onesta, dem französischen trainer, von kaum jemanden gehört, daß die schiris besonders parteiisch gewesen sein. ich schätze herrn eggers sehr, aber diese meinung kann ich nun absolut nicht teilen. und ich kann meine fanbrille sehr gut ablegen.
@ Linksaussen: Ich weiß jetzt nicht, ob Erik Eggers während der 2007er WM über die Schiedsrichterleistungen geschimpft hat. Aber ich hatte am Fernseher schon sehr den Eindruck, dass die Deutschen in den letzten Spielen teilweise extrem bevorzugt worden sind. Kollegen, die in der Halle waren, teilen diesen Eindruck. Müsste man sich nochmal anschauen.
Erik Eggers hatte die WM 2007 gemeint. Wenn ich ihn richtig verstanden & in Erinnerung habe, sei es auch “offiziell festgestellt” worden, dass die beiden Schiedsrichterpaare schlecht & einseitig gewesen sind. “Offiziell” meint wohl einen Schiedsrichterausschuß, -kongreß o.ä. (so hatte ich es zumindest im Kontext verstanden)
Das Ziel wäre jedenfalls erreicht worden. RTL zahlt für die nächsten Handballrechte ein Vielfaches der Summe die die ARD/ZDF letztes Jahr hingelegt haben.
Und mir dreht sich der Magen um,wenn ich daran denke das RTL die Handball WM (bzw. die deutschen Spiele) zeigt. Warum nur?
Möchte schnell mein Lob für diesen ebenso interessanten wie umfangreichen Beitrag absondern. Das war eine spitzen Morgenlektüre. Es ist schön zu wissen, dass sich Sportjournalisten, deren Ressort nun nicht das wichtigste (dafür aber das interessanteste) ist, so kritisch hinterfragen. War eigentlich ein Vertreter der BLÖD Sportredaktion anwesend? Oder hätte man den da sofort geteert und gefedert?
Noch zwei Fragen zur Biathlon WM: Hat ausser mir noch jemand den Eindruck, dass die laufenden Doping-Gerüchte um das Team mitverantwortlich für das vergleichsweise lausige Abschneiden der Herren verantwortlich sein könnte? Durchtrennung der Versorgungskanäle?
Und: was meint M. Greis wenn er über den Balten Bricis sagt, er traue ihm “nullkommanull über dem weg”?
Danke für den informativen Bericht von der Journalistenkonferenz. Fürchte, dass wenige deutsche Sportjournalisten diese Aufgabe so gemeistert hätten. Will wirklich nicht lobhudeln, aber das muss auch mal gesagt werden.
Zuerst ein großes Dankeschön an ‘food für seine launigen Zusammenfassungen!
__
@Haidhauser
Wenn es um die Leistungen der deutschen Skijäger geht, ist das Abschneiden eigentlich nur die konsequente Fortsetzung der Weltcup-Ergebnisse aus den letzten Jahren, mit der Einschränkung, dass von den noch aktiven nur Herr Greis bei den letzten Großereignissen noch das eine oder andere mal auftrumpfen konnte, dieses Mal aber durch eine Krankheit geschwächt war.
–
Gibt es eigentlich Untersuchungen über die Auswirkung verschiedener körperlichen Proportionen auf den Langlauf? Ist es zu erwarten, dass jemand vom Format einer Andrea Henkel oder Martina Glagow Laufleistungen auf dem Niveau einer Kati Wilhelm bringt?
Möchte das hier Berichtete nicht so stehen lassen, vielmehr differenzieren.
Dogfood: Habe bei der Dortmunder Konferenz nie behauptet, eine große Verschwörung bei der WM 2007 habe dafür gesorgt, dass Deutschland Weltmeister wurde. Habe nur wiedergegeben, dass es derartiges Raunen und Spekulieren gibt. Daraus resultiert folgendes “Gedankenspiel” (so habe ich es bezeichnet): Dass eine solche Konspiration, hätte sie tatsächlich stattgefunden, ökonomischen Erfolg gezeitigt hätte. Schließlich hat RTL für die TV-Rechte bei der WM 2009 in Kroatien ca. das Sechsfache auf den Tisch gelegt.
Weiter habe ich in der Tat darauf hingewiesen, dass in der Tat Figuren aus der sogenannten “Schiedsrichter- und Regelkommission” des Weltverbandes darauf aufmerksam gemacht haben, dass die Schiedsrichterleistungen in den infrage stehenden Spielen (Viertelfinale, Halbfinale) in der Tat nicht einer WM würdig waren. Das ist übrigens keine Privatmeinung, sondern “offiziell”. Ein recht erfahrenes (deutsches) Mitglied dieser Kommission hat das in einem Zeitungs-Interview direkt nach der WM auch öffentlich erklärt – die Folge waren wütende Proteste von Fans, die dem IHF-Mitglied im Prinzip Vaterlandsverrat vorgeworfen haben…
Eine kleine Korrektur, Linksaußen: Habe entgegen Deiner Auffassung doch darüber berichtet, dass die beiden schwedischen Referees, die das Halbfinale D-FRA gepfiffen haben, seitdem in der IHF unten durch sind. Zitat des Kommissionschefs Christer Ahl (USA) im Dezember 2007: Die Schweden könne man derzeit schlicht nicht herzeigen. Außerdem kritisierte Ahl mir gegenüber, dass der Weltverband derartige Mängel im Schiedsrichterwesen nur unzureichend veröffentlichen würde. Auch deshalb wucherten entsprechende Verschwörungsthesen.
Es geht hier also nicht um meine “felsenfeste Überzeugung”, die ist übrigens, soweit nicht als Kommentar gekennzeichnet, in journalistischen Texten auch ziemlich unerheblich. Sondern es geht hier um Dinge, die im Weltverband und auch bei einigen anderen Experten eine Rolle spielen.
Ansonsten fand ich vor allem den Vortrag der Blogger in Dortmund bemerkenswert und äußerst anregend. Wäre bei einer Neuauflage einer solchen Veranstaltung wieder dabei.
@Haidhauser: Jemand von der Bild bei dieser Veranstaltung? Das Thema des Kongresses war doch “Qualitätssicherung im Sportjournalismus“. Ich sach mal so: Nicht jeder kann sich so wie Dogfood zwei Tage für etwas freinehmen, was so überhaupt nichts mit dem eigenen Job zu tun hat.
@Jens Weinreich, Re. Schaffrath: Ganz ehrlich, es sah für mich als Außenstehender nicht so aus, als hättet ihr euch zum ersten Mal die Klinge gekreuzt, zumal es am Vortag auch ein Podium mit Michael Schaffrath gab (ich war auf einer Parallelveranstaltung). Ich war weiter weg von Schaffrath und habe sein Raunen nicht mitbekommen, sondern nur die starken Reaktionen seinerseits, als du ihn die beiden Male begrüßt hast. Ich hab den Blog-Eintrag um einen Link zu deinem Kommentar ergänzt.
Re: “nur hinten raus hätte ich ein bisschen von den Ami-Beispielen gestrichen”
Mein Fehler. Ich wusste dass es der Schwachpunkt war, habe es aber dringelassen, weil ich mit der NYTimes und ESPN zeigen wollte, dass in den USA die “Expansion” in diesen Feldern hemmungslos über Aufkäufe geschieht. Ein israelischer Blogger sagte mir nach dem Vortrag, dass er meinte gehört zu haben das TrueHoop/Henry Abbott eine halbe Million US$ bekommen hätte (habe die Zahl nicht verifiziert). Und mit so einem Verständnis setzt nun ESPN zum Sprung auf den europäischen Markt an.
Insofern bin ich mir nicht sicher ob es ein Fehler war es drin zu lassen oder ein Fehler war diese Argumentation nicht herausgestrichen zu haben.
@Erik Eggers, Handball: Ich habe es eigentlich auch so verstanden dass es keine Verschwörungstheorie von dir war, sondern eher ein “wo es Geld gibt, gibt es auch Gelegenheiten”-Szenario. Ich hab den Blogeintrag zur Klarstellung um einen Link zu deinem Kommentar ergänzt.
Was für ein Bericht, was für eine Ausführlichkeit, was für interessante Beobachtungen. Als Vertreter der Holzklasse habe ich vor allem deinen eigenen Vortrag mit großer Anteilnahme gehört, um nicht zu sagen: peinlich berührt. Diese Muskel-Bilderstrecke! Autsch! (Ich habe schon mit einem Online-Redakteur darüber gesprochen). Aber zweierlei möchte ich noch zu meinen Bemerkungen am Samstag über Theveßen/Otto sagen, weil es mir wichtig ist. Erstens: Du hast recht, es wäre besser gewesen, wir hätten diesen Austausch auf einem Podium haben können und nicht in getrennten Redebeiträgen, aber ich finde: besser Ferndiskurs als gar kein Diskurs (und Herr Theveßen kann meine Haltung ja zum Beispiel bei allesaußersport nachverfolgen). Zweitens und mir wichtigstens: Meine Ausführungen zu Unschuldsvermutung und berechtigtem Anfangsverdacht waren allgemein auf gewisse Sportereignisse bezogen. Den Begriff Unschuldsvermutung aus dem Strafrecht verwenden Sportlobbyisten und Funktionäre ständig, um von der Tatsache abzulenken, dass Doping ein systemimmanentes Problem des Sports ist, welches das Misstrauen gegenüber dem Sport regelrecht zur journalistischen Sorgfaltspflicht macht. Bei Kristin Otto ist es nun so – und das wollte ich am Samstag gesagt haben -, dass der Begriff der Unschuldsvermutung – auch abgesehen davon, dass wir uns nicht in einem ordentlichen Gerichtsverfahren befinden – erst recht nicht passt, weil man bei ihr auf einer ganz anderen Ebene diskutiert: Dass sie aus dem DDR-Dopingsystem kam, ist Fakt, allenfalls ob sie ein Bewusstsein dafür hatte damals, ob das, was sie da bekommt, unrecht ist, könnte Gegenstand einer Schulddebatte sein. Deswegen ist auch der Begriff begründeter Anfangsverdacht bei Kristin Otto zu schwach. Denn die Erkenntnisse gibt es ja, aus Dokumenten, aus Aussagen, sie sind Teil der deutschen Sportgeschichte. Nein, die Diskussion um Kristin Otto ist nicht zu vergleichen mit den Zweifeln, die wir bei jedem nicht überführten 100-Meter-Weltrekordler haben müssen oder bei Bergaufsprintern im Radsport wie diesem Tourdingens, äh, Contador. Bei Kristin Otto geht es darum, dass eine Journalistin nicht glaubwürdig ist, die ein sportimmanentes Thema, nämlich Doping, nicht mit der nötigen Distanz bearbeitet, weil das ihre eigene Biographie in Frage stellen würde. Deswegen ist sie – sachlich gesehen – auch keine “hervorragende Journalistin”, als die sie Herr Theveßen am Freitag in seiner eigenen Wahrnehmung der Wirklichkeit darstellte.
PS: Könnte vielleicht nochmal jemand über meine Konjunktive gehen, bevor Oliver Fritsch das Ding liest?
@ sternburg: es war (natürlich) niemand von Bild bei dieser Veranstaltung. die liste der angemeldeten teilnehmer (die grippe-magen-darm-infektions-welle hat uns einige teilnehmer und referenten gekostet) werde ich demnächst beim sportnetzwerk als pdf deponieren. wenn ich in der hektik richtig überflogen habe, waren es rund 70 verschiedene medien, inklusive blogs.
Das P.S. von Thomas Hahn ist einfach göttlich… :-)))
Vielleicht könnte mir bei dieser Gelegenheit jemand beantworten, was Oliver Fritsch den Konferenz-Teilnehmern mitteilen wollte?!?
Sein Auftritt war einfach nur arrogant – und als arroganten Höhepunkt bezeichne ich den Satz: “Es gibt ja auch Zeitungen, die einen Lokalsportteil haben.” Ja, Herr Fritsch, die gibt es in der Tat. Ich selbst arbeite – man höre und staune – bei einer Tageszeitung mit einem lokalen Sportteil – und ich liebe diese Arbeit. Denn das, und das ist meine persönliche Überzeugung, was die “kleinen Lokalsport-Journalisten” (so haben Sie die ja fast dargestellt) leisten, ist für mich der Grundstein des Sportjournalismus. Oder sind sind Sie der Meinung, dass jeder Sportjournalist nach seinem Volontariat gleich als Chefredakteur bei irgendeinem Medium begonnen hat??
P.S. Auch hier die Bitte: Habe ich Konjunktive benutzt? Wenn ja, geht wie bei Thomas Hahn noch einmal über meinen Text….Vielen Dank
@erik eggers: danke für die antwort. dann muß ich mich wohl bei dir (und dogfood) entschuldigen, daß ich das mißverstanden hatte. ich hatte da in der tat eine kleine verschwörungstheorie herausgelesen. daß es danach offizielle kritik an den schiedsrichterleistungen nicht nur von pastor, onesta und anderen trainern gab, ist bei mir ein bißchen untergegangen, auch das interviews mit prause (den du wohl meinst) habe ich nicht gelesen. taz, handballmagazin oder fr sind bei mir auch keine ständige pflichtlektüre, deshalb habe ich wohl nicht nur dieses interview, sondern auch andere artikel von dir verpasst.
daß der wm-ausgang der ihf gelegen kam, ist ja unstrittig. und moustafa wäre auch ohne sein verhalten in dem olympia-quali-skandal eine, hüstel, zwielichtige figur. aber ich hatte die schirileistungen in den entsprechenden spielen nicht so einseitig gesehen (omeyer hätte rot gegen kehrmann sehen müssen!). ich schau mir das das frankreich-spiel demnächst nochmal an, vielleicht war ich ja auch doch zu voreingenommen. und mecker auch nicht mehr, ich wollte die diskussion hier nicht mit einem nebenkriegsschauplatz füllen.
was hat es den mit diesen konjunktiven auf sich? oliver fritsch war mir bisher gar nicht so als sprachschützelnd aufgefallen.
Um es mit den Worten Spocks zu sagen: Faszinierend! Ich bin begeistert von der so treffenden und schnellen Tagungszusammenfassung und vor allem von der Diskussion in deinem Blog, dogfood. Dass diese Diskussion nicht auf der Site unseres Instituts oder auf einer journalistischen Plattform stattfindet, zeigt einmal mehr, dass wir Journalisten in Bezug auf Diskussion mit unseren Lesern oftmals ein Defizit haben.
Habe die Tagung als Student des Instituts auch zum großen Teil mitverfolgt und war vor allem von deinem Vortrag angetan. Was nutzt der SZ und in der Konsequenz dem Werbetreibenden die PI für den Klick auf die Seite, nur wenn ich als User wieder mal feststellen muss, dass es nichts neues an redaktionellen Beiträgen gibt?
Wenn ich die Kommentare hier im Blog lese, dann frage ich mich, warum es in den “etablierten” Medien so wenig oder besser gesagt so gut wie keine wahren Blogs gibt. Um es mit der blogosphärischen Ehrfurcht vor den verdienten Sportjournalisten diese Landes zu sagen: Herr Hahn, du bist ein Blogger! Genau solche Beiträge mit Witz und Esprit würde ich mir auch unter dem Kopf der Süddeutschen wünschen. Wie dogfood schon bei seinem Vortrag erwähnte: Nicht jeder journalistische Gedanke reicht an die Fallhöhe eines Artikels heran – aber trotzdem: mich als Leser interessieren sie mehr als die Agenturmeldung, die ich überall anders auch lesen kann.
Ich hätte gerne einen Blog von Christian Zaschke, wenn wir schon bei der Süddeutschen sind.
@ Thomas Hahn:
Sehr richtige Beobachtungen re Unschuldsvermutung. Ich würde es sogar noch etwas anspitzen: Hier wird das Wort und die Idee Unschuldsvermutung gezielt missbraucht.
Sie kommt ja aus dem Strafverfahren: Dort ist es so, dass im Verfahren der Beschuldigte als unschuldig behandelt werden muss, bis das gegen ihn ergangene Urteil rechtskräftig ist. Er muss aber eben dulden, dass ein geordnetes Verfahren gegen ihn durchgeführt wird mit dem Ziel, eben dies feststellen zu können.
In Sportler- und Sportfunktionärskreisen wird aber “Unschuldsvermutung” vorgebracht, um alle Ermittlungen von vornherein abzublocken. Dies gleicht dem Autofahrer, der sich mit Berufung auf die Unschuldsvermutung verbittet, bei einer Verkehrskontrolle überhaupt anzuhalten. Hier wird also die Unschuldsvermutung als Vehikel gebraucht, um letztlich eine dauerhafte Unsicherheit über die Tatsachenlage herbeizuführen.
Deswegen bin ich übrigens auch anders als viele andere auch kritische Sportbeobachter dafür, einen wirksamen Straftatbestand für das Sportdoping einzuführen, um auch die Staatsanwaltschaften – hier am besten Wirtschaftsstaatsanwaltschaften – hier zu involvieren, damit sich die Verdächtigen nicht schon durch bloßes Leugnen jeder Nachforschung entziehen können, sondern zumindest ein sachaufklärendes Verfahren durchgeführt wird.
@adonis Na ja, mal angenommen ein Sportler (z.B. auf der jüngsten Liste) ist unschuldig. Dann wird der vielleicht eine andere Meinung zum “gezielten Missbrauchen” der Unschuldsvermutung haben und eher nicht der Meinung sein, dass er gerade etwas missbraucht; eher im Gegenteil. Missbrauchen würde ja voraussetzen, dass es gar keine Unschuld gibt.
Andererseits kann man auch nicht voraussetzen, dass es keine Schuld gibt. Insofern stellt sich die Frage nach einer Art “Waffengleichheit”. Ich muss zugeben, dass die letzten Tage, auch der Sportjournalisten-Kongress, dazu geführt haben, dass ich anfange meine Meinung zum Thema Verdachtsjournalismus zu ändern. Wenn man fast alles zusammen hat, muss eine Möglichkeit geben, den Fall voranzubringen.
Ich bin mir allerdings noch nicht sicher was schlimmer ist. Auf der einen Seite können dopende Sportler, Netzwerke usw. unentdeckt bleiben. Auf der anderen Seite könnte das Ziel der Journalisten/Medien möglicherweise gar nicht die Sache sondern das Skandal machen an sich / die Auflage sein. Siehe Veröffentlichung der Wiener Namensliste
Adonis hat mit jedem Satz recht.
Der Sport kennt ja schon die so genannte Beweislastumkehr bei positiven Dopingfällen. Kurz gesagt: Der Athlet muss dann seine Unschuld nachweisen. Anders als im Strafverfahren. Das war ja schon Gegenstand hunderter Artikel.
Die Aufnahme des Tatbestands Sportbetrug ins Strafrecht wäre auch ein hilfreiches Tool. Dazu gibt es ebenfalls sehr interessante und kompetente Expertisen, doch eine unheilige Allianz aus Sport, Wirtschaft, Medien und Politik hat das verhindert.
Grundsätzlich sage ich sogar: Da der olympische Hochleistungssport in diesem Lande größtenteils aus Steuermitteln (Bund, Länder, Kommunen) und über Umwege aus Rundfunkgebühren finanziert wird, sind die Empfänger dieser Mittel in der Pflicht, jederzeit ihre Sauberkeit (Unschuld ist mir zu zweideutig) zu beweisen. Aus diesem Transparenzgebot leiten sich Pflichten zur Offenlegung aller Tests ab (zum Beispiel sollte jeder Steuerzahler muss das Recht haben, Dopingkontrolldaten jedes Athleten jederzeit im Internet überprüfen zu können). Nur das wäre konsequent.
Aber im Rechtsstaat Deutschland, wo Transparenz ein Fremdwort ist, läuft überhaupt nichts. Wer wo wann und wie oft kontrolliert wird, ist noch immer Herrschaftswissen derjenigen, die Steuermittel verschlingen. Einmal im Jahr eine weitgehend anonyme Statistik vorzulegen, reicht nicht. Zumal diese Statistik ja nur Behauptungen enthält und man, siehe Affäre um die Nada vor einem Jahr, keinen Fakt ungeprüft nachbeten dürfte.
Zu viele Probleme. Und demnächst kommt auch noch ein Buch heraus, in dem sich die Stimmen derjenigen, die meinen, den Sportlern werde zu viel abverlangt, bündeln. Da kommen dann solche Grössen zu Wort wie Gumbrecht, der gern mal sein pseudo-wissenschaftliches Kauderwelsch ablässt, ohne wirklich eine Ahnung von der Problematik zu haben. Es wird wieder Zeit und Energie kosten, sich mit diesem Unsinn auseinanderzusetzen.
Im übrigen Glückwunsch dogfood! Du hast scheinbar bleibenden Eindruck auf der Konferenz hinterlassen. Das Stell-Dich-ein heute hat ja für lähmende Bewunderung gesorgt. Nicht das du die Anerkennung brauchen würdest (das Ding hier würde ohnehin immer weiter wachsen), aber es schadet nicht und es ist einfach gerechtfertigt. Was Du hier machst, ist einzigartig. Ob Du willst oder nicht, Du bist eine Stimme, ein Faktor in der Branche geworden. Vielleicht nicht so laut wie es andere können, aber garantiert eine Motivation, dass die anderen es besser können wollen.
Wo es grad so schön passt: Darf ich noch mal mit meiner alten Litanei von der Unschuldsvermutung anfangen?
Die davon erzählt, daß dieses Institut aus dem Strafrecht (Respekt insoweit Adonis und Thomas H. – ich hatte bisher meist den Eindruck, mir fiele dieser Umstand als einzigem auf) in den meisten Diskussionen rund ums Doping schon deshalb nichts zu suchen hat, weil es sich (heutzutage) bei der Beziehung Zuschauer/ Athlet um simples Privatrecht handelt? Vergleichbar mit dem Bäcker, der auf meine Zweifel über den Zustand seiner Backwaren mir ja auch nicht mit der Unschuldsvermutung kommen kann? Weil die alte Menscheitsregel gilt: wenn der Bäcker mir nicht beweist, glaubhaft macht oder in mir sonstwie die Vorstellung weckt, bei seinen “Brötchen” handele es sich auch tatsächlich um Brötchen, und nicht etwa um Autoreifen oder Hundeteile, dann kaufe ich sie ebend nicht?
Nein? Schade.
Also das Beispiel mit dem Bäcker hinkt ein wenig. Denn wenn Sternburg glaubt, dass die Sportler gedoprt haben, zwingt ihn ja keiner, ihnen zuzugucken (wie er die Semmeln nicht kaufen muss). Wenn er aber glaubt, dass die Semmeln vergiftet sind und Strafanzeige stellt, dann gilt natürlich auch für den Bäcker erst mal die Unschuldvermutung.
Und so ist es m.E. mit der Liste. Das BK Österreich muss jetzt die Tatbestände beweisen, und es gibt auch keine positiven Dopingtests, also keine Beweislastumkehr.
Viel interessanter ist die Beziehung Veranstalter/Sportler. Hier scheint man langsam umzudenken. Siehe Astana-Rauswurf und Chambers-Boykott. Das mag für Herrn Klöden (bisher noch nicht positiv aufgefallen) blöde sein, ist aber das richtige Zeichen, dass man sich nicht alles gefallen lässt.
[…] Kai Pahl (allesaußersport) zum Vortrag von Elmar Theveßen und zur anschließenden Diskussion um Kristin Otto/ZDF […]
Nö, Löwe, da hinkt gar nix, es ist hier allenfalls unpassend. Richtig ist zwar, daß bezüglich aus dem Verhalten der in den Wiener Laborskandal verwickelten Personen eventuell resultierende Straftaten die Unschuldsvermutung greift, d.h. niemand dürfte die entsprechenden Sportler Straftäter nennen, solange dies nicht von einem Gericht bewiesen ist.
Aber deshalb darf ich, wie du ja sagst, trotzdem entscheiden, nicht zusehen zu wollen. Genauso darf aber auch der Journalist mir erzählen, aus welchen tatsächlichen Anhaltspunkten die Annahme resultiert, der Sportler hätte Zweifel an seiner Sauberkeit nicht restlos ausgeräumt.
Und genauso darf er mir erzählen, von welchen Sportlern nicht von sich aus ausreichend Beweise erbracht werden, um von ihrer Sauberkeit zu überzeugen. Und mir damit das Ignorieren nahelegen.
Genauso können Vertragspartner des Sportlers (Sponsoren, Fernsehanstalten; auch solche der Sportverbände) Verträge aushandeln, die sie (bereits) bei fehlender Zweifelsausräumung seitens des Sportlers von der Leistungspflicht entbinden (und wir werden das in Zukunft auch öfter erleben, da bin ich mir sicher).
Um nun auf deine These “es gibt auch keine positiven Dopingtests, also keine Beweislastumkehr” zurückzukommen: das mag für Sanktionen durch die Sportgerichtsbarkeit sogar so sein, weil der ÖSV (oder wer auch immer) das nun mal so vorsieht. Allein, er ist keinesfalls dazu verpflichtet, das so zu regeln. Die Sportverbände sehen zwar in aller Regel bei den Dopingsanktionen mehr oder weniger eine Unschuldsvermutung vor. Einen Anspruch darauf haben die Sportler aber m.E. nicht.
Hach, jetzt ha ichs doch wieder runtergeleiert;)
Mich stört an diese ganzen Doping-Diskussion vor allem,dass idR nur Mediziner (z.B. Franke) als Experten auftauchen. Letzlich ist das Thema imho aber kein medizinisches Problem. (Einschränkung: natürlich ist es das für den dopenden Sportler schon). Aber der Gesamtzusammenhang lässt für mich die Dopingproblematik zuallervorderst in den soziologischen Bereich fallen. Es wird mir viel zuwenig auf das “Warum wird gedopt” eingegangen.
Das mag daran liegen, dass es viel plakativer ist, wenn einer dopenden ehemaligen Ostblocksportlerin auf einmal Barthaare wachsen. Aber das, auf das dem Doping im Allgemeinen, nicht nur im Ostblock, zugrunde liegende gesellschaftliche Gesamtübel, dass nämlich nur Siege und Rekorde zählen, lassen auch die allermeisten Journalisten gerne außen vor. Ich verweise da zur Weiterbildung (neben vielen anderen) auf Schimank/Bette. Glaube ein einziger Beitag in der ganzen Doping-Diskussion ist mir erinnerlich, bei dem ich mal Karl Bette gehört habe (meine das war bei zapp).
Klar, das ist schwerer Tobak, letzlich ist doch das dahinter stehende heimliche und auch offene Applaudieren der Gesellschaft, die im Grunde weiß, das gedopt wird, das Problem. Aber “so lange nichts bewiesen ist” glaubt man gerne, das ein normaler Mensch mal locker vier Monsterbergetappen in fünf Tagen zurück legen kann. Und das mit Hilfe von Müsli und Nudeln. Im Umkehrschluss jaulen dann aber alle “Betrüger” und “gemeiner Schuft” wenn wieder einer erwischt wurde.
Finde das gehört auch zu einem kritischen und guten Journalismus.
[…] Essenz des Vortrags von Kai Pahl auf allesaussersport […]
Ich habe die Präsentation inzwischen überarbeitet (Bildrechte, Moderationsnotizen) und als PDF auf den Server gelegt.
http://www.allesaussersport.de/vortrag-dortmund.pdf
(17MB. Vielleicht dampfe ich das in einer ruhigen Minute nochmal runter.)