Hawk-Auge, sei wachsam
Morgen nacht beginnen wieder 14 Tage Spaß mit den Australian Open in Melbourne. Eben lief auf SKY News in dem halbstündigen Sportblock um 12h30 eine Diskussion über Schiedsrichter in Cricket. Auch in Cricket wird das Hawk-Eye verwendet, jene Computer-Software die anhand von kalibrierten Kameras die exakte Position des Balles berechnen kann. Das System wird im Tennis in einigen Turnieren herangezogen, um in Zweifelsfällen zu entscheiden ob der Ball auf der Linie war. Auch in Melbourne.
Der interviewte Cricket-Schiedsrichter argumentierte gegen das Hawk-Eye und führte zum Beleg an, dass Roger Federer bei seinem Wimbledon-Sieg 2007 in drei Fällen nachweisen konnte, dass das Hawk-Eye falsch gelegen hatte.
Huch? Der Disput war an mir vorbeigegangen, auch wenn mir bekannt ist, dass Federer einer der vehementesten Kritiker des Falkenauges ist. Tatsächlich stand das Hawk Eye im Finale im Zentrum einer Schlüsselszene.
More drama followed when at 2-0 and 30-30 on Federer’s serve, Nadal challenged a baseline call, with Hawkeye deciding his backhand had clipped the back of the line.
A clearly rattled Federer, an outspoken critic of Hawkeye, dumped a routine forehand into the net to go a double-break down and let rip at the umpire during the changeover, blaming the electronic system for “killing” him.
Tatsächlich schienen Fernsehbilder zu beweisen, dass Federer im Recht war und der Ball im Aus zu sein schien. Michael Stich argumentierte später im Guardian:
I have never played with Hawk-Eye but I have watched it quite a lot and I don’t think it is accurate enough. I am not saying the technology is not good or doesn’t work, but I don’t think it works well enough to be used in tennis. It is not a live picture. They take pictures from different angles and calculate it through a computer so it is all based on mathematics. Hawk-Eye’s makers say they have a margin of error of 3mm but a millimetre in tennis is a huge distance, let alone three, and I don’t know how much the system takes into account how much topspin or slice a player has put on a ball, which can have a huge effect on where it lands.
Dr. Paul Hawkins – der heißt wirklich so – hält in dem Artikel die Gegenrede und auf der Website von Hawk Eye findet sich auch ein PDF dass bemerkenswerte Photos zur Illustration besitzt.
Das Grundproblem von TV-Aufnahmen ist die Frame Rate von i.d.R. 25 Bildern pro Sekunde, bzw. bei Super-Slow-Motion-Kamera 150 Bildern pro Sekunde. Der Ball legt bei einem Aufschlag von 200km/h knapp 55 Meter pro Sekunde zurück. Okay, das ist keine saubere Rechnung, weil der Ball durch die Luft etwas verlangsamt wird, durch den Aufprall auf dem Boden kurzzeitig gestoppt wird und die Geschwindigkeit sich nicht nur in einer horizontalen Bewegung niederschlägt. Dennoch macht die Zahl von 55 Meter pro Sekunde deutlich, dass 150 Bilder pro Sekunde in einer Zeitlupe zur Feststellung des genauen Aufprallpunktes alles andere als ausreichend sind. Der zeitsprung von Bild zu Bild ist für diese Kameras zu groß, der Ball kann in diesen Momenten locker mehrere Zentimeter zurücklegen.
Die Bilder der Hochgeschwindigkeitskamera (1000 Bilder/Sek) ab der vierten Seite des PDFs zeigen auch sehr schön, wie der Ball beim Aufprallen um mehr als eine Balllänge auf dem Boden entlangrutscht, ehe er wieder hochspringt.
Und da schlage ich mich ganz auf die Seite von Dr. Hawkins. Ich vertraue der Interpolation über 3D-Berechnung durch kalibrierten Kameras mehr als dem menschlichen Auge in möglicherweise ungünstiger Perspektive. Wenn es um 3mm geht, sowieso.
Reaktionen
Absolute Zustimmung zur abschließenden Einschätzung. Was ist denn ernsthaft die Alternative? Ein Linienrichter, der nie im Leben nah genug dran sein kann. Der Stuhl-Schiedsrichter, der oft genug auf der anderen Seite sitzt? Ich fühle mich angesichts solcher Debatten immer an den alten Witz erinnert: Es träumte ein Mann, er war Linienrichter in Wimbledon. Dann wachte er plötzlich auf und war….Linienrichter in Wimbledon.
Hm, die finale Einschätzung klingt indeed logisch. Was ich nicht ganz verstehe ist das Satz “dass Roger Federer bei seinem Wimbledon-Sieg 2007 in drei Fällen nachweisen konnte, dass das Hawk-Eye falsch gelegen hatte.” Eigentlich kann doch nur das HE nachweisen dass der Linesman falsch gelegen hatte….Wie also hat er das angestellt?
Zumal es im Cricket selten nur um 3mm geht… Das Hawk-Eye wird vom Fernsehen für die Überprüfung der sogenannten “lbw” (leg before wicket) Entscheidungen des Schiedsrichters herangezogen, hat aber, soweit ich weiß, für die Konsequenz der Schiedsrichter-Entscheidung keine Auswirkung und darf auch nicht dafür benutzt werden (entfernt ähnlich der Tatsachenentscheidung im Fußball). Aber gerade im Cricket könnte das nützlich sein, da, wie ich ja bereits sagte, es meistens bei diesen Entscheidungen nicht wirklich um mm geht. Zumal der Sport da äußerst inkonsequent ist was das betrifft, da z.B. bei einem “run out” eine Fernsehkamera (nicht Hawk-Eye!) hinzugezogen werden kann (und die Bilder dann auch für den Schiedsrichter bindend sind).
Ich habe die fraglich Entscheidung (ich vermute es ging um Australien vs Indien) gesehen und die Schiedsrichter-Entscheidung war einfach haarsträubend falsch. Auch wenn ich im Sport nicht alles technologisiert haben muß, da hätte eine Hawk-Eye ohne Probleme geholfen. Nur bleibt dann die Frage: Wann darf es als Hilfsmittel benutzt werden und wann nicht?
Was ich mich frage: Wäre es nicht einfacher, links und rechts vom Platz Kameras hinzustellen, die wesentlich mehr B/Sek. aufnehmen können? So müsste es doch möglich sein, alle Linien abzudecken, oder? Und die “Rechnerei” könnte man sich dann ersparen.
Ich halte die Rechnerei nicht für das Gelbe vom Ei. Mit allen möglichen Rechenarten haben sie es bis heute nicht geschafft, das Wembley-Tor zu beweisen. Da frage ich mich dann schon, warum das beim Tennis viel besser sein sollte…
Für das Hawk-Eye brauchte man wieviele Kameras? 8? Oder waren es gar 16? Die Frage ist dann wieviele Kameras damals in Wembley standen ;).
Dafür ist der Ball sicher langsamer geflogen ;).
Ich weiss net, irgendwie hab ich in das Zeug net wirklich Vertrauen.
Tja, schwer zu sagen, was man davon halten soll. Einerseits ist solche Technik natürlich eine Innovation, andererseits halte ich es für bedenklich, dass der Mensch immer mehr von solcher Technik verdrängt wird, denn irgendwie gefällt es mir besser, wenn trotzdem ein Mensch als Kontrollinstanz dabei ist. Eine ähnliche Diskussion gibt es derzeit auch beim Darts: Bei der Lakeside-WM wird dieses Jahr zum ersten Mal der Score nicht mehr von Schreibern, sondern von einer Software automatisch berechnet, und die lag nun schon mehrfach definitiv daneben.
Wie kann eine Software beim Punktezählen falsch liegen?? Entweder pfuscht da jemand bei der Eingabe (erfolgt die optisch? durch Druckfelder wie bei den billig-elektronischen Dartboards?) oder die Software ist haarsträubend falsch programmiert.
Ein einfaches zusammenrechnen ist doch simpel zu programmieren…
Der Mensch als Kontrollinstanz ist bei Sportarten in denen es um Entscheidungen wie beim Tennis geht einfach nicht fähig eine angemessene Entscheidung zu treffen. Das menschliche Auge kann nicht wesentlich mehr Information aufnehmen wie gängige TV-Kameras und kann damit auch nicht gut genug diese Rutschphase des Balls wahrnehmen.
Ähnlich Abseitspositionen im Fußball, wo der Mensch auch zeitliche und räumliche Dimensionen beachten muss.
Da sehe ich die Verantwortung lieber bei unparteiischen technischen Hilfsmitteln, die eine bessere Genauigkeit liefern als ein Mensch.
Bei der Zeitnahme ist das doch schon gang und gäbe, ob in der Leichtathletik, beim Bobfahren oder in der Formel 1.
Der Beweis der möglichst exakten technischen Umsetzung ist natürlich elementar, wie beim Dart mit dem Punktezählen.