Fast perfekt!

Sie haben es geschafft: 16-0. Unbesiegt in der Regular Season. Die erste Mannschaft seit den 1972er-Miami Dolphins.

Die New England Patriots.

Darüberhinaus holte sich WR Randy Moss den Jerry Rice-Rekord für meiste TD-Catches in einer Saison (jetzt: 23 TDs) auf Pass von QB Tom Brady. Bradys 50ter TD-Pass in der Saison. Auch das ein neuer Rekord. Und die meisten Punkte in einer Saison.

Die Rekorde mussten hart erkämpft werden. Für die NY Giants ging es zwar um nichts mehr, aber die Giants spielten über ihr Niveau. Drei Viertel lang setzten sie die Patriots unter Druck. Sie gingen zuerst in Führung (nach 4 Minuten 7:0 durch Pass Minning auf RB Jacobs), sie führten zur Halbzeit (21:16), sie erhöhten im 3ten Viertel auf zwei Scores Abstand (28:16).

Es war ein sehr unterhaltsames Spiel. Ein bemerkenswert intensives Spiel. Playoff-Atmosphäre in den Meadowlands. Die Zuschauer stiegen von der ersten Sekunde an, voll ins Match ein. Beide Mannschaften gaben sich auf allen Positionen gegenseitig die Kante. Kleinere Nickeligkeiten allerorten.

Die NY Giants-Defense spielte gewohnt gut, aber zumindest drei Viertel lang konnte auch die Giants-Offense mit der Punktemaschine aus New England mithalten. Es ist unvermeidbar, dass die Patriots punkten. Aber die Giants konnte sie durch eigene Scores immer in Zugzwang halten. Das war der Schlüssel dafür dass die Partie so lange offen war.

QB Eli Manning machte vieles richtig, wurde – atypisch für die komplexen Spielpläne von OffCoord. Kevin Gilbride – an der langen Leine gehalten. WR Burress machte immer wieder Big Plays, TE Kevin Boss zeigte sich als vollwertiger Shockey-Ersatz und RB Jacobs hatte mit seinen Läufen und kurzen Catches einen sehr guten Tag.

Doch dann legte das Schicksal den Schalter um. Irgendwann gegen Ende des 3ten Viertels.

Die Offense der NY Giants spielte auf einmal ungleich konservativer, schmalspuriger, weniger breit gestreut. Die Patriots bekamen die Chance mit dem Pass Rush die Pocket um Manning herum kollabieren zu lassen und Manning wusste damit nicht umzugehen. geriet teilweise schon von alleine vor lauter Aufregung zu stolpern. In den darauffolgenden drei Drives erzielten die Giants nur noch ein einziges 1st Down. Der Genickbruch läßt sich ziemlich exakt auf die vierte Spielminute im 4ten Viertel festlegen.

Die Giants fabrizierten gerade ihren ersten Three’n’Out der zweiten Halbzeit. Die Patriots hatten in diesem Spiel noch kein tiefes Big Play. Im zweiten Down suchte QB Tom Brady dann WR Randy Moss. Moss lief die rechte Seite entlang und sein Manndecker stolperte. Moss war an der Giants 15yd-Line völlig frei. Brady warf den Pass etwas zu kurz, Moss ließ den Ball freistehend und unbedrängt durch die Hände rutschen und man sah in der Großaufnahme wie Brady in sich zusammensackte. Man sah ihm auf einmal die Last des Spiels an: der Versuch auf 16-0 zu gehen, die beiden möglichen Rekorde von ihm und Moss im Hinterkopf. Moss trottete zurück zur Scrimmage Line, begleitet vom höhnischen Gelächter Tausender von Zuschauer. Es waren die Sekunden an denen ich auf einmal an die mögliche Niederlage glaubte.

Drittes Down und die Patriots legen fast den gleichen Spielzug hin: Brady bekommt Zeit, Brady kann sich in den Wurf reinlegen. Moss’ Manndecker steht viel zu tief, Moss kann den Ball unbedrängt fangen, bekommt ihn pfannenfertig im Lauf über die Schulter hinweg in die Arme serviert und läuft durch in die Endzone. Nur Sekunden nach dieser fulminanten Enttäuschung legen Brady und Moss einen 65yd TD-Pass hin. Ein Pass der die 29:28-Führung bringt (gefolgt von einer gelungenen 2Pt-Conversion zum 31:28), ein Pass der Mannings und Rices TD-Rekorde bricht. Das kann dir kein Autor besser schreiben.

Danach wusste man einfach: dieses Ding ist den Patriots nicht mehr zu nehmen. Und das Ding heute nacht war ein herausgearbeiteter Sieg. Ein Sieg bei dem die Kohlenhydrate aber richtig verbrannt wurden.

Ich habe die Aufregung um “Videogate” zu Beginn der Saison nicht verstanden. Regelverstoß ja (auch wenn sich mir ihr Sinn nicht erschloss), aber deswegen Sternchen unter dieser Saison setzen?

Die Patriots sind seit Jahren Maß der Dinge und dominieren die Liga, wie es vielleicht noch nie eine Franchise in der NFL-Geschichte gemacht hat. Ich halte die Konkurrenz innerhalb der AFC für wesentlich massiver als z.B. die innerhalb der NFC zu den Zeiten der letzten großen “Dynastie” der Dallas Cowboys unter Johnson und Switzer.

Es gibt wohl keinen Headcoach der seit nun 6-7 Jahren derart massiv & erfolgreich an allen Stellschrauben dreht, um die Dominanz zu bewahren, wie Bill Belichick. Wahrscheinlich hat noch nie ein Headcoach einen derart massiven Verlust an Assistenten kompensieren können. Bis auf QB Brady sind im Laufe der Jahre alle Spieler auf den Skill Positions durchgewechselt worden, ohne dass Qualität verloren ging. Belichick sucht nicht nur Spieler für sein System. Er schafft es auch immer wieder neue Varianten seines Systems zu entwickeln. Im Kern sind Ähnlichkeiten im Spiel der 2001er-Pats mit den 2007er-Pats zu sehen. Es schimmert die gleiche Philosophie durch. Gleichzeitig spielen die Patriots heute anders als vor sechs Jahren oder als die Pats vor zwei Jahren mit ihren damals 10-12 unterschiedlichen Passempfänger. Keinem Coach und keinem Team ist es gelungen sich selbst solange so häufig neu zu erfinden. Wer behauptet das WR Moss sich gut in das Pats-System eingefügt hätte, verkennt dass auch Belichick das Pats-System für Randy Moss und Daunte Stallworth angepasst hat. Ein geben und Nehmen.

Das Arsenal der Patriots wirkt so komplett wie kein anderes und die Offense scheint daher als unaufhaltbar.

Bill Belichick mag nicht als größter Sympath in die NFL-Geschichte eingehen. Belichick gibt sich in der Öffentlichkeit zugeknöpft statt Vince Lombardi-eske Kalendersprüche von sich zu geben. Solange Belichick nicht wegen Scheidungs- und Frauengeschichten in den Schlagzeilen ist, ist er in der Öffentlichkeit nahezu unsichtbar.

Kotzbrocken hin, Kotzbrocken her: das was er da aufgebaut hat, ist groß. Es ist als Gesamtwerk das Beste was die NFL seit Mitte der 60er Jahre gesehen hat.

Es ist fast perfekt. Drei Spiele bis zur Unsterblichkeit.

(Kollateralschaden für die NY Giants: drei Starter haben sich verletzt – CB Madison, C O’Hara, LB Mitchell. Ihr Einsatz für die Wild Card-Playoffs gegen Tampa Bay ist fraglich)

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Das gelungene “einfügen” von Moss sehe ich eher auf der teaminternen Seite.
    Die wahre Aufgabe war nicht ihn in den Spielplan zu integrieren(das sollte jedem halbwegs qualifizieten Coach gelingen), sondern aus diesem Ultra Egomanen(ich find ihn schlimmer als TO(und das heißt was)) einen Teamplayer zu machen.
    Das das so gut funktioniert hat ist für mich eine echte Glanzleistung, die ich elichik und Co nicht zugetraut habe.
    Gestern z.B. fungierte Moss mehrfach als Decoy um die coverage auf sich zu ziehen. Ein Verhalten, dass in seiner Zeit in Minnesota undenkbar gewesen wäre(von Oakland ganz zu schweigen).

  3. Bei aller Hochachtung vor der wirklich tollen Leistung der Patriots in dieser Saison habe ich nach dem heutigen Spiel die Vorahnung, dass es mit dem Superbowl und 19-0 für die Patriots nichts werden wird. Die Patriots haben in der 2. Saisonhälfte und auch gestern grosse Schwierigkeiten mit den Gegnern gehabt. (siehe Ravens, Eagles, Jets, Giants) Ich würde zwar gerne eine perfect season sehen, denke aber, dass im AFC Championship Game bei schlechten Wetterbedingungen die Colts aufgrund des stärker einzuschätzenden Laufspiels eine sehr gute Chance hätten. Bei guten Wetterbedingungen im AFC Championship Game werden sich die Pats durchsetzen und es dann zum 19-0 schaffen. Aber schon jetzt Chapeau vor den Pats und insbesondere Tom Brady, der die ganze Saison auf einem unglaublichen Niveau und mit einer stoischen Ruhe gespielt hat.

  4. Das Spiel heute Nacht war mit eines der unterhaltsamsten der Saison. Was mich erstaunt hat war, wie sich die Giants reingekniet haben, wo es bei ihnen nichts mehr ging. Es wäre tragisch, wenn die Verletzungen so schlimm wären, dass sie im Wild-Card-Spiel ausfallen würden.

    Natürlich sind die Pats großer Favorit, aber nicht unschlagbar, wie die relativ knappen Spiele in der zweiten Saisonhälfte zeigen. Alles läuft auf das AFC-Finale gegen die Colts hinaus, und die haben doch ein ganz anderes Kaliber als die Giants.

  5. Ich wäre mir nicht so sicher, daß es auf ein Spiel Pats-Colts hinausläuft.
    Die unscheinbar wirkenden Jacksonville Jaguars sind in meinen Augen zur rechten Zeit in Topform. Meines Erachtens ist dies die Mannschaft, die New England am gefährlichsten wird. Ein Super-Laufspiel, ein QB, der unspektakulär und fast fehlerfrei seine Arbeit macht und eine sehr physische, sichere Defense.

  6. Ist doch einfach lächerlich von einer “Pefect Saison” zusprechen, wenn nur 16 Spiele ausgetragen werden. Die europäischen Top-Fußballclubs tragen mehr als doppelt so viele Spiele in ihrer Liga aus. Dazu kommen noch unzählige Pokalspiele. Dass sind dann zirka 45 – 60 Spiele.

  7. Wieviele europäische Fußballmannschaften in den Top Ligen haben denn mal ihre 30-40 Spiele alle gewonnen?

  8. Mit Arsenal fällt mir schon mal ein Team ein (ungeschlagen in der Premier League-Saison 03/04: 38 Spiele, 26 Siege, 12 Unentschieden).

  9. Die Pats waren in der regular einfach grandios. Frühzeitig qualifiziert ist es nicht einfach in jeder Minute Konzentration und Motivation bei 100% zu halten. Aber wenn es im letzten Viertel drauf an kam, haben sie einfach Killerqualitäten gezeigt und damit auch play-off Situationen simuliert. Hier und da war vielleicht etwas Glück dabei, aber auch dann muss man es erstmal das Comeback schaffen. Dazu gehört, wie auch gestern, immer wieder lange 3rd downs zu überwinden. Eine verdiente perfect (regular) season (ohne Sternchen). Sicher nicht unschlagbar, aber dafür braucht es einen verdammt guten Tag.

  10. Dann hoffen wir nur das sie auch die Playoff Phase überstehen. Aber es ist sensationell was die Pats geschafft haben.

  11. NFL und andere Ligen kann man schlecht vergleichen. Wenn man bedenkt, dass alle 32 Mannschaften über den Daumen gepeilt dasselbe Budget haben, ist so ein Durchmarsch absolut gigantisch. In New England sind Leute am Werk, die Ahnung von ihrem Job haben und ein QB, den nichts aus der Ruhe zu bringen scheint. Auch wenn ich nicht unbedingt Fan der Pats bin, muss man die Klasse einfach anerkennen und nicht kleingeistig herumkritteln. Sie haben ja nicht nur erfolgreich, sondern meistens auch sehr ansehnlich gespielt, und dem trainer ist das Wunder gelungen, aus dem Egoshooter Moss einen wertvollen Mannschaftsplayer zu machen.

    P. S. Das Phantom Hester von den Bears mit mit einem Punt-Return-TD wieder zugeschlagen.

  12. Vom “über den Daum gepeilt selben Budget” würde ich nur mit Vorsicht sprechen. Es gibt zwar eine Salary Cap, aber die ist in den letzten Jahren derart gestiegen, dass einige Teams in der Liga diese nicht mal mehr annähernd ausreizen. Deshalb gibt es im Grunde auch in der teuersten Liga der Welt noch ziemliche Grössenunterschiede (finanziell).

    Zu den Pats und der Perfect Season: Das ist wieder mal so ein Term, der für mich etwas verwirrend ist. In den USA wird zwischen Regular Season und Post Season unterschieden. Im Sinne der Saison als Regular (und exklusive Post-) Season ist der Begriff “perfect” natürlich absolut angebracht.

    Im europäischen (wohl vom Fussball geprägten) Verständnis einer Saison, betrachte ich eine Saison aber vollständig (inkl. Pre- und Post-Season). Und wenn die Pats vor der Super Bowl ausscheiden sollten, ist diese Saison trotz allem kein Erfolg. Sie haben dann zwar einige Rekorde gebrochen, aber sogar die statistikversessenen Amerikaner würden im Falle eines verfrühten Ausscheidens wohl nur noch die Niederlage in den Play-Offs ansprechen, wenn sie in zehn Jahren von den Pats 2007 reden.

    Wie schon erwähnt hatten die Pats einige Spiele, die sie eigentlich hätten verlieren müssen. Immer haben sie es aberirgendwie geschafft den Gegner in der entscheidenden Phase schwächeln zu lassen (vielleicht durch einen Geistestrick oder Magie) und das Momentum durch teilweise unglaubliche Spielzüge auf ihre Seite kippen zu lassen.

    Ich bin gespannt, ob es in den Play-Offs in diesem Stil weitergeht und ob es tatsächlich zum vorgezogenen Super Bowl NE – IND kommt.

  13. @Pepe: Der mögliche Makel einer Playoff Niederlage ist zwar möglich. Aber bisher stand bei den Dolphins von 1972 immer im Vordergrund, dass sie eine “perfect season” hatten, obwohl sie in den Playoffs versagten. In der Zukunft sind die Pats 2007/08 NFL-historisch gesehen das perfekte Team. Egal ob SB Sieg oder nicht, diese Mannschaft wird sich in 30-50 Jahren mehrmals wiedersehen und über die Spiele in den Meadowlands (Jets in Week 1 und Giants in Week 17) sprechen, das hat diese Spieler zusammengeschweißt, dieses “perfekte” Erlebnis. Der mögliche folgende SB Sieg wird nie diesen “Stellenwert” haben, denn davon gibt es in den nächsten 30-50 Jahren 30-50 Sieger, jedes Jahr. Aber 16 Spiele in einer Saison, wird es so schnell nicht geben (vermutlich).

    Noch zu den Giants: Hut ab für diese Leistung. Wie CC bewundernd feststellte, dem möchte ich mich anschließen: “They’re playing their guts of.”

  14. @enrasen

    Natürlich haben die Pats damit bereits einen Meilenstein gelegt. Eine Perfect Season UND der Gewinn des Super Bowls in der gleichen Saison (19 Siege, 0 Niederlagen) ist dann aber doch nochmal eine Stufe höher einzuschätzen. Für mein Verständnis ist auch nur das eine wirklich vollkommene Saison.

    Wie gesagt: Rein sportlich und für den Moment nützt eine perfekte (Regular) Saison ja noch nichts. Man wird zwar in den nächsten 30 Jahren möglicherweise ein paar mal Mehr in Fernsehstudios eingeladen und hat etwas auf das man den Rest seines Lebens stolz sein kann. Aber was hilft das, wenn man sich (als offensichtlich überlegenes Team) am Ende der (Post) Saison nicht einen Ring anfertigen kann? Und ist man wirklich noch perfect und undefeated, wenn man seine (ganze) Saison doch mit einer Niederlage abschliesst?

    Wie denkt wohl Bill Belichick darüber?

  15. Die Patriots gewinnen den Superbowl. Sie haben zu viele Optionen in der Ofensive. Dwight Freeney ist ein großer Verlust für die Colts; deshalb glaube ich nicht an die Colts. Übrigens, es ist immer einfach gegen einen haushohen Favoriten zu spielen – man hat eben nichts zu verlieren (Spiele der Pats gegen die Ravens und Eagles). Die Giants haben um die Ehre gekämpft, das hat Spass gemacht – hat aber auch gezeigt, dass die Pats jederzeit in der Lage sind, dass Spiel zu drehen. Mein Superbowl Tipp: Green Bay gegen Pats
    Go Pats Go

  16. @enrasen:
    “Der mögliche Makel einer Playoff Niederlage ist zwar möglich. Aber bisher stand bei den Dolphins von 1972 immer im Vordergrund, dass sie eine “perfect season” hatten, obwohl sie in den Playoffs versagten.”

    In den Playoffs 1972 versagten die Dolphins? Inwiefern Versagen?

    Wenn mich nicht irgendwas getreten hat, dann haben sie doch den Super Bowl mit einem 14-7 gegen die Washington Redskins geholt.

  17. Kurtspaeter@ korrekt. Da gab es eine ganz kuriose Interception der Dolphins.
    Ich glaube, der Kicker hat einen Skinsspieler den Ball in den Arm geworfen; nachdem der Kick nicht geklappt hatte? Aber gewonnen haben die Dolphins.

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