Das Ei des Armageddons
In Sachen College Football sind die Messen eigentlich gesungen: am späten Sonntagabend wurde bekannt wie das letzte BCS-Ranking der regular season aussieht und eine Reihe der Bowls (Endspiele) festgelegt. Und natürlich ruft das in eine der turbulentesten College Football-Spielzeiten ever, enorme Kritik hervor. An dem Punkt an dem eine Setzliste und die Zusammenstellung der Bowls von einer computergenerierten Rangliste abhängt, die wiederum mehrere “menschliche” Meinungsumfragen zur Basis hat, wird unter den Fans immer verbale Prügelei losschlagen.
Aus europäischer Sicht faszinierend ist die völlige Konzentration vieler auf den puren record, auf die reine Sieg-Niederlagen-Bilanz. So kommt es, dass ein Team wie die LSU Tigers, die bis vor 2 Wochen noch von jedermann für ein würdiger Vertreter für die BCS-Championship genannt wurden, nun von vielen für Abschaum gehalten werden. Was ist passiert? Sie haben vor zwei Wochen ihr zweites Saisonspiel verloren. Zum zweiten Mal in dreifacher(!) Overtime. Damit schienen sie aus dem Rennen zu sein und stürzten vom Spitzenplatz der Rangliste auf Platz 7 ab.
Bis es dann an diesem Wochenende mit Missouri und West Virginia die Nummer 1 und 2 in der Rangliste erwischte. LSU wiederum sprang durch seinen Sieg im SEC-Endspiel gegen #14 Tennessee von 7 auf 2. Eine Mannschaft mit zwei Niederlagen im BCS-Endspiel? Das bringt das Testosteron in Wallung.
Das Problem ist teilweise von den Polls selbst verschuldet gewesen. LSU hätte meiner Meinung nach niemals nach seiner zweiten Niederlage auf #7 abstürzen dürfen. Es ist rückblickend nicht verständlich, warum jetzt von #7 aus ein Sieg gegen Tennessee ausreicht um fünf teilweise spielfreie Konkurrenten zu überwinden.
LSU hat im Laufe der Saison mit #9, #12, #9, #17 und #17 fünf Teams aus den Top 25 geschlagen. Das hat in dieser Güte kein anderes Team geschafft. Auch nicht #1 Ohio State Buckeyes. Deswegen ist LSU als Teilnehmer des BCS-Endspiels für mich un-an-tast-bar.
Das zweite “problematische” Team sind die Hawaii Warriors, die an #10 gesetzt sind. Weil sie aber das einzige ungeschlagene Team sind (12-0), leiten viele daraus die Verpflichtung ab, sie auf #1 oder #2 zu setzen und ins BCS-Endspiel zu bringen.
Das Problem der Warriors ist ihre Conference – die WAC – und ihr leichter Spielplan. Die WAC selber bietet bis auf Boise State keine ernstzunehmende Gegner und viele gutklassige Teams scheuen sich die weite Reise durch diverse Zeitzonen nach Hawaii zu unternehmen.
Mit dem ähnlichen Problem der geringen Wertschätzung hatten letzte Saison die Boise State Broncos aus der WAC zu kämpfen, ehe sie im Fiesta Bowl gegen Oklahoma eine Show hinlegte, die mir noch heute das Salzwasser aus den Augen pullern lässt, voller Pathos und Gänsehaut (in den Schlußsekunden den Ausgleich gemacht und in OT das Spiel für sich entschieden, mit Spielzügen die nicht von dieser Welt waren).
Seit Boise States Sieg vor landesweitem TV-Publikum werden auch die Mannschaften aus den kleinen Conferences ernst genommen, was sich auch daran ablesen ließ, dass Boise State in diesem Jahr von Beginn an in den Polls in den Top25 drin war.
Aber kann man daraus schon eine #1- oder #2-Position für Hawaii ableiten? Boise State – Oklahoma war #9 gegen #7 und es war eine knappe, ausgeglichene Geschichte. So gesehen ist die Ansetzung von Hawaii (#10) gegen Georgia (#5) ein weiterer Sprung nach vorne für die WAC. Ein kleiner Sprung um auszutesten was die WAC auf den Kasten hat. Niemand ist es geholfen Hawaii auf die #1 gehen zu lassen, um dann von Ohio State abgeledert zu werden. Insofern ist dieses Ranking und diese Ansetzung geradezu weise & salomonisch.
Was aber niemanden daran hindern wird, ein vierwöchiges Playoff-System vorzuschlagen. Die Ausweitung des College Footballs von 13 auf 17 Spiele pro Jahr mit Milchbubis? … ein Wahnsinn.
Reaktionen
dogfood:“Armageddon” nicht im Duden, sondern “Fremdwörter-Lexikon” (im Gegensatz zu Weblogs). Machen dies um zwei von diesen Büchern zu verkaufen?
These: Trotz mancher Hollywoodfilme ist die ‘Letzte Schlacht’ im europäischen Bewusstsein nicht so vertreten, wie im amerikanischen. Weil endzeitorientierte religiöse Gruppen hierzulande weniger Einfluß haben. Und wenn wir in Deutschland überhaupt an die Endzeit denken, dann sagen wir gemeinhin ‘Apokalypse’, auch wenn die beiden Begriffe wohl strenggenommen nicht deckungsgleich sind.
‘Webblog’ hingegen ist eine im deutschen Sprachraum standartmäßig verwendete Formulierung, um ein im Alltag recht häufiges Phänomen zu beschreiben, für das auch keine weitere entsprechende deutsche Formulierung existiert. Also, wenn ein Fremdwort in den Duden gehört, dann doch wohl dieses.
Na, welcher Ausdruck einem Großteil der Bevölkerung bekannter ist, da würd ich nicht wetten wollen…
Davon ab: die Diskussion wird hier keiner verstehen, denn du beziehst dich auf einen “Tweet” denn ich auf meinem normalen Twitter-Account gegeben habe. Nicht auf allesaussersport und nicht als “aasport”-Tweet
verstehe
Die “Ausweitung” der Saison beträfe ja nur maximal 4 Mannschaften.
In einem 8 Team Playoff würden vier Mannschaften in der ersten Runde ausscheiden.
Die hätten dann ihr “Bowl” Spiel gehabt und die Saison wäre zuende.
Wir reden hier also von 4 Mannschaften von 110.
In so einem Playoff gäbs keine Ausreden mehr. Die Mannschaften müssten sich gegen das Beste aus dem College Football durchsetzen und niemand könnte hinterher mit irgendeinem “leichten”/”schweren” Spielplan kommen.
Und auch wenn du dich sehr auf LSU festlegst. Einige der Siege gegen gerankte Teams waren äußerst knapp.
Der sieg gegen eine, aus meiner Sicht durchschnittliche, Mannschaft aus Tennessee wäre ohne einen Totalausfall im system des Tennessee QBs nicht unbedingt zustande gekommen.
Ich kann sie nicht als “Lock” für das Endspiel sehen auch nicht bei nur einer Niederlage.
Zum Thema reiner Rekord. Unser Fussball beruht auf reiner Rekord.
Wie oft ist nicht die gefühlt beste Mannschaft Meister geworden, sondern die die am Ende mehr Punkte hatte?
Ja, aber das kannst du doch nicht vergleichen, weil bei unserem Fussball dann auch wirklich jeder gegen jeden gespielt hat.
Also ich höre inzwischen sogar von einem 16-Team-Playoff reden. Das Problem mit dem Ranking wird durch die Playoffs ja nur verschoben. Jetzt diskutieren alle wer zu den Top-2-Mannschaften gehören. Bei den Playoffs würden sich alle den Mund fusselig reden, wer zu den Top8 oder Top16 gehört. kann man sehr schön am Beispiel Hawaii illustrieren. Oder es würde über die Setzliste diskutiert werden: wäre es gerecht LSU an #2 zu setzen und damit Heimvorteil bis zum Endspiel zu geben?
Re: “Einige der Siege gegen gerankte Teams waren äußerst knapp.”
Mit der Argumentation schießt du dich aber selbst ins Knie: wie sind denn zwei Niederlagen nach 3OT zu bezeichnen? Wie kann man dann nach einer solchen Niederlage von #1 auf #7 abstürzen?
Re: reiner Rekord
Eben. Jeder spielt gegen jeden und es muss nicht Pi x Daumen über eine Setzliste diskutiert werden, die teilweise von regionalen Bevorzugungen dominiert wird oder von Trainer und Journalisten, die unmöglich alle Teams gesehen haben. Coaches haben ein Interesse daran ihre Gegner hochzujazzen, damit umgekehrt ihre strength of schedule gut aussieht.
re: “Wie oft ist nicht die gefühlt beste Mannschaft Meister geworden, sondern die die am Ende mehr Punkte hatte?”
In der Bundesliga? Offen gesagt, kann ich mich jetzt nicht daran erinnern.
Eigentlich jedes Jahr indem Bayern Meister wird gibt es einen Meister der Herzen oder eines anderen Körperteils.
Ich kenne nur eine Mannschaft die meint sich noch sechs Jahre danach die Bezeichnung “Meister des Herzens” geben zu müssen. Und damit stehen sie inzwischen ziemlich alleine da.
(Und nach solchen Kritierien müssten vermutlich dann dieses Jahr die Hokies auf #1 gestellt werden)
Die Meister der Herzen von 2001 waren schlicht zu blöde.
zu 2001: Meister der Herzen hat es nicht ganz getroffen, Meister der schlechten Verlierer ist passender…
Bayern wird nicht jedes Jahr Meister…es wird nur von allen erwartet dass sie Meister werden…jedes Jahr 34 Spiele gegen Teams die einen unbedingt schlagen wollen…
Anders Beispiel: Für die Patriots wird es auch jede Woche schwieriger…jeder will sie unbedingt schlagen…sogar Teams mit negativen SN-Bilanzen sind knapp dran sie zu schlagen…ich bin überzeugt davon dass sie noch min. ein Spiel verlieren…wahrscheinlich sogar gegen Miami…
Das Problem der Pats(die Probleme möchte ich haben) ist das schlechter werdende Wetter. Wie von den Experten in den Staaten bei jeder Gelegnheit erwähnt wird, braucht man in schlechtem Wetter beim Foorball zumindest sowas ähnliches wie ein funktionierendes Laufspiel. Und ausgerechnet das fehlt den Pats. Und gestern waren Winde von 60 meilen/stunde unterwegs was das Passspiel(Fremdwort für die Ravens) negativ beeinträchtigt hat.
Es wäre natürlich zum Lachen wenn die zahnlosen Fins den Pats die perfekte Saison verhageln könnten, aber richtig dran glauben kann ich nicht.
Eigentlich ist es logisch. Aber uneigentlich haben die Pats eine SuperBowl (ich glaube es war die erste unter Belichick) ebenfalls ohne jedwedes Laufspiel geholt.
Die größten Chancen würde ich nächste Woche Pittsburgh und am letzten Spieltag den Giants geben. Den Giants u.a. auch deswegen, weil das Spiel im Meadowland-Stadion stattfindet und dass ist ja für seine merkwürdigen Windverhältnisse berüchtigt.
@freddy 7: tja so ändern sich die Zeiten. Bei ihren Siegen gegen die Colts in diversen Play-offs haben die Pats vom schlechten Wetter oft profitiert.
Klar läuft es jetzt nicht mehr so gut wie zu Beginn, aber das wäre auch unrealistisch (und irgendwann stellen sich die gegnerischen Trainer auf das Angriffsspiel ein. Und dennoch, wie sie es trotzdem geschafft haben gegen die Ravens und die aufgeputschten Fans, fand ich – bei allem Glück, das sie hatten (Ravens-Auszeit) ziemlich beeindruckend. So ein Spiel war eigentlich nicht zu gewinnen.
@dogfood: Im Prinzip würde ich dir Recht geben, aber nur, wenn Eli sich um vier Klassen steigert bzw immer so spielt wie im letzten Viertel gegen Chicago.
Sind wir doch froh, dass der Champion offenbar doch noch nicht feststeht.
Ich könnte mir trotzdem vorstellen, daß die Ravens-Defence nach dem Spiel geschlossen Schnaps trinken gegangen ist.
Und zwar kommentarlos.
@dogfood: ist das ein Rekord von Alba? Wieviele OTs? 4 oder 5? Unglaublich. Schade dass Euro-Basketball kaum noch Beachtung findet… solche Spiele könnten eigentlich neue Fans anlocken…
gruß,
Serkan
Jedes Jahr gibt es ja wieder das gleiche Theater. Die Leute aus der SEC sagen ja auch, dass alle andere Conferences super schlecht und daher z.B. der ACC Champion nichts taugt. Ich fand die Saison richtig gut und spannend. Es ist einfach schöner wenn man auch mal überraschende Resultate bekommt und nicht ein paar Mannschaften durchmarschieren. Auch dann wäre das Gezeter bei 3 0 Loss Teams wieder groß gewesen. Problem sind aber auch die Schedules. Alle hacken auf Notre Dame rum aber bei den Paarungen ist ein winning record schon eine starke Leistungen. Ich möchte mal LSU oder Florida so eine Schedule spielen sehen. Gegen wen hat denn OSU schon gewonnen? Aber obwohl alle meckern freut man sich wieder auf die Bowl Season-:) Wobei ich auch nicht ganz verstehe warum ACC#2 nicht wirklich ACC#2 ist, sondern der Pick den der Bowl Veranstalter sich aussucht. Es ist also egal, ob ich in der Conference 3. oder 4. werde. So lange der Veranstalter mich gut findet spiele ich trotzdem im ACC#2 Bowl. Das finde ich sogar noch ein wenig merkwürdiger als das BCS System…
Mal etwas ganz anderes: Wird Celtic Glasgow eigentlich mit scharfem s oder mit “tsch” ausgesprochen. Und wie ist es bei den Boston Celtics? Und warum?
Celtic FC und Boston Celtics /seltik/
Celts, celtic mythology usw eher /kelt/
tsch geht glaube ich gar nicht
warum sich Sprachen so entwickeln weiss ich allerdings echt nicht
Ich wollte nochmal was zu den “Milchbubis” sagen. Ich glaube das ist doch etwas verfehlt. Mit dem College beginnt der Amerikaner etwa mit 18 Jahren, ein Senior, welche meistens die Hauptlast des Spiels tragen, ist etwa 22. Zwar sind die Spieler grundsätzlich Amateure (worüber ich mich jetzt mal nicht auslasse), allerdings ist der ganze Betreuerstab, zumindest an den Colleges von welchen man her redet, hoch professionell. Und da frage ich mich schon warum ein 23 jähriger in der NFL plötzlich problemlos um die 20 Spiele bestreiten können soll, im NCAA Bereich aber keine 14/15. Die dafür notwendigen Umstellungen innerhalb der einzelnen Programme sind doch eher gering und für die betroffenen Colleges relativ leicht durchzuführen.
Auch das akademische Argument lasse ich in Anbetracht z.B. des Basketball Spielplans nicht gelten.
Die wirkliche Umstellung würde das Gesamtsystem angehen. Das Bowlprinzip, mit dem die einzelnen Veranstalter viel Geld verdienen, wäre so nicht mehr zu halten und um endgültig von den subjektiven Polls weg zu kommen wäre selbst bei 16-er Play-offs eine große Neuordnung der Divisions und des Spielplans notwendig. Die Frage ist, wie weit da wirklich die Bereitschaft geht eigentlich die gesamte Tradition diesbezüglich über den Haufen zu werfen, nur um am Ende keine Diskussionen mehr zu haben ob wirklich das stärkste Team “National Champion” ist.