Ebbsfleet United – Fußball 2.0
Die BBC meldet eine Kuriosität aus dem englischen Fußball: Der Verein Ebbsfleet United (südöstlichen Ecke Englands) aus der fünften englischen Liga (Blue Square Premier oder auch: Conference National) ist übernommen worden…
… von Fußball-Fans. 20.000 Mitglieder in einem Verein namens MyFootballClub haben jeweils 35 Pfund (= 50 EUR) für ein Jahr einbezahlt um einen Klub zu übernehmen und nach ihrem Gusto zu gestalten. So sind in weniger als drei Monaten knapp 700.000 Pfund (= 1Mio EUR) zusammengekommen. Der Klub wurde gesucht und nun in Ebbsfleet Utd gefunden und übernommen (aktuell ist man übereingekommen 51% der Anteile am Club zu übernehmen, mit der Option die restlichen Anteile später einzukaufen).
Jedes Mitglied in MyFootballClub verfügt über einen Anteil am Klub und kann nach dem Prinzip “one man, one vote” in Abstimmungen u.a. darüber entscheiden welche Spieler eingekauft werden und welche Spieler in den Kader kommen. Der Trainer von Ebbsfleet Liam Daish nimmt es locker:
“Picking 11 players and formations isn’t a precise science and luck often plays its part,” stated the Ebbsfleet boss. “During and after matches, Ebbsfleet supporters often give me their opinion on which players should or shouldn’t start games. Now they can have their say.
“My job won’t change that much. As a club, we’ll select the starting 11 players and formation together. “But just as before, what goes on at the training ground and in the dressing room on the day of the match is down to me.
“It’s the supporters’ money that finances this club and pays my wages and those of the players. “So there’s a good argument for them having a say in what players they want to see.”
Im Grunde genommen ist es nur den Gedanken von Karl-Heinz Rummenigge konsequent zu Ende gedacht (“die Zuschauer haben das Recht für ihr Eintrittsgeld die besten Spieler auf dem Platz zu sehen“).
Reaktionen
Fragt sich nur woher die Zuschauer wissen welche die besten Spieler sind und wie sie das beurteilen koennen. Oder kommen die 20,000 jetzt alle zum Training und sehen zu wie sich die Spieler dort bewaehren?
Die Mitglieder werden aber nicht nur Rechte sonder auch Pflichten haben wenn´s schief geht (was man ja nicht hofft). Bei 20.000 Mitglieder wird es sicher schwer werden eine gemeinsamen nenner ( bei Spieler einkäufen ) zu finden. Wer zahlt dann die Gehälter für die Spieler 700.000 Pfund sind ja heutzutage schnell weg.
Als ob ein dahergelaufener russischer Multimilliionär mehr Sachverstand hätte als ein überdurchnittlicher Fußballverrückter ;-)
Aber wer weiß, evtl startet bald auch Ebbsfleet.TV, damit keiner anreisen muß…
Und nein – ich halte keinen Anteil, kann jetzt aber auch nicht mehr genau sagen, was mich damals vom zahlen abschreckte. Möglicherweise Paypal.
Ist im übrigen auch ein schönes Beispiel für, wie die Realitätsebenen immer mehr verschwimmen: ein echter Club wird zum Werkzeug eines Managerspiels von Fußball-Fans, während die Jungs von SI Games (“Football Manager”) eine MMORPG-Version ihres Football Manager-Spiels in der Pipeline haben und sich Fans als “echte” Manager eines virtuellen Klubs verdingen können.
@Armin: eben waren die Initiatoren von MyFootballClub auf BBC 5live. In der Tat war einer der Gründe diesen Club zu nehmen, das möglichst viele Mitglieder diesen Club besuchen können.
Die meisten Mitglieder kommen aus London und demnächst wird nahe des Clubs eine U-Bahn oder Eisenbahnstation eröffnet, so dass sich das Trainingsgelände nur noch 15 Bahnminuten von London entfernt befindet (“oder auch: nur zwei Stunden von Frankreich entfernt”).
Ich habe gerade den chairman (glaube zumindest er war es, hab ein bißchen zu spät eingeschaltet) von Ebbsfllet bei Sky Sports News gesehen. Er schien eigentlich ziemlich zufrieden mit der ganzen Geschichte zu sein, hoffte auf mehr Fans vor allem bei Auswärtsspielen. Außerdem meinte er, dass die ganzen administrativen Sachen noch vor dem Transferfenster im Januar geklärt werden können, was dann einige Transfers im Winter ermöglichen würde.
Die Geschichte ist natürlich sehr schlau platziert in den gerade fußballfreien Zeit. Sky Sports News hat schon angekündigt heute noch ein paar Mal nach Ebbsfleet zu schalten.
so dass sich das Trainingsgelände nur noch 15 Bahnminuten von London entfernt befindet
Angenommen die Zuege fahren auch. Und es sind nicht gerade “leaves on the line”. Oder “the wrong kind of snow”. ;-)
Aber mal ernsthaft, wieviele werden das wirklich machen? Nicht einmal, sondern dauerhaft. Tagsueber, wenn die meisten doch wohl eher arbeiten muessen um ihren Fussballverein zu finanzieren.
naja, zumindest können diese Fans sicher sein, dass ihre Vorstellungen Gehör finden und berücksichtigt werden, während bei den meisten großen Vereinen im heutigen Profifussball die Vereinsmitglieder kaum noch was zu sagen haben, schon gar nicht in Bezug auf Spielerkäufe oder Aufstellung.
Dieser grassroots-Ansatz sollte den Fans doch aus der Seele sprechen, oder ? ^^
Obwohl den meisten Profifussballern vermutlich schlecht wird bei dem Gedanken, dass demnächst die Fans per Abstimmung über Formation und Aufstellung entscheiden.
Ich denke aber auch, dass es einigen Fans im positiven Sinne die Augen öffnen könnte, was es bedeutet, so einen Club zu managen, und für den ganzen Kram verantwortlich zu sein. Manche haben da sicher noch falsche Vorstellungen, besonders die, die sich am heimischen Stammtisch ob ihres Fachwissens brüsten, und sowieso alles besser können.
Diese Nummer ist lachhaft. Wie die Geschichte mit der Sch… und den Millionen Fliegen, die sich nicht irren können.
Das kann auch nur ein Volk von Bundestrainern glauben, dass so eine Sache ordentlich funtioniert.
Bin selber als Funktionär im (mittleren) Amateurfussball unterwegs. Wenn Du die Quersumme all der Äusserungen der (selbsternannten) Experten umsetzen würdest, wärst Du verraten und verkauft.
Wenn die Basisqualifikation zum Fussballwissenden ein 35 Pfund Investment ist – dann Gute Nacht !
Vielleicht sollte man das aber auch nicht einfach mal so per se verurteilen, Luli?
Grundsätzlich bin ich ja auch der Meinung, dass die Mehrheit prinzipiell dumm ist. Aber ich würde doch erstmal abwarten, wie sich ein solches Experiment tatsächlich entwickelt, bevor man sowas wieder komplett in die Tonne tritt, ohne dass irgendwas geschehen ist.
Empfinde das Projekt “Ebbsfleet” als durchaus interessanten Versuchsballon.
Gibt es dann auch so lustige MV wie gestern beim FC Bayern (Ulli Hoeness im Stimmungskampf)?
http://www.youtube.com/watch?v=8rcymT3cQig
An sich ist das ja ne wirklich interessante Idee. Und wer nicht Fussballmanagerspieler ist, kann das wahrscheinlich schlicht nicht nachvollziehen.
Bitter ist es halt nur für die, was weiß ich, laß es 25 Fans und/ oder langjährige Engargierte sein, die halt selbst Ebbsfleet United haben dürfte (resp. gehabt haben dürfte). Wenn der eigene Verein zum Computerspiel wird – nicht schön, stell ich mir vor.
Gab dazu übrigens einen ganz guten Artikel in der 11Freunde.
Außerdem stell ich mir gerade vor, wie irgendjemand versucht, den 15 Rentnern, die zu jedem Spiel von Ebbsfleet kommen, zu erklären, was da gerade passiert… :)
In Deutschland gibt es schon eine Kopie dieser Idee ( http://www.klub-der-fans.de) , wobei hier die rechtlichen Rahmenbedingungen ja ungünstiger sind, um sowas komplett durchzuziehen.
Ich finde den englischen Ansatz grundsätzlich vielversprechend, gerade weil es sich um einen 5. Ligisten handelt. Der bekommt mehr Geld und Aufmerksamkeit als vorher, dass ist doch erstmal gut. Es wäre unlogisch, dass dadurch die sportliche Qualität absinkt. Das die Eigentümer die Aufstellung bestimmen, ist letztlich konsequent. In jedem anderen Wirtschaftszweig bestimmen die Eigentümer ja auch die Aufstellung. Wenn sich jemand zu diesen Regeln nicht anstellen lassen will, kann er es ja bleiben lassen.
Der zitierte Trainer hat doch ganz richtig geantwortet, dass die Aufstellung ohnehin immer diskutabel ist. Wer Geld gibt und sich verantwortlich fühlt, wird in der Mehrheit auch versuchen, erfolgsorientierte Entscheidungen zu treffen. Ich würde nicht von Anfang an unterstellen, dass die Masse schlechtere Entscheidungen bei der Aufstellung oder bei Transfers trifft als ein Einzelner. Die Macher haben auch auf zwei interessante Dinge hingewiesen, die durchaus ein Faktor sind. Das Verhältnis Trainer zu Spieler wird entlastet, weil nicht der Trainer für die Aufstellung verantwortlich ist. Gleiches gilt für die Beziehung Trainer zu Vorstand. Ein Trainer ist jetzt also in erster Linie ein Trainer. Ein Versuch ist es wert.
Und was ist mit den ganzen Einflussfaktoren, die ein Computernutzer gar nicht wahrnehmen kann ? Trainingsleistungen ? Nachwuchsförderung ? Wie funktioniert jemand in der Gruppe ? Taktische Faktoren ? Gegnerbeobachtung ?
Natürlich: Aber man könnte doch das Training live übertragen… und den Nachwuchs kann man ja auch beobachten… und die Kabinengespräche werden via Webradio übertragen…
Die Mehrheit der 50.000 User wird sich natürlich NICHT so umfassend informieren, wie es ein Trainer/Manager tun kann.
Zum Statement des Trainers: Was bleibt ihm denn übrig, wenn er seinen Job (vorerst) behalten will ?
Für mich ist das eine Kneipenspielerei. Bitte geht nicht davon aus, dass sich alle Beteiligten so intensiv und ernsthaft mit dem Sport auseinandersetzen, wie der Schreiber dieses Blogs bzw. die Mehrzahl seiner Leser.
Und zum Statement: Lasst es uns doch einfach mal versuchen. Es geht hier um Fans, Tradition, Menschen. Wie wäre denn die Meinung, wenn das mit dem eigenen Club geschehen würde ?
Humbug
Vielleicht ganz interessant als Ergaenzung ein Link den ich gerade bei Herrn Basic gefunden habe:
Wisdom of Crowds on the Pitch: 50,000 Fans Acquire English Football Club mit ein paar Anmerkungen wie ein aehnliches Experiment bei den Schaumburg Flyers ausgegangen ist.
könnte auch ein interessantes experiment zur schwarmintelligenz geben. wenn auch nicht wissenschaftlich auswertbar.
Wie wäre es denn, wenn man sich erstmal mit dem Konzept beschäftigt, statt
es per se zu verurteilen???
Speziell die Punkte “wie wird die Formation gebildet”, “welche Entscheidungen
treffen die Manager und wie” sind in den FAQ sehr gut zusammengefasst und
erläutert. Im Endeffekt hatte ich ähnliche Bedenken, habe mich jedoch nach
intensiver Lektüre auch dafür entschieden beizutreten.
Also, was die Kompetenzen von Fans angeht mache ich mir eher weniger Sorgen: Wenn es nach potentiell falschen Entscheidungen gehen würde, dann würde ein Großteil des Managements nach jeder Bundesliga-Saison ausgetauscht werden. Ich befürchte eher, dass die Sache sich in Streitigkeiten von vielen gleichberechtigten Leuten zerfasern wird…
Brilliante Idee aus Sicht eines bankrotten unterklassigen Vereins.Die Kohle ist da , alles andere klärt sich wie die Entscheidungsfindungen in den Parlamenten nach den Wahlen.Bin gespannt, wann die Demokratien Wahlgebühren einführen.
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