Heute ist “T-Day” und keinen interessiert es
Vor knapp zwei Wochen haben sich die Medien zerrissen um in empörter Pose Tour-Berichterstattung zu treiben. Heute nachmittag will T-Mobile auf einer Pressekonferenz sich zur Zukunft des T-Mobile-Teams äußern, aber ausweislich der Gazetten die ich im Internet lese und Google News scheint es hierzulande kaum einen zu interessieren.
Die BILD glaubt ganz fest an eine Fortsetzung des Sponsorings über die volle Vertragslaufzeit bis 2010, u.a. weil der heutige Termin einen Tag vor der Deutschlandtour liegt.
Die Argumentation kann man natürlich auch andersherum drehen, denn die Deutsche Telekom AG hat heute die Quartalszahlen bekanntgegeben und die waren nur mäßig. Die Botschaft das Kosteneinsparung Früchte trägt, könnte vielleicht auch für das Sponsoring der Mannschaft gelten.
Rene Obermann soll heute vormittag laut EUROSPORT France davon gesprochen haben, dass man für das Team eine “vernünftige Lösung” (“solution raisonnable“) gefunden habe, ohne dass er der Pressekonferenz heute Nachmittag vorgreifen wolle.
“Vernünftige Lösung” ist kein Ausdruck den man zu verwenden pflegt, wenn es über die volle Restlaufzeit beim Status Quo bleibt. Deutet Obermann eine Budgetkürzung oder einen Ausstieg Ende 2008 an?
Reaktionen
telekom bleibt bis 2010 sponsor (gerade LIVE @ Phoenix).
Nun, da wir wissen, dass sie weitermachen, rate ich mal …
Vernüftige Lösung = Onkel Stapleton macht wasserdichte Verträge.
In Kurzfassung:
– Ausstiegsklausel für T-Mobile
– Fahrer & Angestellte zahlen selber in einen Topf für Anti-Dopingmaßnahmen ein
– Fonds für Anti-Dopingmaßnahmen wird auf 1 Mio aufgestockt (ich glaub es entspricht einer Verdoppelung)
– Fahrer stellen sich der Anti-Doping-Forschung zur Verfügung.
Was verbirgt sich denn hinter dem letzten Punkt? Eigenblutdoping im großen Stil und der Mediziner versucht es zu erkennen?
Und weils so schön ist: das Titanic-Poster zum Thema mal wieder rausgesucht ;)
Aus der Pressemitteilung des Teams:
“• Erstmals in der Geschichte des Sports werden die Athleten selbst einen finanziellen Beitrag zum Kampf für einen sauberen Sport leisten. Fahrer und Management des
T-Mobile Team werden vertraglich dazu verpflichtet, einen bestimmten Prozentsatzes ihres Gehalts in einen Topf zu zahlen. T-Mobile wird diese Summe auf einen Gesamtbetrag in Höhe von einer Million Euro aufstocken und dem Anti-Doping-Kampf zur Verfügung stellen.
• Das Team stellt sich über die aktuellen eigeninitiativ angestrengten Kontrollen (u.a. DNA, Blutvolumen) für weitere Tests/Studien unter der Leitung externer Fachleute zur Verfügung und wird dabei helfen, Testmethoden zu verbessern. Dazu wird das Team-Management Gespräche mit den zuständigen Organisationen wie Welt-Anti-Doping- und Nationale-Anti-Doping-Agentur (Wada, Nada) führen.
• Die Deutsche Telekom AG behält sich das Recht vor, bei weiteren Dopingfällen das Engagement umgehend zu beenden.”
Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich dieses Jahr kein einziges Mal die Tour de France geguckt habe. Es hat mich nach all den vielen Dopingfällen einfach nicht interessiert. Und ich habe durchgehalten. Der Beweis dafür ist, dass ich euch nicht einmal den Sieger nennen kann. Geschweige denn wer bester Deutscher Fahrer war!
Freu mich jetzt schon tierisch auf den ersten gedopten T-COM-Fahrer. Naja, wird ja nicht lange dauern, spätestens wenn sie hinterherfahren…oder steigen sie jetzt auf neuestes Gendoping um das nicht nachgewiesen werden kann?
Auch bei der Kanu-WM übrigens immer wieder das Thema Doping. Gibts eigentlich irgendwelche Zahlen, was eine “übliche” Dopingkontrolle kostet? Wenn man Stolz auf 60 Kontrollen ist, bei knapp 1000 Teilnehmern.
Das Problem hier ist doch, daß das gesamte Engagement von T-Mobile un damit die Existenz des Teams vom Fehlverhalten vielleicht eines einzigen Fahrers abhängig gemacht wird. Wenn ein Fahrer zur Weiterbeschäftigung unbedingt noch ein Topergebnis braucht, was wird er dann wohl machen?
na, dann wird T-Mobile wohl bis 2010 keine wesentliche Rolle bei großen Rundfahrten mehr spielen, wenn sie nur ungedopte Fahrer einsetzen wollen. ;-)
Ausser natürlich, alle anderen Teams hören auch auf zu dopen. Aber wie wahrscheinlich ist das schon?
Ok, das ist Haarspalterei, aber: Wenn der potentielle Sponsor sagt “Ich gebe euch den Betrag x, aber den bekommt ihr nur, wenn ihr davon die Teilmenge y für ‘den Kampf für einen sauberen Sport’ abtretet” – kann man dann allen Ernstes sagen: “(…)werden die Athleten selbst einen finanziellen Beitrag zum Kampf für einen sauberen Sport leisten”?
Von selbst und freiwillig kann ja wohl keine Rede sein. Das ist doch streng genomen ein durchlaufender Posten.
Ganz so ist es nicht, da der Sponsor zusätzlich zu y auch noch z direkt an die NADA/WADA etc… abgibt…
Kritischer finde ich, das auf Nachfrage Frommert die Strukturierung der Abgabe der Fahrer nicht nennen wollte (also ob jeder Fahrer einen festen Fixbetrag abgibt, soder einen Prozentsatz seines Einkommens), angeblich weil man daraus Rückschlüsse auf den Verdienst der Fahrer ziehen kann. Ich weiß zwar nicht wie das funktionieren soll, wenn man nur mit den Gesamtsummen der Mannschaft arbeitet, aber gut…
Anyway: ich halte die Geheimniskrämerei für problematisch, weil sie dadurch die Hintertür offenlässt, dass die “Dopingpauschale” Verhandlungssache von den Fahrern wird und damit dann wirklich zu einem reinen durchlaufenden Posten. Gerdemann gewinnt ein paar Rennen, Vertragsverlängerung steht an, Gerdemann sagt: “Dopingabgabe ist cool, aber nur wenn ich nur noch 3% statt 10% in den Pott einzahle”.
Transparenz täte hier Not, wenn man damit hausieren geht, dass die Fahrer “erstmals” selber für ein Antidopingprogramm aufkommen müssen.
Angesichts der ganzen Dopingfälle bei Telekom und Astana erscheint Klöden mittlerweile in einem anderen Licht. Es kann ja kein Zufall sein, das Klöden zwar merkwürdige Umfelder hatte, merkwürdige Interviews gibt, aber ansonsten nie im näheren Dunstkreis diverser Listen auftauchte, geschweige denn auch nur annähernd auffällige Proben gehabt hätte. Vermutlich nur ein merkwürdiger Mensch, aber grandioser Radfahrer, der um einige Tour-de-France Siege betrogen wurde.
Obwohl Dogfood sich mehr oder weniger vom Radsport verabschiedet hat, ist heute in der FAZ das Beste über Jan Ullrich und den Radsport zu finden, was ich seit langem gelesen habe (“Vom Himmel in die Hölle”): http://www.faz.net/s/Rub9CD731D06F17450CB39BE001000DD173/Doc~E72CDA1DC9AD748FA81F7BA9C24D1D9A9~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Insbesondere die abschließende Würdigung würde ich voll unterschreiben.
Klasse, Michael Eder!
Wirklich sehr guter Artikel. Wenn man noch heute die immer neuen und völlig sinnlosen Kampagnen gegen Ullrich sieht bekommt man fast den Eindruck die Treiber in dieser Hetzjagd sind erst glücklich wenn sie den Hasen auch wirklich erlegt haben, und zwar im Sinne von Tod in einer Kiste. Ja, Ullrich hat gedopt und gelogen, so wie alle anderen damals auch und genauso wie auch heute noch hunderte von Dopern in verschiedensten Sportarten (und Gesellschaftszweigen). Ullrich war nie der große Showmensch der von sich aus als unantastbarer Superheld in der Öffentlichkeit aufgetreten ist, die Gesellschaft hat ihm zu dem Idol gemacht das er nie sein wollte und konnte. Ihm kann man nur vorwerfen diese Rolle akzeptiert zu haben, aber was hätte er auch tu sollen? Es ist überhaupt ein gesellschaftliches Problem das wir Sportler nicht nur aufgrund ihrer sportlichen Leistungen verehren, sondern in sie Dinge hinein interpretieren und von ihnen verlangen, die sie unmöglich leisten und darstellen können. Ullrich scheint noch immer für dieses allgemeine Versagen der Sündenbock sein zu sollen, dass hat er nicht verdient.
Jens, Du sprichst mir aus der Seele! Mich kotzt das seit Langem an, aber offensichtlich wollen die Medien und die Öffentlichkeit das Ende, welches Du beschreibst.
Mit dieser Geschichte ließen sich dann wieder über Wochen und Monate die Schmierenblätter füllen. Ekelhaft!
“Kotzen” ist das richtige Wort, das mich überkommt, wie nun die Situation umgekrempelt wird und aus Jan Ullrich ein willenloses Stück Scheiße gemacht wird, der von der pöhsen Gesellschaft dazu getrieben wird, sich möglicherweise Doping reinzupfeifen, möglicherweise die Hucke vollzusaufen und sich möglicherweise Drogen reinzupfeifen.
Man korrigiere mich, aber so viel ich weiß ist Jan Ullrich noch nicht entmündigt worden, besitzt das Wahlrecht und darf weiterhin Kraftfahrzeuge bewegen. Es spricht also einiges dafür, dass er eine erwachsene Person ist, mit der Fähigkeit selbständige Entscheidungen zu treffen.
Ich nehme daher auch an, dass die Entscheidung sich am “System Radsport” – das im Übrigen auch zu solchen Goodies wie Einfamilienhaus in der Schweiz beitrug und finanziell wohl auch noch ein Polster hinterlassen haben dürfte – von Jan Ullrich im geistigen Wachzustand getroffen wurde.
Ob er in letzter Konsequenz alle Folgen seiner Entscheidungen absehen konnte – fraglich. Das er sich fragt, warum er anders als Armstrong behandelt wird – nachvollziehbar.
Aber daraus nun gleich eine “Hetzjagd” die ihn in den “Tod in einer Kiste” befördert, finde ich einfach zum Kotzen, angesichts all der Problematiken (auch gesundheitlicher Natur) die mit Doping verbunden sind.
Jan Ullrich befindet sich in dieser Situation, weil er irgendwann zu feige oder zu faul gewesen ist, “Nein” zu sagen. Nicht wegen “der Gesellschaft.”
Es liegt ein Hauch von Reinwaschung von Jan Ullrich in der Luft, der mich an DDR-Nostalgie erinnert. Aber genauso wie ein Stalinist ein Stalinist ist, bleibt ein Doper ein Doper, egal wie häufig er es bestreitet oder wie häufig er versucht dieser Frage auszuweichen.
In den “Tunnel” (O-Ton FAZ) in dem sich Jan Ullrich befindet, ist Jan ullrich selber reingegangen. Jan Ullrich hat sich zur Verarbeitung seiner Karriere für diesen Weg entschieden – ein Weg der von allen Beobachtern seit Jahren als extrem schräg, wenn nicht sogar verlogen empfunden wird. Eine andere Art der Verlogenheit im Vergleich zu Armstrong, aber nicht minder eine Verlogenheit. Bis heute steht Jan Ullrich nicht zu den Dingen die er gemacht hat. Wenn er daran zugrunde geht, dass ist es das von ihm gewählte Schicksal und nicht durch eine “Gesellschaft” getrieben, die seit fünf Jahren kein Interesse mehr an ihn zeigt – sofern er sich nicht wieder selbst durch Eskapaden in die Schlagzeilen begibt.
Ullrich hat also gedopt, so what? Auf der einen Seite ist der ganze Sport verseucht, auf der anderen Seite Ullrich der große unmoralische Übeltäter. Siehst du da den Wiederspruch? Und ich sehe auch nicht wo Ullrich sich durch Eskapaden in die Schlagzeilen bringt. Ich sehe immer nur wie er durchgehend von irgendwem neues wie eine Sau durchs Dorf getrieben wird. Viel zurückgezogener als Ullrich geht doch kaum noch. Hier wird seit Jahren ohne Rücksicht auf Verluste ein Exempel statuiert während der Großteil derjenigen die nichts anderes getan haben heute weiter im Sport aktiv sind und von Medien und Öffenlichkeit weiter hoffiert werden. Da kann man natürlich sagen “selber Schuld”, ich finde aber es muss irgendwo auch mal gut sein.
Und vielleicht noch ein letztes Wort. Bei jemandem der im DDR Sportsystem groß geworden ist und von dort fast nahtlos in die EPO-Hochjahre des Profiradsports hinein geraten und zum Helden der Nation mit entsprechendem Erwartungsdruck aufgestiegen ist, kann man sich durchaus mal fragen wie sehr da die Wahrnehmung von “richtig” und “fasch” bzw. “normal” und “betrügerisch” nicht doch durch sein gesamtes Umfeld und die Gesellschaft getrübt war und ob diese Person wirklich nur “Täter” ist. Davon ab das selbst als Täter wir mal die Kirche im Dorf lassen sollten. Hier geht es um Doping in einem Feld von Dopern (Betrug?) und nicht Kinderschendung oder Massenmord.
Hm, der Artikel selbst macht aber (vor allem im letzten Absatz) schon deutlich,
dass es eben auch an Ulrich selbst liegt, aufgrund seiner Sturheit und der selbstgewählten Isolation. Als komplett unmündiges Opfer wird er dort eigentlich nicht dargestellt.
Was für eine sinnlose Heldenverklärung. Jan Ullrich ist ‘ne arme Sau, weil er soviel schlimmer dran ist als Armstrong? Na und?
Der BP-Chef ist auch schlimmer dran als zig andere Megaumweltschweine, die halt gerade nicht medial durchs Dorf getrieben werden, aber habe ich deswegen Mitleid mit ihm?
Und der Artikel ist doch ein Witz, wenn es einerseits (vom Autor völlig unreflektiert wiedergegeben) heißt:
“Dass Ullrich beim Blutaufbereiter Fuentes in Madrid nur Chancengleichheit mit Armstrong suchte. Das ist die Logik aller Doper: Ich mache es, weil es die anderen machen!”
und dann andererseits:
“Ullrich kam Jahr für Jahr dick aus dem Winter zurück und speckte mit Gewaltkuren ab. Auch der Rotwein, den er in erstaunlicher Menge trank, konnte ihm nichts anhaben – damals. „Wie er manchmal mit Übergewicht und Kater gefahren ist, das war unglaublich, das schafften andere toptrainiert nicht“.
Ein saufender Doper, Respekt.
@JensA
Sorry, die Latte hast du durch deine Bemerkung von in den Tod treibender Rufmordkampagne gelegt (“bekommt man fast den Eindruck die Treiber in dieser Hetzjagd sind erst glücklich wenn sie den Hasen auch wirklich erlegt haben, und zwar im Sinne von Tod in einer Kiste.“)
Der sog. “Dopingprozess” dessen Urteil vor zwei Wochen gefällt worden ist, ist durch 2006 eine Klage von Jan Ullrich losgetreten worden. Die Sache mit dem “Burn-Out” ist von jan Ullrich selber veröffentlicht worden. Mit Benefiz-Rennen in den Medien, Interviews in der Sport Bild. Wie ist die Definition von “zurückgezogen?”?
Gegenfrage: siehst du den Widerspruch? Ja, Doping ist weit verbreitet. Dopingsünder auch. Keine Woche wo nicht einer auffliegt. Die Gesellschaft hat sich längst daran gewöhnt. Es ist normal geworden. Der einzige (überspitzt formuliert) bei dem es nicht normal geworden ist, der nicht zu seiner Vergangenheit steht, sondern sich immer nur im Kontext des gesamten anderes Radsports sieht – obwohl er jahrelang auch finanziell von seiner exponierten Stellung profitiert hat – ist Jan Ullrich. Das Exempel Jan Ullrich wird durch den Sonderfall Ullrich himself provoziert. Genau das ist der Unterschied zu den “anderen” die du selbst erwähnst. Den Unterschied macht nicht “die Gesellschaft”, sondern Jan Ullrich.
Ist das auch mit der Aufforderung verknüpft, allen in der DDR geborenen das Wahlrecht zu entziehen, da sie nicht in der Demokratie geboren worden sind?
Das Problem mit Jan Ullrich ist doch, das wir es eben nicht mit jemanden zu tun haben, der alle Karten auf den Tisch legt und durch Transparenz überhaupt versucht Verständnis oder Empathie für seine Situation zu erwecken. Seine Verteidigungslinie ist immer noch, dem bösen D-Wort auszuweichen und sich nur in dem Kontext der Gesamtmasse zu sehen. So funktioniert aber keine Aufarbeitung von furchtbaren Systemen. Er hat zur Offenlegung von Systemen und Mechanismen beizutragen. Tut er es nicht, ist er immer noch ein Unterstützer eines solchen Systems. und zwar egel ob er da als 12jähriger in der DDR reingerauscht ist oder im Westen als 16jähriger vom Vereinstrainer was bekommen hat.
Oder von mir aus im gesamtgesellschaftlichen Kontext: mich macht es wahnsinnig sich einerseits permanent über immer stärkeres Eingreifen des Staates (“Nanny State”) in verschiedene Bereiche der Gesellschaft zu beschweren (Internet, Computerspiele, Medien, Sozialversicherungen, Steuern), aber gleichzeitig wenn die Verantwortung des Individuums angesagt ist, auf “die Gesellschaft war es” zu verweisen.
Ja, der 14jährige Jan Ullrich hat möglicherweise nicht gewusst in was er da reingeriet. Aber irgendwo zwischen dem 14jährigen Ullrich und dem 36jährigen Ullrich muss ein Strich gezogen werden, an dem man sagen muss: “jetzt hättest du es besser wissen müssen, jetzt hast du dich willentlich an einem System beteiligt und jetzt hast du auch dazu zu stehen und die Folgen zu tragen”.
Jan Ullrich hat seine Entscheidung gefällt und nun auch seinen Weg in Sachen (Nicht-?)Bewältigung eingeschlagen. Okay, sein Ding.
Aber bitte nicht die Gesellschaft, oder Medien dafür verantwortlich machen, dass er nach 2005 den Weg einschlug, den er genommen hat.
Ich sehe nicht, dass der Trend gerade zu Verklärung und Reinwaschung geht. Und was eine “Hetzjagd” angeht: Problem ist doch, dass Ullrich einfach Null Unrechtsbewusstsein zeigt. Wenn er sein Doping eingestehen würde, würde ich auch sagen: Schlussstrich, lassen wir den Mann halt in Ruhe. Aber solange das nicht passiert und Leute wie Franke vom Ullrich-Lager sogar noch verklagt werden… nee, da muss er dann halt durch.
Abgesehen davon kann man mMn trotzdem Mitleid mit Ullrich haben – also ich habe es zumindest, obwohl ich ansonsten eher bei Dogfood/Thor bin. Wie der sein Leben vor die Wand gefahren hat und sein – wenn es stimmt, was diverse Leute sagen – enormes Talent verschleudert hat. Tragisch. Wäscht ihn aber trotzdem nicht rein.
Dogfood, ich kenne inzwischen Deine Ansichten und teile diese auch bis zu einem gewissen Punkt. Dennoch kann ich nicht verstehen, warum ein Sportler, welcher durch Doping hauptsächlich seine eigene Gesundheit auf’s Spiel setzt dermaßen (BKA/Abteilung schwere und organisierte Kriminalität, über 2000 Seiten Ermittlungsbericht) verfolgt wird, während in unseren Städten Kriminelle am hellichten Tage Drogen verkaufen und nichts Wirksames gegen die, den Behörden bekannten, Hintermänner (z.B. Berliner Familienclans) unternommen wird. Tut mir Leid, aber die hier eingesetzten Ressourcen könnten besser genutzt werden.
Menschen sind leider so angelegt, dass sie um Erfolg zu haben auch vor Betrug und anderen unehrlichen Machenschaften nicht zurückschrecken. So ist leider unsere Gesellschaft und der Sport – nicht nur der Radsport – ist ein Teil davon.
Was mich aber am Meisten stört ist das was Michael Eder in seinem Artikel deutlich hervorhebt: Die uns Deutschen eigene maßlose und übertriebene Empörungskultur. Ebenso maßlos und übertrieben wie die vorher betriebene Heldenverehrung!
Übrigens, das Haus in der Schweiz gönne ich Jan Ullrich und ich hoffe, dass er psychisch stabil genug ist die Sache zu überstehen. Besonders im Radsport gab es doch einige traurige Fälle in der näheren Vergangenheit!
Ja, ich verstehe was du/Eder meinen und wo du/Eder herkommen. Und ich bin in gewissen Ausprägungen auch bei dir (Stichwort: Berichterstattung in den ÖR mit von oben auferlegter kritischer, aber nicht authentischer Haltung, die dann mangels Zuschauerzuspruch wieder umkippt)
Nicht ganz bei dir, bin ich beim Adjektiv “deutsche Empörungskultur”. Derartige institutionalisierte Empörung gibt es überall. Es ist ein in Medien eingeübter Mechanismus und in Deutschland nicht anders als in Großbritannien und den USA.
Über die Prioritäten kann man diskutieren, aber gerade die Tour de France zeigt, dass wir es nicht mehr mit ‘nem Jungen zu tun haben, der sich grad mal was reinspritzt, sondern mit hochorganisierten Mißbrauch, der quer durch Europa Strukturen zum Betrug etabliert hat. Stichwort “Kühlketten”, Stichwort “Blutbanken”. Einen Mißbrauch der auch Universitätsressourcen berührt.
Diese Sportler spritzen sich nicht nur das Zeug individuell rein, sondern schaffen erst die Grundlage, dass eine Sportart professionell nur noch mit Doping & Betrug betrieben werden kann. Ein Dopingsünder sorgt nicht nur dafür, das ER schneller als andere ist, sondern übt auch Druck auf die anderen aus, dem gleich zu tun. Und nur deswegen stellt sich jemand wie Jan Ullrich hin und impliziert “ich habe niemanden geschädigt, weil es ja jeder macht”.
Jan Ullrich ist möglicherweise krank. Ullrich ist möglicherweise depressiv – er wäre nicht der erste Radsportler. Das gehört in der Tat beim Umgang mit ihm in der Öffentlichkeit respektiert.
Wer jemals den Aufbau und die Zerstörung der Helden im amerikanischen Sport mitverfolgt hat weiß das es keine “deutsche Empörungskultur” gibt!
Das Phänomen ist international!
Dogfood, Dröhn, ich gebe Euch Recht. In den USA ist das wohl nicht anders als bei uns. Ich hatte an Länder wie Spanien, Italien, Russland etc. gedacht. In GB fällt mir jetzt allerdings kein Fall ein. Bei Linford Christie (dem wohl bekanntesten Fall) habe ich die britische Presse leider nicht verfolgt.
Virenque und Pantani wurden zumindest nicht so zerlegt…
Und seien wir mal ehrlich, wenn alle Disziplinen im Profisport dereinst sauber sind, dann wird die Jagd nach Dopingsündern auch im Radsport wieder spannend.
@peterb+JensA:
Irgendwie verfestigt sich bei mir der Eindruck nach diesen Beiträgen hier, daß Euch nicht so recht klar ist, was Doping bedeutet.
Alleine schon, daß das BKA lieber “Kriminelle am hellichten Tage Drogen verkaufen” verfolgen soll, als die armen Doper, wirkt auf mich befremdlich, denn mit “Kriminelle am hellichten Tage Drogen verkaufen” skizierst Du ja eigentlich so manchen ‘Trainer, Betreuer, Manager, Arzt, Masseur etc’ der manchen Sportler beim Doping unterstützt.
Die sachliche Herangehensweise:
Wenn teilw. europa-/weltweite organisierte Geflechte bestehen, die nur dem Zweck dienen, sich mit illegalem Handeln zu bereichern, um in einem Multi-Millionen-Euro-Geschäft (z.B. Radsport) Anderen beim Betrug mit dem Ziel mehr Geld zu verdienen hat, zu unterstützen, dann würde ich schon von “organisierte Kriminalität” sprechen.
Die moralische Herangehensweise:
(aus Deiner/Euerer Sicht, ich denke ein wenig anders, denn Jeder kann Nein sagen)
Die genannten Thesen interpretiere ich in die Richtung, daß Ullrich und Andere quasi in das Dopingsystem hineingeboren wurden und es “normal” ist da mitzumachen. Sie also gar nicht anders konnten.
Dies wäre traurig, aber vielleicht ist es so, daß man z.B. Radsport nur noch betreiben kann, wenn man dopt, bzw man dies glaubt.
Ist es dann nicht extremst wichtig, dieses System aufzubrechen, damit nachrückende junge Fahrer/Sportler nicht unter den Zugzwang kämen, Dopen zu “müssen”. Von irgendwelchen “Vorbildfunktionen” wollen wir mal gar nicht anfangen.
Es geht also nicht darum, wie Du ein wenig romantisch verklärt schreibst “seine eigene Gesundheit auf’s Spiel setzt”, sondern darum, daß zum Einen viel, viel Geld im Spiel ist und zweitens auch um die Gesundheit anderer, teilw. auch junger Sportler, bein denen auch ein Ullrich in der Verantwortung steht/gestanden hätte, bei der Aufklärung zu helfen und sich nicht grinsend in Interviews zu setzen und “ich habe keinen betrogen” runterzuleiern. Prost!
Och nö, jetzt wird diese lauwarme Ulle-Hetzjagd-Brühe in hiesige Kommentarspalten auch noch hineingekübelt. Reicht es denn nicht, dass man beim Weinreich kaum noch einer Diskussion sinnvoll folgen kann?
@sternburg:
Stört doch nicht hier, da es ein alter Post zum Thema ist und die Diskussion nicht ins “Tagesgespräch” hineinläuft.
Finde es auch von ‘peterb’ super, daß er einen alten, passenden Post herausgesucht hat und seinen FAZ-Kommentar hier untergebracht hat.
Sehr diszipliniert – Respekt!