Zeilensport: Abschied nehmen von Mehmet Scholl

Großartiges Interview mit Mehmet Scholl in der SZ von Andreas Burkert und Ludger Schulze. Hier kleine Auszüge:

SZ: Herr Scholl, jeden Montag findet an der Säbener Straße ein Fußballspielchen mit einstigen Bayern-Größen wie Uli Hoeneß oder Karl-Heinz Rummenigge statt. Sind Sie ab übermorgen dabei?

Mehmet Scholl: Ich hab da ja schon mal mitgespielt, und da wäre Uli Hoeneß beinahe auf mich draufgeflogen – fast wäre also das passiert, was man an der Börse Kapitalvernichtung nennt. Uli Hoeneß ist ein sehr netter Fußballer, aber das Bremsen ist nicht mehr so seine Sache. […]

SZ: Ihr erster Profitrainer beim Karlsruher SC war damals Winfried Schäfer.

Mehmet Scholl: Von Schäfer wurde ich erst links liegen gelassen. Heute sagt er dazu: erzieherische Maßnahme. Ich akzeptiere das jetzt mal so. Geholfen hat mir Rainer Ullrich, der Amateurtrainer […]

Dass diverse Anekdoten in einer Häufigkeit passiert sind, spricht für sich. Ein Beispiel: Ich werde im EM-Finale 1996 ausgewechselt, obwohl ich für meinen Geschmack recht gut war – und der Mann, der für mich reinkommt (Oliver Bierhoff; d.Red.) schießt zwei Tore! Oder 2001: Ich verschieße den Elfmeter – wir werden trotzdem Champions-League-Sieger! Oder: Ich soll mit zur WM ’98, reiß’ mir aber die Bänder – und der Typ, der mir die Bänder gerissen hat, Jens Jeremies, fährt plötzlich mit zur WM. Oder 2000: Da werd’ ich von den Bundesligaprofis zum Spieler der Saison gewählt – und beim Spiel, bei dem ich meine Urkunde krieg’, sitz’ ich natürlich nur auf der Bank. Am Tag der Ehrung! Solche Sachen ziehen sich durch meine Karriere […]

SZ: Sie haben Effenberg als Kapitän gepriesen. Wer sonst hat Sie beeindruckt?

Mehmet Scholl: Als Mitspieler sicher Lothar Matthäus, er hat Weltkarriere gemacht. Mit der Beste war Raúl, auch Zidane natürlich. Thierry Henry dagegen haben wir stets abgekocht – der Sammy Kuffour hat ihn einfach immer getreten, oder auch der Thomas Linke. Manchmal waren solche Spiele auch eine Schlacht und Fouls unser Mittel. Einmal gegen Arsenal London, da hat der Jens Jeremies deren Franzosen Vieira umgetreten – aber übel! -, und als der wieder aufstand, hat der Jerry zu ihm gesagt: ,Siehst du die Mittellinie? Kommst du drüber, macht es aua! Hier drüben aua, da drüben gut!‘ […] oder auch der Willy Sagnol. Der hat mal in Stuttgart zum Markus Merk gesagt: ,Schiedsrichter, wir wechseln!‘ – Der schaut raus und sagt: ,Da steht ja keiner:‘ – Der Willy: ,Nee, wir wechseln dich!‘ Das vergisst du nicht.

Ein sehr relaxtes, lesenswertes Interview wie ihn Magath zum bleiben überredet hat und wie Effenberg als Kapitän tickte. Ich fürchte fast Scholl wird kein Bock darauf haben, aber die Fernsehanstalten sollten ihn mal als Analyst casten.

Ich weiß noch wie in den Neunziger Jahren “Scholli” und “Sterni” mir unheimlich auf den Sack gingen. Sie waren die ersten Teenie-Popstars der Bundesliga und wurden damals durch die Gazetten wie die BRAVO und BILD gejagt. So sehr er mir damals auf die Nerven ging, so sehr habe ich aber auch seine Wandlung bewundert, wie er sich nach der Scheidung und den damaligen BILD-Schlagzeilen neu definierte, sich veränderte. Am auffälligsten war es 2004, als er aufgrund der von ihm kompilierten Musik-CDs einige Öffentlichkeit erfuhr. Aber statt “Vor dem Spiel ist nach dem Spiel” totzutreten und mit zahllosen Fernsehauftritten zu Tode zu promoten, blieb er eher zurückhaltend und wählerisch in seinen Auftritten.

Gerade beim FC Bayern finden sich einige Spieler die normalerweise ein anderes Verhältnis zur Öffentlichkeit haben.

Mehmet Scholl: 1989 – 1992 Karlsruher SC, 1992 – 2007 FC Bayern München. 392 Bundesliga-Spiele, 98 Tore, 30 Vorlagen, 36 Nationalspiele mit 8 Toren.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Das Interview ist wirklich unglaublich lesenswert und Scholl sowieso ein großartiger Mensch. Hatte das Glück, mal bei einer Cola mit ihm zu reden und er ist in der Hinsicht wirklich entspannt und offen, da er nicht ständig von irgendwelchen hyperstressigen Fans genervt wird, sondern eher selten angesprochen wird und dann meistens von Leuten, die sich einfach ne Runde normal unterhalten wollen und dann von selber wieder abziehen.

    Abgesehen davon find ich eine Zahl sehr interessant und zwar die 30 Torvorlagen in 392 Spielen, was ja nicht gerade ein überragender Schnitt für einen offensiven Mittelfeldspieler ist. Und trotzdem war Scholl eigentlich immer wichtig für das Spiel des KSC, der Bayern und dann auch der Nationalelf und ein extrem auffälliger Spieler. Was ich damit sagen will: Beim momentanen Name-Dropping der Bayern wird ja auch viel über Effizienz und Statistiken geredet, in der Bundesliga Spieler mit 15 Assits gehyped, aber irgendwie kann man Fussball eben doch nicht komplett in Statistiken erfassen…Und das freut mich gerade irgendwie :)

  3. Tatsächlich ein sehr schönes Interview. Ich spiele den SZ-Ball noch mal zurück mit “Absolut Herr der Situation”, einer Sammlung von Zitaten der vergangenen Bundesliga-Saison. Im Nachhinein ist man natürlich immer schlauer, aber trotzdem bereitet das Lesen der Zitate durchaus Freude.

    http://www.sueddeutsche.de/,tt3m7/sport/bundesliga/artikel/2/114887/

  4. […] [via allesaussersport] Posted by puyol5 Filed in FC Bayern München, Deutschland […]

  5. […] Das ganze Interview gibt es hier. Gefunden bei dogfood. […]