Der Gyroball ist los

Die Verpflichtung des japanischen Pitchers Daisuke Matsuzaka durch die Boston Red Sox im letzten Dezember war der reine Wahnsinn. Schon der Vorvertrag mit Matsuzakas Klub über 51,1 Mio US$ nur um mit Daisuke Matsuzaka verhandeln zu können (eine Besonderheit des Transfersystem zwischen MLB-Klubs und japanischen Ligaspielern) war absurd. Der Hype rund um die Verhandlungen die aufgrund des Transfersystems nur maximal 30 Tage dauern durften, waren selbst für MLB-Verhältnisse enorm. Unter Blitzlichtgewitter und nach einem unruhigen Flug in einer Privatmaschine wurde ein 6-Jahres-Kontrakt im Gesamtwert von 52-60 Mio US$ (je nach Boni) ausgehandelt. On the top zu den 51,1 Mio US$ vom Vorvertrag. Macht schlanke 103,1 Mio US$ die die Red Sox investieren [1].

Warum das alles? Matsuzaka gilt als derzeit größtes Pitcher-Talent auf der Welt, war z.B. MVP der 2006er World Baseball Classic.

Seine Geheimwaffe soll der Gyroball sein. Es ist eine Wurftechnik die vor einigen Jahren von den japanischen Wissenschaftlern Kazushi Tezuka und Ryutaro Himeno am Rechner entwickelt wurde und 2001 in Japan in einem Buch veröffentlich wurde. Die Batter in der MLB wissen gar nicht, was da auf sie zukommt.

In der Theorie scheint alles klar zu sein. Viel von den herkömmlichen Wurftechniken entwickelt sich aus den Griff mit dem man den Ball hält und aus der Vor- oder Rückwärtsrotation mit dem der Ball über seine horizontale Querachse geworfen wird. Entsprechend wird daraus ein schneller Fastball, ein langsamer Curveball der plötzlichen unterzutauchen scheint oder ein Knuckleball der mit wenig Rotation auskommt und dafür zu flattern scheint. Dies sind Grundtechniken die sich seit gut einem Jahrhundert gehalten haben und dessen Bälle entsprechend von den Battern anhand der Wurfbewegung und der erkennbaren Ballrotation gelesen werden können. Als letzte große Neuerung im Bereich der Wurftechniken galt der Split-Fingered Fastball in den 70er Jahren.

Mit diesem Gyroball bekommen aber die MLB-Batter etwas völlig neues vorgesetzt, was sie nicht mehr lesen können. In die Wurfbewegung hinein, wird das Handgelenk verdreht und der Ball bekommt eine Rotation um die horizontale Flugachse, ähnlich wie ein geworfener Football. Heraus kommt ein Ball der sich irgendwo zwischen Fastball und Curveball verhält. Folge: der Batter wird vermutlich zu früh und zu tief schlagen. Völlig uneinig sind sich die Experten was an Seitwärtsbewegung von so einem Ball zu erwarten ist.

Alles im Konditional, denn der Gyroball ist bislang eine japanische Geschichte gewesen, die kaum ein US-Amerikaner gesehen hat. Deswegen gibt es enorme Zweifel ob der Gyroball wirklich existiert oder doch nur ein verkappter Slider (allerdings ohne Break am Ende) oder Change-Up ist (anstregender Wurf der ebenfalls zwischen Fast- und Curveball liegt). Matsuzaka bestreitet dass er den Wurf in seinem Arsenal hat und Bobby Valentine, ehemaliger Manager der Mets und nun Manager von japanischen Teams bestreitet die Existenz eines “Gyroballs”.

Wie kann es sein, dass es in so einer hochtechnisierten und medialisierten Welt noch solche Geheimnisse wie den Gyroball gibt? Antwort: weil sich Japaner und US-Amerikaner nicht gut verstehen. Weder kulturell noch sprachlich. Matsuzaka wurde bislang nur via Dolmetscher interviewt und das Standardwerk der Erfinder des Gyroballs von Himeno und Tezuka ist noch nie komplett übersetzt worden.

Andere wiederum haben versucht mit den bisher vorhandenen Beschreibungen den Pitch in den USA zu üben. Sie erklären die Verwirrung ob seiner Existenz damit, dass leichte Unterschiede in der Ausübung dieser speziellen Wurftechnik dazu führen, das sich die Bälle anders verhalten und mal eher wie Fastballs aussehen oder ein anderes Mal wie ein Slider. So soll es eine Variante mit den Fingern parallel zu den Nähten (Two-Seam) und eine Variante mit den Fingern quer zu den Nähten (Four-Seam) geben. Deswegen könnte der Wurf trotz der sehr markanten Wurfbewegung über längere Zeit schwer für Batter lesbar bleiben. Die “Gläubigen” des Gyroballs halten ihn für so schwer zur Perfektion zu bringen, dass sie glauben, dass ihn nur wenige Leute auf der Welt beherrschen, u.a. Matsuzaka.

Erfinder Tezuka weilte letzte Woche in den USA um den Wurf zu demonstrieren und ist davon überzeugt, dass der Gyrobvall von zirka zwanzig Pitchern in der japanischen Liga praktiziert wird.

Am letzten Donnerstag tat der Rangers-Pitcher CJ Wilson in seinem Blog kund, dass er den Gyro inzwischen beherrschen würde. So wie es sich liest, hat er sich den Wurf als Autodidakt unter der Beobachtung von Tezuka binnen einer Session selbst beigebracht… Hmmm, ob solche Aussagen nicht eher der Abschreckung des Batter dienen? Die müssen sich erst einmal den Kopp um diesen neuen Wurf machen, egal ob er existiert oder nicht.

Links

ESPNs Patrick Hrubys Suche nach dem Phänomen “Gyroball”
Washington Post
NY Times

Wikipedia
Jeff Passan/Yahoo Sports

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Sehr schöne Geschichte! Herrlich. Das muss man sich wirklich mal vorstellen, was da gerade in den USA abgeht, um hinter das Geheimnis des “Gyroball” zu kommen. Filmreif :-)

  3. Wenn denn Matzouka so nen tollen Ball werfen kann, kann ihn der Catcher auch fangen? Mirabelli kommt ja nur bei Verletzung von Veritak aufs Feld oder wenn der Knuckleballer los ballert.

  4. @PatsHerrmann
    So wie er hier beschrieben ist sollte der Gyroball(wenn ihn der Pitcher kontrollieren kann) nicht viel schwerer zu catchen sein wie ein herkömmlicher Slider( Im Gegensatz zum Knuckler bei dem auch der Pitcher nicht weiß wohin er flattert).

    Wir werden sehen ob Matsuzaka den Gyroball wirft und dann auch ob er so unhittable ist wie er sich liest.
    Sollte er ihn werfen und damit Erfolg haben wird er schnell Nachahmer finden.

  5. Ist es nicht witzig, dass es in Zeiten des Internets und der Globalisierung noch Geheimnisse gibt? Ich meine: Es muss doch Aufzeichnungen von japanischen Baseballspielen geben, die dem Gyroball auf die Spur kommt. Ansonsten ist der Hype schon irr um Matsuzaka, der hoffentlich den Vorschusslorbeer erfüllen kann, auf dass die Yankees es wieder nicht schaffen.

  6. frankfurter loewe@ Auf das es die Red Sox nicht schaffen

  7. Auf das es die A´s schaffen bevor sie zu den Freemont A´s werden.