NFL Divisional Playoffs: Preview Baltimore Ravens – Indianapolis Colts

Vorgeplänkel

Es war ein kalter, dunkler Märzmorgen 1986 als die Frühnachrichten in Baltimore Bilder des Grauens in die Küchen der entsetzen Baltimorer Bevölkerung ausstrahlte,: die Rücklichter von mehreren Umzugswagen der Firma “Mayflower Transit”. Sie besiegelten den plötzlichen Umzug des NFL-Teams Baltimore Colts nach Indianapolis, nachdem Teambesitzer Robert Irsay die Stadtväter nicht überzeugen konnte, sich an einem neuen Stadion zu beteiligen. Stattdessen bot Indianapolis großzügige finanzielle Unterstützung an und in einer Nacht und Nebel-Aktion führte Irsay den Umzug durch.

Die Stadt Baltimore reagierte mit diversen Gerichtsprozessen. Es kam zu einer außergerichtlichen Einigung mit der NFL, die versprach, Baltimore würde “bald” wieder ein NFL-Team bekommen.

Meinen TV-Einstieg in die NFL verdankte ich Mitte der Neunziger Jahre einer eMail-Bekanntschaft aus Baltimore. Wir kamen über die Bundesliga ins Gespräch und sehr bald entwickelte sich ein Deal: er schickte mir Tapes mit NFL-Spielen zu und ich kaufte ihm hier Bundesliga-Fußball (die Welt ist klein: die Bundesliga-Tapes konnte man damals von der Firma “Sports + more” kaufen, die vom gleichen Herrn geführt wurden, der heute mit sportainment die Sendeabwicklung für sportdigital.tv verantwortet…)

Baltimore sollte aber sobald kein NFL-Team mehr bekommen. Bewegung kam erst wieder im November 1995, als der Besitzer der Cleveland Browns Art Modell ankündigte, nach Baltimore zu ziehen, weil dort bessere Rahmenbedingungen vorzufinden seien.

Die Cleveland Browns!

Eine der traditionsreichsten Franchises mit fanatischer Anhängerschaft (vergleichbar mit dem BVB oder S04 in der Bundesliga)! Es erhob sich in Cleveland ein massiver Proteststurm. Die US-Medien nahmen die NFL unter Beschuß und die NFL musste dem Druck nachgeben und schloß ein Kompromiß ab: Modell könne nach Baltimore umziehen (Modell drohte mit einem Gerichtsprozeß vor den Kartellbehörden), müsse aber den alten Teamnamen ablegen. Der Name “Browns” würde in Cleveland bleiben und 1999 würde man in Cleveland eine neue NFL-Franchise namens “Browns” gründen.

Aufgrund meiner Bekanntschaft in Baltimore bekam ich massenweise Material aus den Lokalnachrichten in Baltimore zugeschickt. Die Stimmung in Baltimore war keine ungehemmte Freude, denn zu sehr konnte man den Schmerz der Einwohner in Cleveland nachfühlen. Die Baltimorer Lokalnachrichten nudelten 1995 dieses Video von den wegbrausenden Umzugswagen aus dem Jahr 1986 rauf und runter. Es schmerzte. Zudem hatte man das ungute Gefühl, dass Art Modell die Stadt bei den Konditionen übers Ohr gehauen hatte. Aber auf der anderen Seite war auch deutlich der gestreckte Mittelfinger rauszuhören: “Ätsch, ihr habt uns ein Jahrzehnt hingehalten, nun haben wir uns das Team geholt, das uns zustand”. Für die Stadt Baltimore war es zudem die Hoffnung mit dem Stadion die Sanierung eines verrufenen Stadtteils beginnen zu können. So starteten die Baltimore Ravens (“Ravens” nach dem bekanntesten Sohn Baltimores: Edgar A. Poe)

Diese Geschichte führt zu bizarren Konstruktionen und gepflegten Feindschaften in der NFL. Cleveland mag Baltimore nicht. Der Name “Browns” ist in Cleveland geblieben, weswegen die Baltimore Ravens zwar viele Figuren aus dem einstigen Browns-Umfeld mitgenommen haben, aber nicht als “Rechtsnachfolger” der Browns gelten.

Baltimore wiederum hasst Indianapolis, hat den Namen “Colts” aber nicht behalten dürfen. Ein Rückkauf wurde von Indianapolis abgelehnt. Alles was im Zusammenhang mit den einstigen Baltimore Colts stand, wird trotzdem in Baltimore und nicht in Indianapolis gewürdigt, u.a. beim Tod der Colts-Legende QB Johnny Unitas.

Die Baltimore Ravens begannen ihren Spielbetrieb im Sommer 1996 und absolvierten drei eher farblose Jahre unter Headcoach Ted Marchibroda (der zuvor… die Colts in die Playoffs brachte). Sein Nachfolger wurde der damalige Viking-Offense-Guru Brian Billick. Unter ihm gelang es den Ravens sich zu profilieren als… knackige Defense-Mannschaft. Seit Billick im Amt ist, dürften die Ravens die physisch stärkste Defense der Liga haben. Die Ravens sind gefürchtet für Pass Rush, Tackles und Schmerzen. Selbst die Secondary genießt seit Jahren den Ruf viele, viele blaue Flecken zu verursachen. Eine Defense die immer dann am stärksten ist, wenn sie sich mental hochschaukeln kann, wenn sie sich in einen Rausch spielen kann.

Diese Baltimore Ravens steigen nun nach dem spielfreien Wochenende in die Playoffs ein und bekommen ihren Erzfeind Indianapolis Colts serviert. Und sie bekommen QB Peyton Manning serviert, dem Erzfeind jedes Pass Rushs. Ich gehe davon aus, dass bei den Ravens das Adrenalin von der ersten Spielsekunde auf Anschlag sein wird.

Indianapolis Colts

Was haben die Indianapolis Colts für ein Problem? Sie haben alle Ingredenzien zum Super Bowl-Favorit, sind aber in der zweiten Saisonhälfte hinreichend häufig gestolpert und konnten sich am letzten Wochenende beim Schicksal bedanken, dass sie mit den Kansas City Chiefs einen sagenhaft harmlosen Gegner (erstes 1st Down nach 42 Spielminuten) bekommen hatten.

Drei Interceptions dürften heute das Ende aller Colts-Hoffnungen bedeuten. Gegen Kansas fiel auf, dass die Offense überhaupt nicht zu ihrem Spiel kam. Manning war nicht Herr der Offense. Kein Rythmus, auch kein Versuch über Rythmuswechsel ins Spiel zu finden. Sehr konservative Spielzüge. Etliche fallengelassene Pässe der Receiver.

Die Offenseline hielt dem Pass Rush nur mäßig gut stand, dafür dass die Chiefs die meiste Zeit nur mit vier Mann auf Manning losgingen.

Auch auffällig wie physisch erschöpft die Spieler in der zweiten Hälfte waren. RB Addai musste im vierten Viertel mit einem Krampf raus.

Es gab in der Offense nicht einen einzigen positiven Punkt. Wenn es etwas gab, was die Colts rettete, war die Colts-Defense. Das befürchtete Laufspiel-Massaker fand nicht statt. Die Defense spielte enorm diszipliniert und war immer zur Stelle.

Baltimore Ravens

Ich muss bei den Ravens allgemeiner bleiben, bzw. mit viel angelesenem anreichern, da ich die Ravens dieses Jahr nicht ein einziges Mal gesehen habe.

Unter dem ehemaligen Offense-Fanatiker Billick passierte seit 1999 merkwürdiges: die Ravens wurden neben Pittsburgh und Chicago zu den gefürchtetsten Defense-Mannschaften der Liga. Weniger “Blitzburgh”, aber sehr kräftig, sehr physisch und auch immer wieder mit brillianten Linebacker. Der bekannteste ist LB Ray Lewis, der aber seit 2004 zumindest umstrittene Leistungen abliefert. Die Zahl der Sacks baute stetig ab, da half auch ein (inzwischen zurückgenommener) Systemwechsel vor zwei Jahren nicht. Einige munkeln dass die Zahl der Lewis-Tackles vom Statistikteam der Ravens aufgehübscht wird. Wie dem auch sei: er hat die meisten Tackles im Team und ist der Leader in der Defense. Ich kann mich aber mit seinem martialischen gehabe nicht anfreunden.

In seinem Schatten sind mit LB Adalius Thomas, LB Trevor Pryce und LB Terrell Suggs gleich drei LBs mit zirka 10 Sacks verbucht (11, 13, 9,5). Soviel zum Thema “Pass Rush”. QB Manning ist ein ausgesprochener Pocket Passer, der selten dazu neigt herum zu laufen. Manning war immer anfällig, wenn er den Odem des Gegners im Nacken spürte, wie z.B. die nicht minder sacklastigen Steeelers im Vorjahr und Manning hat öfters Probleme mit 3-4-Defenses, wie sie von baltimore gespielt wird.

Es gibt aber in der Ravens-Defense einen Schwachpunkt: die Secondary soll leicht zu überfordern sein.

Baltimores größtes Plus gegenüber den Vorjahren: sie haben wieder einen QB (der 2000er-Auftritt im Punt-SuperBowl mit dem “Arbeiter” Dilfer war eine Ausnahme). QB Steve McNair, als verletzungsanfälliger, alter QB bei Tennessee ausgemustert, hat etwas vollbracht, was ich so von ihm nicht mehr erwartet hatte: er blieb verletzungsfrei. Und ein verletzungsfreier McNair ist ein guter McNair. Mit seinem Kämpferherz passt er sehr gut in diese latent aggressive Mannschaft. Er absolvierte bei den Ravens eine 3.000er yds-Saison.

Damit gibt er den Ravens in der Offense eine neue Dimension, denn gute Laufspieler hatten sie schon immer, aktuell RB Jamal Lewis mit 1132yds.

Das Spiel

Wird Indianapolis seine Offense diesmal in Gang bekommen? Wird QB Manning fehlerlos bleiben oder mit dem Druck des Pass Rushs nicht zurecht kommen? Wird die Colts-Receiver diesmal fangsicherer sein und die Ravens-Secondary nass machen?

War das disziplinierte Auftreten der Colts-Defense nur ein Strohfeuer? Hat die untersetzte DL etwas der Ravens-OL entgegenzusetzen? Wird Billick versuchen von Anfang an viel auf Lauf zu setzen um dann in der zweiten Halbzeit gegen eine entkräftete Defense die tiefen Yards zu gehen?

Das Spiel könnte lange offen sein. Die Colts werden nicht anfangen wild herumzupunkten, sondern vorallem das Laufspiel in Gang setzen, um nicht frühzeitig die Ravens sich auf das Passspiel einschießen zu lassen. Die Ravens sind keine Highscoring-Truppe und wenn sie die Colts in Schach halten, werden beide Mannschaften nicht weiter als 1-2 Scores entfernt bleiben.

Manning ist eigentlich ein erfahrener, intelligenter Mann, der das Spiel von letzter Woche wegstecken können sollte. Mir gibt aber zu denken, dass Manning letzten Samstag überhaupt keine Initialzündung starten konnte. Da regte sich über 60 Minuten nichts.

Ich tippe auf einen 6-Punkte-Sieg von Baltimore.
Las Vegas sagt Baltimore mit 4 Punkten vorne bei einem Over/Under von 41-42

Wetter: Regen bei 10 Grad.
Broadcaster: CBS mit Greg Gumble und Dan Dierdorf

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Um die Sache spannender zu machen sage ich, dass die Colts Def sich auch diesmal ordentlich auszeichnen wird und Peyton konzentriert Harrison & Co bedient, die Colts gewinnen, aber knapp: 3 Punkte vorn.

  3. Nachdem ich mit meinem Kansas City Tip letzte Woche voll ins von Menschen öfter besuchte gegriffen hab, heute ein neuer Versuch.
    Baltimore gewinnt mit zehn und relativ sicher.
    Ich kann an die Colts erst glauben wenn die berühmte dicke Frau im superbowl gesungen hat und die Colts der Sieger sind.
    Immer bisher, und das war nicht selten, hat Manning versagt wenn er auf eine gute Defense in den Playoffs getroffen ist.
    Er hat sogar schon versagt, wenn er auf eine gut eingestellte Defense, erinnert sich noch jemand an seinen Auftritt bei den Jets, getroffen ist.
    Zudem versagt er gerne mal bei widrigem Wetter, siehe Vorhersage oben.
    Warum sollte das heute anders werden?
    Ich stimme dogfood zu, dass die Colts in Schlagdistanz bleiben können, weil die Ravens kein Offense Feuerwerk abbrennen werden.
    Es wird dennoch sicher reichen, da Manning den Ball oft genug abgeben wird um ein Highscoring Game zu verhindern, ausserdem kann ich mir nicht vorstellen, dass die Colts ein Laufspiel etablieren können.

  4. du kennst schon die Secondary der Ravens, mit Ed Reed, dem wohl besten FS und mindestens einer der besten und auf jeden Fall der beste Fänger unter den Safetys, wenn nicht noch auch unter den DB, was der fängt, den hätte man in den Ravens Seasons 2004/2005 auch als WR einsetzten können, aber nur weil die WR beschissen waren und dann gibt es noch Chris McAlister, den man auch nicht als schlecht bezeichnen kann, ProBowl x-Ints, gut Rolle zeigt manchmal Schwächen, aber wenn jemand im ProBowl war…. und dann noch unser SS Landry, die Entdeckung als glaube ich 5Round Pick, was der Junge als Rookie schon geleistet hat…………
    also da kann man nur gute Nacht COLTS sagen,
    Peyton, morgen brauchst du ne Packung Aspirin, und den Baltimore Rasen wirst du auch oft schmecken werden!!!!!!1