Besser geht es nicht mehr: Fiesta Bowl, Oklahoma Sooners – Boise State Broncos
Ein spoilerfreier Absatz zu diesem Spiel: in den USA wird diskutiert, ob der gestrige Fiesta Bowl die beste College-Football-Partie ever gewesen ist. So wenig College-Football wie ich bislang in meinem Leben sehen konnte, möchte ich mich in diese Diskussion nicht einmischen, aber selbst unter Berücksichtung der NFL-Spiele die ich seit Mitte der 90er Jahre gesehen habe: dieses Spiel gehört in die Top Five.
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Die Ausgangslage der Partie war klar: Underdog Boise State gegen das große Oklahoma.
Der Fiesta Bowl war eine Art Versuchsballon: sind Mannschaften aus den kleinen Conferences nun soweit, dass sie auch gegen die Champions der großen sechs Conferences antreten können? Ermöglicht wurde es erst durch sanfte kartellrechtliche Klagedrohung gegen die BCS, die deswegen einen Platz in ihren Bowls für das beste Team von fünf kleinen Conferences freischaufelte. Boise State aus Idaho im Nordwesten nahm nun als erste Mannschaft diesen Platz in Anspruch. Und wie…
Ein Doppelschlag nach knapp sieben Minuten bringt Boise State die 14:0-Führung, nicht zuletzt dank eines Fumbles von Oklahomas QB Paul Thompson. Die Oklahoma Sooners beginnen aber langsam Kontrolle über das Spiel zu bekommen. Sie beruhigen das Spiel, legen längere Drives hin und powern die Broncos langsam aber sicher aus. Das Laufspiel über den hochgelobten Adrian Peterson ist noch nicht effektiv, aber kostet den Broncos deutlich Körner. Besser macht es Sooners-RB Patrick.
Die Sooners kommen auf 10:14 heran, aber eine halbe Minute vor der Halbzeit gelingt den Broncos per 32yd-Pass nochmal der Ausbau der Führung auf 21:10, obwohl die Broncos schon etwas in den Seilen hingen.
Das dritte Viertel setzte die Entwicklung des zweiten Viertels fort: Oklahoma kontrollierte das Spiel immer besser, Boise State konnte für immer weniger Entlastung sorgen, aber das drückte sich nicht in Punkten aus. Im Gegenteil. Wieder ein durch Sooners-QB Thompson verursachter Turnover, wieder unterworfen, nun zum TD retourniert. Boise State baut die Führung auf 18 Punkte aus: 28:10.
Dann schwang aber das Pendel endlich zugunsten Oklahomas zurück und die Sooners ernteten die Früchte ihrer Arbeit seit dem zweiten Viertel. RB Petersons Läufe wurden immer länger. Nach dem dritten Viertel nur noch 28:17. Drei Sekunden ins vierte Viertel nur noch 28:20.
Im vierten Viertel begann die Partie wie ein Schwergewichtskampf im Boxen auszusehen. Beide Mannschaften auf der Suche nach dem Punch, beide neutralisierten sich, nicht zuletzt weil QB Thompson meist zu ungünstigsten Zeitpunkten den Ball in die Arme der Broncos warf.
Das Drama nahm dann in den letzten 90 Sekunden der Partie seinen Lauf. Die Sooners konnten endlich einen Drive mit einem TD abschließen. 26:28. Die Sooners gehen natürlich auf Two-Point-Conversion. Kurzer, gelobter Pass in die Ecke links, nicht gefangen. Flagge fällt, Pass Interference Boise State. Zweiter Versuch der Conversion, nun von der 2yd-Linie. Kurzer gelobter Pass in die Ecke links, gefangen, TD… wait…. Flagge fällt, Illegal Motion gegen Oklahoma… 5yds zurück. Dritter Anlauf der Conversion. QB Thompson guckt wieder in die linke Ecke, entscheidet sich aber für einen pfeilschnellen Pass tief in die Mitte, gefangen, TD, keine Flagge, Conversion gelungen, Ausgleich 28:28 mit 1:26 noch auf die Uhr.
Wie würde Boise State reagieren, dessen QB Zabransky in der Partie immer wieder tiefe Pässe eingestreut hatte? Zabransky wirft tief in der eigenen Hälfte nach links an die Seitenlinie, der WR kommt aber nicht zurück, CB Marcus Walker schneidet rein, fängt den Pass und kann unberührt in die Endzone laufen. Mit einem Mal ist Oklahoma zum ersten Mal in der Partie in Führung, 1:02 noch zu spielen.
Boise States Kickoff-Return ist eher mau. Die Broncos haben aber noch zwei Auszeiten. Headcoach Chris Petersen und sein OffCoord. Bryan Harsin packen die Trickkiste aus. Durch mittellange Pässe in die Mitte und nach links außen kommen die Broncos in die Hälfte der Sooners. Sie stehen an Oklahomas 35yd-Line, aber die Pässe werden nicht gefangen. Thrid Down, Lauf durch die Mitte, Raumverlust. Boise State steht am Abgrund: knapp zehn Sekunden zu spielen, 4th down and 18 an Oklahomas 35.
Und Petersen und Harsin holen den “Circus” raus, einen Trickspielzug, den sie in der ganzen Saison nicht ein einziges Mal eingesetzt hatten. Drei Receiver rechts, ein Receiver links. Jener Receiver rennt nach dem Snap diagonal zur Mitte, macht nach 10yds den Passfang, versucht in der Mitte durchzulaufen, zieht die Verteidiger auf sich, um dann den Ball per Rückwärtspass (Lateral) einem diagonal kreuzenden WR aus dem rechten Trio zuzuwerfen, der nun links völlig freie Bahn hat, um in die Endzone durchzulaufen. Sieben Sekunden vor Spielende gelingt Boise State mit einem 4th and 18 und 35yd-Pass der Ausgleich um die Partie in die Verlängerung zu schicken. Und mit was für ein Spielzug. Was für ein Irrsinnstrickspielzug, den alleine einzuüben!? Irrsinn, Wahnsinn, ein Packung Superlative bitte nach Hamburg schicken.
35:35. Overtime. Nach den üblichen College-Football-OT-Regeln (Spielzüge beginnen an der gegnerischen 25, beide Mannschaften haben jeweils einen Drive, wer mehr Punkte macht, hat gewonnen. Das Prozedere wiederholt sich solange, bis es einen Gewinner gibt)
Oklahoma ist zuerst im Ballbesitz. Trockene Antwort: erstes Play, RB Adrian Peterson mit einem 25yd-Lauf zum TD. 42:35.
Nun startet Boise State von der 25. Der Drive beginnt zäh, mit mehreren Läufen, aber sie schleppen sich langsam gen Endzone. Dann wieder so ein Moment wo Boise State am Abgrund steht: an Oklahomas 5y-Line ein 4th Down and 2. Plötzlich viel Bewegung hinter der Offense Line, der Fullback Perretta stellt sich an die Position von QB Zabransky, Zabransky macht drei Schritte nach links, rennt dann nach links raus, Snap, Perretta läuft mit dem Ball nach rechts los, bleibt kurz vor der Seitenlinie stehen und wirft in hohem Bogen in die Endzone zu TE Schouman. Touchdown, 41:42.
Und da Petersens und Harsins Eier eh schon so dick waren, dass sie seit Minuten auf den Boden schleiften, versuchten sie nicht den PAT zur Verlängerung der OT, sondern die Two-Point-Conversion zum Sieg oder Niederlage. Oklahomas Coach Stoops war über die Aufstellung so erschrocken, dass er erstmal seine letzte Auszeit nahm.
Interessierte Boise State nicht. Sie gingen nach der Auszeit mit der gleichen Formation an die Linie zurück. Drei Receiver rechts außen, Tight End links, Running Back Ian Johnson im Backfield.
Snap. QB Zabransky macht einen Three-Step-Drop, eine Wurfbewegung zu dem Receiver-Pack rechts, dass auf seiner Position verharrte, als ob sie gleich mit zwei receiver als Vorblocker losrennen würden. Zabransky macht mit rechts die Wurfbewegung, hält aber mit links den Ball hinter seinen Rücken, Running Back Johnson läuft los, pflückt den Ball von Zabranskys Rücken und rennt unberührt nach links in die Endzone rein. Conversion, zwei Punkte, 43:42 Endstand, Sieg.
Ich habe niemals, niemals, niemals, eine solche Latte an Trickspielzügen in den letzten Minuten einer Partie gesehen. Norv Turner oder, an guten Tagen, die Pittsburgh Steelers, gönnen sich mal ein Späßchen und streuen ein oder zwei solcher Spielzüge ein, irgendwann in einer launigen Partie. Aber das ein Team in der crunch time ein As nach dem anderen aus dem Ärmel zieht… Ungesehen. 4th and 18 bei 10 Sekunden zu spielen, Lateral-Pass zur Overtime. 4th and Two, Runningback-Pass zum TD und schließlich Backhand-Übergabe für die Conversion.
Wer sich selber ein Bild verschaffen will, FOX hat zu jedem Viertel 60sekündige Highlights zusammengestellt (Flash PlugIn needed)
Für die BCS ist das Spiel verdammt beschissen gelaufen. Abgesehen davon, dass das Spiel erstklassig vermarktbares Spektakel darstellt, stellt das Ergebnis die Bowl Championship Series in Frage. Jeder, absolut jeder möchte jetzt ein Championship-Spiel zwischen den diese Saison ungeschlagenen Boise State (13-0) und Ohio State sehen. Der Sieger des Championship-Spiels wird mit dem Makel leben müssen, nicht das möglicherweise stärkste Team der Saison geschlagen zu haben.
Boise State als Abrißbirne für das jetzige Bowl-System.
Reaktionen
Wow, schöner Beitrag!
die bcs-diskussion gabs ja auch schon mal vor 2 jahren, als utah als erstes non-bcs team einen bcs-bowl gewonnen hat.
vielleicht haben die jetzt gemerkt, dass das nicht nur ein ausrutscher war und führen ein playoff-system ein, wo auch 1 oder 2 mid-major teams ran dürfen.
Ein sau…sau…saustarkes Game. Das musste man einfach gesehen haben. BSU spielt einen Super-Football. Stark.
Wer wird denn jetzt Meister, wenn Ohio State verliert?
Das wäre jetzt für das BCS System die größte anzunehmende Kastastrophe.
Na ja, da das BCS-Ranking einfach eine computergenerierte Rangliste ist (die allerdings auch “menschliche” Ranglisten berücksichtigt), kann sich die BCS auf das Rechnerhirn zurückziehen und sagen “dieser neutrale Prozessor hat das Ranking ausgespuckt”.
Eine ganz andere Frage ist es, wie seriös die Antwort genommen wird und was es für die Glaubwürdigkeit anrichtet.
Rückblickend betrachtet, waren die Zeiten als es einfach nur zwei Polls gab, irgendwie dann doch besser.
Fakt ist aber, dass sollte ein anderes Team als Boise State oder Ohio State,nur im Falle eines Sieges, als Meister herauskommen, dann ist es mit der Glaubwürdigkeit des Rechners aber endgültig vorbei.
Boise State ist nunmal ungeschlagen, während die Gators schon einmal verloren haben.
naja es kommt ja vor allem darauf an wen man wie schlägt…
UF, OSU, UofM, und USC haben eben ein ganz andere saison gespielt als BSU.
sonst könnte man sich ja einfach eine leichte saison basteln, die conference gewinnen und zum championship game fahren…
wobei boise seit 3-4 jahren in einer bcs conference wohl auch locker mithalten könnte
Ganz cool fand ich Zabransky. Der war obercool. Habe leider den letzten Drive beim Stande von 42-35 für O. nicht sehen können – ansonsten hat das Spiel Spass gemacht. Ist Zabransky schon Senior? Wenn ja – könnte er ja auch bald gedraftet werden.
Jo…isser ;)
Wenn du den letzten Drive nicht gesehen hast: siehe Link oben im Artikel von dogfood
Ich glaube nicht das Zabransky in den ersten Runden gedraftet wird. Ich fand ihn eher blaß. Hat seine Sache ordentlich gemacht, aber strahlt keine Autorität aus.
Die Top-Picks gehen eigentlich nur für Leute weg, die ein anderes Standing haben. Das heißt nicht, dass er ein schlechter QB ist. Vieleicht ist er ein “Sleeper” wie Tom Brady, der seinerzeit in der 6ten Runde dedraftet worden ist.
Egal welche Diskussionen es gibt…, was für ein geiles Spiel!!!
Bin ich froh, das ich das gesehen habe!!!
Fast genauso wie der German Bowl 2003…nur das da leider die “Blauen” gewonnen hatten!
Aber was für ein Gänsehautfeeling !!!!