Was gestern war: Wasserschäden, Daum-Dämmerung, Klepper statt Fohlen

Seattle Seahawks – San Francisco 49ers 14:24

Wenn man nach wochenlanger Abstinenz so etwas als erstes NFL-Spiel zu sehen bekommt, fällt man vom Glauben ab, wirkt das eigene “Koordinatensystem” – was gut oder was schlecht ist – völlig dejustiert.

Das Thursday Night Game wäre um ein Haar abgesagt worden. Die Drainage im Qwest Field kam mit den vom Himmel fallenden Sintfluten nicht klar und es entstanden eine halbe Stunde vor Kickoff, quadratmetergroße Wasserblasen, die den Kunstrasenbelag vom Boden abhoben. Letztendlich wurde das Spiel nur um einige Minuten verschoben, die Blasen beseitigt und im Laufe der Partie ließen Regen und Wind nach.

Wäre alles nach Fahrplan gegangen, hätten die Seattle Seahawks (8-5) mit einem Sieg gegen die 49ers (5-8) den Titel in der NFC West holen können. Die 49ers hatten drei Niederlagen in Folge, während sich Seattle nach Siegen gegen Green Bay und Denver einen Ausrutscher in Arizona erlaubte. Glaubt man den Analysen der NFL Networks-Kommentatoren Gumble und Collinsworth, kriegt die Seahawks-Offense diese Saison kein Bein auf den Boden. Zahlreiche Umstellungen in der Offenseline lassen das Laufspiel rund um RB Shaun Alexander erlahmen und ziehen damit auch das auf Play Action-basierende Passspiel in Mitleidenschaft. Wo nicht gelaufen wird, ist klar, welche Option beim Play Action-Spielzug gezogen wird.

Und so sollte es auch in dieser Partie kommen. Die 49ers spielten eine richtig elende Offense. QB Alex Smith genau so schlecht, wie ich es im Vorjahr in Erinnerung hatte. Ein Hemd ohne Selbstbewusstsein, dass selbst einfachste Screenpässe meterweit vorbeiwirft. Die Spirals bei langen Pässen waren gruselig. Das erste First Down kam erst spät im 2ten Viertel. Das einzige Eindringen tief in die Hälfte der Seahawks war einem Fake Punt von OffCoord. Norv Turner zu verdanken.

Die 49ers waren so schlecht, jede normale Mannschaft hätte die Niners an die Wand genagelt. Nicht so die Seahawks, die die Niners am Leben ließen. Nur 7:3-Führung zur Halbzeit.

Im dritten Viertel neutralisierten sich beide Mannschaften, als die Niners einen letzten Drive begannen und QB Smith plötzlich einen 54yd-Pass auf Battle hinlegte. Bis dato ging von Alex Smith keine Gefahr aus und die Seahawks konnten in aller Ruhe alle Augen auf RB Fran Gore richten. Aber dieser 54yd-Pass öffnete plötzlich das Spiel bei den Niners. Smith scrambelt für 8yds, wirft einen 13yd-Pass und schließlich noch einmal einen 8yd-Pass in die Endzone. Die Niners waren plötzlich in Führung. Es spottet jeder Beschreibung wie sehr das eigentlich am Spielverlauf vorbeiging.

Und mit der Führung im Rücken, war es plötzlich die 49ers-Offense, die die Seahawks-Defense am Nasenring durch das Qwest Field zog. Die Laune von Norv Turner kann man an der Zahl seiner eingestreuten Trickspielzüge ablesen. Die Niners legten richtig schön lange, ausgewogene Drives hin und machten im 4ten Viertel 21 Punkte. QB Smith wuchs merklich, machte einen famosen TD-Pass zum 17:3 als er einen zu hohen Snap noch runterfangen konnte, einen herannahenden Pass Rusher abschüttelte, in blanker Not nach links rausrollte und den Ball wunderschön in den Lauf von RB Gore reinlobte, der nur noch in die Endzone zu fallen brauchte.

Umgekehrt wurde den Seahawks ein Comeback weggenommen, als eine Pass Interference bei einem 50yd-Pass an SFs 14 nicht gegeben wurde. Die Niners spielten das Ding runter, die Seahawks wurden im eigenen Stadion ausgepfiffen. Wie lange läuft eigentlich Holmgrens Vertrag noch?

Diese Seahawks-Offense erschreckt keinen. Nach dieser Partie Entwarnung für alle NFC-Playoff-Kandidaten. Die Seahawks sind schlagbar. Die Niners hingegen, haben aus ihren extrem limitierten Mitteln viel gemacht. Aber das QB Alex Smith ein QB mit Zukunft ist, war 44 Spielminuten lang nicht zu sehen.

1. FC Köln – 1. FC Kaiserslautern 2:2

Der 1.FC Köln wechselt seinen Trainer Hans-Peter Latour gegen den Traumkandidaten Christoph Daum aus und seit dem werden Woche für Woche neue Niederungen beschritten. Am Freitag gegen den 1. FC Kaiserslautern: 2:0 in Führung liegen, nach zwei Platzverweisen bei den Lauterer mit zwei Spieler mehr auf dem Platz und sich trotzdem noch 2 Gegentore und selber zwei Platzverweise einfangen. Das ist nicht mehr zu begreifen. Das 2:2 aus einem Standard heraus, bei der der Gegner in Unterzahl ist? Wie geht so etwas?

Dabei haben die Kölner in der ersten Halbzeit noch nicht einmal schlecht gespielt, standen sehr diszipliniert. Aber dann wiegten sie sich in der zweiten Halbzeit selber in den Schlaf und als Hajnal in der 60ten Minute einen Freistoß direkt verwandelte, fielen die Kölner wie ein Soufflé in sich zusammen. Das Selbstbewusstsein der Kölner verflüchtigte sich binnen Sekunden. Wieder einmal fängt die Abwehr an, beim Spielaufbau grottigste Pässe sich zusammenzuspielen, am besten gleich auf den Schlappen der diesmal farbblindentauglich angetretenen Lauterer (neongelb-grün mit weinroten Brusteinsatz, wo ist Bazon Brock wenn man ihn mal braucht?). Die völlig idiotischen Fouls für die beiden Platzverweise, sind weiterer Beleg für die unglaubliche Verunsicherung.

Dass ausgerechnet eine von Daum trainierte Mannschaft auch drei Wochen nach Inthronisierung noch Probleme mit dem eigenen Ego hat, verblüfft. Wenn man sich das Gekicke ansieht, sich in Daum und Michael Meier reindenkt, dann ahnt man, wieviel Geld die Kölner in Wintertransfers stecken werden.

VfL Bochum – Bor. Mönchengladbach 2:0

Eine der schwersten Nüsse der anstehende Winterpause hat Gladbach zu knacken. Heynckes entlassen, oder nicht. “Don” Jupp Heynckes hat kein allzugroßes Standing und die Auftritte der Gladbacher sind öfters noch unterirdischer als Bodensatz. Seit 10 Spielen ohne Sieg. Das Auftreten in Bochum in der zweiten Halbzeit eine Art Offenbarungseid.

Es stellt sich die “Hamburger Frage”: sind die Ursachen erklärbar und besitzt man in Heynckes noch weiter Vertrauen das Ding umzureißen? Als Außenstehender sehen die Gladbacher Probleme für mich nicht derart erklärbar aus, wie die beim HSV. Immer wieder hat man auch das Gefühl, dass die scharfe Autoritätsschiene die Heynckes fährt, die Spieler eher hemmt oder verbrennt. Die Schlüsselszene war die 85te Minute. Traurig, dass Heynckes mit Kahé erst in der 84ten Minute einen weiteren offensiven Spieler reinbringt, obwohl die gesamte zweite Halbzeit davor, offensive Ratlosigkeit pur war. Bezeichnend dass nur eine Minute später, Kahé völlig unmotiviert bei einem Bochumer Freistoss den Ball ins eigene Tor köpft. Unbedrängt. Kahé ließ es mit regungsloser Miene über sich ergehen und auch seinen Mitspielern war das egal und man schlürfte zum Anstosskreis.

Es ist das eine, wenn man, wie der HSV, sich bemüht und aufgrund seiner limitierten Mittel scheitert. Bei Gladbach scheint aber das Verwesungsstadium weiter fortgeschritten zu sein.

Der VfL Bochum hingegen, wirkt von Spiel zu Spiel immer abgewichster (im positiven Sinn). Die wissen ganz genau was sie können und was für Mittel sie haben und spielen das enorm geschickt und diszipliniert. Es ist der Sieg von Taktik und Disziplin über Einkaufspolitik. Ich habe sie seit dem Hertha-Spiel (3:3) auf dem Radar. In den letzten sechs Spielen haben sie 10 Punkte geholt. Es hätten sechs Punkte mehr sein können. Wenn Bochum diesen Lauf über die Winterpause retten kann, spielen die noch um UEFAcup-Plätze mit. Das ist klasse anzusehender Systemfußball.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Ich muss auch sagen, dass mich mein Heimatverein Bochum immer mehr überrascht. Vor allem scheint die Mannschaft gerade mental voll auf der Höhe zu sein – nach dem Sieg über Hamburg war das jetzt der zweite Erfolg in einem sogenannten Sechs-Punkte-Spiel um den Klassenerhalt. Das spricht für den im Tabellenkeller wichtigen freien Kopf und den Zusammenhalt innerhalb des Vereins.

  3. Bochums Trainer Marce Koller war den Kölnern übrigens nicht gut genug. Sollte man nach einem Abend wie gestern mal anmerken.

  4. @vib:
    Die Atmosphäre in BO ist auch besser als bei den anderen Vereinen.

    @Stefan:
    Darum freut es mich für den Marcel Koller persönlich, den ich als recht sympathisch einstufe. Außerdem braucht die 1. Liga unbedingt einen Schweizer Trainer, denn die hört man doch eher reden als die Schweizer Spieler…

  5. @Jens: Der ist auch kompetent.

  6. @Jens:
    Aber gerade zu Beginn der Saison hat der Koller kräftig auf die Zwölf bekommen – um so schöner, dass sie sich berappelt haben und die solide Arbeit sich endlich auszahlt. Und außerdem kann man mir erzählen, was man will: Ein ausverkauftes Ruhrstadion (das heißt so und nicht anders!) hängt so manche neue Arena in Sachen Stimmung mal eben ab!

  7. @vib:
    Die Bochumer sind – so jedenfalls meine unmaßgebliche Meinung (von jemanden der täglich mit Bochumern zu tun hat) – leider zu erfolgsversessen. Da muß immer alles sehr gut laufen, ansonsten sind die unzufrieden.

  8. @vib: Erinnert mich ein wenig an Eintracht Frankfurt in der vergangenen Saison. Da gab es auch einen katastrophalen Start mit Funkel und Bruchhagen hat an ihm festgehalten.
    @Jens: Erstaunlich für einen Verein, der einem nicht gerade als Erfolgsclub bekannt ist.