Alemannia Aachen – Hamburger SV 3:3 – Ein Spiel wie Eishockey

Herr Ober? Einen Teller Superlative bitte, für den Herrn an Tisch 11. Danke.

Wer etwas für seinen Adrenalinspiegel tun will, sollte sich diese Partie in der Aufzeichnung ansehen und, sofern er Sympathien für eine der beiden beteiligten Mannschaften hegt, auch Defibrillator bereit legen.

Der HSV trat mit einer Art 4-3-3 an, Sanogo in der Sturmmitte, Berisha links und Mahdevikia Ballverteiler rechterseits und mit allem Offensivdrang ausgestattet, der sich im Iran zusammenkratzen ließ. Hinten durfte Volker Schmidt wieder zum zweiten Mal den rechten Verteidiger geben. Ansonsten alles wie gehabt.

Beide Mannschaften fackelten nicht lang und spielten mit offenem Visier. Qualitativ durchaus diskussionswürdig bzgl. des Defensivverhaltens im Mittelfeld und der Effizienz der beiden Sturmreihen, aber verdammt unterhaltsam.

Das Spiel erinnerte an Eishockey, bei dem die Mannschaften schnell vom einen Drittel ins andere Drittel flitzen, ASAP die Schußmöglichkeit suchen und es dann auch schon wieder in die andere Richtung ging. Und so kamen nach 90 Minuten 21 Torschüße für Aachen und 25 Torschüße für den HSV raus (der Ticker von Bundesliga.de sprich von 16:27 Torschüßen) zusammen. Das ist knapp doppelt soviel wie Bundesliga-Durchschnitt.

Der HSV in der ersten Halbzeit mit mehr Torschüßen, aber Aachen mit einigen 100%igen auf dem Schlappen. Die Hamburger Führung fiel nach einem Freistoß, als die Aachener den Ball nicht klären konnte und Berisha den “zweiten Ball” von links reinschoß (32te).

Dann war Halbzeit und dann kam eine zweite Hälfte, die dramaturgisch nicht mehr von dieser Welt war. Immer noch offener Schlagabtausch, aber Aachen begann immer britischer zu spielen und gelang damit in immer längeren Power Plays den HSV hinten festzunageln. Dem Ausgleich durch Reghecampf nach einem etwas geschmäcklerischen Elfmeter von Colin Benjamin an Klitzpera (62te), folgte die Revanche von Colin Benjamin, der bei einer Flanke von Mahdavikia völlig alleingelassen am zweiten Pfosten im Tiefflug einköpfte (67te).

Es ging weiter mit immer stärker werdenden Aachener Power Play, eine Urgewalt die sich da in der Hamburger Hälfte abspielte, aufgepeitscht durch die 20.800 Zuschauer. Wie Eishockey, es wurde alles versucht: Distanzschüsse, wilde Flanken in den Torraum rein und der HSV verlegte sich immer mehr auf Konter. Der HSV wackelte und wankte, die Aachener Flügel konnten immer ungestörter flanken. Irgendwann konzentrierten sich knapp 16 Feldspieler in den Strafraum und der Ball ging nur rein, raus, hoch, tief, links oder rechts.

Was aber nicht hieß, dass der HSV nur in der Nase bohrte. Immer wieder schnelle Vorstöße, mit Schüßen abgeschlossen. Bei einem dieser HSV-Konter rennt dann das Streifenhörnchen einem Gegenspieler weg und kann rechtzeitig abziehen, Straub ist noch mit irgendeinem Körperteil dran, aber der Ball geht ins Aachener Tor, 1:3-Führung für den HSV (76te). Völlig enthusiasmiert rennen alle HSV-Spieler zu Thomas Doll.

Aachen machte weiter wo es aufhörte und drosch den Ball aus allen Lagen in den Strafraum und aufs Tor. Der HSV kann sich nicht befreien, Torwart Wächter, der schon zuvor mit einigen Glanzparaden Wiedergutmachung betrieb, konnte einen Kopfball klären, doch Fiel kann mit einer artistischen Flugeinlage den abprallenden Ball nochmal aufs Tor bringen, 2:3, nur eine Minute nach dem Hamburger Treffer.

Der HSV war nun angeschlagen. War es die Kraft? Jedenfalls war der HSV nicht mehr in der Lage nach vorne noch was zu bringen. Das HSV-Spiel sah nun typischerweise so aus: weiter Abschlag Wächter, Ljuboja nahm den Ball mit dem Fuß an und bekam ihn schon von einen Aachener abgeluchst. Knapp zwei Zehntelsekunden später war der Ball schon wieder auf dem Flug gen HSV-Tor.

Der HSV wechselt in den letzten 7 Minuten zweimal defensiv ein (u.a. the return of Klingbeil), Aachen noch einmal offensiv ein. Wächter muss den Ball noch einige Male von der Linie kratzen. Der HSV kriegt keine Ruhe ins Spiel.

Und dann die 90te Spielminute, die ein Quasi-Resümee der HSV-Hinrunde ist. Es sind noch drei Minuten Nachspielzeit zu absolvieren, als Schlaudraff wieder eine Flanke von links schlägt, Reinhardt köpft… … aus 11m ins eigene Tor. Thomas Doll schlägt sich sekundenlang die Hände vors Gesicht. Der HSV raubt sich zwei Punkte. Ausgerechnet Reinhardt, der von Thomas Doll in dieser Saison zu nie erwarteter Leistung getrieben worden ist.

3:1-Führung und binnen einer Viertelstunde köpft man sich selbst zum Unentschieden. So richtig zur Entscheidungsfindung in Sachen Doll dürfte dieses Spiel den Herren Beiersdorfer und Hoffmann nicht dienen. Was bleibt, ist Kaffeesatzleserei und da hat Bernd Hoffmann im Interview mit ARENA in seinen Aussagen und wässrigem Gesichtsausdruck genügen Spielraum für Interpretationen aller Art gelassen. Noch mehr Wasser hatte eigentlich nur Volker Schmidt in den Augen, der völlig fassungslos nach dem Spiel vor dem ARENA-Mikrofon stand, und wahrscheinlich noch mehr HSV-Fanboy ist als 95% der Nordkurve.

Aachen hat immensen, beeindruckenden, kraftvollen Fußball abgeliefert, ganz im Geiste britischen Kick’n’Rushs (wenn auch nicht stupide “Ball-hoch-rein”). Wenn man noch einen veritablen Knipser hätte…

Wer auf erdigen Blut, Boden & Schweiß-Fußball steht, hat in der Runde kein besseres Bundesligaspiel gesehen.

Rest of Bundesliga

Ein eher lendenlahmer Samstagsspieltag, sieht man von der Partie in Aachen ab und von der Vorstellung des FC Bayerns, der die Chance zu einem Galaauftritt genutzt hat. teilweise wirklich famose Offensivaktionen der Bayern.

Schalke würgt sich zu einem lincolnlosen 1:0-Sieg in Bielefeld durch (Lincoln = Kniereizung). Thomas von Heesen pisst im Interview Reinhard Saftig hinreichend dezent an den Karren (er fordert ein Zwei-Jahresplan für die Entwicklung der Arminen ein, was eine unausgesprochene Kriegserklärung an den dafür zuständigen Manager Saftig ist).

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. der HSV und der “FC” sind auf jeden fall die showhighlights im moment.

    ein eigentor in letzter minute fehlte gestern noch in köln , wo sonst eigentlich alles dabei war.

    schade das jetzt winterpause ist ….

  3. Für mich hörten sich die Kommentare nach dem Spiel so an als ginge es nur noch um die Höhe der Abfindung.

  4. Doll ist rrraus!!! Das ist 100%ig sicher. ARD-Interviews nach dem Spiel waren eindeutig. Ciao Dolli!

  5. […] Fußball im Radio zu verfolgen, ist zwar kein adäquater Ersatz für Bewegtbilder oder Stadionbesuch. Trotzdem kann gerade so ein Spiel ziemlich nervenaufreibend sein, wenn man eine 3-1 Führung zwei Minuten vor Schluss noch vergeigt und mit nur einem Punkt nach Hause fährt. Eine schöne Beschreibung des Dramas bei allesaussersport… […]

  6. Ich habe ne völlige Offtopic Frage, aber vielleicht weiß einer Bescheid.

    Ich ziehe Anfang des Jahres mal wieder um und daher muss mein Arena-NASN Abo von SAT auf Kabel umgestellt werden. Tauscht Arena die Karte wie Premiere kostenlos aus oder muss man da was bezahlen?

    Wer kann mir einen guten Kabel-Receiver empfehlen? Dogfood, vllt? ;)

  7. Das mit dem Umtausch der ARENA-Karte könnte schwer werden. Im Gebiet von Kabel Deutschland würde ich sagen: vermutlich kein Umtausch möglich, da dein Ansprechpartner von ARENA auf PREMIERE wechselt.

    Ich fürchte auch in Hessen und NRW werden ARENA und Unity Media als getrennte Unternehmen behandelt, auch wenn die einen die Töchter des anderen sind.

    Mit anderen Worten: rechne mit dem Schlimmsten: dem Abschluß eines neuen Abos.

    Kabel-Receiver:
    Es kommt darauf an, was du sehen willst. Entsprechend sollte der Receiver zertifiziert sein, sonst musst du den Umweg gehen, irgendeinen offiziellen Billig-Receiver zu nehmen um mit seiner Seriennummer die SmartCard für den anderen Receiver freischalten zu lassen. Und wenn du beides sehen willst, PREMIERE und ARENA, reduziert sich die Zahl der möglichen Receiver ganz schnell. Keine Ahnung ob es da überhaupt einen gibt, der für beides zertifiziert ist.

    TechniSat ist besser als nix, finde ich aber von der Bedienung etwas ungelenkt (Beispiel: in Programmlisten muss man mit dem Cursor runtergehen um einen Kanal hochzuschalten, in der normalen Ansicht mit dem Cursor hochgehen um einen Kanal hochzuschalten. Der Sleep-Timer liegt auf der Taste “TV/SAT”. GUI sieht auch wie die eines schlechten Koreaners aus).

    Möglicherweise ist der TechniSat Kabel NCI (ich hab gerade die Sat-Version gekafut) eine Kiste die für beides zertifiziert ist. Die Kiste ist okay und liegt derzeit palettenweise in den Elektrogroßmärkten herum.

    Etwas für das kleine Bastlerherz ist eine umgebaute dBox 2 eigenem Betriebssystem.

    Wenn es mit Festplatte sein soll, würde ich zum Topfield 5200 neigen (nicht zertifiziert!). Vorher aber in den Foren erkundigen, ob mit der neuesten Firmware das QAM256-Problem beseitigt ist, sonst gibt es bei diversen Kanälen im Kabel Ärger. Hätte bei mir eigentlich die Nachfolge der dBox 1 antreten sollen, aber nun ist es ja anders gekommen…

  8. Bei n-tv wird in den Breaking News gemeldet, dass das Hamburger Abendblatt von einer Trennung von Doll ausgeht. Dafür soll Hitzfeld bis zum Sasonende kommen…

  9. das steht auch im VT des ZDF. Beruft sich das auf’s Hamburger Abendblatt.

    Grüße Ralf

  10. War ja klar, dass Doll gehen muss. Das hätten die auch schon im November sagen können, denn da planten sie es auch schon.

  11. Den Topfield 5200 hab ich mir gerade gekauft, ist gestern gekommen. Es gibt ne ungefähr eine Woche alte neue Firmware, die hab ich aber noch gar nicht draufgespielt. Ich hab einige Kanäle mit QAM256 in der Liste, von einem Problem hab ich nix gemerkt. Allerdings wurden einige Kanäle, die angeblich bei Netcologne im Kabel sein sollen, nicht gefunden – die hat aber auch eine dbox2 mit Neutrino und ein 1-Euro-TechnoTrend nicht gefunden. Da muss ich mal bei Netcologne nachfragen, ob es die Kanäle wirklich gibt. Zu PayTV damit kann ich noch nichts sagen, ich hab noch keine CAM drin.

  12. Doll zu gehen wäre für mich nicht nachvollziehbar. Allein gestern das Spiel hat gezeigt wie sehr die Mannschaft noch zu Doll steht und das sie ihm 100%ig folgt. Und ganz im Ernst, was hätte den irgendein Trainer der Welt beim HSV groß anders machen können? Ein neuer Trainer wäre jetzt insbesondere ans Team exakt das falsche Zeichen und ich würde im schlimmsten Fall erste Zerfallserscheinungen erwarten, die der HSV nun garnicht gebrauchen kann. Wenn man Doll rausschmeißt ist außerdem das Projekt HSV begraben, dann haben faktisch auch Hoffmann und Beiersdorfer keine Existenzberechtigung mehr im Klub und man steht wieder bei Punkt 0. Die Wahrscheinlichkeit das Doll das Ruder noch rumreißt ist gleich hoch wie bei Hitzfeld oder sonstwem, was soll der Wechsel also bringen außer ordentlich Unruhe und Unsicherheiten? Solche Alibiaktionen, auch blinder Aktionismus genannt, bringen nichts und kosten nur unnötig Geld. Meine Meinung.

  13. so, Hitzfeld hat nun lautstark im ZDF dementiert. Er habe auch keine Lust nach Hamburg zu gehen. Starker Tobak. Weihnachtsmärchen (verfrüht) des Abendblattes?

  14. @dogfood

    Ja, ich rechne leider auch mit einem neuen Abo. Ich habe Arena mal ne Mail geschrieben. Mal gucken, was die mir anbieten. Hoffentlich ne Lösung, die für mich finanziell verträglich ist, weil zwei Abos nebeneinander kann ich mir als Student glaub ich nicht leisten.

    Es würde sich dann um ein iesy Abo in Hessen handeln.

  15. Hitzfeld ist doch kein Mann für den Abstiegskampf, warum sollte der sich das antun!? Da würde ich schon eher auf Huub Stevens tippen, der heute auch im Doppelpass genannt wurde. Vorausgesetzt, dass Doll überhaupt entlassen wird.
    Ich bin froh, diese Entscheidung nicht treffen zu müssen.

  16. Ohne das unglückliche Eigentor in letzter Minute hätte Doll sicherlich wieder Pluspunkte gesammelt. Schade dass das gerade im letzten Spiel vor der Winterpause passieren musste!

  17. Im Brauserausch habe ich gestern abend noch gewettet, dass Doll bleibt. Mittlerweile pure Ernüchterung. Ich habe das Gefühl, Hamburgs Medien können sich auf einen tollen, neuen Verhinderer freuen. Stichwort: Die Null muss stehen. Viel Spass…

  18. @JensA

    bin genau deiner meinung und kann einfach nur sagen, dass so wie die mannschaft in den letzten drei spielen aufgetreten ist, die mannschaft ganz klar pro doll gespielt hat.

    nur weil walross “antje reinhardt” mal den ball ins eigene netz gewuchtet hat, sollte doll nicht entlassen werden. ausserdem hat ja auch die mopo am donnerstag oder freitag gemeldet, dass doll auch bei einer niederlage in aachen trainer bleibt.

    doll muss bleiben und damit basta.

  19. Schlechte Schlagzeile, denn beim Eishockey gibt es keine Eigentore! ;)

  20. Zitat chich:
    “nur weil walross “antje reinhardt” mal den ball ins eigene netz gewuchtet hat, sollte doll nicht entlassen werden”

    Vielleicht aber wegen der lediglich zwei Siege in den letzten 28 Pflichtspielen mit einer Mannschaft, die vor der Saison von quasi jedem Fussballinteressierten locker unter die ersten fünf (eher noch unter die ersten drei) getippt wurde?!