CFL nach Week 8

In einem Gewaltakt habe ich am Wochenende knapp zweieinhalb Wochen CFL mit roundabout 8-9 Spielen nachgeholt. Gerade beim “Massen-Gucken” von CFL-Aufzeichnungen fällt auf, was für ein zweischneidiges Schwert die 3-Down-Regelung ist (in der CFL hat jede Mannschaft nur drei Downs, in der NFL, College, NFLE und Bundesliga vier Downs).

Einerseits macht es das Spiel angriffiger, weil man kein Down abschenken kann. Andererseits kommt es mitunter zu Punt-Orgien. Dies, zahlreiche Verletzungsunterbrechungen und zahlreiche Strafen (zirka 30 pro Spiel) haben mich am Wochenende teilweise vor Pein aufstöhnen lassen. Mein Daumen hat sich vom vielen SKIP-Taste-Drücken eine Blase geholt.

Die CFL stellt sich heuer in einigen Belangen genau spiegelverkehrt zum letzten Jahr dar. Im Westen ist alles eng an eng, bis auf den Titelverteidiger Edmonton, der am Tabellenende kleben. Im Osten ist die Sache klar durchstrukturiert: Montreal und Winnipeg Top, Toronto und Hamilton Flop.

Ostwärts

Die Überraschung im Osten sind die neu reingekommenen Winnipeg Blue Bombers. Nach dem die Ottawa-Franchise im April erst einmal auf Eis gelegt worden ist, rückte Winnipeg zum zahlenmäßigen Ausgleich aus der Western in die Eastern Division. Nach acht Spieltagen sind sie mit 5-3 in Tuchfühlung zum Spitzenreiter Montreal. Die schnelle und aggressive Defense der Blue Bombers ist eine der besten der Liga. Probleme gibt es mit der Offense, die noch sehr dünn besetzt ist. Wenn Winnipeg siegt, dann weniger weil die eigene Offense die gegnerische Endzone in Schutt und Asche legt, sondern weil die Defense den Gegner bei wenig Punkten hält und für gute Feldpositionen sorgt.

Am Wochenende verlor Winnipeg völlig überraschend gegen Schlußlicht Hamilton 11:26. In der Vorwoche gab es in Hamilton noch ein gepflegtes 29:0, u.a. weil Hamiltons QB Maas kurzfristig ausfiel. Nun unterlagen die Blue Bombers weil ihrerseits QB Glenn sich in der 1ten Halbzeit verletzte. Keine Offense und die Defense kollabierte schnell, wurde von der Tiger Cats-OL schlichtweg überrollt.

Die Defense macht aus den Blue Bombers einen unbequemen Gegner, aber die Offense ist bei weitem noch nicht eines Champions würdig.

Die anderen Stahlstädter

Dass der Ruf einst eine Stahlarbeiterstadt gewesen zu sein, und gelb-schwarze Jerseys zu tragen, nicht unbedingt automatisch zu Meisterschaften führen, müssen die Hamilton Tiger Cats gerade schmerzvoll erfahren, wo sie ihre zweite absolut beschissene Saison erleben.

Das Front Office hat nach dem 4ten Spieltag die Reißleine gezogen und Headcoach Greg Marshall gefeuert, nachdem der für gut Geld verpflichtete Kader gen einer zweiten 5-13-Saison torkelte.

Der re-aktivierte Opa und Marshall-Vorgänger Ron Lancaster brachte am 5ten Spieltag nur kurz Belebung, dann kam wieder dasselbe Stück aus den Vorwochen zur Aufführung: eine mehr als okaye Defense und eine Offense die mit ihren Kurzpass-Orgien innerhalb von zwei Downs keine zehn Yards überwindet.

Den Tiefpunkt erreichten Lancasters Tiger Cats mit der 0:29-Heimniederlage gegen Winnipeg, als die Mannschaft von allen Broadcastern unisono als klinisch tot bezeichnet wurden.

Und schau an, eine Woche später, auf des Gegners Grund, gab es wieder Ausschläge im EKG zu sehen. Winnipeg wurde 26:11 geschlagen. Eine Ursache: Bombers-QB Glenn hatte Aua-Aua und ward in Halbzeit 2 nicht mehr gesehen.

Ursache 2: die Offense Line. Da kam nichts durch und immer wieder blockte man famose Lücken für RB #9 Ranek. Die aggressive, aufgerückte Defense der Blue Bombers trickste man mit Screenpässen auf oben erwähnten Ranek aus. Eine sehr, sehr dominante Vorstellung der Tiger Cats.

Und am Wochenende geht es ausgerechnet zu den Toronto Argonauts.

Arges bei den Argonauten

Die Toronto Argonautes sind neben Edmonton DIE Enttäuschung der Saison. Es hat vermutlich viel mit der Popularität von Headcoach “Pinball” Clements zu tun, dass unter seinem Stuhl noch keine Sägespähne zu sehen ist. Nach fünf Niederlagen in sieben Spielen hat es gestern erst einmal nur die Rübe vom Offensive Coordinator Kent Austin gekostet.

Die Offense stellt sich derzeit als Wrack dar. Zahlreiche Verletzungen konnten in ihre Summe nicht kompensiert werden (erinnert sei an den Armbruch von RB Ricky “Gras” Williams, die Nummer 2 Avery ist auch lädiert). Wohin das Karma-Barometer gehen würde, zeigte schon die Verletzung von QB Damon Allen im ersten Drive des ersten Saisonspiels. Und von Anfang an hatte man das Gefühl, dass seinem Ersatz Spergon Wynn der Job eigentlich nicht zugetraut wurde. Teilweise kam sogar der dritte QB zum Einsatz, niemand geringeres als Eric Crouch, dem einstigen College-Star aus Nebraska, dessen Umschulungsmaßnahmen als Defensive Back bei den Hamburg Sea Devils wohl nicht von nachhaltiger Natur waren.

Letzte Woche kehrte Damon Allen wieder zurück. Der gebrochene Finger an der Wurfhand war zwar verheilt, aber noch mit einer Manschette versehen. Am Ende des Spiels stand es 28:8 für die BC Lions. Der zweite Anlauf sollte nun am Wochenende gegen Montreal geschehen, doch entgegen aller Infos entschieden sich die Argos Minuten vor dem Spiel Allen wg. Taubheitssymptomen im Finger lieber auf der Bank zu belassen. Spergon Wynn kam aufs feld und die Offensive ward nicht mehr gesehen. Am Ende stand es 31:7 für Montreal.

Die Argo-Offense ist kurz vor Halbzeit der Saison eine statistische Bankrotterklärung: wenigsten Pass-Yds, zweitwenigsten Rushing Yds, wenigsten Offensive Yards, wenigsten Punkte.

Mit der Verletzung von Damon Allen ist den Argos alles an Offense abgefallen. Kein guter Backup-QB, eine löchrige OL und Wide Receiver die einfachste Pässe nicht fangen können.

Im Nachhinein müssen sich die Argos schon die Frage gefallen lassen, wie eine Offense derart von einem 42jährigen QB abhängen kann.

Am Wochenende kommt es zur Begegnung zwischen den immer noch im Sturzflug befindlichen Argonauts und den wiederbelebten Hamilton Tiger Cats. Der Verlierer wird die Saison endgültig abhaken können. Toronto steht bei 2-5, Hamilton bei 2-6.

French Quarter

Bleibt die vierte Mannschaft im Osten und die derzeit dominanteste der gesamten CFL: die Montreal Alouettes. Sieben Spiele, sieben Siege.

Der Nukleus der Mannschaft ist die starke Defense, wesentlich flexibler als Winnipegs teilweise überaggressive Defense. Diese Abwehr lässt die Alouettes in sich ruhen und die Offense um QB Calvillo kann sehr entspannt den Ball nach vorne bringen.

Es gibt mit den Alouettes kein Abschlachten, keine derben 35:0-Halbzeitstände. Die Offense tut nur einen Hauch mehr als notwendig ist. Und wenn trotz totaler Dominanz gegen Toronto die Halbzeitführung mit einem Haufen von FGs nur bei 16:0 ist, dann regt das in Montreal keinen auf.

Es ist eine wohltemperierte, abwechslungsreiche Offense, die kurze timed pattern spielen kann, die ganz langen Dinger werfen kann und mit RB #47 Robert Edwards (yep, den Ex-Patriots dem sie fast das Bein amputiert hätten) einen der Top 3-Running Backs der Liga hat. Mannschaften wie Winnipeg und Edmonton konnten bis zur Halbzeit mithalten, aber in Halbzeit zwei kam der Einbruch und kaltlächelnd holten die Alouettes die Punkte ab (44:16 in Winnipeg, 21:13 in Edmonton)

Was soll passieren? Die Alouettes sehen derzeit wie der einzige Anwärter auf den Grey Cup aus.

Westwärts

Von höchsten Höhen in tiefste Tiefen

In Toronto hat das schlechte Abschneiden der Mannschaft bislang nur dem Off. Coordinator den Posten gekostet. In Edmonton mehren sich die Gerüchte, dass knapp neun Monate nach dem Gewinn des Grey Cups, das Eskimo-Frontoffice die Axt eine Etage höher ansetzen könnte.

Wer am Wochenende Headcoach Danny Maciocia im Fernsehen beim Halbzeitinterview gesehen hat, sah in ein niedergeschlagenes, mutloses, leeres Gesicht.

Das Grundthema dass sich durch die Saison zieht, ist der Kollaps der Defense. Hatte man letzte Saison noch eine der besten Pass-Rushes, ist man diese Saison in dieser Disziplin mit Abstand Klassenletzter. Und immer mehr Mannschaftsteile geraten in Mitleidenschaft. Die Secondary wurde am Wochenende wiederholt brutalstmöglichst mit langen Pässen verbrannt, wie vor einigen Wochen, als man bei auslaufender Spielzeit einen sicheren Sieg hergab und Winnipeg einen 100yd-Pass-TD erlaubte.

Und seit der Niederlage am Wochenende gegen BC (17:34) muss man konstatieren, dass nun auch die Offense mit dem Schwächeln angefangen hat. Gegen die BC Lions ist QB Ricky Ray die Offense Line nur so um die Ohren geflogen. Zirka eine Sekunde nach dem Snap hatte Ray schon minimum vier Pass Rusher an den Beinen hängen. Da half auch keine Shot Gun-Formation. Hut – Hut – Sack.

Bedenklich war, wie wenig Optionen die Eskimos auf Lager hatten. Kurz zu Beginn der zweiten Halbzeit versuchte man sich an einigen Kurzpass-Spielzügen, aber nach dem ersten Drive war es auch schon wieder vorbei.

Edmonton steht mit 2-5 kurz vor dem Aus aller Playoff-Ambitionen.

Inkonstanz

Die anderen drei Mannschaften im Westens pielen sehr inkonstant. Die BC Lions führen mit 5-3, dann Calgary mit 4-4 und schließlich Saskatchewan mit 3-4.

Bezeichnend: die BC Lions haben sich die Führung durch drei Siege in Folge geholt. Vor drei Wochen war das Heulen mit einer Bilanz von 2-3 noch laut und deutlich.

Zwei Faktoren sorgen derzeit bei den BC Lions für den Umbruch: die Defense Line konnte die letzten Spiele den Gegner dominieren und in der Offense hat man mit RB #33 Joe Smith einen konstant guten Läufer.

Wo Inkonstanz, da ist Saskatchewan nicht fern. Die Roughriders schaffen es binnen vier Wochen gegen die BC Lions zu gewinnen und gegen Toronto zu verlieren. Calgary nimmt da nicht viel. In Woche 4 prügeln sie die Roughriders mit 53:36 aus deren Stadion um in der Folgewoche in Hamilton zu verlieren.

Das zeigte sich prompt auch am Spiel zwischen der Roughriders und der Stampeders an den letzten beiden Wochenenden. In Saskatchewan gewann die Heimmannschaft 19:9, in Calgary die Heimmannschaft 23:7. Beide Spiele waren bis zum 4ten Viertel sehr eng, die Statistiken nahezu identisch. Am Ende gaben Kleinigkeiten den Ausschlag. Am Wochenende z.B. die Turnovers der Roughriders.

Sieht man einmal von Montreal oben und Toronto, Hamilton und Edmonton unten ab, stellt sich die CFL derzeit als kunterbunte Mischung dar.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Was ja auch mal gesagt werden muss: Mensch, Kai, irgendwie schaffst du es immer wieder, daß ich mir Sachen durchlese, die mich überhaupt kein Stück interessieren.
    Was, nur um Missverständnissen vorzubeugen, ausgesprochen positiv gemeint ist.

  3. Mal am Rande erwähnt…

    …Die NFL startete von Sonntag auf Montag mit dem ersten Preseason-Game.Das Hall of Fame Game zwischen den Raiders und Eagles (16:10) wurde allerdings von der Verletzung des Eagles RB Bruce Perry überschattet.

    Perry wurde 1:14 Minuten vor Spielende von Rookie Timi Wusu so hart getackelt, dass er mit Lähmungserscheinungen vom Platz getragen werden musste. Letztenendes hatte er grosses Glück und kam mit einer Gehirnerschütterung davon.

    Des Weiteren hat McNabb keine verletzungsbedingten Einschränkungen mehr und meldet sich gesund zurück.

    Das Ei fliegt wieder…

  4. Naja also die 3 Pässe von mcNabb waren ja nun auch nicht so besonders, warten wir ertsmal ab ob er wieder der alte ist

  5. @kalum
    von mir aus braucht er nicht wieder der alte sein…als Giants-Fan liegt mir nicht so viel daran ;)…wollte nur seine Aussage wiedergeben