Olympia-Bruchstücke
Eisschnelllaufen – Teamverfolgung. Uhh? Neue Disziplin, bis dato nicht gehört. Sah aber durchaus ästhetisch aus, auch wenn es gnadenlos vom Bahnradsport geklaut ist. Mannschaftsfahren im Short Track, mit der permanenten Anschieberei durch die Teamkameraden finde ich amüsanter.
Snowboardcross – Ich liebe es, wenn neben Technik/Beherrschung des Gerätes, auch Physis/Durchsetzungsfähigkeiten gefragt sind. Von daher schon Sympathien für Snowboardcross. Aber das Frauenfinale bot dann so eine Story… Vier Fahrerinnen im Finale. Zwei Fahrer kegeln sich raus, die dritte – die Schweizerin Tanja Frieden – wird behindert, verliert Zeit. Die US-Amerikanerin Lindsey Jacobellis fährt einen ungefährdeten Sieg entgegen, macht an der vorletzten Rampe noch eine schicke artistische Einlage für die Galerie – und stürzt. Während sie sich aufrappelt, rauscht die Schweizerin vorbei zum Sieg. Der US-Trainer am Ziel schlägt sich mit der rechten Hand ins Gesicht und kann es nicht fassen. Dieses Finale gibt es garantiert in jeder Olympia-Zusammenfassung.
Skeleton – Skeleton hat mich während des Winters mit seinem Weltcup trotz ausführlicher Übertragungen auf EUROSPORT nicht gepackt. Das lag u.a. an der furchtbar aufgesetzt wirkenden Inszenierung durch den Verband. Mädels, auf schick getrimmt, die bei jeder Ergebniseinblendung über den Bildschirm huschen, eine peinliche Softrock-Melodie namens “Fire on Ice” oder so ähnlich. Vermarktung hin, Vermarktung her, es hatte etwas von Nuttigkeit, wie man sie bis dato nur beim Beach-Volleyball mit seinen Bekleidungsvorschriften gefunden hatte.
Aber bei Olympia ist Skeleton bei mir eindeutig am Rodeln vorbeigezogen. Die Fahrer müssen sichtbar mehr arbeiten und in der Folge sind Zeitgewinne und Zeitverluste deutlich größer als beim Rodeln. Eine halbe Sekunde Vorsprung ist selbst in einem Lauf leicht verspielt. Skeleton erreicht höhere Geschwindigkeiten und die Läufe sind länger. Die Fahrer bewegen sich deutlich mehr am Limit.
Von ästhetischen Gesichtspunkten auch nicht uninteressant, sind die Superzeitlupen der Skeleton-Fahrerin auf der langen Gerade, wenn es die Masse Popo götterspeisen-like durchwackeln (für die weiblichen Leser: wenn es den Fahrern die Knackärsche durchschüttelt).
Langlaufen – Spätestens nach dem sensationellen Schlußspurt der Claudia Künzel in der heutigen Staffel, hat Trainer Jochen Behle alles oder vieles richtig gemacht, oder?
Sachenbacher-Stehle?
War da noch etwas? Sylvia Schenk (Ex-BDR-Präsidenten, Rechtsanwältin, engagiert gg. Doping) nimmt sich heute in der FR des Urteil der CAS zu der umstrittenen Schutzsperre an. Ihr Resümee: das Urteil und damit die Schutzsperre gegen Sachenbacher sind korrekt gewesen. Der DSV hatte vor dem CAS argumentiert, dass Sachenbacher zu der Sorte von Athleten gehört, die von Hause aus, zu hohe Hämoglobin-Werte besitzen.
Die FIS sieht das aber anders und verweigerte seit 2003 den alljährlich beantragte Ausnahmeschein für Sachenbacher. Und sie tut das auf Basis der regelmäßigen Blutproben (“Blutprofiling“) bei Sachenbacher, die eben i.d.R. kaum überhöht seien. Selbst bei den Blutproben während der Höhentrainingslager in 1.800m Höhe Mitte Januar und Anfang Februar, wenn normalerweise der Hämoglobin-Level ansteigt, seien die Werte deutlich unter dem Grenzwert geblieben. Nur ausgerechnet jetzt, kurz vor Olympia in 1.500m, sprangen die Werte hoch…
Abgesehen davon, dass die deutschen Funktionäre vor Turin es schlichtweg verpennt haben, den Hämoglobin-Wert selber zu messen und gegenzusteuern, schmeckt die Geschichte schon etwas schal… Gern würd ich da mehr stuff in den Medien zu hören und sehen.
Sollte irgendjemand mal ein Wörterbuch deutscher Metapher und Bilder machen, er müsste mit der Kommentierung von Dirk Thiele und Fritz Becker anfangen (“Wer mit dem Teufel essen will, braucht ganz lange Löffel“, “Wenn es vorne klemmt, muss man hinten kommen“, “Lieber einmal voll reinkommen als leer ausgehen“). Was die beiden im Laufe einer Übertragung vor sich hinplappern, mein lieber Scholli. Was aber bei mir bei anderen Kommentatoren zu Brechreiz führt, finde ich bei den beiden irgendwie putzig.
Das mag auch daran liegen, dass man den beiden Empörung wirklich abnimmt. Wenn z.B. Fritz Becker am Donnerstag beim 10km Langlauf/Damen über die schlecht präparierten Skier der Russinen spricht. Sinngemäß: die Russen hätten nicht die personellen Resourcen um das Skiwachs vor dem Rennen an verschiedenen Schlüsselstellen der Strecke zu testen, sie täten es nur bei Start/Ziel. Zitat Becker: “Und ob du es am Start testest oder nicht, da kannst du einen drauf lassen“. Ein rausgehauener Spruch der um so vieles kraftvoller und authentischer wirkt, als all das feingedrechselte Schnitzwerk aus dem Hause von JB Kerner oder Beckmann.
Langlaufen 2 – Wenn ich das nächste mal, die roten Plastik-Rehe an der Strecke sehe, trete ich den Fernseher ein (not really)
Eishockey – Es zeichnet sich immer mehr ab: das EUROSPORT-Duo Faßnacht und Büttner ist den anderen so himmelweit haushoch überlegen… man kann es gar nicht fassen.
Soso, Kanada verliert gegen die Schweiz 0:2. Das ist von Übel sehr. Ich kenne einige, die kotzen. Nach dem hochdramatischen 3:3 von GER–ITA ist die Ausgangslage der deutschen Mannschaft richtig mies. Die ersten Vier kommen in Gruppe A weiter. Bei noch zwei ausstehenden Spielen liegt Deutschland 3 Punkte hinter der Schweiz und Kanada. Die Tschechen und Finnen müssen noch spielen. Im Grunde genommen muss man sich einen Sieg des Tabellenführers Finnland wünschen. Dann wären die Finnen quasi schon durch und würden am letzten Gruppenspieltag gegen Deutschland auf lau spielen und die Tschechen blieben für Deutschland noch in Reichweite und müssten am letzten Spieltag gegen Kanada spielen.
Doch dazu müsste Deutschland morgen gegen die Schweiz gewinnen (morgen ab 12h05 auf EINSfest).
Und ich kämpfe noch was ich mir heute abend antue: NASCAR Busch-Series, College-Basketball? Short-Track? Eishockey… gnagnagna, Zeit sich endlich den Topfield mit zwei Tunern zu holen… (Lieber Kunde K., wenn du dieses lesen solltest, möchte ich an die Rechnung von Ende Dezember erinnern, die der Zahlung harrt)
Reaktionen
Der Dirk-Thiele-Würdigung schließe ich mich an.
Zum Eishockey: Die Schweizer sind den Deutschen im Moment so weit weg gelaufen (war schon letztes Jahr bei der WM so), da wäre eine deutsche VF-Teilnahme einfach nicht angemessen. Mit der grausigen Powerplay-Performance gegen Italien reicht es nicht für die ersten acht. Dagegen das Schweizer Penalty Killing – wow!
Das alles unabhängig vom morgigen Ergebnis, in einem Spiel geht immer was(wie vorhin gesehen), auch ein Shutout für Kölzig. Die Schweizer werden vielleicht müde sein. Aber selbst bei einem deutschen Sieg wird es am Ende nicht reichen.
Momentan geht es noch. Aber ich kotze, wenn die Amis Olympiasieger werden und Schweden sich im Viertelfinale wieder selbst besiegt. Dann aber richtig! Schade, für die Deutschen – aber so tut eine mögliche Niederlage gegen die Schweizer wenigstens nicht mehr ganz so weh. Dumm nur, wenn man morgen gewinnt und am Ende der eine Punkt aus dem Italien-Spiel fehlt…
@melkus: ja, die Deutschen haben gegen Italien gruselig gespielt. Trotzdem würde ich mir schon wg. der Zukunft wünschen, dass es vielleicht doch mit dem Viertelfinale klappt. Dabei muss es, wie gesagt, noch nicht einmal zu Ungunsten der Schweizer sein. Wenn die Tschechen jetzt nicht gegen Finnland gewinnen…
Also nachdem ich mir bisher so gut wie alle Spiele (zumindest in Zusammenfassungen) gegeben habe, kann ich mir nicht vorstellen daß Finnland (auch wenn im Schongang) gegen Deutschland verliert. Wie soll das funktionieren?
Das käme für mich wirklich einem kleinen Olympia-Wunder gleich…
Ganz so unwahrscheinlich ist das nicht, sollten die Finnen vor ihrem letzten Spiel schon als Gruppensieger feststehen. Dann könnten sie gegen Deutschland ihre Stars schonen und sich mit den Tschechen durch Beihilfe zum deutschen Sieg eines vermeintlich stärkeren Widersachers für den weiteren Verlauf des Turniers entledigen. Allerdings sind da natürlich sehr viele Wenns und Abers zu bedenken.
Kann ich mir nicht vorstellen, die Finnen werden sich diese Blöße nicht geben. Eishockey ist ja auch irgendwie bei aller Härte ein ziemlich ehrpusseliger Sport.
Aber die Tschechen scheinen irgendwie in einem Alptraumskript gefangen zu sein. Hasek verletzt, Vokoun schwächelt, Jagr rausgecheckt… Da fragt man sich echt, ob das psychologisch noch umzubiegen ist. (Auch wenn sie das VF wohl erreichen werden, wo sie dann bestimmt auf die Slowaken und ihr giftiges Fastbreak-Guerilla-Hockey treffen.)
so sehr du die physische härte beim boardercross schätzt, ich kann einen sport, bei dem in fast jedem rennen eine läuferin disqualifiziert wird und der ausgang nur von der verwicklung oder nicht-verwicklung in massenkarambolagen abhängt, irgendwie nicht ernst nehmen. auch wenn die showeinlage der amerikanerin natürlich legendär war (zeigt allerdings auch den stellenwert “olympischer” medaillen für snowboarder)
Heute Grabtuch über Turin!
Totaler Jesus-Nebel!
Betrug ist Tür und Tor geöffnet!
Blutkörperchen auf Ski: “Ich bin 180 Meter gesprungen!”
Wertungsrichter: “Sie sind doch Langläufer!”
“Verdammt!”