Stiftung Stadiontest
Ich tue mich mit dem Eintrag schwer. Vorweg: ich bin nur ein begrenzter Freund der Stiftung Warentest. Jedesmal wenn die Stiftung Warentest sich auf einem Gebiet bewegte, auf dem ich mich auskannte – z.B. Computer und Weltempfänger – waren die Tests sehr, sehr grenzwertig. Vieles hat damit zu tun, dass die Tests mit Scheuklappen erfolgen und einfach keine praxisnahen Faktoren geprüft und gewichtet wurden.
Über das Wochenende gab die Stiftung Warentest bekannt, sie hätte in den WM-Stadien erhebliche Sicherheitsmängel festgestellt und würde Details auf einer Pressekonferenz in zwei Wochen bekanntgeben. Was in der Szene gelinde gesagt einen Blutrausch ausgelöst hat. Thomas Becker von der SZ (Danke Dave-Kay für den Link):
Und nun kommen die Unbestechlichen von Warentest mit ihrer Studie an, aus der sie jedoch nur ein paar Tröpfchen preisgeben: “Alles ganz schön schlimm. Mehr dazu in zwei Wochen. Schönen guten Abend.” Geht’s noch, die Herren? […]
“Wir haben das gewaltige Interesse unterschätzt”, sagte eine Sprecherin, “eigentlich laden wir immer zwei Wochen vorher zu einer Pressekonferenz ein. Das funktioniert bei Olivenöl wunderbar, beim Thema WM-Sicherheit offensichtlich nicht.”
Auch obiges Verhalten der Stiftung scheint mir ein Beleg für ein praxisfernes Vorgehen zu sein. Auf was für einen Planeten muss man leben um nicht zu ahnen, was man mit so einer Untersuchung lostritt?
Die Konferenz wurde also aufgrund des Interesses auf heute mittag gelegt. Der Aufruhr ist weltweit groß. Gestern war es eine fette Schlagzeile in Frankreich, heute mittag eines der Top-Themen in der Mittagssendung von BBC Five Live.
Mich ärgert an der Untersuchung, dass diese von der Stiftung Warentest brav und schlagzeilenträchtig mit Beginn der KW 2 publiziert worden ist, wenn alle wieder aus dem Urlaub zurückgekommen sind. Und zu einem Zeitpunkt, an dem die grundsätzlichen Probleme in den Stadien nicht mehr zu beheben sind. Die Studie hätte spätestens im Herbst, nach Fertigstellung der Allianz-Arena rauskommen müssen. Die Stiftung Warentest behauptet, es wäre möglich bis zum Sommer alle Sicherheitsrisiken zu beseitigen. Mir ist nicht klar, wie es während der Bundesligarückrunde passieren soll.
Nachvollziehen kann ich den Ärger des OKs der WM über die Stiftung Warentest, die diese Studie veröffentlicht haben, ohne vorher ein Statement der Stadionbetreiber oder der WM-Organisatoren einzuholen. Angesichts der Wellen die das Ding schlägt, ist das unsauber.
Die Studie kenne ich nur aus zweiter oder dritter Hand, also aus den Zusammenfassungen von einigen Websites und anhand eines Interviews den eine Sprecherin der Stiftung BBC Five Live gegeben hat.
Die Studie scheint den Schwerpunkt der Probleme bei Fluchtwegen in Fällen von Massenpanik zu sehen und kritisiert namentlich mangelhafte Fluchtwege nach unten, zum Rasen. Ausgerechnet das Frankenstadion, dass unlängst durch bröckelnden Putz durch eine wankende Obertribüne in den Schlagzeilen gekommen ist, bekommt eine der Bestnoten.
Ohne ein Experte in Sachen Sicherheitsfragen oder baulichen Mängel zu sein, ich habe aber den Eindruck, dass der oder die Stiftung Warentest-Experten eine recht eindimensionale Ansicht zum Thema Fluchtwege hatten. Kriterien wurden nicht offengelegt. Die Studie enthält schlampig recherchierte Details. Die Sprecherin der Stiftung Warentest hob immer wieder auf Massenpaniken ab, mit denen man in der Post-9/11-Ära rechnen müsse.
Die FIFA rechnet anscheinend anders. Am Wochenende gab es Gerüchte wonach die FIFA sukzessive die Zäune in Stadien durch Gräben ersetzen will (ähnliches findet sich auch in einem WM-Stadien-Pflichtenheft der FIFA). Es sind just jene Gräben die von der Stiftung massiv kritisiert werden.
BBC Five Live mühte sich um ein differenziertes Bild und ließ auch einen Sprecher einer englischen Fan-Organisation zu Wort kommen, der drei der am heftigsten kritisierten Stadien kannte. Der Sprecher zeigte sich über die Studie verblüfft, lobte AufSchalke als dass modernste Stadion dass er jemals gesehen hat und fragte sich, ob die Studien nicht zu subjektiv sei.
Die Reaktionen auf die Studie sind vorauszusetzen. Skala reicht von Panik schieben bis hin zum Vorwurf des Vaterlandsverrat. Es obliegt dem Journalismus den richtigen Ton zu finden und so einen Unsinn wie im FIFA-Pflichtenheft auszumerzen. Aber wir sollten auch nicht so tun, als würden ab Ende Januar wieder 300.000 Bundesliga-Besucher in Lebensgefahr schweben.
Reaktionen
Ein differenziertes Bild ist immer gut. Aber es obliegt nicht allein dem Journalismus, den richtigen Ton zu finden. Auch der Chef des Organisationskomitees sollte sich ein wenig bemühen können. Allein er tat es nicht. Und das Schlimme ist gar nicht mal so sehr, dass die Stiftung nun offenbar auch ein bisschen Trittbrettfahrer spielt (das tut sie nicht zum ersten Mal), sondern das jegliche (und oftmals sehr berechtigte) Kritik an dieser Meisterschaft fast immer erstmal öffentlich als Spielverderberei abgekanzelt wird. Das geht gar nicht. Warum nicht ein wenig innehalten, hören und lesen, und dann sachlich die offenbar recht schlampige Studie auseinandernehmen?
ps: Warum tust du dich schwer mit dem Eintrag?
Ich tue mich schwer, weil…
Ich mag im Prinzip keine Beißreflexe. Auch nicht vom “Kaiser”. Aber in diesem Fall muss ich sehr viel Ratio hervorkramen, um nicht spontan in den Schoß der Stiftung zu kotzen.
Der “Spiderman”-Spruch von “Mit Macht kommt auch Verantwortung” ist ebenso platt wie zutreffend.
Angesichts des Echos dass die Stiftung Warentest losgetreten hat (und das konnte man ahnen), finde ich die Vorgehensweise der Stiftung unterirdisch und verantwortungslos. Möglicherweise aufgrund etwaiger Einseitigkeit auch verleumnderisch.
Es kann nicht sein, dass so eine Studie rausgehauen wird und bereits zehn Minuten später kann sich Köln melden und sagen: Ätschbätsch, in der Studie steht dass die Fluchtwege bei uns durch Drehkreuze führen. Das stimmt nicht, wir haben Fluchttore.
Die Halbwertszeit einer Studie sollte höher als zehn Minuten sein.
siehst du, immerhin kramst du die Ratio noch hervor. Ein anderer hat aber gekotzt. Nun bist du ja auch nicht OK-Chef. Noch nicht ;-)
Vielleicht – und das wäre der wirkliche Nutzen dieses Theaters, denn ich würde mich jedem der geschmähten Stadien ohne weiteres anvertrauen – wird die merkwürdige Kommunikationspolitik der Stiftung jetzt mal kritisch durchleuchtet. Auf dass bei der nächsten schlagzeilenträchtigen Studie die Herren Weiterverbreiter einen zweiten, dritten und vierten Blick darauf werfen, warum was wieso und überhaupt.
[…] update 16 Uhr:Mal wieder sehr ausführlich äußert sich dogfood zum Theater des Tages. […]
Auch auf die Gefahr hin nicht mit dem Strom zu schwimmen, es sollte es ja wohl allen kritisierten WM Stadien möglich sein die Vorwürfe zu entkräften, sofern sie denn nicht zutreffen.
Ansonsten mag ich zur SW eigentlich nicht viel sagen. Die vereinzelten Fälle, in denen ich mit deren Testergebnissen (schmerzvoll) konfrontiert wurde konnte ich eigentlich nur der SW zustimmen und deren Ergebnisse unterstützen.
Dass niemand Kritik mag ist klar und ob Kritik immer richtig ist läßt sich zumeist nicht auf den ersten Blick feststellen, vielleicht sollten jetzt erst mal alle ein bißchen abkühlen und in zwei Wochen das Thema in Ruhe aufarbeiten.
Zur Schalke Arena nur soviel, ich habe selten beengter gesessen, die Schrägen unter den Sitzen können zu üblen Stolperfallen werden und eine Panik (z.B. beim möglichen Pyro abbrennen) möchte ich mir da ehrlich gesagt lieber nicht vorstellen. Ob die Auf- bzw Abgänge in jedem modernen Stadion Sicherheitsaspekten standhalten wage ich echt zu bezweifeln. Zu meinem Erfahrungsschatz gehören die LTU Arena, die Amsterdam Arena, AAS, AOL Stadion , Berliner Oly sowie das Frankfurter Waldstadion (wie heißt das Teil denn jetzt mit Sponsor?)
Wenn die Studie so schlampig ist, wie sie zu sein scheint (Bsp. Köln und Nürnberg), obendrein schlecht präsentiert bei einem in der öffentlichen Diskussion hochsensiblen Thema, könnte sich die Stiftung Warentest ziemlich heftig selber ins Knie geschossen haben (Stichwort: Glaubwürdigkeit. Die gilt immer noch als hoch). Wenn sie Glück hat. Wenn sie Pech hat, hat sie sich in den Kopf geschossen.
Stellungnahmen und Richtigstellungen zur Allianz Arena und zum Fritz Walter Satdion:
http://www.allianz-arena.de/de/aktuell/news-archiv/06137.php
http://www.fck.de/aktuell/news/allgemein/2006/01/stadion_100106.php
In einigen Details kann ich die Besorgnis der Stiftung Warentest nachvollziehen (die Treppenstufen in den Oberrängen der AOL-Arena habe ich eher schmal in Erinnerung). Ich wäre überrascht wenn sich sowas binnen 4-5 Monate im laufenden Spielbetrieb beseitigen ließe.
Ich frage mich ob das was die Stiftung kritisiert, nicht einfach “systemimmanent” in einem Stadion ist. Ein Beispiel: steile Treppenaufgänge. Wer die aus Sicherheitsgründen nicht haben will, landet dann bei Konstruktionen wie das alte Volksparkstadion, wo man ab der 20ten Reihe drei Kilometer vom Geschehen weit weg sitzt.
Oder die Höhe des Vorsprunges im Olympiastadion von der untersten Sitzreihe auf die Laufbahn (3m15 oder so): Beim Umbau wurde meines Wissens der gesamte Innenraum abgesenkt um den Zuschauern einen besseren Blick auf das Geschehen zu ermöglichen und gleichezeitig die Laufbahn zu erhalten. Kann man so etwas wirklich kritisieren?
Die Diskussion hätte mit Sicherheit früher geführt werden müssen, im letzten Fall wahrscheinlich sogar schon beim Beginn der Umbauten in Berlin. Jetzt in dieser Art und Weise an die Öffentlichkeit zu treten und einen zumindest im Detail fehlerhaften Bericht abzuliefern… Das ist der Sache um die es angeblich gehen soll, nicht dienlich. Es riecht nach, wie es Platzwart schreibt, nach “Trittbrettfahrer”.
Oh Mann, ich lese gerade die Presseerklärung vom FCK die Duisburger dankenswerterweise verlinkt hat. Ist das nicht Hardcore?
Die Stiftung Warentest kritisiert eine Holzkonstruktion die sich dann nur als Holzverkleidung einer Stahlkonstruktion entpuppt? Eine vermeidlich geschlossene Fassade, die in Wirklichkeit offen ist? Wie mies ist das bitte? Das macht eigentlich deutlich, das man vor der Publikation in Diskussion mit den Stadionbetreibern hätte gehen müssen.
Eben gab es im Deutschlandradio ein Interview mit dem Panikforscher Michael Schreckenberg, der die Sicherheitsprobleme bei Massenpanik zwar auch als gravierend ansah, aber weitaus weniger aufgeregt darüber gesprochen hat.
Ein grundsätzliches Problem der Materie ist, dass bei Bauten anscheinend nicht die gleichen Richtlinien gelten wie z.B. bei Fahrgastschiffen (oder Flugzeugen), die innerhalb eines bestimmten Zeitraumes evakuiert werden können müssen, um abgenommen werden zu können.
Es gibt zwar eine Richtlinie für Tribünen, die aber anscheinend nicht verbindlich ist. Die Rede ist von 8 Minuten binnen denen eine Tribüne vollständig entleert werden muss. Herr Schreckenberg schätzt dass die Zeiten in den Stadien derzeit eher bei 10-15 Minuten liegen dürften.
Er glaubt das bereits kleinere Maßnahmen wie eine bessere Ausschilderung der Fluchtwege und Führungsgitter viel ausrichten können. Aber grundsätzlichere Probleme wie z.B. in Berlin und Schalke mit dem zu tief liegenden Innenraum, wäre es zu spät. Die Sensibilitäten hätten dafür schon vor Jahren entwickelt sein müssen um beim (Um)Bau berücksichtigt zu werden.
Ich verstehe diese Diskussion, die angezettelt wurde sowieso nicht.
Kein Stadion der Welt, kein Flugzeug der Welt und kein Bahnhof der Welt wird bei einer wirklich auftretenden Massenpanik sicher sein. Ebenso wenig, wenn ein Großbrand ausbricht. Dafür brauch man nicht eine offensichtlich mangelhaft durchgeführte Studie.
Und wie soll ein Fluchttor aussehen, das groß genug ist. Vielleicht ist der Vergleich weit hergeholt, aber bei hohem Verkehrsaufkommen kommts auf der Autobahn auch zum Stau. Und da brauch man nur gradeaus fahren und gerät nicht in Panik.
Heysel oder Sheffield ließen sich auch durch Studien nicht verhindern.
Im Übrigen hat die Stiftung Warentest nach Heysel 1985 schon mal einen solchen Test durchgeführt und da waren die meisten Stadien in Deutschland auch mangelhaft. Ist was passiert? Nö.
Noch 2 Stellungnahmen:
http://www.veltins-arena.de/news_060110_warentest.php
http://www.hsv.de/index.php?id=14721
Manche Stellungnahmen enthalten auch befremdliche Passagen, wie z.B. die Schalker Anmerkungen:
“In der Studie wurde kritisiert, dass in der VELTINS-Arena keine Entfluchtung in den Innenraum möglich sei. „Unser Sicherheitskonzept basiert darauf, dass jeder Besucher im Panikfall den Weg nimmt, über den er gekommen ist.”
Mir wurde als Zuschauer diese Annahme bislang nicht mitgeteilt.
Hoffentlich verhalte ich mich konzeptgemäß, wenn ich Panik gerate, vor allem wenn die Panik hinter mir ausbricht und mir Leute auf den Weg zu den Stadioneingängen entgegenkommen (was ja eigentlich gar nicht sein dürfte, der Studie nach).
Natürlich ist vieles in der “Studie” der Stiftung Warentest wohl nicht so ganz stimmig. Allerdings sind mir einige Dinge, die sie ankreiden auch aufgefallen.
Im Frankfurter Waldstadion ist, zumindest im Oberrang, die Stufentiefe tatsächlich etwas arg kurz. Ich habe Schuhgröße 43, kam zwar nicht ins Stolpern, könnte aber evtl. wirklich etwas problematisch werden.
Im Unterrang ist mir das nicht aufgefallen. Scheint da wohl tiefer zu sein.
Problematischer fand ich in Frankfurt jedoch den Fußweg zum Parkplatz Isenburger Schneise, über den man durch einen zwischendurch deutlich schmaler werdenden Waldweg gelangt. Entfluchtung zwar theoretisch in den Wald möglich, aber wenn eine größere Menschenmenge unkontrolliert in Bewegung… Und da sind keine Securitys und Polizisten da wie im Stadion.
In Hannover ist mir auch aufgefallen, dass es in den Oberrang der Hintertortribüne nur eine Treppe gibt. Die ist zwar sehr breit und doppelt angelegt, aber an sich eben nur eine Konstruktion.
Die häufig bemängelnde Fluchtmöglichkeit auf die Rasenflächen ist fände ich gar nicht so schlecht. Zumindest der Unterrang wäre hierdurch über einen anderen Fluchtweg im äußersten Notfall herausbringbar. Könnte man in Stadien wie Berlin, Schalke und Leipzig ja auch über Treppen nachrüsten.
Zu den anderen Kritiken kann ich wenig sagen, ich kenne zwar 10 der 12 WM-Stadien, aber so sehr habe ich auf etwaige Sicherheitsmängel nicht geachtet.
Das Thema
Stiftung Warentest und “Stadionm
Der Herr Schreckenberg den ich im Deutschlandradio-Interview gehört habe, ist Mitautor der Stiftung Warentest-Studie gewesen. Habe ich nicht gewusst und wurde im Interview auch nicht erwähnt. [Siehe Nachtrag]
Die FR fasst in einem halben Absatz die Ambivalenz des Themas zusammen:
Was die Berliner (und Schalker) Problematik mit den tiefer gelegten Innenräumen angeht: so sind für diese Zwecke mobile Brücken getestet worden, die aber nicht praktibale zu sein scheinen. Bei einem Berliner Test hat die Evakuierung 25 Minuten gedauert.
Bin kein Freund der SW. Und auch nicht von Panikmache. Aber in der Veltins-Arena möchte ich auf keinen Fall bei ausbrechender Panik im Stadion sein. Alles sehr eng. Die Sitzreihengänge sind eher für Zwerge ausgelegt. Die Fluchtwege nicht auf Anhieb zu erkennen. Das alles was nach unten gelangt in einer Sackgasse endet ist schon etwas seltsam. Seit wann drängen im Falle einer Panik Zuschauer nach oben?
Aber die absolute Sicherheit wird es ohnehin nicht geben. Keine Panik ist vorhersehbar. Mit dem Risiko muss halt jeder leben oder man bleibt vor dem TV.
Mängel oder Gefahren einfach als Unsinn abzustempeln, so wie es die Verantwortlichen fabrizieren ist aber auch nicht die professionelle Art. Sowas gehört eher nach Hollywood, der weiße Hai oder so…
Was mich bei dem ganzen Thema stört ist, das wir hierzulande ja nicht unbedingt unter einem Mangel an entsprechenden Sicherheitsvorschriften und Prüfungen leiden. Ich habe lange genug Veranstaltungen organisiert um zu wissen, das da auch schon im kleineren Maßstab (sprich: Indoor Events mit einigen hundert bis tausend Gästen) etliches zu beachten ist – Brandschutzvorschriften (Ortsabhängig auch Abnahme duch Bauordnungsamt oder den zuständigen Brandschutzmeister), Fluchtwegpläne, Sicherheitsüberprüfung der elektrischen Installationen, je nach Dauer der Veranstaltung eine Sanitätsbereitschaft, die hier schon genannte Veranstaltungsstättenverordnung etc.
Bei Stadien – und gerade bei den neu gebauten – nehme ich doch an, das das alles noch eine ganz andere Dimension hat. Die deutschen Bauvorschriften sind ja nun nicht wirklich trivial, dazu kommen dann auch entsprechende Abnahmen (TÜV). Und nicht zuletzt sind bei jedem Spiel Polizei, Feuerwehr und Sanitäter vor Ort, die für jeden Veranstaltungsort über entsprechende Szenarien und Pläne verfügen. Sicherlich ist nicht alles optimal, aber ich gehe davon aus, das bei gravierenden Mängeln schon längst eine Diskussion stattgefunden hätte. Insofern frage ich mich, weshalb die SW sich hier berufen sieht, ohne Abstimmung und Kooperation an allen anderen vorbei eine eigene Diskussion zu starten. Neben den Stadien selbst stellt die Studie ja auch die Arbeit der Sicherheitskräfte und der Behörden in Frage.
Kann nur für das Kölner Stadion sprechen…
War erst Ende Dezember 05 bei einer längeren Stadionführung dabei und selbst dort wurde auf die Fluchtwege hingewiesen. Einziges von mir als “normalem” Fan zu bekritelnde Detail ist wohl die Steilheit der Stufen im Oberrang, die ein wirklich schnelles Flüchten bei einer Panik über die umfangreich beschilderten und halbwegs breiten Wege etwas erschwerlich macht…wenn man davon ausgeht, dass nicht jeder Stadionbesucher im Oberrang zwischen 15 und 35 ist und über ein perfektes BMI bzw. die beste Kondition verfügt….
Aber hierzu wurde bereits zuvor von einem “Kommentator” vermerkt, dass wir ansonsten ca. 3 km entfernt sitzen würden (mit Fernrohr und Radio!)
Es gibt sehr wohl eine sehr gute Fluchtmöglichkeit über die Mitte (=Spielfeld), demnach stimmen die von Hrn. Rütten in der Stellungnahme gemachten Aussagen vollends. Auch die Drehkreuze aussen sind kein “Problem”, da daneben ja sehr breite Schiebetore zu finden sind, die wohl für den Ernstfall so konstruiert wurden.
Also bleibt ein sehr fader Beigeschmack durch die SW bestehen, denn die Testreihe kommt erstens nicht wirklich zum günstigen Zeitpunkt daher (hätte auch zuvor schon gemacht werden können) bzw. wurden wohl ohne Absprache mit den Vereinen bzw. Sportstättenbetreibern durchgeführt….und das ist wohl m. E. unterste Recherche…
Auch wenn es vielleicht schlechte Vorschriften in Deutschland geben dürfte (was mir nicht bekannt ist!) so waren sämtliche notwendigen Instanzen von allen Umbauten informiert und hätten gegebenenfalls bereits früh- und rechtzeitig Alarm schlagen können. Bei tatsächlichen Mängeln liegt also der “Schwarze Peter” nicht ausschließlich bei den Stadionbetreibern, sondern auch bei den Prüfinstanzen bzw. den Kommunen/Ländern/Bund….
Andererseits verstehe ich auch den Ober-Franz nicht, denn das hätte man sicher diplomatischer lösen können und sorgt nun für unnotwendige, zusätzliche Brisanz….
Die Kritiker an der Studien mehren sich, mit teilweise überzeugenden Argumenten, wie ich finde. Siehe auch Artikel in der FAZ und SZ auf die ich in einem heutigen Eintrag verlinkt habe
in Frankfurt wird das Pferd entweder von hinten oder von vorne aufgezäumt, je nachdem in welche richtung man gerade argumentiert:
FAZ von heute:
http://www.faz.net/s/Rub6CA0075ACD054684B48CD743621C3DE…
Zitat: “Alle Tore zum Innenraum seien bei Spielen mit einem Ordner besetzt, der sie im Gefahrenfall sofort öffne.Vandreike wies darauf hin, daß an jedem Planungs- und Bauschritt des neuen Frankfurter Stadions Experten der Bauaufsicht, der Feuerwehr und der Polizei beteiligt gewesen seien”
Stellungnahme zum Polizeieinsatz gegen Burghausen am 27.5.2005:
http://www.eintracht.de/forum/details.php?id=11327599
Zitat: “Die Tore im Zaun der West- und Ostkurve sind keine Fluchttore. Auch sind die Treppen für eine Evakuierung ungeeignet. Diese Tore dienen lediglich zur Arbeitserleichterung und als technische Funktionseinheit bei der Nutzung des Stadions für Konzerte und ähnliche Veranstaltungen.”
Um einiges aus den letzten Tagen geradezurücken:
Prof. Dr. Michael Schreckenberg, Panikforscher von der Universität Duisburg/Essen hat in einer eMail an mich die Mitarbeit an der Studie der Stiftung Warentest verneint.
Ähnliches berichtet inzwischen auch der KICKER:
Dem Hamburger Abendblatt hat Michael Schreckenberg übrigens vorgestern ein Interview gegeben und auch der SPIEGEL berichtet über, nennen wir es “mäßigende” Reaktionen Schreckenbergs:
Noch etwas Unrundes in der Nachbetrachtung: man hatte den Eindruck dass die Stiftung Warentest vor der Veröffentlichung keine Statements der betroffenen Stadionbetreiber eingeholt hat. Tatsächlich sagte aber Hubertus Primus auf der Pressekonferenz:
Irgendwo muss es gewaltig in der Kommunikation gehapert haben, wenn die Studie trotzdem “Klöpse” der Güteklasse der Kölner Drehkreuze oder Lauterer Brandschutzmängel besitzt. Möglicherweise ist dabei nicht nur die Stiftung Schuld. Siehe den obigen Kommentar von Döner_Pride über die Tore in den Kurven der Frankfurter Arena.
Die Stiftung hat übrigens halbwegs schnell reagiert und in ihrem Pressebereich diverses Material zu der Studie zusammengetragen: Videos und Protokoll der Pressekonferenz u.ä.
Achtung, Achtung: Deutsche Stadien lieber meiden…
Ok, nicht wirklich, auch wenn die Stiftung Warentest nun für Unruhe sorgt. Sie konstatiert ja diverse Sicherheitsdefitzite in den Bereichen Panik- und Brandschutz. Ausgelöst wurde damit vielleicht (unter einigen wenigen…) Panik, doch sicherlich…