Alpay 2.0

Ich bin mir nicht sicher ob der Kölner Spieler Özalan Alpay ein Sympath vor dem Herrn ist. Aber an diesem Wochenende macht man sich die Geschichte m.E. zu einfach.

Alpay wird durch den Sportteil der Republik gejagt, weil bei der Partie in Hamburg Handgreiflichkeiten gegen Demel zur Halbzeit beobachtet wurden und die Kameras in der zweiten Halbzeit bei einem Eckball einen lupenreinen Ellbogencheck von Alpay gegen Demel festhielten. Alles unbeobachtet vom Schiedsrichter.

Jedes für sich als singuläres Ereignis verdammenswert. Aber: sind es Einzelereignisse gewesen? Hat man irgendwo ein Statement von Alpay gehört, warum er so ausgetickt ist? Wenn Alpay gleich zweimal massiv gegen Demel vorgeht, soll das wirklich nur die Böswilligkeit von Alpay gewesen sein und Demel gibt das Unschuldslamm?

Die Berichterstattung, ja, sogar die Statements von Rapolder nach Spielschluß sind mir zu billig. Mir ist das zu schwarz-weiß, damit ich das sofort für bare Münze nehme.

Der Kölner Express berichtet vom Sonntag:

Als RTL-Reporter Klaus Jakob am Sonntagmorgen Alpay am Geißbockheim vor die Kamera bekommen wollte, knallte der Türke dem verdutzten Journalisten die Autotür vor der Nase zu. Anstelle eines Interview gab’s für Jakob ’nen blauen Finger, da dieser noch zwischen der Tür steckte.

Äh, moment mal, was haben eigentlich die Grabbelfinger von Journalisten im Türrahmen des Autos von Alpay verloren?

Für die notwendige Differenzierung im Fall Alpay sorgt Michael Horeni in der heutige FAZ: “Alpay im Fokus einer ganzen Nation

Alpay hat sich in den vergangenen Jahren auf dem Fußballplatz einen miserablen Ruf zugelegt. Wer sich auf die Suche nach den Gründen begibt, kommt an der EM 1996 nicht vorbei. Damals spielte die Türkei zum Auftakt gegen Kroatien, und vier Minuten vor Schluß ließ der damals 23 Jahre alte Alpay seinen Gegenspieler Goran Vlaovic enteilen, obwohl er die Chance hatte, ihn durch eine “Notbremse” zu stoppen. Vlaovic erzielte das 1:0-Siegtor, die Türkei schied in der Vorrunde ruhmlos aus. Alpay erhielt für seinen Verzicht auf ein branchenübliches Foul den Fair-play-Preis des europäischen Verbandes – aber hinzu kam der Zorn seines Trainers, der Mitspieler und der gesamten Fußball-Nation. “Ich hätte Vlaovic foulen müssen und kann mir selbst nicht vergeben”, sagte er damals.

Danach lernte die Fußballwelt einen anderen Alpay kennen. Bei der Europameisterschaft 2000 schlug der als Weichling beschimpfte türkische Verteidiger erstmals zu. Beim 0:2 gegen Portugal wurde er nach einer Tätlichkeit früh vom Platz gestellt, und der Schuldige für die Niederlage war in der Türkei schnell ausgemacht. “Es ist schade, daß unter so einer Aktion nicht nur die Mannschaft zu leiden hat, sondern eine ganze Nation”, sagte Nationaltrainer Mustafa Denizli.

Horeni beschreibt wie Alpay immer mehr entgleitet und mit Tätlichkeiten in die Schlagzeilen gerät, bis hin zum Aufhängen einer Alpay-Puppe in Birmingham und drei Platzverweisen in sechs Monaten J-League.

Erst wenn man die Bio von Alpay seit 1996 durchliest, erklärt sich einiges. Auch das Alpay am Samstag vielleicht wirklich von alleine ausgetickt ist.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Weil der Trackback wohl mal wieder nicht fluppt, gibt’s den Link per Handspiel

    Dafür dass er einem Express-Schreiber die Finger gebläut hat, bin ich Alpay fast dankbar.

  3. Nichtsdestotrotz ist Alpay ein erwachsener Mann, der sich und sein Handeln eigentlich reflektieren könne müsste und sich nicht immer wieder zu solchen taten hinreißen lassen dürfte.

    Mit Sicherheit spielt hier aber auch die Mentalität wieder eine wichtige Rolle, womit solche aktionen jedoch nicht zu entschuldigen sind.

    just my 2 cents

  4. Dem ersten Satz stimme ich zu. Dem zweiten nicht. Oder ist es analog auch deutsche Mentalität, wenn Kölner Fans in Hamburg und Gladbacher Fans im Borussia-Park Gegenstände gezielt auf Spieler werfen?

  5. laut bildblog stimmt die geschichte mit dem rtl-reporter auch nicht so ganz. es war wohl nur das mikrofon, das von der zugeschlagenen tür getroffen wurde. gibt es da nicht eine ganz ähnliche szene von jürgen trittin?

  6. Wir sind uns ja einig, dass solche Aktionen einfach nicht zu entschuldigen sind und den Sport in ein schlechtes Licht stellen.

    Was ich eigentlich nur sagen wollte, dass in Südeuropa (Türkei,Spanien) solche Taten sehr viel häufiger vorkommen als hier. Sowohl auf dem Spielfeld, als auch bei den sogenannten “Fans”.

    Was anderes, was mich schon seit längerer Zeit stört, ist dieses “Fußballproblem”. Ich bin ein begeistéter Fan des American Football und dort sind solche Szenen im Publikum einfach unvorstellbar. Ich besuche viele Spiele der ersten und zweiten Liga, sowie ab und zu der NFLE. Weder Schähgesänge über den Gegner, noch werden Sachen aufs Spielfeld geworfen. Polizeipräsenz ist gleich Null, auch bei Spielen von rivalisieren Teams und auch wenn dort knapp 10.000 Zuschauer kommen.

  7. Fussballprofis werden nicht umsonst Profis genannt. Ein eben solcher Auftritt sieht einfach anders aus. Ein Spieler wie Alpay ist nicht nur einfach so ein Vorbild, sondern auch ein Aushängeschild der türkischen Fussballspieler in Deutschland.

    Viele Amateure sehen im Verhalten von Alpay ein altes Vorurteil gegenüber den (deutsch-)türkischen Gegenspielern bestätigt. Und gerade das verhindert oftmals einen ordentlichen Spielverlauf in den niederen Ligen.

  8. @max, football hat auch schon lange seine unschuld verloren, egal ob auf dem
    feld oder auf der tribüne. ich erinnere mich an NY Giants vs. SD Chargers.
    Shaun Gayle von den Bolts fing eine interception und trug das EI unter
    wütendem schneeball-bombardement der Giants-FANS zum TD.

    die hand in der tür ist unerlaubt. punkt um = selbstverteidigung.

    im gegnerischen strafraum mit dem ellbogen zuschlagen ist vorsatz.
    da gab es mal wieder ein paar schiedsrichter zu wenig, sonst hätte der
    herr alpey schon rot gesehen.
    auch Uwe Seeler ist schon mal die hand ausgerutscht, aber gleich der ellbogen.

    der herr alpey gehört bestraft, den giants-fans könnte mann mildernde umstände
    wg. gruppenzwang zu gute kommen lassen.

  9. @Max: Ja, wir sind uns im Großen und Ganzen einig.

    Aber es ist falsch zu glauben, das solches Verhalten von Spielern und Fans besonders ein südeuropäisches Phänomen ist. Wenn ich’s schaffe, schreibe ich da auch heute noch was zu.

    Kurz: Auch ein Ballack schlägt gerne mal mit dem Ellbogen zu (in Köln gegen Podolski). Da wird viel weniger Wind drum gemacht. (Was Alpay nicht entschuldigt) Und hier das Fehlverhalten deutscher Fans aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen.

  10. ich hasse alpay em 1996 kein faul gegen den kroaten em 2000 faul gegen backham hätte beinahe tor gemacht beim elf meter wm 2006 handspiel in der 2 minute und danach schlägt er sich noch alle waren normal nur alpay und emre nicht die besten waren nuri sahin hamit und halil