HSV – MSV Duisburg 2:0

(Photos poste ich vielleicht im Laufe des Montags, vorab nur das Zeug das ich “live” geflickrt habe)

Das hat mich dann doch umgehauen: 51.000 Zuschauer zu einem normalen Bundesligaspiel gegen den Tabellenvorletzten. Soviel zum Thema “Euphorie” in Hamburg.

Kurz zum Ambiente. In der Schnackenburgallee gleich hinter der Autobahn auf den ersten Parkplatz rauf, bekam vom Leitsystem die Bezeichnung “empfohlen”. Die Parkplätze sind eher als unterirdisch zu bezeichnen, der Weitermarsch zu Fuß an der Grenze zum Zumutbaren, vorallem wenn man die Kartenpreise berücksichtigt. Es hatte den ganzen Tag genieselt. Parkplatz und Fußweg waren größtenteils nicht befestigt, ergo aufgeweicht und sahen mehr nach Motocrossveranstaltung aus. Bei der Rückfahrt saßen wir mit tausend anderen Fahrzeugen eine halbe Stunde im Stau ohne das was vorwärts ging.

Die gesamte Veranstaltung dauert 105 Minuten (anders als beim Football, der 3-4h dauert) und da sind dann 30Minuten Stau im Matsch sehr antiklimatisch.

Zum Spiel.

Der MSV Duisburg war eine Enttäuschung auf ganzer Linie. Ich hatte mir eine pfiffige Mannschaft vorgestellt, die aus ihren spärlichen Ressourcen das Beste macht. Aber da war ja nix. In der gesamten ersten Halbzeit kamen die Duisburger nicht ein einziges Mal gefährlich aufs Tor, in der zweiten Halbzeit waren vielleicht zwei selbst herausgespielte Torchancen dabei.

Duisburg spielte im 3-4-2-1. Die Dreier-Abwehrkette blieb konsequent hinten (#4 – #5 – #3). Die restlichen Spieler erwarteten den HSV in kompakter Formation ab 10m vor der Mittellinie. Nur bei eigenem Ballbesitz wurde schnell aufgefächert, aber der Ball ging meistens früh im Aufbau flöten. Ich bin schwer enttäuscht wie wenig Duisburg brachte. Wenn das kein Absteigerformat hatte, weiß ich auch nicht mehr…

Der HSV spielte in gewohnter Aufstellung. Nach Rückkehr von Van der Vaart ging Trochowski aus der Startformation. Benny Lauth als Sturmspitze, Barbarez dahinter hängend.

An guten Tagen hätte der MSV Duisburg ein Debakel erlebt. Verhindert haben dieses Debakel einerseits Torhüter Koch, andererseits Jarolim und Barbarez. Jaromlim hat diverse Einschußchancen, aber ähnlich wie Bernd Schneider, bricht er sich lieber beide Beine als dass er mal den Abschluß sucht. Barbarez wiederum agierte höchst unglücklich. Hier mal ein unpräzises Abspiel, dort sprang der Ball zu weit weg, dadrüben wurde ein Stürmerfoul gepfiffen.

Das Barbarez trotzdem zum Spieler des Tages ausgelobt wurde, lag an seinen Scorerpunkten. Ein Tor (Kopfball) selbst gemacht und ein zweites vorbereitet, weil er einen Freistoß schnell auf den enteilten Lauth geschossen hat, der dann direkt abnahm und per Bogenlampe über Koch zum 2:0 verwandelte.

Die Abwehr des HSV ist wie eine launische Diva. Sie hat fantastische individuelle Fähigkeiten bei den beiden Innenverteidigern. Die Laufwege und die Körperlichkeit von Boulahrouz und Van Bouyten sind nicht zu toppen. Problematisch wird es aber, wenn weitere Spieler eingreifen müssen. Verblüffenderweise klappt die Kommunikation mit Torwart Wächter immer noch nicht, bei schnellen Gegenangriffen läßt sich der Abwehrverband zu leicht auseinanderziehen und die Abwehr neigt in der zweiten Halbzeit zu Unkonzentriertheiten und einigen Bolzen, namentlich Atouba, der im Strafraum bei einem Dribbling den Ball verlor. Wächter hatte auch seine wackelige Phase und für einige Minuten schien der HSV nach Kräften bemüht zu sein, die Duisburger wieder ins Spiel kommen zu lassen.

Das Aufbauspiel des HSVs ist zwar leichtfüßig und kombinationssicher, aber gleichzeitig sehr berechenbar.

Auf rechts gibt es die beiden Fummler Jarolim und Mahdevikia, die aber selbst 3 Meter vor dem Tor lieber den Paß suchen als aufs Tor zu bolzen. Atouba beteiligte sich heute so gut wie gar nicht am Aufbauspiel. Van der Vaart lief mit, war aber nicht so im Fokus wie sonst. Barbarez war der wichtigste Unruheherd im und vor dem Strafraum, da man bei ihm wirklich nie weiß, was er macht. Er ist ein ebenso guter Volstrecker wie Vorbereiter. Theoretisch. Heute war beides nicht so dolle, gemessen an der Ausbeute.

Das Spiel ließ erahnen warum der HSV so wenig Tore macht. Barbarez hatte einen schlechten, Van der Vaart einen unauffälligen Tag und das war es dann schon. Benny Lauth ist deutlich auf dem Wege der Besserung, aber man hat schon das Gefühl dass er mitgeschleppt wird, dass er angespielt wird, weil einfach keine Alternativen da sind.

Das Problem des HSVs ist ein Mittelfeld, namentlich Beinlich, Jarolim und Mahdevikia, das nicht torgefährlich ist und das Tor noch nicht einmal sucht (ich weiß, Mahdevikia ist kein Mittelfeldspieler qua Position, aber qua Betätigungsfeld eher Mittelfeld als Abwehr…). Das macht die Sache für den Gegner berechenbar und die Räume vor dem Tor auch eng. Denn, auch das eine Veränderung in den letzten 1-2 Jahren: an den Flügeln wird nicht mehr bis zur Torlinie durchgerannt. Mahdevikia (bzw. Jarolim) zieht es sehr viel früher nach innen und Atouba flankt öfters aus dem Halbfeld.

Daher macht so ein Mann wie Trochowski sehr viel Sinn, weil er ungleich “unberechenbarer” als ein Jarolim ist.

Schiedsrichter war Thorsten Kinhöfer, kein Freund der Vorteilsauslegung.

Die Partie wurde mehr als lässig vom HSV runtergespielt. Kräfteprobleme sollte es vor dem Spiel in Monaco nicht geben. Aber für Duisburg war das eine bedenkliche Partie.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Herrjeh, da hätte man ja ein Klein-Blogger-Treffen im Stadion machen können … ;-)

    Bei Duisburg hab ich mich streckenweise gefragt, wie man als Kellerkind so harmlos sein kann. Da kam *gar* nichts, und ohne Koch wär’s vermutlich 6:0 ausgegangen. Die Berechenbarkeit stimmt auch irgendwie, allerdings kommt das Unberechenbare gewöhnlich von Van der Vaart, der in der Tat heute ‘ne ruhige Kugel geschoben hat – oder von Atouba, der eben dadurch manchmal auch echt scheiße aussehen kann, aber *was* für ein Schlangenmensch. Wahnsinn.

    Und der Herr Kinhöfer setzt wohl am besten mal ‘ne Runde aus. Jessas.

  3. Perfektes Wochenende

    Eine nette zufällige Begegnung am Samstag morgen (auch wenn sich der Rest vom Tag danach anfühlte wie eine Folge Dawson’s Creek). Eine sehr gute Nachricht am Samstag nachmittag, noch dazu mit Kaffee und Kuchen. Und dann heute ein überraschender, auch …

  4. Muss ich das verstehen, warum das total belanglose Spiel HSV vs. Duisburg hier so groß und breit thematisiert wird? Dann kann man ja auch gleich ne Abhandlung über Braunschweig vs. Meppen verfassen.

  5. @Cantona: Tja, könnte man verfassen, dafür müsste man da aber auch im Stadion sein.

    Schöner Bericht!

  6. HSV gegen MSV ein Bericht

    dogfood war im Stadion und hat sich das Spiel zwischen dem HSV ( Oberste Tabellenregion ) gegen den MSV ( Unterste Tabellenregion ) angesehen. Dieses Spiel verdient vermutlich nicht das Prädikat wertvoll, aber immerhin hat der HSV seine Pflicht er…

  7. Also ich war neulich mal beim HSV-Schalke Spiel im Stadion der Arena.
    Mal abgesehen von dem müden Gekicke fand ich die Logistik erschreckend und WM-untauglich.
    Wenn die Freundin die Damentoiletten wegen Männerüberfüllung nicht betreten kann, in alle Ecken gepisst wird, aus purer Not, An- und Abfahrt länger dauern als das Spiel, kann ich nicht von einer gelungenen Fussballveranstaltung sprechen.
    Den ungerechtfertigt hohen Preis verschweige ich mal lieber…

  8. Ich fand es vom Preis-/Leistungsverhältnis auch ziemlich mau. Selbst wenn man es mit der ungleich “kleineren” Veranstaltung der NFLE vergleicht.

    Hamburg hat ein echtes Infrastruktur-Problem. Die Anbindung des ÖPNV an die AOL-Arena (und Color-Line-Arena) ist fürn Arsch. Die Shuttle-Busse (von denen ja derzeit auch noch eine Linie wg. Umbau im Bahnhof Stellingen ausfällt) sind ein müder Ersatz für eine vernünftige Anbindung. Selbst das Minimum, den Trampelpfad zwischen AOL-Arena und S-Bahnhof Stellingen auszubauen und durchgängig zu befestigen, wurde in den letzten 2-3 Jahren nicht gemacht.

    Aber der ÖPNV ist allemal erträglicher als die Situation auf den durchgematschten Parkplätzen, die kaum Markierungen und Wegweiser besitzen und alle 50m von einer 60Watt-Funzel illumniert werden, während Heerscharen von Männer fröhlich in den Wald pissen.

    Wenn man sich vergegenwärtigt was für ein Boohay um die WM gemacht wird, wie streng die FIFA den Organisationsrahmen überwacht, kann man sich angesichts des gestrigen Spiels nur an den Kopf greifen: das soll WM-würdig sein?

  9. Danke für den Bericht. Differenziert meine eigene Einschätzung des HSV via TV-Bildern.
    Dass an den Flügeln nicht mehr bis zur Grundlinie durchgerannt wird, ist übrigens kein HSV-Phänomen. Die meisten Bundesligamannschaften, die ich dieses Jahr gesehen habe, machen das nicht mehr.
    Vor einiger Zeit machte mal die Statistik die Runde, dass mehr Tore durch die Mitte als über die Flügel vorbereitet würden. Ich nehme an, der Zug nach Innen ist die Folge davon.

  10. Die Statistik stammt von einem Sportwissenschaftler der damit beim ZDF und in der FAZ hausieren ging. Die Quintessenz seiner Statements: “Statistiken sind nix wert” um dann eine halbe Stunde lang Statistiken abzulassen, die zeigen dass Flügelspiel nicht zu mehr Toren führt, Ballbesitz nicht wesentlich ist, Spielgeschwindigkeit nicht identisch im Torerfolg ist etc…

    Erinnert mich an den norwegischen Trainer Egil Olsen von der WM 1998, der bei Ballbesitz sofort hoch und weit in den Strafraum bolzen ließ. Seine Argumentation war die Statistik: soundsoviel Prozent aller Tore fallen vor dem Strafraum. Das ganze Mittelfeldgewichse sei daher nicht notwendig, es käme darauf an die Pille irgendwie vor dem Strafraum zu bringen. Wenn man es häufig genug machen würde, würden schon alleine qua Statistik irgendwann 1-2 Tore fallen. Immerhin kam Norwegen, auch durch ein Sieg gegen Brasilien, bis ins Achtelfinale.

  11. Wobei in der Bundesliga nur noch selten hoch und weit gebolzt wird. Zum Glück.

    Egil Olsen gehörte allerdings auch zu den Trainern, die festgestellt hatten, dass die meisten Tore in den ersten 20 oder 30 Sekunden nach Balleroberung fallen. Deshalb hielt er seine Spieler an, schnell vors Tor zu kommen, und war mit an der Beerdigung des Rasenschachs a la Brasilien-Italien 94 beteiligt.

  12. Schade, so steigen die Ansprüche.
    Jetzt reicht es nicht mehr, einfach mal zu gewinnen gegen einen potenziellen Abstiegskandidaten. Nein, spektakulär und unberechenbar muß es sein. Acht Stück bitte! Soviel Durchsichtigkeit dem HSV-Spiel unterstellt wird- Gerreicht hat es ja bisher. Eine Saison-Niederlage spricht Bände. Im Übrigen: Im Stadion erkennt man im Gegensatz zum TV immer die entstehenden Spielzüge. Liegt an der Perspektive.
    Die launische Diva Abwehr. Dem mag ich auch nicht folgen. So sattelfest, wie sich der HSV hinten präsentiert, gibt es in der Bundesliga momentan keine zweite. Die Aussetzer zwischen van Buyten und Wächter: geschenkt.

    Ich würd sagen, erfreuen wir uns doch einfach am Höhenflug. Und warten ab, was kommt. Meckern kann man momentan nicht.

  13. Kann es sein, dass man in Hamburg sehr zum Mißtrauen neigt? Nach den goldenen Zeiten Afang der Achtziger gab es geschätzte drei erfolgreiche Spielzeiten, und kaum läuft es mal wieder sehr vielversprechend, werden die Tücken, Haken und Schwächen gesucht. Sicherlich spielen die Hamburger nicht so begeisternd Fussball, wie der Nachbar aus Bremen zur Zeit, und sicherlich auch nicht so abgeklärt und rational wie der FC Bayern. Aber das Hamburger Konzept scheint mir, zumindest im Vegleich zu dem der Bremer, das mittelfristig erfolgreichere. Die Abwehr (trotz sicherlich vorhandener Abstimmungsprobleme) ist eine der fussballerisch besten der Liga, das Mittelfeld wäre auch ohne Rafael van der Vaart ein spielerisch starkes und erfahrenes, mit Trochowski hat man the next big thing auf der Bank, und der Sturm, naja, siehe Frankreich ’98. Ich denke, der HSV wird in dieser Spielzeit sehr, sehr weit vorne landen.
    Die Hamburger Probleme möchte ich haben. Schwarz-gelbe Grüße,
    Henning