Frankfreich – Deutschland, aus Sicht der Franzosen
Gemischte Reaktionen bei den Franzosen. Da sind zum einen die Spieler, die zufrieden waren und Honig aus der guten defensiven Leistung saugten.
Lilian Thuram: “Wir waren geduldig und haben nie überstürzt gehandelt. Man darf nicht vergessen dass unser Gegenüber eine sehr gute Mannschaft war.”
Thierry Henry: “Es war ein schwieriges Match, die Deutschen sind nur gekommen um zu verteidigen. Sie sind nicht rausgekommen und haben nur auf Ballverluste gewartet um uns dann auszukontern. Man hat auf dem Feld eine Mannschaft gesehen, die den Spielaufbau versuchte und eine Mannschaft die auf Konter aus war.”
Trainer Raymond Domenech: “Der Rasen war schlecht, nicht der Partie würdig. Ich habe zwei gute Mannschaften gesehen. Die Deutschen hatten vielleicht die gefährlicheren Torchancen und manchmal auch die größeren Spielanteile, aber wir standen solide. Wir hatten die resourcen um eine Schlußoffensive in der letzten Viertelstunde zu starten. Die Partie gegen Deutschland war hinsichtlich der taktischen Reife sehr interessant.”
Deutlich mehr Unbehagen schwingt bei den Medien mit, die immer noch auf den Befreiungsschlag unter Domenech warten. Generell gilt: je “sportlicher” das Medium, desto heftiger die Kritik am Spiel der Franzosen.
Libération: “Frankreich zeigte mehrere Gesichter, mal engagiert, mal mit bedenklich wenig Inspiration.”
Le Monde: “Frankreich sah eine deutsche Mannschaft mit mehr Willen und Physis und zeigte vorallem in der Offensive seine Probleme […] Zu deutlich ist die Abhängigkeit von Zidane und der Mangel an Alternativen, auch wenn Dhorasoo wieder einer der Kreativsten war. Es waren vorallem die Deutschen die sich in der ersten Halbzeit um den Spielaufbau bemühten und dabei ein starkes Flügelspiel zeigten.”
Sport24.com: “Die Franzosen überzeugten nicht. Gut organisiert, verstanden es die Deutschen das französische Spiel zu blocken. Die Hereinnahme von Anelka und Cissé belebte das Spiel, aber die Deutschen hatten die besseren Torchancen. Die Franzosen müssen im Frühjahr bissiger werden.”
Sport24.com: “Die Franzosen kühlten ab. Frankreich sah gegen eine physisch überlegene Mannschaft nicht gut aus.”
Böse wurde es im L’Équipe: “Frustrierendes 0:0 für Frankreich, die sich zwar bemüht, aber offensiv uninspiriert zeigten. Ohne Coupet hätte das Unentschieden nicht gehalten werden können. Das 0:0 ist eine Konsequenz des Spiels und dürfte beide Mannschaften gut in den Kram passen.
Das fünfte 0:0 der Ära Domenech im Stade de France zeigte, dass die Franzosen nicht genügend Benzin im Tank haben, um konstant ein Spiel zu gestalten. Man ruhte stattdessen häufig auf die defensiven Pfeiler der Mannschaft. Die Rückkehrer Makelele und Thuram sind die Entdeckungen der Saison. Das Fehlen von Zidane erklärt nicht völlig die schwache Offensivleistung, aber vieles. Im Mittelfeld fehlten jegliche Automatismen und Aufgabenteilung. Die Mannschaft zerfiel in zwei Teile und häufig sahen sich die Verteidiger gezwungen, das Spiel zu machen.
Die Deutschen spielten simpler, aber schneller und effektiver. Die Hereinnahme von Cissé, Anelka und Rothen hatte keinen Effekt auf das französische Spiel. Die Partie brachte den Franzosen keine neue Erkenntnis, das Problem ‘Offensive’ ist um kein Jota vorangebracht worden und Frankreich hat nur noch ein Testspiel vor der WM.”
Richtig vernichtend wurde es dann in der Analyse von Angel Marcos, Ex-Trainer und Analyst beim
L’Équipe der mal eben auch deutschen Zeitungen zeigt, wie ein Spiel fachmännisch zerlegt wird.
Es gab zwei Baustellen die Frankreich mit dem Spiel vom Samstag lösen wollte: die Balleroberung und die Offensive. Was die erste Baustelle angeht, standen die Franzosen wesentlich enger am Mann als gegen Costa Rica Mitte der Woche. Trotzdem kamen die Deutschen zu besten Torchancen. Problematisch bleibt wie tief die Abwehr im Feld steht und selbst bei Ballbesitz nicht nachrückt. Dadurch kann die Offensive nicht unterstützt werden und Balleroberung findet, wenn überhaupt, nur tief in der eigenen Hälfte statt.
Bitter wurde es im Spiel nach vorne, der zweiten Baustelle. In Sachen Spielaufbau, Flüssigkeit, Kreativität, Verbindung der Mannschaftsteile, war Frankreich nicht existent. Es gab nur einige Chancen resultierend aus individuellen Leistungen, die aber immer mit viel Aufwand sich erarbeitet werden mussten.
Die Startaufstellung von Domenech mit einem Sagnol im rechten Mittelfeld ist verblüffend zu nennen. Sicherlich sollte Sagnol seine Qualitäten bei langen Pässen und Flanken ausspielen, aber für einen Heimauftritt, bei dem man das Spiel machen muss, ist das eine fragwürdige Aufstellung. Sagnol bekam im Mittelfeld wesentlich weniger Zeit sein Spiel vorzubereiten, als hinten in der Verteidigung und konnte deshalb nur selten seine Pässe und Flanken anbringen.
Die Probleme im Mittelfeld sind grundsätzlicher Natur. Das Timing im Spiel mit den Angreifern klappt nicht, sie bewegen sich zu spät, die Verteidiger rücken nicht nach und es bleibt nur noch Makelele als “Scharnier” zwischen Defensive und Offensive übrig.
Domenech gelang es nicht die deutsche Schwäche im zentralen Mittelfeld zu nutzen, wo man häufig langsam agiert und kein gutes Stellungsspiel besitzt. Am Samstag war dies aber die einzige Schwäche die Deutschland zeigte, ansonsten war man Frankreich sogar taktisch überlegen. Die Mannschaft stand sehr schön kompakt, selten lagen zwischen hinsterstem Verteidiger und vordersten Angreifer mehr als 30-35m. Deutschland zeigte wie gut man mit einem kompakten Spiel agieren kann, ohne über individuell hochklassige Spieler zu verfügen (Ballack ausgenommen).
Es ist zwar zu früh um wegen der WM Panik zu bekommen, aber es wird Zeit, dass die französische Mannschaft vorankommt.
Die Mannschaft wirkt im Spiel mehr Getriebene, als dass sie aktiv ihr Schicksal in die Hand nimmt. Die Stärke ist die Abwehr, die nur wenig Tore einfängt. Aber man ist zu sehr von Zidane, Henry und Trezeguet abhängig. Für eine Nation die Spieler wie Wiltord, Govou oder Rothen auf der Bank sitzen hat, ist es frustrierend zu sehen, dass eine Mannschaft wie die Deutschen das bessere Mannschaftsspiel hat.
Blattschuss.
Reaktionen
Es ist auch interessant, dass sich bei den Franzosen eine ziemliche Arroganz breitgemacht hat. Wenn man sich wundert, wie das (sicher teilweise zurecht) als taktisch und sogar mannschaftlich als minderbemittelt angesehene Deutschland einfach so mithält. Ich glaube, man kann inzwischen sagen, dass das klassische Verhältnis zwischen beiden Mannschaften fast wiederhergestellt ist. (Und die Deutschen hätten das Spiel im Elfmeterschiessen gewonnen.)
Außerdem glaube ich ja, dass Klinsmann in Amerika heimlich SI-Games’ großartigen “Football Manager” spielt. Da gibt es eine taktische Einstellung, wie hoch die Abwehrkette agieren soll. Durch Verschieben der Abwehr nah an die Mittellinie macht man das Spiel eng und nimmt technisch starken Mannschaften die Luft. (Gut auch, dass Mertesacker das im Interview sogar ansprach.)
Man konnte gut sehen, dass die Franzosen, wenn sie – meist nach plötzlichen Ballverlusten der Deutschen – mal nicht in klaustrophobischer Enge das Spiel aufbauen mussten, plötzlich rasant nach vorn kombinierten und auch gefährlich waren. Das war aber höchstens drei, viermal im Spiel der Fall. (Und zeigte sofort Schwächen in der hünenhaften, aber langsamen deutschen Innenverteidigung.)
Und man schaffte es in der Tat auch nicht, die Zentrale zu kontrollieren. Das ist möglicherweise aber auch durch das Fehlen von Zidane und Vieira relativierbar. Die beiden hätten Frings als die auf hohem Niveau ungeeignete Nr.6 entlarvt, die er IMO ist.
Was das Fehlen von Zidane und Viera angeht, das auch am Montag in den Zeitungen thematisiert wird (siehe FR): man sollte das nicht zu hoch hängen. Die Franzosen waren auch 2002 und 2004 mit Zidane und Viera ziemlich schnell aus dem Titelrennen raus.
Zidane ist zudem ernsthaft überspielt und fehlte deswegen in Real für 1-2 Spiele. Wenn sich die Tendenz der EM 2004 fortsetzt, dass nämlich viele der technisch anspruchsvollen Spieler ihre Leistung nach einer anstregenden Saison nicht abrufen können, wird die Fixierung auf Zidane für Frankreich reinstes Gift sein.
Ein Viera hat gefehlt, aber auch hier ein großes Fragezeichen ob seiner Form. Weder letztes Jahr bei Arsenal noch diese Saison bei Juve konnte er seine Leistungen von 2004 wiederholen.
Die Franzosen leben seit dem 98er/2000-Doppelschlag in einer Traumwelt und tun sich schwer Veränderungen in der Realität wahrzunehmen.
(Wie es der Zufall will, ist ja nun auch die Illusion der “Grande Nation” als Multikulti-Gesellschaft wie sie auch von der franz. Nationalmannschaft verkörpert wurde, geplatzt)
Spieler wie Wiltord, Cissé, Cygan, Flamini, Clichy, Gallas spielen ebenso wie die “große Generation” bei den namhaftesten Vereinen Europas, habe aber bei weitem nicht die gleichen Qualitäten. In der Öffentlichkeit nimmt man aber den Substanzverlust nicht wahr.
Ein interessantes Problem ist der französische Verband. Der ist, im Gegensatz zum DFB, nämlich schwach. Die FFF ist finanziell angeschlagen und von der Nationalmannschaft und ihren Stars abhängig. Die Liga und besonders die drei großen Mannschaften der “Ligue 1”, OL, OM und PSG haben kaum Anknüpfungspunkte mit dem Verband. Entsprechend ist das Personal und die Resourcen beim Verband.
In diesem Machtvakuum spielt die Trainerfrage immer eine besondere Rolle. Nach dem “Flop” mit dem teuren Santini gewann wieder der Verband der Fußballlehrer an Macht und Aimee Jacquet, der dort im Hintergrund immer noch die Fäden zieht, konnte Domenech als Nationaltrainer durchsetzen.
Ex-Jugendnationaltrainer Domenech ist ein Mann des Verbandssystem, der just die aktuelle Spielergeneration aus dem FF kennt, da diese durch die zentralistischen Instanzen der französischen Fußballjugend wanderte. Domenech verkörpert damit nach außen nicht Veränderung, sondern Fortsetzung des System Jacquets von 1998.
Nach innen hat Domenech wahrscheinlich sehr genau alle Probleme von 2002 und 2004 erkannt und versucht zu ändern, alleine: er biß sich die Zähne daran aus. Der Generationswechsel will ihm nicht gelingen, weil die aktuelle Spielergeneration rund um Gallas, Wiltord, Sagnol und Co. eben nur noch Mittelmaß stellen und keine Leitfiguren gebildet hat.
Das er zugunsten des “kurzfristigen Erfolges” den Gang nach Canossa antrat und die großen Drei Zidane, Makelele und Thuram wieder geholt hat (er hat im Laufe des Sommers Zidane mehrmals bearbeitet), ist ein Offenbarungseid für die Reformen die Domenech eigentlich durchführen wollte.
Domenechs und Frankreichs Devise für 2006 ist “Augen zu und durch”. In der Hoffnung, dass die alten Kämpen noch ein letztes Mal zu Halali blasen können.
danke für die presseschau. marcos kritik macht ziemlich spass.
Hallo
dogfood….viel erzählt aber wenig erkärt!!!!
Multikulti sind wir jetzt auch im DFB dress!!!–nur werden es unsere Afrikaner,Polen und Italo-belgier-schweitzer bei der WM im DFB dress besser machen als Frankreichs , Englands und Hollands Kolonien dessen bin ich überzeugt. Aber Weltmeister wird diesmal zwischen 3 mannschaften ausgespielt werden…..Argentinien, Brasilien oder gar Spanien!!!
wartet ab!!!
Danke
Spanien????
Dazu die kleine Geschichte um eines der umstrittensten Radio-Interviews, die Johann Cruyff jemals in Spanien gegeben hat. Ich glaube, bei der WM 98, als sich Spanien wie immer im Achtel- oder Viertelfinale verabschiedet hat.
Frage des Reportes: “Sind Sie überrascht, dass Spanien schon ausgeschieden ist?”
J.C.: “Nein, wieso? Das ist doch normal.”
Die spanische Presse hat geschäumt vor Wut. Umso mehr, weil Cruyff damit völlig recht hat. Das wird auch 2006 nicht anders sein, bloß weil sie die Slowakei mit 5:1 nach Hause schicken.
Wenn ich Favoriten benennen müsste, wären das Argentinien, Italien, Brasilien und die Niederländer. Argentinien und die Niederlande trotz ihrer Pleiten am Wochenende.
Italien oder Holland Weltmeister? No way! (Keine sportlichen Gründe, nur Intuition, genau wie bei Spanien)
Es fällt mir schwer, ein Team zu nennen, das Brasilien gefährlich werden kann.Die Offensive ist vielleicht das Beste, was der Weltfussball jemals gesehen hat. Am ehesten noch die Deutschen mit Heimvorteil + Elfmeterschiessen. .
Sollte mighty brasilien stolpern: Deutschland, England (wenn Sven das Team nicht wieder vercoacht), Argentinien, Portugal und meine geliebten Tschechen (wahrscheinlich zu alt, aber letzte Chance).
In dieser Reihenfolge.
Im Überraschungsei: Elfenbeinküste
danke ritchie/savino, für die belehrung. wie schon im krasniqi-thread erklärt: jemand der meint seine meinung zu unterstützen, indem er unter anderem namen sich selbst kommentiert, hat nicht unbedingt die fallhöhe andere leute zu belehren.
und ein eintrag der vornehmlich stimmen zum spiel zitiert, hat auch nicht vor zu erklären.
die “multikulturität” (achtung, kunstwort) ist in frankreich anders gelagert, da die franz. staatsangehörigkeit auf das “bodenrecht” und nicht wie in D auf das “blutsrecht” baut. d.h. alle auf französischem boden geborenen kinder bekommen automatisch die französische staatsangehörigkeit (seit knapp 15jahren bekommen sie sie erst automatisch mit 18, davor bereits bei geburt). dazu kommt dass die überseedepartments im indischen ozean, karibik und der südsee auch veritables französisches staatsgebiet sind.
französischer “multikulti” ist zudem aufgrund der hautfarbe wesentlich eher erkennbar als die deutsche variante von “multikulti” mit deutsch-polen, deutsch-russen etc… bis vor 15-20 jahren war ein schwarzer selbst in einer deutschen großstadt noch eine halbe sensation, während sie in paris gang und gäbe waren. und nicht als “gastarbeiter” behandelt worden, sondern als “immigranten”. bereits dieser deutsche begriff “gastarbeiter” sagt einiges aus.
die deutsche staatsangehörigkeit ist ein “blutsrecht”, d.h. sie vererbt sich “nur”. im falle von klose und podolski war deutsche verwandtschaft von nöten (klose: deutscher vater). solche fälle werden höchst unterschiedlich gehandhabt. in meinem falle konnte ich bis zum 18ten lebensjahr die deutsche und franz. staatsangehörigkeit behalten, musste mich aber danach zwingend für eine entscheiden (was aber beide staaten nicht davon abgehalten hat, mich danach jeweils einmal zum militär einziehen zu wollen). dies ist wohl eine ausnahme gewesen, denn die möglichkeit für einen übergangszeitraum beide staatsangehörigkeiten zu behalten, ist erst vor kurzem gesetzlich verankert worden.
summasummarum: die aufnahme fremdländischer kinder ist in frankreich seit jeher simpler und gängiger als in deutschland gewesen, was seine auswirkung auf das selbstverständnis dieser leute hat.
die diskussion inweiweit ein anelka oder thuram franzosen sind, die gibt es in frankreich schlichtweg nicht.
@melkus:
tschechen? mit welchem sturm?
argentinien? hmmm. den spielaufbau gegen endland fand ich eher erschreckend.
brasilien? okay, bei allem durch-den-kakao-durchziehen der deutschen verteidigung, die rate der gebauten bolzen ist auch bei brasilianischen verteidigern dieses jahr nicht ohne gewesen.
kurzum: ich tue mich noch sehr schwer. einige der mannschaften (argentinien!) spielen derzeit offensichtlich nur mit standgas. andere mannschaften werden sich zur WM zerreissen, das alles möglich ist (deutschland).
ein dreiviertel jahr vor der wm ist mir das noch zu früh. zumal es ja diesmal auch einige nette teams gibt, die wohl nicht gesetzt werden und zu “todesgruppen” führen können: italien, england.
@dogfood:stimmt,natürlich, die ganze Diskussion ist zu früh, bestenfalls amüsantes Herumstochern im Nebel. Aber, dass die Italiener in Deutschland so übersehen werden, wundert mich.
Und sowieso: In den letzten 55 Jahren hieß der Weltmeister nur zweimal nicht Deutschland, Brasilien, Argentinien oder Italien. In beiden Ausnahmefällen gewann das Heimteam (England 66, Frankreich 98). Hm, vielleicht streich ich die Niederländer von meiner Favoritenliste.
Klar, alles bloss Kaffeesatzlesen for fun. Außer Brasilien und Deutschland ist das eine Liste von starken Teams, die 2006 ihren Zenit erreichen (könnten), aber bisher unvollendet geblieben sind.
Spanien gehört eigentlich auch dazu, aber Stefan hat die etwas esoterische Problematik bereits umrissen.
Tschechensturm? Baros/Koller (schafft es doch wohl zur WM), wie immer!
Hab mir gerade mal die Aufstellung Italiens in Holland angesehen. Eine solide Mischung aus Juve- + Milanleuten + Trainer Lippi. Ich ahne aber ein massives Kreativitätsproblem ( Okay, Pirlo, aber Del Piero? Totti??? – und keine mir bekannten Alternativen) hinter den (durchaus interessanten) Spitzen, denen ihrerseits die Erfahrung auf hohem Niveau fehlt.
Koller, schafft er es bis zur WM? Es wird knapp. Ich habe eben nochmal beim KICKER gestöbert: Anfang Oktober wurde er operiert und hat danach eine achtmonatige Reha begonnen. D.h. roundabout Mai kann er wieder anfangen zu spielen.
Ich gebe sehr viel auf eine Faustregel: ein Spieler braucht normalerweise wieder solange um seine Normalform zu erreichen, wie er auch verletzt war. D.h. einen “guten” Koller wird es nicht vor Ende 2006 geben. Einen Koller nach nur 1-2 Monaten Spielpraxis mit zur WM zu nehmen… Hm…
Aus ähnlichen Gründen halte ich im übrigen auch das Duell zwischen Jansen und Lahm noch nicht für entschieden.
Unterschätzt mir die Holländer nicht. Ich hatte bei den Holländern nie das Gefühl das es grundsätzlich nicht geht, sondern das einfach es noch keiner geschafft hat, die Puzzleteile richtig zusammenzubekommen. Da traue ich Van Basten einiges zu, zumal er eine recht ruhige Quali gehabt hatte und einiges antesten konnte.
Ich habe mir mal eben die Ergebnisse angesehen: die haben in Pflichtspielen seit über einem Jahr nicht ein einziges Gegentor bekommen. Das relativert im Nachhinein die zwei Treffer die Deutschland in Rotterdam geschossen hat.
@Melkus: Interessant wäre aber zu überlegen, worin die Ursache dieser “esoterischen Problematik” der Spanier liegt. Liegt es am geringeren Stellenwert, den die Nationalmannschaft in Spanien im Vergleich zu den Vereinsmannschaften besitzt? Oder daran, dass spanische Spieler bis auf wenige Ausnahmen in den Vereinen seit Jahren oft nur die “Nebenrollen” spielen? Ich weiß es nicht.
@Dogfoof: Italien ist eigentlich nie durch Kreativität aufgefallen. Eine gut organisierte Defensive und individuell starke Stürmer waren ihr Erfolgsgeheimnis. Damit schaffen sie es fast immer, zu einem der Teams zu werden, die man erst einmal schlagen muss, um ein Turnier zu gewinnen. Manchmal gelingt das keinem, dann gewinnen sie am Ende.
Bei den Niederländern wird es tatsächlich darauf ankommen, ob van Basten die Puzzleteile richtig zusammensetzt, sprich die Mannschaft die of fehlende Geschlossenheit zeigt und gemeinsam auf das Ziel Titel hinsteuert. Dann gehören sie in ihrer jetzigen Verfassung sicher zu den Top-Favoriten.
Okay, Versuch einer Präzisierung Spanien/Italien:
In Turnieren braucht man Schlüsselspieler, die auch mal einen schlechten Tag retten, ein Patt auflösen, die halt unter größtem Druck in “the zone” kommen. Kein Team spielt in der KO-Runde vier Gegner in Folge an die Wand. (Ich nenne nur die Tschechen, DAS Team der EM-Endrunde und ihre von mir bis heute nicht verdaute Niederlage gegen Griechenland.) Selbst Brasilien brauchte im WM-Finale so einen merkwürdigen Moment, als Kahn prallen ließ und Ronaldo das irgendwie gerochen hatte. (In Theweleits “Tor zur Welt” sehr schön beschrieben.)
Beispiele: Ballack, Rooney, Ronaldinho, Zidane
Antibeispiele: Henry (obwohl ich grosser Fan bin), Raul, DelPiero
Die Offensive von Italien und Spanien beruht auf Schlüsselspielern, die genau über diese schwer zu fassenden Fähigkeiten nicht zu verfügen scheinen. (Natürlich könnte ich falsch liegen und z.B. Gilardino entwickelt sich zu einem großartigen Turnierspieler. Luis Garcia hat auch Anzeichen eines solchen Instinkts gezeigt.)
Und es ist halt auch viel Zufall dabei – wie bei den Schiedsrichtern, die den Koreanern 2002 gegen Italien und Spanien behilflich waren und damit den Deutschen einen relativ leichten Weg ins Finale bahnten. (Oder dem Pfostenschuss der Tschechen im EM-Halbfinale…)
Hm. Alles ganz interessant, nur…
… die Argentinier werden meines Erachtens nicht genug gewertschätzt. Dieser kleine Nebensatz des Standgases von dogfood trifft es auf den Punkt.
Im Winter wird ein Crespo wieder zu einem Verein wechseln, der ihm Spielpraxis auf hohem Niveau garantiert. Demichelis ist bereits jetzt einer der besten Spieler der Bundesliga in dieser Saison und was die ,vorallem defensive, Organisation der Mannschaft angeht, so müssen sich sogar die Italiener hinten anstellen. Schade nur, das einer der robustesten und besten Linksverteidiger der Welt, ManU`s Heinze, mit Kreuzbandriß im Moment ausfällt und wenn überhaupt erst kurz vor der WM wieder dabei ist. Ansonsten hinten ein fast unüberwindbares Bollwerk.
Von den Namen her zwar keine Superstars, aber ein Zanetti spielt seit zehn Jahren bei Inter eine entscheidende Rolle, Samuel hat zwar bei Real letztes Jahr eher enttäuscht, aber wer sieht in der Abwehr von Madrid schon gut aus und dieses Jahr bei Inter läufts besser. Die Jahre zuvor war er bei AS Roma eine feste Größe. Nicht zu vergessen Robert Ayala, bei Valencia nach langer Verletzung wieder im Aufwind, nur in Genf gegen England mit Schwächen. Dazu im Mittelfeld das Duo Cambiasso und Sorin, der auch hinten spielen kann oder eben Demichelis. Die kloppen wenn es sein muss auch schon mal übel dazwischen, sind hart am Mann und verlieren kaum einen defensiven Zweikampf. Darüberhinaus haben sie zum Beispiel einigen deutschen Abwehrspielern einiges vorraus. Sie können den Ball stoppen und passen.
Für die gepflegte Offensive steht Aimar komischerweise selbst bei Valencia nicht in der Startformation, dabei hat der technisch alles drauf. Ansonsten wird im Spiel nach vorne vieles auf Riquelme ankommen, der in dieser Saison bei Villareal noch nicht das Niveau der Vorjahre erreicht. Tevez halte ich für überschätzt. Wenn man ihn überhaupt groß beurteilen kann, denn Brasilianische Liga sehe ich eher nie. Bleibt Crespo, dem ich zutraue, so ein Schlüsselspieler zu sein, der aus dem Nichts ein Tor macht.
Nein, kurtspaeter, ich habe Argentinien schon auf der Rechnung (steht da oben auch irgendwo). Die anderen hier vermutlich auch. Vielleicht das kompletteste der Spitzenteams. Ihre Stärke sehe ich auch nicht unbedingt in der individuellen Klasse (obwohl die extrem hoch ist), sondern in der von Dir beschriebenen Defensivqualität und dem vielleicht flüssigsten Kombinationsspiel überhaupt.
Zu Spanien und Italien: Könnte so sein. Ein Paolo Rossi hat ihnen in den letzten Turnieren immer gefehlt. Weder Baggio noch Del Piero haben in meinen Augen die gleiche Qualität als “Spielentscheider” (wackliger Begriff im Mannschaftssport, ich weiß).
Aber in allen drei Fällen müssen wir abwarten. So spaßig und in vielem aufschlußreich ich die Diskussion finde, es sind noch ein paar Monate hin zur WM. Die Argentinier waren 2002 schon hochgelobt und galten als DER Favorit. Beim Turnier sind sie dann gnadenlos abgestürzt. Gut, auch das will nichts heißen, allein weil ich denke, dass sie heute weiter sind. Es zeigt aber, wie schwierig Prognosen vor Turnieren sind.
Wieso sind die Argentinier eigentlich 2002 eingegangen?
Bei den Franzosen habe ich die Diskussion und Aufarbeitung mitbekommen (müde Stars, zuviel Ablenkung durch Sponsorentermine, zu lange Leine für die Stars, zu starke Fixierung auf Zidane, der dann ja auch rotgesperrt war). Aber bei den Argentiniern?
Keine Ahnung. Ich habe es damals auf die komischen Deep-Purple-Frisuren der Mannschaft zurückgeführt. Was heißt, dass ich es nicht besser wusste.
Die Gruppe war zwar nicht einfach (England, Schweden, Nigeria), aber für ein Team wie Argentinien wäre das machbar gewesen.
Ergebnisse waren 1:0 gegen Nigeria, 0:1 gegen England, 1:1 gegen Gruppensieger Schweden. Mehr weiß ich aber auch nicht mehr.
Soweit ich mich erinnere, war das 2002 die, nach englischen Medien, große Rache des David Beckham für 1998. Den Elfmeter zum entscheidenden 1:0 hat er nämlich geschossen.
Gegen Schweden war Argentinien im letzten Spiel zwanghaft überlegen, hat aber seine Chancen nicht nutzen können. Was unter anderem daran lag, das Trainer Bielsa sehr lange an dem damals schon altersschwachen Idol Batistuta festhielt.
Hab grad mal nachgeschaut, Argentinien hatte die Quali mit 12 Punkten vor Ecuador (!) klar gewonnen, mit Veron einen der ,persönliche Meinung, geilsten Spieler der Welt in seinen Reihen, seine üblich bombensichere Abwehr und es trotzdem nicht geschafft. Warum genau weiß ich allerdings auch nicht mehr.
Hab beim Nachforsten noch das hier gefunden. Vielleicht hilfts:
Gruppe F
Die “Todesgruppe”. Eigentlich war dieser Begriff für hohes Niveau und vier mehr oder weniger gleichstarke Teams gedacht und gedeutet. Die Realität sah anders aus. Die letzten Partien zwischen Nigeria und England sowie Schweden und Argentinien sollten gewisse Höhepunkte der WM-Vorrunde werden. Die Erste war zum Abgewöhnen. Die Zweite bestenfalls WM-Mittelmaß. Argentinien enttäuschte maßlos, weil die hochdotierten Stars ausgelaugt, ideenlos, überbezahlt und –bewertet sind. “WM” als Motivation reicht schon lange nicht mehr für diese Geldsäcke aus. Forderungen wie “Ehre für die Heimat” zu erringen, oder einfach nur Leistung für Milliarden Zuschauer zu erbringen, scheint den randvoll abgefüllten Kickern nur noch ein müdes Lächeln abzuringen. Die heuchlerischen Ausreden unserer südländischen Freunde passten ins miese Konzept. In vier Jahren bitte mehr Fußball.
Guten Fußball spielten die Schweden – abwehrmäßig gesehen. Die Engländer auch – abwehrmäßig gesehen. Die Nigerianer nicht. Die die falschen Altstars zu Hause gelassen und den Generationswechsel leider erst kurz vor der WM eingeleitet hatten – wie ungünstig. Achtelfinalchancen für Schweden und England: Tagesform entscheidet.
http://www.fussballdaten.de/news/347/
Ob diese Meinung als represäntativ gelten darf, kann ich nicht einschätzen.