Englands Presse legt die Axt an

Der spröde Sven-Göran Eriksson hatte nie den leichtesten Stand in England. Das Holzen der Boulevard-Medien gegen den Schweden gehörte zu der handelsüblichen Geräuschkulissen um Artikel zu füllen.

Und so schien auch die Kritik der letzten Tagen und Wochen nach der 1:4-Niederlage in Dänemark nur das übliche Herumkritteln zu sein, aus der man noch einige witzige Schlagzeilen rauspressen konnte.

Zu dumm, dass die Nationalmannschaft nun das ihrige dazu beiträgt um dem ganzen Substanz zu geben. Nach der gestrigen 0:1-Niederlage in Nordirland, der ersten Niederlage in Belfast seit 78 Jahren, haben alle Medien die Kanonen rausgeholt und feuern aus allen Rohren. Die Rücktrittsforderungen kommen nun nicht mehr nur vom Boulevard.

Der Independent hat eine Niederlage in solchen Dimensionen zuletzt vor 55 Jahren, einer Niederlage gegen die USA, gesehen. Erikssons Mannschaftsführung durch Konsens ist in eine Sackgasse geraten, sein Rückhalt ist nahe null. Gefordert wird, wenn nicht der Kopf von Eriksson, der Rausschmiß von einigen Spielern.

Der Guardian titelt: “Der Glaube an Eriksson schwindet

Im Mittelpunkt der Kritik, z.B. bei der BBC, steht mal wieder die Taktik von Eriksson, der weder in den verschiedenen 4-4-2-Varianten noch im 4-5-1 eine wirklich solide Formation gefunden hat (“a blundering nonsense of a system“, BBC). Dabei werden vorallem die Rollen von Gerrard und Lampard kritisiert, die weit unter ihrem Potential eingesetzt werden und die mangelnden Zuspiele für Rooney und Owen aus dem Mittelfeld heraus. Wobei ich eher das Gefühl habe, das Eriksson Opfer von zahlreichen launischen Schlüsselspielern ist, die selten über einen längeren Zeitraum top spielen.

Allen Rufen nach Rücktritt zum Trotz, für noch stärker wird der Multimillionen-Kontrakt von Erikson bis 2008 eingeschätzt und die sich daraus ergebende, zu zahlende Abfindung. Vulgo: die FA kann es sich nicht leisten Eriksson zu feuern und ein dreiviertel Jahr vor der WM ist es auch nicht der geschickteste Zeitpunkt. Aber es ist keine heiße und innige Liebe mehr, sondern bis zur WM ein “Augen zu und durch”.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Man kann aber auch viel Spass damit haben:

    Heute waren wir in einer Konferenz wo ein paar Teilnehmer Internet-Zugang hatten (gab aus irgendwelchen unerfindlichen Gruenden nicht genug Zugaenge fuer alle). Auf einmal sagt einer (ziemlich ueberzeugend als ob er es gerade gelesen hatte), “Oh, Eriksson has resigned”. Fast der ganze Raum sofort, “What? Really? Finally! Good riddance” usw usf. Bis er dann sagte, “No, I made that up”.

    Und spaeter mokierte sich einer ueber die ganzen “Turncoats”: Nach dem beruehmt-beruechtigten 5-1 war er noch der “best manager ever” und jetzt hat er keine Ahnung? Auch die einheimischen nehmen die Presse nicht so ganz ernst, trotz aller Kritik an Eriksson.

  3. Letzteres unterscheidet sie wahrscheinlich von uns. Wenn sich hier jemand in der Boulevardpresse zu – sagen wir mal – der Torwartdiskussion äußert, ist das sofort ein großes Thema.

  4. … gibt’s dieses Jahr eigentlich nochmal Bundesliga?