F1 in Monza: Auflösungserscheinungen

Monza 2005 war eine der bizarreren Formel 1-Rennen des Jahres. Die Zahl der Überholmanöver war überschaubar und das Rennen über weite Strecken statisch und doch mit einem dramatischen Finale ausgestattet, so dass dabei dann doch ein Must-See-Rennen herausgesprungen ist, nein, wäre, wenn nicht… Klingt verwirrend und das Rennen war es auch.

Für den Fernsehzuschauer wäre das Rennen um einiges spektakulärer ausgefallen, wenn man fähige Regisseure und Kameramänner gehabt hätte. Was aber die RAI als Home-Broadcaster sich bereits im Laufe des gesamten Wochenendes geleistet hat, spottet allem was man im 21ten Jahrhundert noch für möglich hin. Das Highlight war dann die Übertragung des zweiten GP2-Rennens heute morgen, bei dem die Kameraführung nur noch Kraut und Rüben war und es tatsächlich geschafft hat, sämtlichen Überholmanövern aus dem Weg zu gehen, inkl. einem Schwenk von 20 Sekunden auf eine völlig leere Kurve.

Auch beim Formel 1-Rennen schaffte man es auf faszinierender Art und Weise bei sich ankündigenden Überholmanöver sich stattdessen auf den Boxenstopp von Schumacher zu konzentrieren. Die Jagd von Räikkönen auf Alonso über drei Schikanen hinweg, wurde von dem Worldfeed nicht eingefangen, sondern erst als Zeitlupe nachgereicht.

Bei einem Rennen das nun über weite Strecken nicht wirklich “action packed”, ist es umso bitterer wenn die wenige Szenen dann nicht eingefangen werden.

Zum Rennen. Das Rennen begann eigentlich bereits am Samstag als Räikkönen zwar die schnellste Zeit im Qualifying fuhr, wegen seines Motorwechsels aber um zehn Plätze zurückgestuft wurde. Montoya fuhr somit die de-facto Pole und dahinter Alonso.

Montoya ließ beim Start nichts anbrennen und sollte das Rennen in der Folge auch dominieren. Alonso konnte längere Zeit den Abstand auf 2 Sekunden halten, aber nach der ersten Runde von Boxenstopps wurden es 9 Sekunden Abstand auf Montoya. Damit sollte das Duell zwischen Montoya und Alonso eigentlich entschieden sein. Nach Plan für McLaren-Mercedes, die damit einen Sieg von Alonso verhindert haben würden.

Räikkönen startete von Platz und ließ es in der Startphase eher vorsichtig angehen. Villeneuve konnte sich an der ersten Schikane vor Räikkönen quetschen und spielte erstmal fahrendes Hindernis für Räikkönen, der bis in Runde 14, dem Boxenstopp von Villeneuve, nicht am Kanadier vorbei kam. Dann allerdings flutschte es für Räikkönen und wie die Rennrunden so ins Land gingen, zeigte sich plötzlich das Räikkönen anscheinend auf einer 1-Stopp-Strategie war. Bis zu seinem Boxenstopp, knapp vor Halbzeit des Rennens, war er bis auf 2,2 Sekunden an den führenden Montoya herangefahren. Nach dem Stopp positionierte er sich auf Platz 5.

Doch schon zwei Runden später verabschiedete sich die erfolgsversprechende Strategie von McLaren-Mercedes und Räikkönen als hinten links der Reifen an einer Rille Auflösungserscheinungen zeigte und Räikkönen an die Box musste und just wieder hinter Villeneuve auf die Strecke kam.

Räikkönen fuhr mit den Messer zwischen den Zähnen, kletterte auf Platz 4 ehe er sich in Runde 46 unbedrängt in der Schikane drehte und Trulli passieren lassen musste. 3 Runden später packte Räikkönen den Trulli mit einem gewagten Manöver in der Parabolica.

Das Rennen drohte nun endgültig einzuschlummern als plötzlich der führende Montoya 2 Sekunden langsamer fuhr. Sein hinterer linke Reifen zeigte die gleichen Auflösungserscheinungen an der Außenschulter wie Räikkönen. Hinter ihm rauschte Alonso heran, knapp 8 Sekunden Abstand und noch drei Runden zu fahren. Ein Boxenstopp wäre gleichbedeutend mit der Abgabe des Sieges gewesen.

Montoya fuhr gerade aus weiter, bog nicht in die Boxengasse ab, während Alonso Runde um Runde 1,5 Sekunden aufholte. Montoya wiederum fuhr wie auf Eiern herum.

Letztendlich brachte er das Fahrzeug heil über die volle Distanz, anders als Räikkönen der Ende Mai am Nürburgring in der letzten Runde mit zerfledderten Reifen den Sieg aus den Händen gab. Die Geschichte ist gut gegangen und nun kann man voll des Lobes für die Verve von Montoya sein. Aber wenn man die Aktion von Räikkönen/McLaren-Mercedes am Nürburgring als gemeingefährlich bezeichnet, so wird mir auch hier angesichts des Hochgeschwindigkeitskurses von Monza auch ganz blümerant einen Montoya so weiterfahren zu lassen. Mit den sicheren Chassis scheint die Hybris zu wachsen.

Montoya, Alonso, Fisichella, Räikkönen, Trulli, Ralf Schumacher, Pizzonia (für den verletzten Heidfeld) und Button in den Punkten.

Wieder eines der Rennen bei dem das Schicksal dem Alonso in die Hände spielte und Räikkönen ins Klo griff. Beide Renaults auf zwei und drei. Montoya kommt immer stärker auf. 24 Punkte in den letzten fünf Rennen.

McLaren-Mercedes hat derzeit ein sensationelles, aber wackeliges Paket. Räikkönen fuhr am Samstag mit dem schwersten Fahrzeug von allen, eine sehr, sehr imposante Pole-Position. Von den BARs überraschend wenig zu sehen, obwohl sie anfangs auf drei und vier fuhren. Stattdessen beide Toyotas fett in den Punkten. Williams mit einem weiteren üblen Wochenende (Webber hatte beim Start, von weit hinten beginnend, eine Kollision, musste an die Box). Pizzonia immerhin mit Schadensbegrenzung. Und Ferrari? Auf sechs und sieben gestartet, auf zehn und zwölf angekommen. Wieder war je ein Sauber (Massa, Villeneuve) schneller als je ein Fahrzeug des Ferrari-Werksteam (Schumacher, Barrichello).

n-tv schickte kurz nach Ende des Rennen eine Breaking-News-eMail mit dem Titel: Schumacher ist als Weltmeister enthront. Ach ja. Ein Nachrichtensender dessen Perspektive nicht weiter reicht als zwischen linker und rechter Pobacke.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Was war eigentlich mir Schumacher in den letzten Runden los?
    Kurz vor Schluß war er drauf und dran Button vom 8.Platz zu verdrängen, aber dann kommt mit über 30 Sekunden Rückstand, noch hinter Massa ins Ziel! Selbst der sonst so schumifixierte Jacques Schulz ging nicht darauf ein.

  3. Formula1.com verrät uns gnädigerweise was den nun Ex-Weltmeister am Ende noch zurückgeworfen hat:
    ” I was prepared to take some risks to get a point, but I risked a bit too much and went off the track, which lost me a place.”

    …das haben die Italienischen Fernsehleute wohl auch verschlafen. btw: nichtmal die Ferrariverliebten Heiko Waßer und Christian Danner haben gemerkt, dass Schumacher am Ende noch einen Platz verloren hat. Genau wie sie 4 Überholmanäver von Kimi erst Runden später bemerkt haben… das nenn ich Kompetenz! ;-)

  4. Gut dass ich das Rennen erpasst hab? Sehr ausführlicher Artikel, mehr als ein Monza-Rennen erwarten lässt.

    Die Reifen-Regel mag einem weiterhin nicht schmecken. Und mittlerweile plant man schon 2007/08 oder so wieder die Slicks zu bringen (mehr mechanischer Abtrieb und aerodynamischen Abtrieb reduzieren, für Überholerei) … also einmal im Kreis gedreht und zurück zu alten Tugenden.
    Wahrscheinlich wird die Tractions Controlle auch bald ein weiteres Mal abgeschafft und wieder erlaubt oder so.

    P.S.: Allein die Reifen mögen es nicht sein, letztes Jahr war der Zeitabstand Ferraris zu den anderen Bridgestone-Teams noch größer … ja, scheinbar haben die Minardi dieses Jahr mit dem ersten neuen Auto seit nem halben Jahrzehnt mehr voran entwickelt als Ferrari mit derem neuen Renner.