Screensport: der Tag nach dem PREMIERE-Coup
Der Streifzug durch die Websites der Zeitungen am Tag nach dem PREMIERE-Coup hat mir keine neuen, wesentlichen Erkenntnisse gebracht. Entweder haben die Zeitungen ihre wirklich vitaminreichen Artikel nicht online gestellt oder man begnügte sich mit dem Umschreiben der dpa-Meldung von Axel Höpner. In der Süddeutschen werden entsprechende Artikel durch teilweise veraltete Jubel-Meldungen über die PREMIERE-Aktie und den letzten Geschäftszahlen ergänzt. In der Börsen-Zeitung lesen sich die PREMIERE-Geschäftszahlen ungleich kritischer. Als Preis für die Championsleague werden Summen zwischen 65 und 75 Mio. EUR p.a. für Pay- und Free-TV-Rechte genannt. SAT.1 soll vorher 25 und PREMIERE 30-35 Mio EUR pro Jahr gezahlt haben.
Immer wieder wird das selbe Schreckensszenario gezeichnet: keine Bayern-Spiele mehr im freien Fernsehen. Die Ansage von Kofler ist klar: der aufzubauende oder zu erwerbende Free-TV-Sender – nennen wir ihn TV Kofler – soll in erster Linie PREMIERE mehr Zuschauer zuführen, die Leute anfixen um sich dann den reinen Stoff für 35 bis 43 EUR im Monat zu geben (Prepaids ausgenommen). Dennoch bezweifle ich das Kofler sich völlig über Marktgesetze und Einschaltquoten hinwegsetzen kann. TV-Kofler wird in der Prime-Time nicht komplett auf drittklassige Ramschware wie Rosenborg – Piräus setzen können. An dem Punkt an dem TV Kofler zum Ballast wird, hat er sehr schnell die Aktionäre an den Hacken.
Womit aber zu rechnen ist: wenn nach entsprechendem BVG-Urteil das staatliche Wettmonopol aufgeknackt wird, wird wohl der Inhalt von PREMIERE WIN massivst zu TV-Kofler gekübelt. Billiger Content der sogar Umsatz generiert. Weswegen ein TV-Kofler sich möglicherweise nur graduell vom derzeitigen DSF wie wir es kennen und lieben, unterscheidet.
Der, ich nenne es mal “progressivste”, Kommentar in der Sache, kam von der Süddeutschen:
Die [Kofler-]One-Man-Show wird dazu führen, dass Kofler wichtige Sportrechte bis hin zu Olympia den Öffentlich-Rechtlichen wegkauft. Dass er für viel Geld die Fußball-Bundesliga davon überzeugt, eine Sendung wie Sportschau erst spät am Samstagabend oder sogar erst am Sonntag zu erlauben. Dass er werbefinanzierte Sender wie das DSF akquiriert, um Rechte hin- und herzuschieben und Werbung füreinander zu machen. Dass er schöne Fernsehfilme produziert, die Kulturpreise bekommen. Kurzum: Dass er die Lücke füllt, die die großen Privat-TV-Gruppen von RTL und Pro Sieben Sat1 in ihrer Sparmanie und Couponschneider-Mentalität gerissen haben. Sie müssen mit eigenem Pay-TV nachziehen […] Wer aus einem Nonvaleur einen “Blue Chip” der Börsianer machen kann, der bringt am Ende womöglich auch dieses “duale Rundfunksystem” zu Fall.
Mal sehen wie lange das mit dem “Blue Chip” Bestand hat. Der aktuelle Aktienkurs von PREMIERE (25,39) liegt immer noch unterhalb des Ausgabekurs (28 EUR). Anfang 2005 hatte PREMIERE 3,247 Mio Abonnenten und Kofler kündigte für Jahresende 3,6 Mio Abonnenten an. In den letzten 6 Monaten sollen gerade einmal knapp 65.000 Abonnenten dazu gekommen sein, im letzten Quartal sprechen einige gar nur von 7.000. Mit anderen Worten: Kofler bleiben sechs Monate für schlanke 300.000 Neuabonnenten und die großen Renner bis dahin dürften nur der Bundesligastart und das Weihnachtsgeschäft sein. Der Rest muß mit Rabatten und “Bundling” herangeholt werden, was sich nur mäßig günstig auf die Geschäftszahlen auswirken dürfte.
Leider völlig unbeantwortet von den heutigen Zeitungen (zumindest in dem was mir online zugänglich ist) bleibt die Sache mit der EU. Wie Melkus in den gestrigen Kommentaren hinwies, haben die EU-Wettbewerbsbehörden just in Großbritannien in einem artverwandten Fall zugeschlagen. Die Wettbewerbsbehörden sind da etwas intransparent was ihre Maßstäbe sind. Denn in UK gab es Ärger, während der Deal mit Canal+ durchgewinkt wurde und auch gegen die zentrale Vermarktung der Championsleague kein Veto kam. Heute wird PREMIERE seine HDTV-Pläne in Berlin vorstellen.
Mittwoch
16h00 UCI ProTour: Vuelta, 5te Etappe 175km, EUROSPORT live
17h30 – 5h00 Tennis US-Open, EUROSPORT live
20h00 MLB Texas Rangers – Chicago White Sox, PREMIERE live + unverschlüsselt
1h00 MLB ESPN Wednesday Baseball Florida – St.Louis, NASN live
Reaktionen
Das heißt, dass ich jetzt in Zukunft 34,80 (24-mon) bzw. 37,80 (12-mon) zahlen soll, damit ich Formel 1, Bundesliga und in vernünftigerweise anschaubare Championsleauge-Spiele sehen kann?
Das ist doch krank. Ist es das wert? Aber irgendeine Beschäftigung braucht doch der Mensch unter der Woche, oder?
… oder dich nach günstigeren angeboten umschaust. entweder weil PREMIERE/Kofler noch irgendein schickes, günstiges paket schnüren werden oder du steigst auf die prepaid-angebote ein, wie es sie z.B. bei amazon.de gibt. größenordnung, wenn ich es richtig in erinnerung habe: zirka 180-300 EUR pro jahr, macht also “nur noch” 15,- EUR pro monat.
Wow, das bei Amazon kannte ich nicht. Kostet momentan EUR 177,- (=14,75 / Monat) und man Sport + Fußball live. Außerdem entfället die Aktivierungsgebühr (29,90).
Muss mich jetzt mal umschauen, was ‘ne Box gebraucht kostet…
Schon merkwürdig, dass ein Rumenigge sich jetzt als Retter des Zuschauers aufschwingen will. War er nicht derjenige der am lautesten mehr Fernsehgeld gefordert hat?
Schlimmer als jeder Politiker.
Rummenigges Statement kriege ich argumentatorisch auch nicht mit seinen bisherigen Aussagen unter einem Hund. Spontan würde ich sagen: da hat jemand Gegenwind von seinen Sponsoren bekommen.
Die UEFA hat die Klubs wohl vor der Rechtevergabe nicht kontaktiert, da ist Rummenigges Ärger schon verständlich. Letztlich hat Bayern ja mit dem alten Deal den Idealzustand erreicht: Pay-TV-Geld kassieren und im Free-TV ausgestrahlt werden. (Übrigens hat Premiere nebenbei bekannt gegeben, pro Spieltag sogar zwei Spiele (Di/Mi) im Free-TV zu zeigen, nur nicht unbedingt mit deutscher Beteiligung.)
Mal allgemein scheint mir, dass die jetzige Diskussion Kofler beim kommenden Bundesligarechtefeilschen nicht unbedingt helfen wird. Jetzt im Wahlkampf wird sich bestimmt auch noch ein Medienpolitiker finden, der mit einstimmt, und BILD scheint ja von der Pro7/Sat1-Niederlage überraschend nicht begeistert zu sein.