Das war die Tour 2005

Lance Armstrong holte zum siebten Mal Gelb und tritt ab. Das ist keine Sensation gewesen, sondern quasi auf Ansage gekommen.

Die Tour hatte dieses Jahr etwas aspetisches und überraschende Momente mussten fernab der Plätze eins und zwei gesucht werden.

Es ist nicht nur der alles dominierende Faktor Armstrong gewesen. Weniger häufig wurde über Abwesende wie Virenque oder Cipollini gesprochen. Ein Cipollini versetzte in der ersten Tourwoche das gesamte Feld mit seinen Sprints und seinen Geschichtchen außerhalb des Fahrrads in Aufregung. Ein Virenque, so diskussionswürdig sein Verhalten nach Aufdeckung seines Dopings gewesen ist, war aber auch einer jener Fahrer, die einfach mal ihr Herz in die Hand nahmen.

Das alles scheint inzwischen dem Kalkül und Strategien von Teamdirektoren gewichen zu sein. Und wenn am Ende nur Platz 2 statt 1 herauskommt, dann wird es mit der Beiläufigkeit eines Schulterzuckens hingenommen.

Drama durch Unvorhergesehenes passierte eher selten. Da kommt aus dem Nichts ein Rasmussen und holt sich Bergtrikot und den dritten Platz ehe das furchtbare Zeitfahren kam, das ihn auf einer Art und Weise zerlegte, wie ich es davor nur bei einem anderen Dänen, Bjarne Riis, gesehen habe, als dieser bei einem völlig verwarzten Tour-Zeitfahren vor lauter Wut abgestiegen ist und das Fahrrad in die Böschung schmiß (97 bei Ullrichs erstem Tour-Sieg?).

Die Geschichte eines Jens Voigt brannte sich mir mehr ein, als die Attacken eines Jan Ullrich.

Der Tour-Sieg scheint inzwischen eine Frage der Planung am Reißbrett zu sein und gelingt leider nur wegen oder trotz Mißachtung nahezu aller anderer Radsportereignisse, die so völllig zur Staffage für die Wasserträger der Tour verkommen. Der Verlauf der Tour spiegelt immer mehr das Artifizielle wieder. Anstatt sich einen Tourverlauf zu überlegen und die Bergetappen natürlich in den Zeitplan reinzulegen, wird alles um die Bergetappen herumkonstruiert. Am ersten Wochenende die ersten Bergankünfte, am zweiten Wochenende die zweiten und der Rest ist Garnitur.

Vielleicht habe ich aber einfach nur zuwenig Tour gesehen und so die ganzen Geschichten innerhalb des Pelotons verpasst.

Lance Armstrong gewinnt und wird auf ewig der Tour-Grande mit dem Sternchen bleiben. Basso wird Zweiter weil er am besten Armstrong folgen konnte. Ullrich zeigte sich letztendlich angriffig. Ein bißchen spät, aber vorallem bekam er seine Grenzen aufgezeigt. Um so deutlicher, wenn man bedenkt das aus dem Nichts sich ein Rasmussen eine ganze Zeit lang vor ihm in der Gesamtwertung lag.

Mit Armstrong tritt ein Fahrer ab, an dem man sich wenigstens reiben konnte. Die Gesamtwertung hinter ihm liest sich wie ein Reigen der Namens- und Farblosen. Es bleibt zu hoffen, dass es daran liegt, das Leute wie Popovych, Basso, Pereiro und all die anderen die 1977 und jünger geboren wurden, noch jung sind und ihre Geschichten erst noch schreiben werden.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Sehr kritischer Artikel über die Tour 2005,
    ich fand sie nämlich gerade gegen Ende hin richtig packend.
    Klar, Lance hat dominiert, und so Leute wie Leipheimer, Landis hängen NUR an irgendwelchen Hinterrädern, aber dank der Attacken von Basso und vor allem Ullrich (legendär sein Interview beim ZDF unmittelbar nach einer Etappe, Zitat: “ich versteh nicht was die frage soll, ich hab schon 20 mal gesagt die Tour ist in Paris zu Ende”) war auch das Klassement ganz vorne wenigstens ein bisschen spannend, und das Zeitfahren war doch an Entertainment wirklich nicht zu überbieten dank der dänischen Bergziege…
    Und dann Winos Coup gestern, da fährt noch einer mit Leidenschaft. Ich freu mich auf jeden Fall auf die Tour 2006

  3. Finde ich auch. Alles nicht falsch, aber sehr negativ gesehen.
    Auf Virenque und Cipollini verzichte ich gerne, dafür hatten wir einen (nicht nur gestern, aber da hat er sich ein Denkmal gesetzt) grandiosen Wino, dazu Totschnig und die Etappe seines Lebens, Klödens Attacke im Mittelgebirge, Rasmussen, den ewig attackierenden Pereiro bzw. bei den Sprintern Tom Boonen (Der auch der viel bessere Rennfahrer ist als Cipo.). Okay, Petacchi und Zabel haben empfindlich gefehlt.
    Was die Spannung an der Spitze betrifft, hat 2003 die Erwartungshaltung versaut. Und Ulle muss man die zwei Stürze ja wohl doch mildernd anrechnen. Wie er sich während der Tour immer wieder aus dem Loch nach der ersten Bergetappe gräbt, hat schon auch einen gewissen Wert.
    Zur Streckenplanung: Die Alpenetappen waren mitten in der Woche. Sehr gut fand ich das mittelgebirgige Ende statt dem ewigen Gesprinte in Bordeaux, das noch mal spannende Einzeletappen brachte und nach denen sich das Gesamtklassement täglich ein bißchen verschoben hat.

  4. Zur Strecke: ja, stimmt. Etappe 10 und 11 waren Di + Mi, ziehe ich wieder zurück.

    Zum Kampfgeist. Basso fand ich nicht sonderlich attackierend. Ullrich kann man zu gute halten, dass er es bis zuletzt versucht hat, wobei ich ihm sogar am ehesten die 18te Etappe zugute halten würde, in der er 30s auf Rasmussen gut gemacht hat.

    Ich habe 2003 eigentlich nicht vermisst, da ich seinerzeit kaum was von der Tour etwas mitbekommen habe.

    Was ich auf der Tour vermisst habe, war ein richtiger Kampf von “wichtigen” Fahrern (Fahrern die in irgendeiner Wertung oben waren). Ein Schlagabtausch, ein Punch und Gegenpunch. Stattdessen wirkten die Etappen, zumindest was das Gesamtklassement anging, wie mit dem Lineal gezogen. Und hätte es nicht einen absoluten Underdog mit Rasmussen gegeben, wäre die Tour seit einer Woche völlig platt gewesen.

    Das mit dem Mittelgebirge, da ist was wahres dran. Um die Konzentration auf einige wenige Etappen zu entzerren, sollte man nicht mehr Bergetappen, sondern Mittelgebirge einbauen, das dem Profil z.B. eines Jens Voigt entgegenkommt. Mit Vogesen und Zentralmassiv hat man ja genügend Gegenden.

    Ich halte Ullrich letztendlich für eine Übergangsgeneration. Nach Armstrong ist eigentlich der 77er-Jahrgang um Basso dran.