Tour 2005: J-11 – Am Tag danach

[14h27] Um nicht so wie gestern irgendwelche Limits zu sprengen, mache ich einen neuen Eintrag auf.

[14h04] Discovery Channel hat sich die Passivität nicht mehr anschauen wollen und hat im Peloton Tempo gemacht, worauf es das Feld zerrissen hat.

Vorne: Vinokurov/TMO, Botero/PHO, Pereiro/PHO
Dazwischen: Martinez/EUS
30 Köpfe umfassendes Feld: alle Favoriten, 43s hinter der Spitze, das ganze nur noch wenige Kilometer vor dem Gipfel.

Die Attacke von Vinokurov und Phonak, teilweise zehn Leute umfassend, scheint fehlzuschlagen, Discovery hat die Attacke abwehren können.

[13h22] Dies ist vielleicht schon der Schlüsselmoment der Etappe: der Vorsprung der zehn Verfolger ist binnen 10Minuten von 30 auf 60 Sekunden angewachsen und die Verfolger haben mit Botero, Pereiro und Mancebo potente und fürs Gesamtklassement relevante Leute.

Wenn sich der Vorsprung vergrößert: was macht das Peloton? Kann Team Discovery reagieren? Will es jetzt bereits reagieren? Sind CSC und T-Mobile opportunistisch und versuchen Discovery mit einem Steigerungslauf abzuschütteln?

Auf jeden Fall ist am ersten Berg bereits jetzt mehr Action als gestern vor dem Schlußanstieg.

[13h11] Alle befinden sich nun im Anstieg auf den Col de Madeleine, Kategorie HC. Zwei weitere Fahrer sind vom Peloton weggesprungen, darunter Oscar Pereiro Sio/PHO, eigentlich ein Kletterer und gestern im Spitzentrio den letzten Berg hochgestiegen.

Das wäre natürlich schon fett, zu versuchen 120km im Alleingang raufzustiefeln. Aber da gäbe es noch die Phonak-Kollegen Botero und Landis, die gestern um die Plätze zehn herum, 2min hinter Armstrong reingekommen sind. Der Alleingang von Pereiro riecht nach einer Vorbereitung einer Attacke für Botero oder Landis.

Und während ich das so schreibe, gibt es aus dem Peloton eine Attacke die die Gruppe um Pereiro vergrößert:
Vinokurov/TMO, Mancebo/ILL, Botero/PHO, Horner/SDV, Heras/LSW, Caucchioli/CA, Martinez/EUS.

Also hat Phonak heute was vor. Es erstaunt mich, dass von Illes Balears nur Mancebo, der Kapitän nachgestiegen ist.

[12h48] Dario Frigo ist inzwischen in Untersuchungshaft genommen worden.

Zum Tourgeschehen: seit knapp 20 Minuten ist man unterwegs. Vorne haben sich zwei Ausreißer 2’32 abgesetzt, allerdings ohne größere Bedeutung. Hushovd dürfte als Sprinter eher versuchen sein eigenes Tempo zu fahren als ernsthaft auf Etappensieg aus sein. Eine Sprintwertung gibt es heute übrigens sinnigerweise erst bei km 97,5, zwischen dem Col de Madeleine und Col du Télégraphe.

[10h21] Möglicherweise zweiter Dopingfall bei der Tour de France. Dario Frigo/FAS wurde heute heute morgen verhört, nach dem der Zoll gestern seine Frau festgenommen hat, die in einem Auto Doping-Präparate, u.a. EPO, bei sich führte.

Frigo war bereits 2001 wg. Dopings gesperrt.

[8h11] Wer sich wundert warum der Eintrag von gestern abgeschnitten ist: mein langer Eintrag hat im Laufe des gestrigen Tages vermutlich schlichtweg die Kapazität des Texteingabefeldes gesprengt. Oder des Datenbankfeldes… muss ich mir jedenfalls mal ansehen.

Ich greife mal den Kommentar von Nordlicht auf, weil er just jene Punkte nimmt, über die eigentlich gestern gerichtet wurde.

Ich bleibe dabei: die Tour ist normalerweise gelaufen. Es muss Armstrong schon etwas passieren, damit das noch ein offenes Rennen wird.

Das wäre zum einen die Stärke von Armstrong. Das war ja bis gestern das Fragezeichen: wie ist der “Schwächeanfall” von Team Discovery in den Vogesen zu werten: Fake oder reel. Das Team ist mit Sicherheit nicht mehr so stark wie in den Vorjahren, die Zahl seiner Helferlein hat sich schneller reduziert als gewohnt. Aber, und das ist das ganz große Aber, zu keinem Zeitpunkt hatte Armstrong weniger Helfer bei sich als seine großen Konkurrenten! Wenn es ein Team gab, dass das Tempo des Feldes vor und im Schlußanstieg bestimmt hat, dann waren es die blauen Jungs aus den Staaten. Ja, Team Discovery Channel ist schwächer, aber für die Tour reicht es.

Der nächste Faktor ist Armstrong himself. Auch hier eine eindeutige Ansage: da ist nicht ein Jota von Schwäche zu erkennen gewesen. Nix. Er hat vielleicht nicht mehr die Quantität an zermürbenden Zwischenspurts eingelegt. Aber wozu wenn der Rest eh bereits drei Serpentinen weiter unten kurbelte. In all den Jahren in denen Armstrong nun dominiert, hat er nur einmal einen (ich wiederhole: einen) schwachen Tag gehabt. Der Mann ist ein derartiger Perfektionist, dass man sich gar nicht auszumalen vermag, was für ein Ereignis den Armstrong eigentlich vom Sattel holen muss, damit ihm das Gelbe Trikots noch entrissen werden kann.

Wo von Stärke die Rede ist, muss auch auf die Schwäche eingegangen werden. Schwächen die bei den anderen Teams zu finden waren.

Das was gestern zu sehen war, war hinreichend ernüchternd.

Basso wird aufs Podium fahren, nicht mehr und nicht weniger. CSC hat anscheinend nicht die Fahrer um in den Bergen noch etwas großartig auszurichten. Zu früh war Basso völlig auf sich alleine gestellt. Eine enttäuschende Leistung insbesondere von Sastre. Wenn also von Teams die Rede ist, die mehr riskieren müssen, aggressiver fahren müssen, kann von CSC nicht die Rede sein.

Ja, und T-Mobile… Ein déja vu. Ein déja vu das ein eingekaufter, guter Fahrer plötzlich bei T-Mobile nicht mehr an seine alte Leistung anknüpfen kann (Oscar Sevilla). Ein déja vu dass vollmundig Attacken versprochen werden, dass Team aber ab den den ersten Steigungsprozenten lethargisch nach der Pfeife von US Posta… – oops – Team Discovery Channel tanzt. Da scheinen die Jungs einfach nicht aus ihrer Haut raus zu können.

Natürlich hat Ullrich körperliche Nachteile gegenüber Armstrong, kann keine so harschen Tempowechsel fahren wie der US-Amerikaner. Aber umso dringlicher wäre es, dass das gesamte Team versucht, dem Gegner seine, Ullrichs, Fahrweise aufzuoyktroieren.

Was steht in den nächsten Tagen an? Der Zusammenschluß der Gegner? Nein. Denn das große, einenden Ziel Armstrong zu schlagen, ist erst mal für alle weg. Jetzt schielt jeder auf den zweiten Platz im Podium und das stellt die Interessen von Basso diametral gegen die von Ullrich. Um so mehr, da Basso ohne Team in den Bergen da steht. Das macht “egoistisches” Denken noch notwendiger. Einen Vorgeschmack gab es letztes Jahr, als Basso opportunistisch mal mit Ullrich gegem Armstrong und später mit Armstrong gegen Ullrich fuhr. Da gibt es wohlgemerkt nix verwerfliches bei.

Die heutige Tour-Etappe hat den Nachteil dass es eine Ankunft nach einer 40km langen Abfahrt ist. Das heißt dass die Attacken am Berg früh zu erfolgen haben, denn jemand wie Armstrong ist ein eher exzellenter Abfahrer.

Schon der Moral wegen, muss TMO heute alles dransetzen um mit einem Gegenschlag zumindest Restbestände von Hoffnung am Leben zu erhalten.

Und dann gibt es die großen Unbekannten.

Rasmussen, der Däne mit dem Bergtrikot hat offensichtlich gestern viele begeistert. Mit nur 38s Abstand kann ihn Armstrong nicht auf die ganz leichte Schulter nehmen. Rasmussens Problem ist spätestens das Zeitfahren. Beim Prolog verlor er über drei Minuten auf Armstrong, d.h. wenn Rasmussen ernsthaft auf Platz 1 will, muss er aus den Pyrenäen mit 3-5 Minuten Vorsprung rausfahren. Aber vermutlich wäre er schon mit Platz 2 happy und wird daher versuchen sich so gut wie es geht, von Armstrong hochziehen zu lassen und Zeit auf Basso und Ullrich zu machen.

Illes-Balears. Das einstige Banesto-Team ist gestern bis zuletzt mit Valverde und Mancebo vorne dabei gewesen, während die Basken von Euskatel richtig böse aufs Maul bekommen haben (bester Fahrer gestern: Zubeldia 4’04, danach Camano und Martinez mit 14’04).

Insbesondere Valverde sah, relativ, locker aus, hat allerdings bereits angekündigt weiterhin für Teamkapitän Mancebo zu fahren. Valverde hat in der Gesamtwertung 3’16 und Mancebo 4’00 Abstand auf Armstrong. Das sind Abstände, wenn die Jungs an einem guten Tag in die Pyrenäen reinfahren, da kann man schon etwas mit anstellen. Valverde hat im Prolog 2’24 und Mancebo 2’31 aufgedrückt bekommen.

Gestern machten jedenfalls die beiden wesentlich eher den Eindruck von Joker und Geheimtipps als die Jungs in Magenta oder aus Dänemark.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. So, nun hat Armstrong das Klassement wieder “gerade rückt”… und wirklich attackiert.
    Alles darüber hier ist stichhaltig, und präzise analysiert.
    Ich fand allerdings die Leistung von Jan Ullrich nach schwerem Sturz sehr beeindruckend…

  3. hi,
    und ich kann das gejaule dieses “andy möllers des radsports” einfach nicht mehr hören.
    t-mobile hat wie immer kläglich versagt.
    das ist ganz subjektiv meine meinung, aber wie ein 90 kilo mann aus der kurve geweht werden kann, wie er immer wieder was zum vorschieben hat wenns drauf ankommt, das ist doch vodoo, oder wie oder watt?
    ride on
    haibi

  4. Angeblich war ja Rasmussen mal Mountainbike-Weltmeister. Von daher könnte er doch heute wunderschön auf der Abfahrt ins Ziel attackieren. Ob Armstrong dann wirklich das letzte Risiko eingeht und sich dranhängt?

  5. Denke, dass Ullrich heute am Galibier attackieren wird. Würde den letzten Touren ähneln, als er bei der ersten schweren Bergetappe schwächelte und am nächsten Tag versuchte Revanche zu nehmen. Dafür spricht auch, dass “Vino” so früh weggegangen ist. Zwar glaube ich nicht, dass er LA distanzieren kann, aber Basso, Valmerde, Mancebo und Leipheimer könnten da Probleme bekommen.