Generalprobe der Analysten
Der Confed-Cup ist eine Generalprobe auch für die Fernsehanstalten gewesen. Und um gleich ein Fazit zu ziehen: die Überraschung des Turniers ist für mich die ZDF-Studio-Equipe gewesen.
Lecker Orangen-Schoko-Eis für die
Herren Meier, Klopp und Kerner, Johannes B.
Jeder der öfters hier vorbei schaut, weiß dass mich schon beim bloßen Gedanken an Jopi Kerner Ekelherpes überkommt. Aber bei allem Ekel: das Studiotriumvirat Meier-Klopp-Kerner setzt neue Maßstäbe.
Der Archetyp des Sportanalysten kommt aus dem US-Sport, wo dem Kommentator “color commentator” ein, zwei Fachleute, die “analysts” zugewiesen werden. Der Kommentator konzentriert sich auf das Spiel, der Analyst meldet sich vorzugsweise zwischen den Spielzügen und “malt” auf dem Telestrator Aufstellungen und Spielzüge.
Aus irgendeinem Grund hat sich in Deutschland, als eines der ganz wenigen europäischen Länder, diese Aufgabenteilung nie durchgesetzt. Ich vermute den “Rummenigge”-Effekt. Das Duo Rummenigge-Faßbender hat dürfte hier auf Jahrzehnte verbrannte Erde hinterlassen haben.
Stattdessen gibt es in Deutschland die “Nachbereitung” durch Experten und Analysten. Auch so eine deutsche Eigenart. Abgesehen von Sport- und Lokalsendern, ist es normalerweise anderenortes usus nach Schlußpfiff ASAP die Sportsendung zu beenden.
In den Jahren A.R. (“after Rummenige“) holte man sich immer wieder Leute ins Studio zur Nachbereitung. Der erste der dauerhafteren Eindruck hinterließ, war “Kalli” Feldkamp, der wusste, dass es mitunter knackige Sätze bedarf um der Rolle gerecht zu werden.
Waldorf und Stadler
Der Hochscheitel
triumphiert in der ARD
Aber der Maßstab für die Nach-Spiel-Analyse setzte das Duo Delling-Netzer, sogar Grimme-preisgekrönt. Netzer war der Analyst, der sich nicht scheute auch gegen den Strich zu bürsten und auf Dinge hinzuweisen, die nicht offensichtlich waren, die nicht bereits zuvor 12 Millionen Zuschauer selber am Fernsehschirm gesehen hat.. Er war meinungsfreudig ohne das man das Gefühl hatte, dass da jemand wie Paule Breitner sich in der Rolle des ewigen Grantler gefällt, der Dinge nicht qua Wissen von sich geben muss, sondern weil er eine Rolle auszufüllen hat.
Das verbale Geholpere von Netzer wurde von den Spitzen von Delling überdeckt. Die beiden wurden zum Waldorf und Stadler des Fernsehen. Und so hat sich das inzwischen in den Jahren eingeschliffen und spätestens nach den stundenlangen Einsätzen zur EM 2000 wurde eigentlich alles gesagt was gesagt werden konnte, alle Wortspiele durchgespielt. Seitdem wird nur noch das alte Programm abgespult, beide spielen ihre Waldorf und Stadler-Rolle und der Dialog der beiden ist ungefähr so spannungsreich wie der Verwesungsprozeß von Toastbrot. Nach zweieinhalb Minuten das erste Bonmot über Netzers lange Haare, handgestoppte 73 Sekunden später wird über Netzers mangelnde Laufbereitschaft unter Weisweiler gewitzelt und so geht der Arbeitstag der beiden vorrüber.
Mein Name ist Knäckebrot, Ottmar Knäckebrot
Die einfachste Lösung um einen Analysten ins Studio zu rollen, sind ehemalige Trainer und Spieler. Das ist eine Lösunge die genauso naheliegt wie sie häufig daneben geht. Weil jener Experte einfach nix zu sagen hat. Es findet die Wiederholung vom bereits gesagten statt, nur dass es diemal nicht vom Kommentator ist, sondern von “kompetenter” Seite, dem Analysten gesagt und damit veredelt wird.
Hitzfeld, der lockere
PREMIERE-Plauderer
Einer der derzeit ganz tragischen Fälle ist Ottmar Hitzfeld, der derzeit bei PREMIERE Platz genommen hat.
Christoph Biermann und Ulrich Fuchs haben ein unterhaltsames Sachbuch über Fußball-Taktiken namens “Der Ball ist rund, damit das Spiel die Richtung ändern kann“ geschrieben. Für die zweite Auflage im Jahr 2000 hat Ottmar Hitzfeld ein Vorwort zum Buch beschrieben, was in der Logik lag, den Biermann lobt in dem Buch Hitzfeld über den grünen Klee.
Hitzfeld und Biermann kommen überein, dass es in der deutschen Öffentlichkeit zuwenig intelligente Diskussion über Taktiken und Strategien gibt, die Medien sich meistens auf Schlagwörter wie “Viererkette” stürzen und im Gegensatz zu anderen Ländern kein vernünftigen Diskurs stattfindet.
Und nun Ottmar Hitzfeld im PREMIERE-Studio.
Er geht mitunter schon stärker aus sich heraus, als man es vom steifen Trainer Hitzfeld gewohnt war und hat PREMIERE im Frühjahr eine große Freude bereitet, als er in einem Interview mit ungewohnt harschen Worten den Menschen Jose Mourinho kritisierte. Das waren neue Töne.
Aber sachlich, fachlich, kommt bei Hitzfeld nichts rüber. Sorry. Es ist die klassische Fachleute-Krankheit: das mit eigenen Worten zu wiederholen, was zuvor jedermann in zwainzig Zeitlupen schon während des Spiels gesehen hat.
Es werden die üblichen Standards abgefragt (“wie hätten Sie es gemacht?”, “der Dings ist doch ein guter Mann, oder?”) und Hitzfeld liefert das übliche bräsige 08/15-Zeug, die man mit ausgetauschten Namen auf 90% aller Spiele anwenden könnte. Gemessen an dem 2000 selbst formulierten Profil, ist Hitzfeld eine Enttäuschung. Ich würde mir Wünschen, dass PREMIERE mit sich und Hitzfeld nochmal ins Trainingslager geht und sich überlegt, was der Mann eigentlich im Studio soll. Denn an mangelnder Kompetenz kann es bei Hitzfeld nicht liegen.
New Kids on the Block
Als ich anfänglich gehört habe, dass das ZDF Meier, Klopp und Kerner palieren lassen will, habe ich eine mittlere Katastrophe befürchtet. Schiedsrichter Urs Meier machte keinen charismatischen Eindruck, Jürgen Klopp, so nett er ist, wirkte irgendwie als ob er für Clownerien sorgen sollte und JB Kerner… No comment.
Muss ich alles zurücknehmen. Kurioserweise erweist sich Dampfplauderer Johannes B. Kerner als ziemlich guter “Anchorman”. Durch sein hohes Tempo hat die Vor- und Nachbereitung viel Zug und man beschränkt sich auf das Essentielle. Manchmal würde man die eine oder andere vertiefende Frage sich wünschen, aber es passt schon… Gerade im Fall Hitzfeld sieht man wieviel es ausmacht, wenn der Moderator die richtigen Fragen stellt. Gerade im Fall Delling/ARD sieht man, wie wohltuend es ist, wenn ein Moderator sich im Dienste der Sache zurücknimmt. Dass ich “sich zurücknehmen” einmal im Zusammenhang mit Kerner schreiben würde, hätte ich mir auch nicht erträumt.
Urs Meier ist mit der Zeit aufgeblüht. Der kleine schüchterne Schweizer kriegt nicht nur sein Mund auf, er ist auch aufmüpfig und wider Erwarten hat er sogar einiges zu sagen. Ich hatte schon befürchtet, dass er nach jedem Spiel zwanzig Abseits-Szenen serviert bekommt und diese einzelnd abnicken oder negieren soll. Im Gegenteil, die zwischenzeitlichen Kabeleien mit Franz Beckenbauer (“Jo, do könnts ihr gloach zwanzg elfmoater pfeiffn“) waren durchaus witzig ohne wie bei den ARD-Kollegen konstruiert zu wirken.
Dreitagebart gewinnt gegen Hochscheitel
Für einen Trainer als Analyst ist der Job im Fernsehen nicht einfach. Schnell wird er – siehe Ralf Rangnick – als Fachidiot abgestempelt, der daraufhin jahrelang den Spitznamen “Professor” hören muss.
Was Jürgen Klopp nun die Spitzenposition unter den Fußball-Analysten einnehmen läßt, ist die Balance die er schafft: kumpelhaft zu wirken und fachlich/sachlich gute Sachen zu sagen. Esist interessant und hat Neuigkeitswert. Ein Analyst ist dann gut, wenn der Zuschauer sagen kann: “Hoppla, das habe ich nicht gewusst”.
Wie sehr Jürgen Klopp eine neue Generation von Analyst im deutschen Fernsehen ist, zeigt der virtuose Umgang mit dem Telestrator. Er ist meines Wissens der erste Experte in Deutschland, der unfallfrei und sinnig am Screen zeichnen kann. In der ARD artete dieses eine Zeitlang zum Kampf gegen die Bedienoberfläche, beim Klopp sitzt der Cursor und der Strich und das Gerät wirkt als sinnvolles Instrument für Klopp. Klopp ist der erste Fußball-Analyst der damit den US-amerikanischen Football-Pendants das Wasser reichen kann.
Das ZDF hat mit diesem Trio die Vor- und Nachberichterstattung zum Pflichtprogramm gemacht und ein Jahrzehnt Netzer-Delling aus der Fernsehlandschaft geblasen. Wenn das ZDF jetzt noch in sich gehen könnte und seine Übertragungen nicht mit Gewinnspielen und HEUTE-Nachrichten verhackstücken würde, wären wir eigentlich schon am Optimum dran.
Reaktionen
BRAVO!
Waren es damals bei der ARD nicht Rummenigge und Rubenbauer?
Rummenigge hat auch mit Rubenbauer “analysiert”, aber bekannter dürfte die Paarung Faßbender – Rummenigge sein, legendär durch das 90er-WM-Spiel Deutschland – Holland mit der verbalen Kriegserklärung Faßbender “Schickt den Schiri zurück in die Pampa”. Beide haben sich in dem Spiel gegenseitig angestachelt und sind wahrscheinlich nach dem Spiel moradierend durch italienische Gassen gezogen und haben alles Argentinische kurz und klein geschlagen.
Ich muss da voll zustimmen, gerade Klopp am “Zeichentisch” hat das ganze sehr gut gemacht, auch vor dem Spiel Deutschland-Brasilien hat er die möglichen Lücken aufgezeigt und die möglichen Verschiebungen im Spiel. Er war der erste, der wirklich mit sowas umgehen konnte und es auch ausgenutzt hat!
Da ein Freund von mir genau in dem Business TV-Grafik für Sport arbeitet, weiß ich auch, dass es da schon einige andere Versuche gab, die aber allesamt auch an der Unlust des Experten, sich mit der Technik zu beschäftigen, gescheitert sind, auch bei Premiere oder in der ARD.
Joa Delling-Netzer, das schmeckt wie altes Bier das schon einen Tag rum steht.
In der Tat, früher hatte das Duo was, aber heute hat man wirklich das immergleiche Gefühl alte Speisen vorgesetzt zu bekommen. Die künstlich angehauchten Zankereien kann man sich kaum antun (ich erwarte noch, dass die beiden sich die kleine Mädchen an den Mähnen ziehen) und Netzer wirkt im Großen oberflächlich betrachtet nur noch wie einer der ständlich rummault…
Ja das ZDF gewinnt bei seinen Sportübertragungen schon an Qualität.
Das ZDF hat trotzdem einen Nachteil: es hat durchgängig miserable bis dümmliche Reporter. Deshalb hebt sich Klopp auch so wohltuend ab, weil er auch einmal dem nichtssagenden Gerede von Kerner etwas entgegensetzt.Ständig dieses Generve mit den Torhütern, von denen es nun mal mehrere gibt von der Klasse eines Kahn.
Oder das Reinhauen in die “veröffentlichte Meinung” in Sachen Huth oder Klinsis eigenwillige und erfolgreiche Aufbauarbeit. Da kam er bei Klopp an den Richtigen.
Delling-Netzer sind ein absolutes Traumpaar, dagegen kommt das ZDF langweilig vor, die eben alles nochmal wiederholen was schon klar war und gesagt wurde! Na klar lockern die 2 Sympatieträger Klopp und Meier die Sache auf und diskutieren fleißig mit, nur wenn es um Unterhaltung kombiniert mit Fußball geht, sind die 2 auf ARD besser!
[…] Doch was muss ich feststellen? Mir ist bereits jemand zuvor gekommen. […]
Meiner Meinung nach sind Netzer und Delling spitze.
Ich sehe die beiden schon lange und habe keinen Witz
zweimal gehört. Klar ist Netzer eine spezielle Figur
des (aktiven) deutschen Fussballs gewesen und ist ne gute
Zielscheibe für Delling, aber eben jedesmal anders.
Am meisten erinnere ich mich an die letzte WM wo
Netzer sagte: “Die Hitze macht den Spielern zu schaffen, da
können sie sich nicht so bewegen.” Darauf Delling:
” Bei ihnen hat das dann aber damals nicht nur an der Hitze
gelegen.” Und Netzer: ” Das ist jetzt das unverschämteste
das sie jemals gesagt haben.” Und Delling sah wirklich so
aus als würde er überlegen sich zu entschuldigen.
Das ist ganz großes Kino.
@kewlroi:
Aber solche Sprüche gibt es immer wieder, wo Delling immer wieder auf die vermeintlichen Unfähigkeiten Netzers anspielte.
Delling und Netzer sind Gold wert und sollten (ganz analog zu Statler udn Waldorf während der Muppet-Show) eigentlich einen zusätzlichen Einsatzort bekommen: Im Kasten, während des Spiels als Livekommentar, was allemal besser als jedes Beckmann-Spiel wäre. Ich denke, da käme noch deutlich mehr Fußballkompetenz von Netzer rüber. Das Lob für die Veranstaltung mit Kerner, Klopp und Meier kann ich nur ansatzweise nachvollziehen. Aber vielleicht nervt Kerner mich einfach zu sehr, so dass ich mich nicht auf die anderen beiden konzentrieren kann.
Ich kann mich nur dogfood anschliessen. Netzer/Delling sind inzwischen derart öde, dass ich fast jeden Satz mitsprechen kann und liefern überhaupt keine Analysen.
Kloppi ist wirklich der mit Abstand beste Analyst, den es im deutschen Fernsehen zu bewundern gibt. Fachlich kompetent und interessant, dazu ist es einfach schön wie er immer wieder JBK mit einem kurzen Spruch die Luft rauslässt. Und der Einsatz des Telestrators (das Wort kannte ich vorher nicht) ist wirklich aufschlussreich, wenn auch nicht ganz so sinnig wie beim Football, was natürlich daran liegt, dass man ein Football-Spiel viel besser in einzelne Spielzüge zerlegen kann.
Wirklich klasse war die Kloppsche Aufbereitung des 1:0 von Frankreich gegen Brasilien. Da ist einfach nix Spielerei oder Zeitverschwendung.
Delling/ Netzer als Kommentar ist btw. gar keine so schlechte Idee. Schlechter als Beckmann wirds schon nicht sein, wenns aufgeht ist es viel Sachverstand und die Situation würde die beiden evtl. auch wieder etwas entkrampfen. Außerdem muss ich dann nicht mehr die sinnfreien Rubbeleien von Delling an seiner mörderhypermodernen Touchscreen-O-Matic ertragen, bei denen er prinzipiell nicht weit genug zurückspult..
Die Muppets Show mit Delling und Netzer ist schon gut und ich habe sie immer genossen, aber Jürgen Klopp bringt nicht Fachleuten das Spiel näher und erklärt die Spielzüge und die Fehler im Spiel so gut und genau, dass sie jeder sofort versteht. Abgesehen davon, dass er mit seiner spritzigen Art jeden mitreisst und kein Blatt vor den Mund nimmt.
Auch wenn er manchmal als Vollbluttrainer mit Urs Meier nicht immer einer Meinung ist, so hat mich seine Anteilnahme nach dem Ausscheiden der Schweiz sehr berührt. Genau so und nicht anders wollen wir ihn für die EM und dann die WM wieder haben, selbst wenn JBK sich mit 3 Tagebart danebenstellt und meint er sähe dann annähernd so gut aus.
Einmal bin ich in einer sogenannten Premiere Sportsbar gelandet und was ich dort miterleben musste, war so unter aller Kanone, dass ich mir egal wen von der ARD oder ZDF zurückgewünscht habe. Bis auf Marcel Reif, der auch besser bei den öffentlichen geblieben wäre, ist das doch ein samelsurium von unsäglichkeiten auf Premiere.