Durchfall: F1 in den USA
Das Motorsportportal Pitpass.com hat den adäquaten Aufmacher zum Rennen, nach dem Motto “Fuck Formel 1, wenn ihr die Serie in Grund und Boden rammt, werden wir eben auch nicht darüber berichtet”.
So eiskalt Michael Schumachers Aussagen scheinen, trotz der Riesenschlagzeilen in den nächsten Tagen, werden die Auswirkungen wahrscheinlich eher mau bleiben. Die größte Frage ist: hat Tony George, der Besitzer des Indy Speedways, noch Interessen den Vertrag mit der Formel 1 zu verlängern.
Ansonsten gab es nicht viel Boden zu verlieren. Dieses Rennen ist z.B. eh nicht auf einen der großen Networks gelaufen (hat CBS nicht in den letzten Jahren übertragen?) und ein Zuschaueraufkommen von 80 – 120.000 Zuschauer kriegt man in den USA überall hin, solange man minimum zwei Pylonen aufstellt und Eintrittgeld nimmt. Ansonsten ist die USA eh derzeit kein Territorium für eine Open-Wheel-Rennserie.
Die Leute von Pitpass spekulieren, dass Michelin in den nächsten Tagen richtig saftig von Ecclestone und der FIA abgewatscht wird und Michelin möglicherweise sogar sich aus der F1 zurückziehen wird.
(Pitpass berichtet übrigens auch, dass die FIA angeboten hat, eine “Speedtrap” in der Steilkurve zur Kontrolle der Geschwindigkeiten aufzustellen).
Das heutige Rennen hat auch die tiefe Spaltung der Teams gezeigt. Hier die völlig isolierten Ferraris, dort die anderen Teams (wobei bei BMW-Williams anscheinend nur der BMW-Part gesprächig war) und in der Mitte die opportunistischen Jordan und Minardi die das Lied des jeweiligen Brötchengebers singen.
Unterm Strich haben wir ein originelles “Rennen” gesehen – ich habe mich zumindest selten vier Stunden am Stück derart über die F1 amüsiert wie heute – die WM ist spannender geworden (Schumacher 3 Punkte hinter Räikkönen, 25 hinter Alonso) und in drei Monaten wird keiner mehr von der “Schande Amerikas” sprechen. Was will man als Zuschauer mehr. Sportsmanship in der F1? Come on…
Reaktionen
Ich bin mal gespannt wer bald von wem Geld verlangen mag … so ziemlich jeder hat ja nun Verluste eingefahren oder wird Verluste einfahren. Zuschauer, Veranstalter, Fernsehsender, die Michelin-Teams etc….
Eine rosige Zukunft der Formel1 in Indianapolis kann ich mir momentan nicht vorstellen.
Dass Ferrari irgendwie immer ihr eigenes Süppchen kochen wird mal wieder deutlich. Sicher, sie waren nicht Schuld an dem Debakel, aber dennoch votiert man bei den Roten lieber zu eigenen Gunsten als zu Gunsten des Sports.
Naja, Ferrari mag sein eigenes Süppchen kochen, aber nachvollziehbar ist die Haltung auch: Warum jetzt nachgeben, wenn Michelin Mist gebaut hat? Als Bridgestone zum Beginn der Saison keinen konkurrenzfähigen Reifen am Start hatte, wurde Ferrari auch nicht durchgewunken.
Nein, den Schuh muss sich Michelin anziehen – die Franzosen haben es verschlafen einen funktionierenden Reifen an den Start zu bringen und dann einfach zu hoch gepokert. Hätte man den Teams ein Speed-Limit auferlegt, hätten McLaren und Renault trotzdem wertvolle WM-Punkte geholt. Diese Schikanen-Lösung konnte nicht funktionieren, aber es war auch von Beginn an klar, dass da Ferrari nicht mitmacht, warum auch?
Schade für die Formel1. Etwas Positives hatte Indianapolis trotzdem: es ist an der Spitze wieder etwas spannender geworden – aus dem Zweikampf könnte noch ein Dreikampf werden. Mal abwarten.
Der schwarze Peter liegt ganz klar bei Michelin. Mal eben die Strecke noch schnell umbauen, um das ungeeignete Material einiger Teams – selbst wenn sie die Mehrheit bilden – auszugleichen, hätte mit regelrechtem Sport nichts mehr zu tun gehabt. Und was wirft man nun Ferrari vor? Das sie die Punkte nicht weggeworfen haben, die sie glücklich hinterher geworfen bekamen, weil sie mit Bridgestone dieses eine Mal richtig lagen? Alle Teams hätten starten sollen, die Michelin-Teams hätte sich neue Reifen besorgen und die Strafe für diesen Regelverstoß einstecken sollen. Das wäre die beste Lösung gewesen.
Wenn ich zum Rennen gehe möchte ich für das viele Geld einfach ne Show sehen. Das gestern war Bullshit, wer immer auch schuld war. Solange solche Leute wie Eclestone am Ruder sind werde ich auf jeden Fall nicht mehr hingehen.
Wobei mich der Grund interessieren würde, warum Michelin derart aufgelaufen ist. PREMIERE hat immer wieder diesen unglaublich aufgerauten Asphalt gezeigt (Wie mit dem Rechen sind durch Rillen eingezogen worden).
Nun sind Michelin auch keine Deppen und ich nehme an, sie haben sich die Geschichte im Vorfeld angeguckt. Wurde der Belag erst danach aufgerauht (falls wirklich das das Problem gewesen sein soll)? Hatte Bridgestone ein Vorteil, weil sie den ganzen Mai mit den Indy500 und dem langen Qualifikations-Prozedere Reifentest frei Haus bekommen haben?
Da steckt möglicherweise auch noch Zündstoff.
Auf dem aufgerauten Asphalt wurden wohl bereits die Indy 500 gefahren – ohne größere Reifenprobleme bei irgendeinem Team. Im Gegenteil. Der Asphalt wurde mit Millionenaufwand so hergerichtet, weil der neu aufgetragene Asphalt allen zu glatt war. Es war zwar wohl klar, dass das keine optimale Lösung ist, aber eine, mit der alle leben können. Und schließlich: Bridgestone hat’s ja auch geschafft.
Bei F1Total gibts auch nen Artikel mit der schönen Überschrift ” Was vor dem Rennen wirklich passiert ist”. (http://www.f1total.com/news/05062016.shtml)
Darin steht u.a. folgendes: “Folglich waren die Michelin-Teams gezwungen, mit ihrem Kompromiss einen Schritt weiter zu gehen. Noch vor Mittag lag das Angebot auf dem Tisch, ein Rennen mit einer Schikane zu bestreiten, aber ohne WM-Punkte für Michelin-Autos. Das hätte bedeutet, dass die Zuschauer immerhin ein Rennen gesehen hätten […]”
Wenn das wirklich so war, dann muss man allerdings Ferrari auch einen guten Teil der Schuld dafür geben, dass die Zuschauer kein richtiges Rennen gesehen haben. Denn mit dieser Regelung hätte das eigentlich auch für Ferrari akzeptabel sein müssen, denn das Endergebnis wäre dann nicht viel anders gewesen als jetzt.
Irgendwann im Laufe der Berichterstattung wurde auf RTL oder Premiere auch von dem Gerücht berichtet, dass die Michelin-Teams den Bridgestone-Teams für den Einbau einer Schikane die ersten sechs Startplätze angeboten hätten.
Ob da wirklich was dran war, wird man wohl nie erfahren.
@Dirk:
Wenn dieser Vorschlag (Rennen, keine Punkte für Michelin-Teams, aber schon für Bridgestone-Teams) tatsächlich so auf dem Tisch gelegen hat, dann würde ich auch eine deutliche Teilschuld an dem Debakel bei Ferrari sehen. Es wäre aus meiner Sicht ein akzeptabler Vorschlag gewesen, die Michelin-Teams quasi außer Konkurrenz fahren zu lassen. Ich hatte bislang immer nur gehört, dass das ganze als No Contest gewertet werden sollte – also auch keine Punkte für Bridgestone-Teams.
(Stellt sich nur die Frage, ob die Bridgestone-Teams sich dann fair verhalten hätten und im Wissen um ihre Nicht-Wertung Kamikaze-Aktionen gestartet hätten. Wir werden’s nie erfahren…)
Es gibt einen sehr aufschlußreichen Artikel bei pitpass.com über eine Pressekonferenz die Jean Todt/Ferrari inzwischen gegeben hat.
Es sieht für mich immer stärker danach aus, als habe sich Ferrari absichtlich aus den Entscheidungsprozessen rausgehalten um die Entscheidungsfindung zu erschweren und sich bewusst von den GWPC-Mitgliedern zu distanzieren.
Es gab genügend diskutable Kompromißvorschläge auf dem Tisch, die sowohl für FIA als auch Ferrari akzeptabel gewesen wären.
Ja, es sieht für mich auch so aus, als hat (auch) Ferrari einer Machtprobe willens, das Rennen gegen die Wand fahren lassen. Sozusagen.
Ich fühle mich durch das offizielle FIA-Statement bestätigt. Darin erklärt die FIA auf dem ersten Blick durchaus sinnig und lobenswert:
… aber die Erklärung hakt an einem entscheidenden Punkt: an den Fakten. Indianapolis ist aufgrund des Infields keine “Ultra-High-Speed”-Strecke. Die Durchschnittsgeschwindigkeit ist nahezu identisch mit der z.B. von Barcelona. Das verdeutlicht wie langsam das Infield ist und das macht m.E. deutlich, dass ein Reifen der das Infield packt, auch einer Schikane in der Steilkurve standgehalten hätte.
Die FIA wirkt mit dieser Erklärung schlichtweg halsstarrig. Hier ging es allenfalls um das “sich im Recht fühlen” aber nicht um die Sache. Zusammen mit dem – gelinde gesagt – nicht proaktiven Verhalten von Ferrari, wirkt das gestrige Debakel eher wie eine weitere Etappe im Gefecht zwischen GPWC (oder wie immer sie auch heißen mag) und den “Konservativen” rund um FIA,. Ecclestone und Ferrari.
Nachtrag: weil die Runde machte, dass die Michelin-Aktie in Paris abgestürzt wäre: der CAC40 schrieb heute rote Zahlen, -0.4%. Michelin ist am Ende des Tages bei -1,07% notiert. Zwischenzeitlich waren es maximal 2,50%. Selbst 2,5% wären noch kein “Absturz”.
[…] [NACHTRAG um 17:07] Offensichtlich kann sich da keiner von Schuld frei machen: dogfood über das Verhalten von Ferrari […]