Zeilensport: vor heute und vor morgen

Melkus wies vor einer Woche auf einen Dokumentarfilm über den FC Barcelona in der vorletzten Saison hin. Möglicherweise ein Dokumentarfilm von Justin Webster, ich weiß es nicht. Aber jener Justin Webster hat auch vor zwei Jahren einen Dokufilm gedreht und die Ankunft von Ronaldinho in Barcelona gefilmt.

Und jener Webster hat am Wochenende ein langes Portraitstück über Ronaldinho für den Observer geschrieben. Sportjournalismus galore.

Ronaldinho’s second season in Barcelona has not been as heroic as the first, when, virtually single-handed, he dragged the team up the table after a disastrous start to the season and ensured that they qualified for the Champions League. But it has been as rich, if not richer, in the moments that more precisely define him. One example: when, as they say in Spain, he invented a goal, the second against Chelsea at Stamford Bridge during the Champions League quarter-final. Who can forget what happened? Ronaldinho stopped, standing with the ball at his feet, just outside the area, with the whole of the Chelsea defence well positioned in front of him. Then, from there, he toe-punted the ball into the back of the net. Petr Cech, the Chelsea goalkeeper and probably the best in Europe, hardly moved.[…]

‘The goal against Chelsea comes from playing with joie de vivre,’ says Golobart. ‘Every time Ronaldinho has the ball he believes he’s capable of creating something that will lead to a goal. He has a footballing component, the capacity for improvisation, which is the only way – by means of surprise – to overcome organised defensive systems. It’s a component – and here I’m being more philosophical, but I think it’s true – that gives him the sort of stardom he needs. He needs to feel he’s the essential link in the team. I believe the great explosion of Ronaldinho could not have happened until a club in crisis had to look to a fi gure to save them. His ego needs this.’

Pflichtlektüre, nicht nur weil Ronaldinho am Sonntag eine Wahnsinnspartie gegen Paraguay abgeliefert hat und heute nacht gegen Argentinien spielt.

Vor heute abend

Inzwischen ist einiges hinsichtlich der deutschen Nationalmannschaft wieder zurück zur Normalität gekehrt. Zum Beispiel die so typischen medialen Strömungen. Nach fast einem Jahr Ruhe und Erfolgsgeschichten, schlägt das Pendel zurück und nun ist alles wieder ganz schlecht.

Auffällig ist wie sehr die Journalisten inzwischen das von Klinsmann-Bierhoff-Löw eingeführte Marketing-Vokabular übernommen haben. Wenn die FAZ Bastian Schweinsteiger portraitiert, dann mit Terminologien wie “Ins Marketingraster von Oliver Bierhoff, dem Manager der Fußball-Nationalmannschaft, paßt Bastian Schweinsteiger schon jetzt perfekt.” oder “verkörpert der zwanzig Jahre alte Münchner das erwünschte Bild“.

Nicht anders die Süddeutsche, in der aber Christof Kneer unter dem Titel “McKlinsi entwickelt eine neue Marke” eine recht treffende Analyse trifft.

„Wir freuen uns auf die WM 2006, aber ich weiß, dass wir bis dahin noch viel Arbeit vor uns haben und viel lernen müssen.“ So ehrlich hat wohl schon lange kein Bundestrainer mehr den Zustand des deutschen Fußballs benannt, und es ist nicht mehr zu übersehen, dass der deutsche Fußball auf Identitätssuche ist.

Es ist nicht mehr dieser Fußball, der sich darauf verlassen kann, dass am Ende wieder die Tugenden kommen und ihn retten.

Klinsmann hat schnell erkannt, dass das nur noch trügerische Klischees sind, und tatsächlich zeigen allein die Debatten der letzten Tage, dass all das nicht mehr gilt, was der deutsche Fußball immer so gern geglaubt hat. […]

Intern heißt es, die Auswertungen der Fitnesstests seien keineswegs zur Zufriedenheit ausgefallen; nicht zufällig hat Klinsmann zuletzt öffentlich Klage geführt über die mangelnde Tempo- und Konditionshärte der deutschen Europacup-Starter.

Die physische Vorsprung scheint von der Konkurrenz nicht nur wettgemacht, wie Rudi Völler stets erklärte; Klinsmann fürchtet offenbar, dass die Konkurrenz längst vorbeigezogen ist.

Also fangen wir bei den Basics an. Mit Juri Löw im Tagesspiegel-Interview.

Heute ist eine hohe, starke physische Präsenz nötig. Also Spieler, die in der Lage sind, über 90 Minuten ein hohes Tempo zu gehen, die eine hohe Handlungsschnelligkeit besitzen. Sonst häufen sich die Fehler. Das ist die Basis. Es führen viele Wege zum Erfolg. Spielst du eher defensiv und setzt auf Konter, oder willst du mehr agieren? Wichtig sind eine gewisse Grundordnung in der Defensive und eine variable Offensive. Das Umschalten ist heute im Spiel das Wichtigste. Also, wie schnell schalte ich um, wenn ich den Ball verliere, und wie schnell schaffe ich es, wenn ich in Ballbesitz gelange, den Gegner zu erwischen? […]

Ich muss schnell in die Tiefe spielen, das Mittelfeld schnell überbrücken […]

Die Mittelfeldspieler brauchen nicht immer jeden Ball sofort, sondern kommen erst ins Spiel, wenn die Stürmer angespielt sind. Oder du musst, wenn der Gegner angreift, in Ballbesitz kommen. Dann ist der Gegner relativ unorganisiert, weil der sich gerade freiläuft. Und dann musst du innerhalb kürzester Zeit den Ball gewinnen und vor das gegnerische Tor treiben. Wenn ich den Ball aber gewinne und lasse ihn lange in den eigenen Reihen laufen, organisiert sich der Gegner wieder. Das kann Chelsea ganz gut. Gegen Barcelona hatten die Engländer wenig Ballbesitz, aber als sie in Ballbesitz kamen, spielte der Lampard ein, zwei Pässe, und das war erfolgreich.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Erstaunlich: Legt aas jetzt schon Basti Schweinsteiger die Versprecher in den Mund?

    dogfood schrieb gestern um 17:17:

    Also fangen wir bei den Basics an. Mit Juri Löw im Tagesspiegel-Interview.

    Schweinsteiger sagte gestern kurz vor Mitternacht, laut SpOn:

    Ob er denn nach seiner Leistung gegen Russland fortan zu den etablierten Spielern gehöre, wurde [Schweinsteiger] gefragt. “Naja, das kann ich nicht beurteilen, das ist der Job von Jürgen Klinsmann und Juri Löw.” Gelächter. “Tschuldigung, Jogi Löw”, korrigierte sich der Nationalspieler mit einem Grinsen.

    :-)